Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
106 Seiten
Deutsch
Haymon Verlagerschienen am30.01.20141. Auflage
'Fort. Endlich fort. Endlich die Tür also hinter mir zu. Endlich die Kinderzeit abgeschlossen. Das Elternhaus endlich verlassen. Die Koffer gepackt. Die Hände geschüttelt. Ab, in den Zug, in die Welt hinaus.' Aber es gibt immer wieder eine Heimkehr.

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur/Schweiz, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in Zürich. Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Bei Haymon: 'Zwei oder drei Dinge'. Novelle (1993), 'Über die Jahre'. Roman (1994), 'Und über die Liebe wäre wieder zu sprechen'. Gedichte (1994), 'Schöne Aussicht'. Prosastücke (1997), 'Kafka'. Wort-Bild-Essay (2000), 'Am Ufer des Flusses'. Erzählung (2001), 'Mutter töten'. Prosa (2003), 'Übermalungen. Überspitzungen'. Van-Gogh-Variationen (zus. mit Urs Amann, 2005), 'Zimmer zum Hof'. Erzählungen (2006), 'Nichtsangst'. Fragmente auf Tod und Leben (2008) und 'Die Reise zum Horizont'. Novelle (2010). Zuletzt erschienen: 'Wohin denn wir'. Roman (2012) und 'Lebenslang Vogelzug'. Gedichte (2014).
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

Klappentext'Fort. Endlich fort. Endlich die Tür also hinter mir zu. Endlich die Kinderzeit abgeschlossen. Das Elternhaus endlich verlassen. Die Koffer gepackt. Die Hände geschüttelt. Ab, in den Zug, in die Welt hinaus.' Aber es gibt immer wieder eine Heimkehr.

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur/Schweiz, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in Zürich. Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Bei Haymon: 'Zwei oder drei Dinge'. Novelle (1993), 'Über die Jahre'. Roman (1994), 'Und über die Liebe wäre wieder zu sprechen'. Gedichte (1994), 'Schöne Aussicht'. Prosastücke (1997), 'Kafka'. Wort-Bild-Essay (2000), 'Am Ufer des Flusses'. Erzählung (2001), 'Mutter töten'. Prosa (2003), 'Übermalungen. Überspitzungen'. Van-Gogh-Variationen (zus. mit Urs Amann, 2005), 'Zimmer zum Hof'. Erzählungen (2006), 'Nichtsangst'. Fragmente auf Tod und Leben (2008) und 'Die Reise zum Horizont'. Novelle (2010). Zuletzt erschienen: 'Wohin denn wir'. Roman (2012) und 'Lebenslang Vogelzug'. Gedichte (2014).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783709973226
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum30.01.2014
Auflage1. Auflage
Seiten106 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1414 Kbytes
Artikel-Nr.2444893
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Fort. Endlich fort. Endlich die Tür also hinter mir zu. Endlich die Kinderzeit abgeschlossen. Das Elternhaus endlich verlassen. Die Koffer gepackt. Die Hände geschüttelt. Ab, in den Zug, in die Welt hinaus.

Und habe dann also beinahe seine Ankunft in der Großstadt verschlafen. Das fängt ja gut an, dachte ich, während ich ausstieg. Er sei der letzte gewesen. Außer ein paar Männern, die mit langen Hämmern die Bremsen der Wagen abklopften, habe sich auf dem Bahnsteig niemand mehr aufgehalten. Etwas Dampf stieg noch aus irgendwelchen Ventilen. Es roch nach feuchter Wäsche und Ruß. Ich fror. Ich stieg, indem ich die Koffer von Zeit zu Zeit abstellte, die Treppe hinunter. In der Halle standen, weit von mir weg, in den Ecken, Menschen in dunklen Gruppen. Als er hinaustritt, in die kalte Bewegung der Luft, beginnt es über den Straßen gerade zu tagen.

