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Die Bücherjäger

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
447 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am29.06.20181. Aufl. 2018
Ein Buch, das an eine Kette gelegt ist. Der Florentiner Poggio Bracciolini erkennt sofort, dass er einen Schatz vor sich hat. Er ist Meister im Aufstöbern antiker Texte - ein Bücherjäger, der sich in Klosterbibliotheken einschleicht. Doch diesmal kommt ihm jemand zuvor: Kaum hat Poggio die ersten Zeilen gelesen, ist das rätselhafte Buch verschwunden. Entschlossen nimmt er die Verfolgung der Diebe auf. Denn wenn dieser uralte Text in die falschen Hände gerät, wird er die gesamte abendländische Welt ins Wanken bringen.

Dirk Husemann, Jahrgang 1965, gräbt als Wissenschaftsjournalist, Archäologe und Schriftsteller Geschichten aus. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Neben Historischen Romanen schreibt er Sachbücher und Reportagen, zum Beispiel über die rosaroten Steine von Stonehenge, Fische in der Sahara oder den Sternenhimmel unter den Pyramiden Mexikos. Seine Romane begeistern Leser in vielen Ländern.
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Produkt

KlappentextEin Buch, das an eine Kette gelegt ist. Der Florentiner Poggio Bracciolini erkennt sofort, dass er einen Schatz vor sich hat. Er ist Meister im Aufstöbern antiker Texte - ein Bücherjäger, der sich in Klosterbibliotheken einschleicht. Doch diesmal kommt ihm jemand zuvor: Kaum hat Poggio die ersten Zeilen gelesen, ist das rätselhafte Buch verschwunden. Entschlossen nimmt er die Verfolgung der Diebe auf. Denn wenn dieser uralte Text in die falschen Hände gerät, wird er die gesamte abendländische Welt ins Wanken bringen.

Dirk Husemann, Jahrgang 1965, gräbt als Wissenschaftsjournalist, Archäologe und Schriftsteller Geschichten aus. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Neben Historischen Romanen schreibt er Sachbücher und Reportagen, zum Beispiel über die rosaroten Steine von Stonehenge, Fische in der Sahara oder den Sternenhimmel unter den Pyramiden Mexikos. Seine Romane begeistern Leser in vielen Ländern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732556571
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum29.06.2018
Auflage1. Aufl. 2018
Seiten447 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2509705
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

Oswald von Wolkenstein sang. Zwar verstand Poggio nicht alle Worte. Doch die Weise klang nach Schwermut und jener Form der Melancholie, wie sie die Langeweile eines adeligen Lebens in einer zugigen Burg hervorbringt.

Die beiden Männer ritten hintereinander durch einen verschneiten Wald. Schon lange hatte Poggio keine derart unberührte Landschaft mehr gesehen. In seiner Heimat Italien waren Dörfer zu Städten herangewachsen. Darin hungerten Kalkbrenner, Köhler und Baumeister nach Holz und wollten nicht warten, bis es nachgewachsen war. Wo kein Fürst die Hand über seinen Forst hielt, herrschte Kahlschlag. Poggio erinnerte sich an ein Sprichwort aus der Toskana. Darin spielte ein Eichhörnchen eine Rolle, das von Dorf zu Dorf springen konnte, ohne den Boden zu berühren. Jetzt würde sich das arme Tier seine winzigen Füße wund laufen.

Poggio liebte den Wald. Es war still darin, und das lud zum Nachdenken ein. Bevor Oswald von Wolkenstein zu singen angehoben hatte, war das Klopfen der Pferdehufe der einzige sie begleitende Laut gewesen, nur gelegentlich unterbrochen vom Zischen des Schnees, der von einem Ast glitt und vom Wind zu Staub zerblasen wurde. Sogar die Krähen, deren Rufe sie von Konstanz her begleitet hatten, waren verstummt, seit sie zwischen die Bäume geraten waren. Poggio war es erschienen, als habe die lärmende Welt mit ihren Konzilen und Beschlüssen, ihren Königen und Päpsten zu bestehen aufgehört. Doch jetzt war es mit dieser geradezu heiligen Stille vorbei.

Wolkensteins Stimme zerriss das Schweigen wie ein Lüstling das Gewand einer Jungfrau. Wenn die angestimmte Weise doch nur die Schönheit der Natur gepriesen hätte! Wenn die Laute die stillen Baumstämme umschmeichelt und den Wald bedeckt hätten wie rieselnder Schnee! Doch die deutschen Worte schlugen wie Äxte in das winterliche Paradies.

