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Rondo

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
69 Seiten
Deutsch
Haymon Verlagerschienen am20.02.20141. Auflage
Dieser Band vereinigt eine Auswahl der besten Erzählungen des Schweizer Autors Jürg Amann. Herzstück ist die Titelerzählung Rondo, die 1982 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde und der von Seiten der Jury, allen voran von Marcel Reich-Ranicki, höchstes Lob zuteilwurde: die Geschichte über eine kranke Mutter und ihren Sohn, dargestellt in der klassischen Einheit von Raum und Zeit, ein Gleichnis für Werden und Vergehen, für Liebe und Tod.

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur/Schweiz, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in Zürich. Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Bei Haymon: 'Zwei oder drei Dinge'. Novelle (1993), 'Über die Jahre'. Roman (1994), 'Und über die Liebe wäre wieder zu sprechen'. Gedichte (1994), 'Schöne Aussicht'. Prosastücke (1997), 'Kafka'. Wort-Bild-Essay (2000), 'Am Ufer des Flusses'. Erzählung (2001), 'Mutter töten'. Prosa (2003), 'Übermalungen. Überspitzungen'. Van-Gogh-Variationen (zus. mit Urs Amann, 2005), 'Zimmer zum Hof'. Erzählungen (2006), 'Nichtsangst'. Fragmente auf Tod und Leben (2008) und 'Die Reise zum Horizont'. Novelle (2010). Zuletzt erschienen: 'Wohin denn wir'. Roman (2012) und 'Lebenslang Vogelzug'. Gedichte (2014).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextDieser Band vereinigt eine Auswahl der besten Erzählungen des Schweizer Autors Jürg Amann. Herzstück ist die Titelerzählung Rondo, die 1982 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde und der von Seiten der Jury, allen voran von Marcel Reich-Ranicki, höchstes Lob zuteilwurde: die Geschichte über eine kranke Mutter und ihren Sohn, dargestellt in der klassischen Einheit von Raum und Zeit, ein Gleichnis für Werden und Vergehen, für Liebe und Tod.

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur/Schweiz, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in Zürich. Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Bei Haymon: 'Zwei oder drei Dinge'. Novelle (1993), 'Über die Jahre'. Roman (1994), 'Und über die Liebe wäre wieder zu sprechen'. Gedichte (1994), 'Schöne Aussicht'. Prosastücke (1997), 'Kafka'. Wort-Bild-Essay (2000), 'Am Ufer des Flusses'. Erzählung (2001), 'Mutter töten'. Prosa (2003), 'Übermalungen. Überspitzungen'. Van-Gogh-Variationen (zus. mit Urs Amann, 2005), 'Zimmer zum Hof'. Erzählungen (2006), 'Nichtsangst'. Fragmente auf Tod und Leben (2008) und 'Die Reise zum Horizont'. Novelle (2010). Zuletzt erschienen: 'Wohin denn wir'. Roman (2012) und 'Lebenslang Vogelzug'. Gedichte (2014).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783709973141
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum20.02.2014
Auflage1. Auflage
Seiten69 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1505 Kbytes
Artikel-Nr.2445469
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Rondo

