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Väter und Söhne

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am08.12.20171. Auflage
Über Sehnsüchte und Ängste in Zeiten des Übergangs Wozu festhalten an Idealen und Werten? Ist doch alles falsche Romantik, also weg damit! Basarow, Medizinstudent aus Petersburg, ist Nihilist und als solcher Teil einer radikal-liberalen Jugendbewegung. Als er seinen Freund Arkadij auf dessen Heimreise zum väterlichen Gut begleitet, verliebt er sich in die junge Witwe Anna, was ihn existenziell erschüttert. Sollten die alten Wahrheiten, die Wahrheiten der Väter, etwa doch noch gelten? Dies herauszufinden, offenbart sich Basarow nur ein einziger vernünftiger Weg: erst Konfrontation, dann Kollision.

Iwan S. Turgenjew, geboren 1818 in Orel, gestorben 1883 bei Paris, studierte Literatur und Philosophie. Er begann zunächst als Lyriker, schrieb dann sechs Romane und zahlreiche Novellen. Turgenjew gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des russischen Realismus und zählt zu den großen europäischen Novellendichtern.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextÜber Sehnsüchte und Ängste in Zeiten des Übergangs Wozu festhalten an Idealen und Werten? Ist doch alles falsche Romantik, also weg damit! Basarow, Medizinstudent aus Petersburg, ist Nihilist und als solcher Teil einer radikal-liberalen Jugendbewegung. Als er seinen Freund Arkadij auf dessen Heimreise zum väterlichen Gut begleitet, verliebt er sich in die junge Witwe Anna, was ihn existenziell erschüttert. Sollten die alten Wahrheiten, die Wahrheiten der Väter, etwa doch noch gelten? Dies herauszufinden, offenbart sich Basarow nur ein einziger vernünftiger Weg: erst Konfrontation, dann Kollision.

Iwan S. Turgenjew, geboren 1818 in Orel, gestorben 1883 bei Paris, studierte Literatur und Philosophie. Er begann zunächst als Lyriker, schrieb dann sechs Romane und zahlreiche Novellen. Turgenjew gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des russischen Realismus und zählt zu den großen europäischen Novellendichtern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423433020
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum08.12.2017
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1313 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.2434237
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
3

»Nun bist du also endlich Kandidat und kommst nach Hause«, sagte Nikolai Kirsanow und berührte Arkadi bald an der Schulter, bald am Knie. »Endlich!«

»Was macht der Onkel? Geht es ihm gut?«, fragte Arkadi, der trotz der aufrichtigen, fast kindlichen Freude, die ihn erfüllte, die Erregung möglichst rasch dämpfen und zu einem alltäglichen Ton wechseln wollte.

»Ja. Er wollte eigentlich mitkommen, hat es sich aber anders überlegt.«

»Hast du lange auf mich gewartet?«, fragte Arkadi.

»Rund fünf Stunden.«

»Guter Papascha!«

Arkadi drehte sich rasch zu seinem Vater und küsste ihn herzhaft auf die Wange. Der Vater lachte leise.

»Ich habe ein ganz prächtiges Pferd für dich!«, begann er. »Wirst sehen. Und dein Zimmer ist jetzt tapeziert.«

»Haben wir auch ein Zimmer für Basarow?«

»Das wird sich schon finden.«

»Bitte, Papascha, sei nett zu ihm. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich seine Freundschaft schätze.«

»Du hast ihn erst vor Kurzem kennengelernt?«

»Ja.«

»Deshalb habe ich ihn nicht schon letzten Winter gesehen. Was treibt er?«

»Sein Hauptfach sind die Naturwissenschaften. Aber er ist in allem beschlagen. Nächstes Jahr will er das Doktorexamen ablegen.«

»Ah! Er studiert an der medizinischen Fakultät«, bemerkte Kirsanow und schwieg eine Weile. »Pjotr«, sagte er plötzlich und streckte den Arm aus, »sind das da nicht unsere Bauern?«

Pjotr blickte in die Richtung, in die sein Herr zeigte. Mehrere Gespanne mit ungezäumten Pferden rollten rasch den schmalen Feldweg entlang. In jedem Fuhrwerk ein, höchstens zwei Bauern in weit offenem Schafspelz.

»Ganz recht, Herr«, bestätigte Pjotr.

»Wohin fahren sie denn, etwa in die Stadt?«

»Ja, bestimmt. In die Schenke«, setzte Pjotr verächtlich hinzu und beugte sich vor zum Kutscher, als erwarte er Bestätigung. Doch der rührte sich nicht: Er war ein Mann vom alten Schlag und hielt nichts von dem Kammerdiener mit den neuesten Ansichten.