Poggio warf seinem Reisegefährten einen missmutigen Blick zu. Obwohl dieser schon das vierzigste Jahr erreicht hatte, trug er sein lockiges Haar lang wie ein Jüngling. Es hing unter einer Mütze aus Biberpelz herab. Poggio hatte Oswald noch nie ohne diese Kopfbedeckung gesehen. Nicht einmal in einer Taverne hatte der Tiroler sich barhäuptig gezeigt. Vermutlich hütete er einen kahlen Scheitel als Geheimnis seines Hauptes. Poggio verbesserte sich: Was er ein Haupt nannte, war ein massiger Schädel. Aus dem ragte eine gedrungene Nase hervor. Auf Oswalds üppiger Unterlippe leuchtete hell eine Narbe.

Wolkensteins gesundes Auge war hinauf zu den Kronen der Bäume gerichtet. Das andere war geschlossen. Immer. Viele glaubten, dass Oswald es in einer Schlacht gegen die Sarazenen verloren habe. Und der Tiroler wurde nicht müde, die Geschichte eines Zweikampfes zum Besten zu geben, in dem er jeden arabischen Hieb mit zwei abendländischen Streichen vergolten und den Feind mit blutüberströmtem Gesicht schließlich niedergestreckt habe.

Doch Poggio wusste es besser. Als Kind hatte er Männer gesehen, die einäugig, einbeinig oder einarmig aus dem Krieg heimgekehrt waren. In der Apotheke seines Vaters hatten sie um Kräuter gebettelt, die ihnen die Schmerzen nehmen sollten - und die Träume. Darin waren sie noch immer vollständigen Leibes, um dann umso zerstörter daraus aufzuschrecken. Oswald von Wolkenstein aber trug keine Spur eines Kampfes am rechten Auge. Das Lid war geschlossen wie bei einem Schläfer. Poggio war sicher: Das Organ war nicht ausgeschlagen, sondern zugewachsen. Keine ruhmreiche Schlacht, sondern eine Laune der Natur hatte dem Tiroler den halben Blick auf die Welt genommen.

Poggio hatte Verständnis für seinen Reisegefährten. In einer Welt wie dieser war es allemal einfacher, als verstümmelter Haudegen zu gelten, als ein von Natur aus Missgestalteter zu sein. Doch mit Poggios Wohlwollen war es nun vorbei.

Zug um Zug sog Oswald die kalte, klare Luft ein und sonderte die nächste Strophe seines traurigen Liedes ab. Der Wald hallte davon wider. Am Ostufer des Bodensees hatte der Forst begonnen und würde nicht enden, bis sie vor den Toren des Bergklosters Sankt Fluvius standen - so jedenfalls hatte Wolkenstein behauptet. Gern brüstete sich der Tiroler mit seiner Weltkenntnis. Die Prahlerei war eine Charaktereigenschaft, die Poggio sich nun zunutze machen wollte.

»Lieber Oswald«, sagte er auf Latein, »woher weißt du von dem Skriptorium und seinen Schätzen, wenn doch das Kloster so gut verborgen auf einem Berg liegt?«

Es funktionierte. Oswald brach mitten im Vers ab. »Zweifelst du etwa an meinen Worten?«

Poggio umfasste die ledernen Zügel fester. »Es ist eine Frage der Logik. Das Kloster liegt am Rande der Welt. Dennoch kennst du sein Inneres gut. Dahinter scheint sich eine Geschichte zu verbergen. Und Geschichten liebe ich über alles.«

»Euch Italienern ist die Neugier in die Wiege gelegt«, lästerte Oswald. »Du wirst schon sehen, welche Schätze im Skriptorium auf uns warten.«

Auf uns? Poggio hatte bereits befürchtet, dass Wolkenstein ihn nicht ohne eigenes Interesse den weiten Weg zum Kloster hinauf begleitete. Schließlich war es Oswalds Einfall gewesen, dass sie das langweilige Konstanz und sein träge dahinfließendes Konzil für einige Tage verlassen sollten, Oswalds Einfall, dass der berühmte Bücherjäger Gianfrancesco Poggio Bracciolini seine Zeit besser nutzen sollte, als sich mit Bittschriften an den Papst herumzuschlagen. Stattdessen, so hatte der Tiroler über einem Krug Wein geflüstert, könne er seinen italienischen Freund zu einem Bergstift führen, in dem angeblich die absonderlichsten Texte aus der Zeit der Römer in einem Zauberschlaf vor sich hin dämmerten. Augenblicklich war Poggio bereit gewesen, diese Träumer wach zu küssen.

Aristoteles, Cicero, Propertius - die Schriften der größten Geister der Menschheit waren seit Jahrhunderten verloren. Aber nicht gänzlich. In den Klöstern der Christenheit waren Fragmente der alten Texte zu finden. Zwischen Bibeln und Gesangbüchern hatten einzelne Pergamente, bisweilen auch ganze Bücher, die Jahrhunderte überdauert, und wenn nicht gerade ein eifriger Mönch die Rhetorik des Cicero abschabte, um auf der ledernen Seite Platz für das Lukasevangelium zu schaffen, so waren diese Schätze noch zu heben.