Und sei also auf seiner Flucht von zu Hause plötzlich wieder zu Hause gewesen. Sei wieder vor der Türe gestanden, von der er geglaubt gehabt habe, daß er sie endgültig und ein für allemal hinter sich zugemacht habe. Zugeworfen habe. Zugeschlagen habe. Habe geklingelt. Schreibt, ich habe geklingelt. Schreibt, ich bin wieder vor dieser Türe gestanden, vor dieser bekannten, mir zur Genüge bekannten Holztüre, die immer so schwer in den Angeln zu bewegen gewesen ist, zu schließen gewesen ist, aufzumachen gewesen ist. Schreibt, ich habe wieder geklingelt, habe wieder die Klingel gedrückt, auf diesen Knopf über dem Schild gedrückt, auf dem wie für die Ewigkeit unser Name eingraviert ist. Und habe darauf gewartet, daß mir die Mutter wieder die Türe aufmacht. Aber die Mutter machte die Türe nicht auf. Auch nach dem zweiten, auch nach dem dritten Klingeln noch nicht. Wie sehr ich auch an der Türe horchte, mich an die Türe preßte, mein Ohr an die Türe legte, kein Laut drang aus dem Innern des Hauses. Und von der Mutter, die immer die Zuflucht für ihn gewesen sei, sei nicht das geringste zu hören gewesen. So daß ich, schreibt er, nachdem ich noch mehrmals geläutet, in Wahrheit die Hand auf der Läute gelassen, sekundenlang, tatsächlich die längste Zeit Sturm geläutet hatte, hinter das Haus ging. Um unser Haus herum, das ein stattliches Haus ist, ein großes, zweistöckiges, gut gegen das Wetter geschütztes, auch gut über die Jahre gekommenes sogenanntes Kriegsjahrgangshaus. Durch unseren Garten, in dem ich immer so ungern gearbeitet hatte, Gras geschnitten, Sträucher geschnitten, Unkraut gejätet. Oder die Beeren gepflückt. Das Gras war geschnitten, das Unkraut gejätet, die Bäume und Sträucher waren von kundigen Händen gestutzt. Und zwischen den Sträuchern, am Abhang, blühten die Lilien. Er habe natürlich, bei diesem Wetter, bei diesem Sommer, bei diesem Sonnenschein, auf ein offenes Fenster gehofft. Aber die Fenster seien alle geschlossen gewesen, die Fensterläden von innen verriegelt, die Lamellen schräg gegen den Sommer und gegen die Sonne gestellt, die Vorhänge zugezogen. So daß nichts zu sehen gewesen sei als auf dem Glas die von den Lamellen gleichmäßig zerschnittenen und zerstückelten Bilder des Gartens. Und nichts zu hören als aus den Bäumen das sinnlose Pfeifen der Vögel. Und unter den Sohlen das Knirschen von Kies. Und an den Fensterläden das Aufschlagen der Steinchen, die er geworfen habe, gegen die Fenster im ersten Stock, hinter denen die Schlafzimmer lagen. Und das dumpfe Geräusch im Gras, wenn sie, ohne Wirkung, zurückfielen. Er sei wieder zurückgegangen, sei um die Ecke gebogen, kam vor das Haus. Da stand die Türe weit offen. Im Türrahmen, im Halbdunkel des Eingangs, im Rollstuhl die Mutter. Er schreibt, meine Mutter. Sie sei schwer in den Kissen gesessen, den Oberkörper nach vorne gebeugt, das Kinn auf der sich hebenden und senkenden Brust, die verkrümmten Hände an den Speichen der Räder. Sie habe ihn angeschaut. Sie habe ihn ausgeforscht. Obwohl von unten herauf, habe sie ihn von oben herab nicht aus den Augen gelassen. Langsam, ohne daß man die Bewegung wahrnehmen konnte, drehte sie an den Rädern. Langsam rollte sie rückwärts. Langsam verschwand sie im Dunkel des Hauses. Ich folgte, schreibt er. Ich grüßte. Sie wollte wissen, wo ich gewesen sei, schreibt er. Ich antwortete nicht. Statt dessen drückte ich mich an ihr vorbei, wobei ich sie, die mir den Weg abschnitt, die mir den Gang versperrte, beinahe umgestoßen hätte in ihrem Stuhl, rannte die Treppe hinauf, das Stiegenhaus hinauf, immer drei Tritte auf einmal, und