»Mit den Bauern habe ich dieses Jahr großen Ärger«, wandte sich Kirsanow an seinen Sohn. »Sie zahlen ihren Zins nicht[15]. Was soll man machen?«

»Doch mit deinen Tagelöhnern bist du zufrieden?«

»Ja«, brummte der Vater. »Aber sie werden aufgehetzt, das ist das Elend; na, und am rechten Eifer fehlt es noch immer. Sie verschleißen die Pferdegeschirre. Gepflügt haben sie immerhin ganz gut. Kommt Zeit, kommt Rat. Aber interessierst du dich denn jetzt für die Wirtschaft?«

»Ein Jammer, dass es bei euch keinen Schatten gibt«, wich Arkadi der Frage aus.

»Ich habe an der Nordseite über dem Balkon eine große Markise angebracht«, erwiderte Kirsanow, »jetzt können wir auch im Freien essen.«

»Wird wohl sehr nach Sommerhaus aussehen ... na, das macht nichts. Aber die Luft hier! Wie herrlich es riecht! Wirklich, ich glaube, nirgendwo auf der Welt riecht es so wie in dieser Gegend! Und der Himmel ...«

Arkadi hielt plötzlich inne, blickte über die Schulter nach hinten und verstummte.

»Natürlich«, sagte der Vater, »du bist hier geboren, deshalb kommt dir alles hier wie etwas Besonderes vor ...«

»Ach, es ist doch ganz gleich, wo jemand geboren ist, Papascha.«

»Aber ...«

»Nein, das ist ganz gleich.«

Kirsanow sah seinen Sohn von der Seite an, und die Kalesche legte wohl eine halbe Werst zurück, bevor sie ihre Unterhaltung wieder aufnahmen.

»Ich weiß nicht, ob ich dir das geschrieben habe«, begann der Vater, »Jegorowna, deine liebe Kinderfrau, ist vor Kurzem gestorben.«

»Tatsächlich? Die arme Alte! Und Prokofjitsch, lebt der noch?«

»Ja, und er hat sich kein bisschen verändert. Ist noch genauso brummig. Überhaupt wirst du in Marjino keine großen Veränderungen vorfinden.«

»Dein Verwalter ist noch derselbe?«

»Nein, den Verwalter habe ich ausgewechselt. Ich habe entschieden, keine Freigelassenen mehr zu beschäftigen, niemanden vom einstigen Gesinde, ihnen zumindest keine Stellen mit Verantwortung zu übertragen. (Arkadi deutete mit seinem Blick auf Pjotr.) »Il est libre, en effet[1]«, sagte Kirsanow halblaut, »aber er ist ja mein Kammerdiener. Mein neuer Verwalter stammt aus der Stadt[16]; wie´s aussieht, ein tüchtiger Bursche. Ich zahle ihm zweihundertfünfzig Rubel im Jahr. Übrigens«, setzte er hinzu und rieb sich mit der Hand Stirn und Brauen, was bei ihm stets ein Zeichen innerer Verlegenheit war, »ich sagte gerade, du würdest in Marjino keine Veränderungen vorfinden ... Das stimmt nicht ganz. Ich halte es für meine Pflicht, dich zu informieren, obgleich ...«

Er stockte einen Moment und fuhr dann auf Französisch fort.

»Ein strenger Moralist mag meine Offenheit unangebracht finden, aber erstens lässt es sich nicht verbergen, und zweitens, das weißt du, hatte ich stets besondere Prinzipien, was das Verhältnis zwischen Vater und Sohn angeht. Im Übrigen darfst du mich durchaus verurteilen. In meinen Jahren ... Kurz, diese ... das Mädchen, von dem du gewiss schon gehört hast ...«

»Fenetschka?«, fragte Arkadi unbefangen.

Der Vater errötete.

»Nenn ihren Namen bitte nicht so laut ... Ja, sie ... sie lebt jetzt bei mir. Ich habe sie ins Haus geholt ... da waren zwei kleine Zimmer frei. Aber das kann ich auch wieder rückgängig machen.«

»Ich bitte dich, Papascha, wieso denn?«

»Dein Freund wird bei uns zu Gast sein ... es ist mir peinlich ...«

»Wegen Basarow mach dir bitte keine Sorgen. Er steht darüber.«

»Na, auch deinetwegen«, sagte Kirsanow hastig. »Leider ist das Gartenhaus in schlechtem Zustand, das ist das Schlimme.«

»Ich bitte dich, Papascha«, fiel ihm Arkadi ins Wort, »am Ende entschuldigst du dich noch; du solltest dich schämen.«

»Natürlich sollte ich mich schämen«, erwiderte der Vater und errötete immer heftiger.