Und dann die Fahrt durch die erwachende Stadt. Wohin? brüllt mich der Fahrer an, kaum daß ich in seinem Wagen sitze. Er will wissen, wohin er mich bringen soll. Der steht mit den Hühnern auf, denke ich. Aber wahrscheinlich gibt es in dieser Stadt gar keine Hühner. Auf jeden Fall ist der andere hellwach, während ich selbst noch halb schlafe. Griegstraße, sage ich. Daß er da hin wolle. Und er sagt ihm auch noch die Nummer. Also ich gebe ihm die Adresse, die Ihr ja kennt, die ich Euch auch gegeben habe. Griegstraße, wiederholt er erstaunt. Vornehme Gegend, weiß Gott, da kann man nichts sagen. Und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Und läßt sich des langen und breiten über die Gegend aus, in die ich da offenbar komme. So, sage ich, nach einer gewissen Zeit. Ich weiß das ja nicht. Ich kann das ja nicht wissen von weitem. Ich bin ja zum erstenmal hier. Zum Studieren gekommen? fragt er. Ausstudiert, sage ich. Ich habe nicht die geringste Lust, mit ihm darüber zu reden. Er sehe ihn ja nicht wieder. Jedenfalls ist es nicht anzunehmen. Und sobald ich aussteige, hat er es ohnehin wieder vergessen. Doktor? insistiert er aber. Und ich sage, wenn Sie so wollen. Und will das Thema damit beschließen. Aber er will natürlich gar nichts. Er fängt jetzt erst an. Dann sagen Sie das doch gleich, junger Mann, ruft er aus. Dann weiß man, woran man ist. Er ist also ein junger Mann. Jedenfalls habe der Taxifahrer ihn so betitelt. Und zudem einer von denen mit etwas im Kopf. Oder im Oberhaus, wie er sich ausdrückt. Und einer, der etwas gearbeitet hat. In seinem Alter, und Doktor. Das sei nicht nichts, das müsse er sagen. Das sagt der Fahrer. Und er fügt hinzu: das ist doch wohl heutzutage nicht üblich? Oder ob er das falsch sehe. Oder ob es etwa nicht stimme, daß an der Universität bloß noch diskutiert werde. Und demonstriert und polemisiert und politisiert. Das sind seine Worte. Wir kennen dieses Gefasel ja auch von zuhause. Es ist gefährlich, ich weiß, aber ich lasse ihn reden. Ich will mich nicht schon am ersten Tag mit der Welt anlegen. Denn für ihn ist das hier jetzt die Welt.

Meine Welt also. Die Stadt blieb gerade noch Stadt und war gleichzeitig schon Land. Eigentlich Wald. Zumindest Waldrand. Die Straßen waren auf einmal Alleen. Er habe das Wort aus der Schule gekannt. Jetzt sah ich, daß es eine Entsprechung in der Wirklichkeit hatte. Die Königsallee, sagte der Fahrer, nachdem wir schon eine Weile auf ihr gefahren waren. Nun war ich nahe am Ziel. Ich atmete auf. Ich lehnte mich in meinem Polster zurück. Er habe begonnen, sich in seiner Freiheit freier zu fühlen. Die Angst vor dem Neuen habe dem Neuen jetzt Platz gemacht. Erwartungsvoll schaute ich aus dem Fenster. Ich hatte ja immer davon geträumt, einmal in einem Schloß zu wohnen. Kronprinzenallüren, Muttersöhnchengehabe, ich weiß. Hier lagen die Häuser in Gärten, die fast so verwunschen waren wie die seiner Wünsche. Machen Sie hier einen Besuch? fragte der Fahrer. Hoffentlich nicht, sagte ich. Und ich dachte, ich werde hier leben. Und spürte so etwas wie Stolz dabei. Ausgerechnet diesen Ort auf der ganzen Welt hatte ich aus der Ferne für mich beschlossen, und nun gefiel er mir auch aus der Nähe. Geld? fragte der Fahrer. Nein, sagte ich. Glück? lachte der Mann. Und ich sagte: vielleicht.

Und sei wenig später mit seinen Koffern vor einem Tor gestanden, das also der Eingang zu seinem Glück sein sollte. Mannshoch, eisern, beidseits von noch höheren Mauern gefaßt, mit einem Messingschild über der Schelle. Stand da, streckte die Glieder und sog die Luft so langsam und tief in mich ein, als wollte ich mir bedeuten: das ist meine Luft, an dieser Luft hängt jetzt mein Leben.

Nachdem er geläutet gehabt habe, sei es zuerst still geblieben. Dann war ein Knacken zu hören, darauf ein Husten, darauf ein Kläffen. Wer da? fragte es aus dem Gegensprecher. Eine blecherne Stimme. Ich nannte den Namen. Euch muß ich ihn ja nicht nennen, von Euch habe ich ihn. Wieder war ein Knacken zu hören. Dann wieder gar nichts. Dann von weit hinter der Mauer das Geräusch einer sich öffnenden Haustür. Dann wieder das spitze Bellen eines zweifellos kleinen Hundes. (Ihr kennt meine Angst vor den großen, seit mich der unserer Nachbarn zerbissen hat.) Dann das läppische, täppische Tappen von Pfoten auf Steinplatten. Endlich das Schlurfen schlecht sitzender Hausschuhe. Daß mich meine Vorstellungskraft nicht getäuscht hatte, sollte sich gleich herausstellen.

Das Gartentor sei aufgegangen. Vor mir stand ein kleiner, weißhaariger Herr, von der zu früh unterbrochenen Nachtruhe gezeichnet, der sich an seinem Hauch die Hände warmrieb. Spring! sagte er. Zuerst dachte ich, er meint seinen Hund, aber er meinte sich selbst. Er sei im Bilde. Er habe den Brief bekommen.