in mein Zimmer, das noch immer als das Zimmer aus meiner Kindheit mitten im Haus lag. Das er noch immer, wann immer er daran denke, im stillen als sein Zimmer bezeichne. Auch wenn er auf der anderen Seite der Welt sei. In dem er sich also auch jetzt wieder sogleich verschanzt habe. Ich habe mich in meinem Zimmer vor meiner Mutter verschanzt, schreibt er, ich habe die Türe ins Schloß geworfen, ich habe den Schlüssel im Schloß gedreht, ich habe mich mit dem Rücken gegen die Türe gelehnt. Ich hielt mir die Ohren zu, schreibt er, aber natürlich hörte ich jedes Geräusch. Das Zimmer sei dunkel gewesen. Abgedunkelt, schreibt er, wie das ganze Haus, durch diese ständig geschlossenen Läden. Seit dem Beginn ihrer Krankheit habe die Mutter immer mehr angefangen, alles Licht aus dem Haus auszusperren, die Läden auch tagsüber geschlossen zu halten, sei sie immer mehr dazu übergegangen, keinen Unterschied mehr zu machen zwischen dem Tag und der Nacht, heute und morgen, Sommer und Winter. Immer dämmere sie, auch an den schönsten Tagen, auch in der heitersten Jahreszeit, nur vor sich hin. Einen Augenblick lang habe er in sich den selbstverständlichen Impuls gespürt, auf das Fenster zuzugehen, das Fenster zu öffnen, die Fensterflügel weit auseinanderzuschlagen und die Läden mit großer Kraft auf- und gegen die Hausmauer zu stoßen, die er übrigens noch vor wenigen Jahren selber gemalt habe, der Mutter zuliebe, um Geld einzusparen; aber im nächsten Augenblick habe ihm dazu die Kraft gefehlt. Mir hat die Kraft gefehlt, schreibt er, unerklärlich, unbegreiflich, auch für mich selber, sobald ich nicht in dem Haus bin, einfach die Kraft gefehlt, die es dazu gar nicht braucht. Natürlich rief sie nach mir. Ich gab keine Antwort. Natürlich sandte sie in regelmäßigen Abständen ihre Wehklagen aus. Ich ließ mich nicht rühren. Sie schrie. Ich blieb stumm. Zu gut kannte ich all diese Töne. Zu oft hatte sie mir mit dieser Tonleiter der Schmerzen schon in den Ohren gelegen. Inzwischen, schreibt er, habe er sich auch an das Dunkel wieder gewöhnt gehabt. Er sei von der Türe zurückgetreten, ins Innere des Zimmers hinein, habe sich auf das Bett gelegt, das mit frischem Bettzeug bezogen gewesen sei, er habe die Augen geschlossen. Von Zeit zu Zeit sei noch ein Schluchzen zu ihm herauf gedrungen. Dann sei es still geworden im Haus. Ich lag auf dem Rücken, schreibt er. Ich war müde. Ich hätte gerne geschlafen. Mit den Händen tastete ich, wie in den Kindheitsnächten, die Furchen der Wände ab. Ich spürte den Wunsch nachzugeben, nachzusehen stärker werden in mir. Die Augen aufzuschlagen, vom Bett aufzustehen, an die Türe zu gehen, nach ihr zu horchen. Hielt aber stand. Habe standgehalten, schreibt er, habe der Versuchung, wie sehr sie mich auch bedrängte, je länger es still blieb im Haus, je mehr Zeit verstrich, trotz allem nicht nachgegeben. Ich ging nicht zur Türe. Ich stand nicht auf. Ich hielt die Augen geschlossen. Gegen Abend sei plötzlich ein Schlag zu hören gewesen. Ein schwerer, harter Schlag. Dann wieder nichts. Dann drang ein Wimmern die Treppe herauf. Jetzt sei er aufgesprungen, schreibt er, als ob er nur auf das Zeichen gewartet hätte. Flog durch das Zimmer, drehte den Schlüssel im Schloß, war auf dem Flur, rannte hinunter. Da lag sie, die Mutter, am Fuß der Treppe. Und