»Genug, Papascha, genug, sei so gut!« Arkadi lächelte sanft. Wofür entschuldigt er sich!, dachte er, und ihn überkam eine nachsichtige Zärtlichkeit für den lieben und weichherzigen Vater, vermischt mit einem heimlichen Überlegenheitsgefühl. »Hör bitte auf«, wiederholte er und genoss unwillkürlich das Bewusstsein seiner eigenen Fortschrittlichkeit und Vorurteilsfreiheit.

Kirsanow blickte zu seinem Sohn, zwischen den Fingern hindurch, mit denen er noch immer die Stirn rieb, und verspürte einen Stich ins Herz ... Machte sich aber sogleich Vorwürfe.

»Da sind schon unsere Felder«, sagte er nach langem Schweigen.

»Und das da vorn, ist das nicht unser Wald?«, fragte Arkadi.

»Unser Wald, ja. Aber ich habe ihn verkauft. Er wird in diesem Jahr abgeholzt.«

»Warum hast du ihn verkauft?«

»Ich brauchte Geld; zudem geht dieser Grund ohnehin an die Bauern.«

»Die ihre Abgaben nicht zahlen?«

»Das ist ihre Sache, irgendwann werden sie schon zahlen.«

»Schade um den Wald«, bemerkte Arkadi und schaute sich um.

 

Die Gegend, durch die sie fuhren, war nicht eben malerisch zu nennen. Felder, endlose Felder erstreckten sich in sanften Wellen bis zum Horizont; da und dort waren kleine Wälder zu sehen und spärlich mit Büschen bewachsene gewundene Senken, deren Anblick an Abbildungen auf alten Flurkarten aus Katharinas Zeiten[17] denken ließ. Es gab kleine Flüsse mit ausgewaschenen Ufern, winzige Weiher mit armseligen Wehren, Dörfchen mit niedrigen Katen unter dunklen, oft halb abgedeckten Dächern[18], windschiefe Scheunen mit Wänden aus geflochtenem Reisig und klaffenden Toren neben leeren Tennen, auch Kirchen, gemauert aus Backsteinen, von denen der Putz abbröckelte, oder gezimmert aus Holz, mit schiefen Kreuzen und verwahrlosten Friedhöfen. Arkadis Herz krampfte sich zusammen. Obendrein begegneten ihnen durchweg abgerissene Bauern auf elenden Kleppern; die Silberweiden am Weg mit der abblätternden Rinde und den abgebrochenen Ästen wirkten wie Bettler in Lumpen; magere, struppige Kühe, die aussahen wie abgenagt, rupften gierig das Gras längs der Gräben. Sie schienen soeben grausamen, todbringenden Klauen entkommen - und, heraufbeschworen vom kläglichen Anblick der entkräfteten Tiere, erstand mitten an diesem schönen Frühlingstag das weiße Gespenst des freudlosen, endlosen Winters mit seinen Stürmen, Frösten und Schneetreiben ... Nein, dachte Arkadi, dieser Landstrich ist nicht reich, er beeindruckt weder durch Wohlstand noch durch Fleiß; so darf es nicht bleiben, nein, Umgestaltungen sind nötig ... aber wie herangehen, wo ansetzen?...

So sann Arkadi ... und während er so nachsann, gewann der Frühling wieder die Oberhand. Alles ringsum grünte golden, Bäume, Sträucher und Gräser wogten und glänzten sanft und weit unter dem stillen Atem des lauen Windes; überall trillerten unablässig die Lerchen; Kiebitze kreisten schreiend über den Niederungen oder eilten stumm über Grasbüschel; Krähen, herrlich schwarz glänzend im zarten Grün, spazierten in der noch niedrig stehenden Sommersaat herum; sie verschwanden im Roggen, der schon weißlich schimmerte, und nur hin und wieder tauchten ihre Köpfe aus seinen Schleierwogen auf. Arkadi schaute und schaute, seine Grübeleien wurden schwächer und versiegten schließlich ... Er warf den Mantel ab und sah seinen Vater so fröhlich, so kindlich-jungenhaft an, dass dieser ihn erneut umarmte.

»Jetzt ist es nicht mehr weit«, bemerkte Kirsanow, »nur noch den Hügel da hoch, dann ist...
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Autor

Iwan S. Turgenjew, geboren 1818 in Orel, gestorben 1883 bei Paris, studierte Literatur und Philosophie. Er begann zunächst als Lyriker, schrieb dann sechs Romane und zahlreiche Novellen. Turgenjew gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des russischen Realismus und zählt zu den großen europäischen Novellendichtern.