Der Herr hieß also Herr Spring. Im Morgenrock sei er dagestanden. Etwas verlegen. Etwas klein neben mir. Und schaute mich von unten herauf mißtrauisch und neugierig an. Von noch weiter unten habe der Dackel, schwanzwedelnd, dasselbe getan. Rowdy heißt er, das weiß ich inzwischen. Die beiden seien sich in diesem Augenblick wie aus dem Gesicht geschnitten gewesen. Dasselbe Dulden, dasselbe Lauern, dieselbe Unterwürfigkeit. Es war zum Wegschauen. Das ist ja verbreitet, daß der Herr seinem Hund gleicht, wenn er ihn erst einmal lang genug hat. Hier jedenfalls sei es so gewesen. Und hier ist der Herr nicht einmal der richtige Herr.

Gut gereist? fragte Herr Spring. Und was man bei so einer Gelegenheit eben so frage. Ich war ihm ja vollkommen fremd. Geben Sie mir Ihre Koffer. Aber die gab ich ihm nicht. Die habe er natürlich selber getragen. Ich lasse doch einen alten Mann nicht meine Koffer tragen. Ich will Euch doch keine Schande machen. Wo bliebe denn da die Erziehung? Herr Spring sei ja ziemlich alt. Einer von denen, die es sich eben nicht leisten können, sich auszuruhen. Aus welchen Gründen auch immer. Die sind zu schwer für Sie, sagte ich. Während wir durch den Garten auf das Haus zugingen, sprang der Dackel an meinen Beinen hoch. Als wir in das Haus eintraten, hatte er sich wieder beruhigt. Er mag Sie, sagte Herr Spring. Keine Frage danach, ob ich ihn auch mochte. Die Hundeliebe wird ja auf dieser Welt stillschweigend vorausgesetzt. Ich solle jetzt erst einmal abstellen. Ich hätte ja sicher noch nicht gefrühstückt. Er mache mir schnell eine Tasse Kaffee. Die üblichen Höflichkeiten. Widerspruchslos nahm ich sie an.

Obwohl ich Kaffee gar nicht mag, folgte ich ihm in die Küche. Die von der Eingangshalle aus gesehen rechts hinter dem Wohnbereich liege. Das tut nichts zur Sache. Ich erwähne es nur, damit Ihr Euch von dem Ort, an dem ich jetzt bin, ein Bild machen könnt. Das sei sein Revier, sagte Herr Spring, er sei hier der Diener. Ihr werdet es mir nicht glauben, so etwas gibt es noch, auch in diesem Jahrhundert. Auch das Wort ist noch im Gebrauch. Jedenfalls bei den Dienern. Er habe seinen Ohren ja selber nicht trauen wollen.

Er sei also der Diener. Ich mußte mich setzen. Während er sich an den Geräten, die er mir gleichzeitig erklärte, zu schaffen machte. Hier können Sie sich etwas zu essen machen, sagte er. Wann immer ich wolle. Dann goß er mir den Kaffee ein. Jetzt seien wir zwei allein im Haus. Die Herrschaft (sein Wort!) sei verreist. Natürlich getrennt. Das versteht sich. Sie sind ja in Scheidung begriffen. Wenn auch seit Jahren. Das werde ich alles bald selber herausfinden. Er will nichts gesagt haben. Aber das sagt er erst, nachdem er mir alles gesagt hat. Auf jeden Fall ist das Haus nicht so intakt, wie es nach außen hin aussieht. Und wie ich es von zuhause aus angenommen hatte. Der Herr trinkt. Wenn der Diener nicht übertreibt, muß es schlimm sein. Versaufe die Millionen. Oft bleibe er tagelang weg. Kein Mensch weiß, wo er ist. Dann liegt er plötzlich vor der Tür auf der Fußmatte. Und ich habe die Schweinerei. So der Diener. Schleppe ihn die Treppe hinauf in sein Bett. Und er weiß, am nächsten Tag, wenn er den Rausch ausgeschlafen hat, nichts mehr davon. Ich werde ja sehen. Er sei jedenfalls froh, daß ich gekommen sei. Obwohl ihm das auf der anderen Seite wieder mehr Arbeit mache. Und dann wollte er wissen, wie lange ich bleibe. Aber das konnte ich ihm natürlich nicht sagen. Das weiß ich ja selber nicht.

Jetzt war er plötzlich in Eile. Ich...
mehr

Autor

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur/Schweiz, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in Zürich. Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Bei Haymon: "Zwei oder drei Dinge". Novelle (1993), "Über die Jahre". Roman (1994), "Und über die Liebe wäre wieder zu sprechen". Gedichte (1994), "Schöne Aussicht". Prosastücke (1997), "Kafka". Wort-Bild-Essay (2000), "Am Ufer des Flusses". Erzählung (2001), "Mutter töten". Prosa (2003), "Übermalungen. Überspitzungen". Van-Gogh-Variationen (zus. mit Urs Amann, 2005), "Zimmer zum Hof". Erzählungen (2006), "Nichtsangst". Fragmente auf Tod und Leben (2008) und "Die Reise zum Horizont". Novelle (2010). Zuletzt erschienen: "Wohin denn wir". Roman (2012) und "Lebenslang Vogelzug". Gedichte (2014).