habe sich hilflos in sich zusammengekrümmt. Der Rollstuhl war umgekippt. Die Kissen begruben sie. Sie wollte zu Bett gebracht werden. Jetzt, schreibt er. Auf der Stelle, schreibt er, von mir, schreibt er, will sie zu Bett gebracht werden. Wo ist der Vater? frage ich, schreibt er. Fort, sagt die Mutter. Wie fort? frage ich, schreibt er. Im Bett, sagt die Mutter. Jetzt? frage ich, schreibt er, um diese Tageszeit schläft er? Er schläft doch immer, wenn ich ihn brauche, schreibt er, habe die Mutter gesagt. Und du weißt das. Trotzdem habe er nach seinem Vater gerufen. Trotzdem rief ich nach ihm, schreibt er. Vater! rief ich, wo bist du? Der Vater gab keine Antwort. Noch einmal, Vater, wo bist du, wo er denn sei, nichts, keine Erwiderung. Tatsächlich schien er zu schlafen. Er habe das ja gekannt, habe es aber immer wieder einfach nicht glauben können. Einfach nicht glauben wollen. Es war nicht zu fassen, schreibt er. Aber es war so. Es sei so gewesen. Er habe also der Mutter unter die Arme gegriffen, habe sie mühsam am Boden in eine sitzende Lage gebracht, habe sie aufgerichtet. Sie sei schwer gewesen, habe sich schwer gemacht, er habe ihr Gewicht unterschätzt, sei auf ihren heruntergekommenen Anblick hereingefallen. Aufgerichtet, schreibt er, war sie noch immer eine mächtige Frau. Obwohl sie den Kopf habe hängen lassen. Obwohl sie sich habe gehen lassen. Obwohl sie sich habe fallen lassen, immer wieder, in seine Arme. Er habe sie gegen die Wand gelehnt. Er habe die Krücken geholt. Er habe ja gewußt, wo sie sie immer versteckt gehabt habe. Da sei sie schon wieder zusammengesunken gewesen, von der Wand abgerutscht, ein Haufen Elend, am Boden. Sei auf dem Boden gesessen, mit hängenden Schultern, den Oberkörper nach vorne gebeugt, die Last, die sie sich selber gewesen sei, auf den Handballen abgestützt. Hilf mir, schreibt er, habe sie ihm befohlen. Halte mich, schreibt er, habe sie ihn gebeten. Ich kann allein nicht mehr stehen. Meine Beine tragen mich ja nicht mehr. Und dein Vater läßt mich im Stich. Aber er habe sie ja gehalten. Aber er habe ihr ja geholfen. Natürlich, habe er ihr gesagt, ich helfe dir ja. Ich lasse dich nicht im Stich. Du mußt dich nur festhalten an mir. Du mußt dich nur abstützen auf mich. Was kann denn geschehen? Und mit den Füßen habe er währenddessen...
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Autor

Jürg Amann, geboren 1947 in Winterthur/Schweiz, lebte bis zu seinem Tod im Jahr 2013 in Zürich. Studium der Germanistik in Zürich und Berlin, Literaturkritiker und Dramaturg, seit 1976 freier Schriftsteller. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Ingeborg-Bachmann-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Bei Haymon: "Zwei oder drei Dinge". Novelle (1993), "Über die Jahre". Roman (1994), "Und über die Liebe wäre wieder zu sprechen". Gedichte (1994), "Schöne Aussicht". Prosastücke (1997), "Kafka". Wort-Bild-Essay (2000), "Am Ufer des Flusses". Erzählung (2001), "Mutter töten". Prosa (2003), "Übermalungen. Überspitzungen". Van-Gogh-Variationen (zus. mit Urs Amann, 2005), "Zimmer zum Hof". Erzählungen (2006), "Nichtsangst". Fragmente auf Tod und Leben (2008) und "Die Reise zum Horizont". Novelle (2010). Zuletzt erschienen: "Wohin denn wir". Roman (2012) und "Lebenslang Vogelzug". Gedichte (2014).