Glückliche Stunden in schimmeligen Bibliotheken hatten Poggio das Trostbuch des Boethius, die Prognosen des Hippokrates und das Decretum des Gratian beschert. Ungelesen hatten diese Meilensteine menschlichen Denkens in den staubigen Stuben vor sich hin gedämmert. Eifrig hatte Poggio sie kopiert, editiert, kommentiert und sodann zu seinem Freund Niccolò Niccoli nach Florenz geschickt, der sie in Umlauf brachte. Das Strahlen und Leuchten der wiedergefundenen Schriften war so stark, dass sich eine Gruppe um sie geschart hatte, die sich selbst »Humanisten« nannte. Seither vermehrten diese Menschen den Ruhm der antiken Autoren und ein wenig auch den ihres Entdeckers, des Bücherjägers Gianfrancesco Poggio Bracciolini.

Jetzt aber zeigte sich, dass Wolkenstein offenbar seine eigenen Pläne mit den Büchern hatte. Poggio beschloss, die Ansprüche an die Texte ein für alle Mal klarzustellen. »Sollten wir alte Schriften finden, so müssen diese so schnell wie möglich nach Florenz«, sagte er.

»Was zahlen sie denn in Florenz für so einen Folianten?«, fragte Oswald.

»Überhaupt nichts zahlt man dort für Folianten«, knurrte Poggio, »weil wir nämlich kein einziges Buch aus dem Kloster mitnehmen werden.«

Das also war der Grund, warum Oswald ihn hier hinaufführte. Nicht um die Langeweile von Konstanz hinter sich zu lassen, sondern um sich zu bereichern. Oswald schien die Schriften, die Poggio erkennen mochte, selbst verkaufen zu wollen - oder schlimmer noch: die Originale. An den deutschen König Sigismund vermutlich, unter dessen Schutz der Tiroler stand.

»Soso«, sagte Wolkenstein jetzt. »Und wieso führe ich dich dann zu dem Kloster, obwohl ich meine Zeit sinnvoller verbringen könnte? Wieso mühen wir uns den Berg hinauf, wenn du überhaupt nichts von dort mitnehmen willst?«

»Weil ich die alten Schriften kopieren werde.« Er klopfte gegen den Beutel, der schwer an seinem Gürtel hing. »Dafür trage ich mein Werkzeug bei mir.«

»Kopieren?«, echote Wolkenstein. »Wieso kopieren?«

Poggio durchlief es eiskalt. »Was außer kopieren sollten wir mit den Pergamenten anfangen, die wir dort finden werden?«

Jetzt lachte Oswald von Wolkenstein. Der Laut schlug in den Schneewald ein wie das Geschoss einer Blide. Poggios Pferd schnaubte.

»Wir werden mitnehmen, was auch immer wir finden«, sagte Oswald. »Neulich hat der deutsche König ein Exemplar irgendeines griechischen Dichters gekauft und hundert Gulden dafür bezahlt. Hundert Gulden! Meine Mägde daheim bekommen zwei Gulden im Jahr zum Lohn. Mit einem solchen Buch könnte ich meinen Hausstand aus der Schieflage heben.«

»Ich wusste gar nicht, dass der deutsche König lesen kann«, spottete Poggio.

Oswald fauchte zurück: »Versuch nicht, mir weiszumachen, du würdest die Texte erst mühsam abschreiben, um die Originale dann an Ort und Stelle weiter vermodern zu lassen.«

Es gab keinen Zweifel. Dieser Fürstenknecht wollte Bücher stehlen! Und er, Poggio, sollte ihm dabei helfen, die wertvollsten Exemplare auszusuchen. Mit einem Mal war ihm die Lust auf ein seit Jahrhunderten unberührtes Skriptorium vergangen. Er zog an den Zügeln, und sein Schimmel blieb stehen.

Die Luft knisterte vor Kälte. Oswald ritt noch ein paar Schritte weiter. Dann hielt auch er an und wandte sich im Sattel um. Sein gesundes Auge blitzte. Ein Hauch von Argwohn lag in der...

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Dirk Husemann, Jahrgang 1965, gräbt als Wissenschaftsjournalist, Archäologe und Schriftsteller Geschichten aus. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Neben Historischen Romanen schreibt er Sachbücher und Reportagen, zum Beispiel über die rosaroten Steine von Stonehenge, Fische in der Sahara oder den Sternenhimmel unter den Pyramiden Mexikos. Seine Romane begeistern Leser in vielen Ländern.
Die Bücherjäger

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt