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Die Beute

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am25.02.20221. Aufl. 2022
Frankreich 1940. Colonel Pierre Delort, Organisationsgenie der Armee, erhält einen unmöglichen Auftrag: Er soll über dreitausend Gemälde, Statuen und Artefakte aus dem Louvre evakuieren, bevor die Wehrmacht in Paris einmarschiert. Schon bald heftet sich ein deutsches Einsatzkommando an Delorts Fersen, und eine gefährliche Jagd beginnt. Den größten Schatz trägt Delort stets im Handgepäck bei sich: die Mona Lisa. Und allmählich begreift der nüchtern kalkulierende Offizier, warum dieses kleine Porträt für die Welt von so großer Bedeutung ist ...


Dirk Husemann gräbt als Wissenschaftsjournalist, Archäologe und Schriftsteller Geschichten aus. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Neben historischen Romanen schreibt er Sachbücher und Reportagen, zum Beispiel über die rosaroten Steine von Stonehenge, Fische in der Sahara oder den Sternenhimmel unter den Pyramiden Mexikos.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,90
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFrankreich 1940. Colonel Pierre Delort, Organisationsgenie der Armee, erhält einen unmöglichen Auftrag: Er soll über dreitausend Gemälde, Statuen und Artefakte aus dem Louvre evakuieren, bevor die Wehrmacht in Paris einmarschiert. Schon bald heftet sich ein deutsches Einsatzkommando an Delorts Fersen, und eine gefährliche Jagd beginnt. Den größten Schatz trägt Delort stets im Handgepäck bei sich: die Mona Lisa. Und allmählich begreift der nüchtern kalkulierende Offizier, warum dieses kleine Porträt für die Welt von so großer Bedeutung ist ...


Dirk Husemann gräbt als Wissenschaftsjournalist, Archäologe und Schriftsteller Geschichten aus. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Neben historischen Romanen schreibt er Sachbücher und Reportagen, zum Beispiel über die rosaroten Steine von Stonehenge, Fische in der Sahara oder den Sternenhimmel unter den Pyramiden Mexikos.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751709903
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum25.02.2022
Auflage1. Aufl. 2022
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5708702
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1
MADRID, MUSEO DEL PRADO,
FEBRUAR 1939
Wenn Pierre Delort in ein Museum ging, schloss er für gewöhnlich die Augen.

Genauso wie die Schönheit der Gemälde, Artefakte und Skulpturen liebte er ihre Gerüche: das Aroma von Leinöl und Lösungsmitteln, von Holz und Harz, von alten Zeitungen und vom Pfeifenrauch, den die Maler auf ihre Leinwände geblasen hatten. Das war l Eau d Atelier. Das war l Essence de Musée. Das war der Duft der Kunst.

Doch jetzt hielt sich Colonel Delort ein Taschentuch vor die Nase. Im Prado, Madrids berühmtem Museum, stank es nach Qualm und Flugbenzin. Pierres Augen tränten. Über dem großen Gebäude dröhnten Flugzeugmotoren. Geschosse knallten. Statt der Sterne, die sonst durch das Glasdach funkelten, sah er das Aufleuchten von Explosionen. Der Angriff der Faschisten hatte begonnen. Die spanische Hauptstadt stand unter Beschuss.

Gérard kam auf Pierre zugelaufen. Das Blitzen der Flugabwehrgeschütze riss die vertraute Gestalt aus der Dunkelheit, nur um sie im nächsten Moment wieder darin verschwinden zu lassen. »Hast du endlich alles?«, hörte Pierre ihn rufen.

»Einen Augenblick noch«, antwortete Pierre und steckte das Taschentuch weg. Den Gestank ignorierend, leuchtete er mit der Handlampe auf das Klemmbrett in seiner linken Hand. Darauf waren dicht beschriebene Bögen Papier befestigt. Der Lichtkegel tanzte über berühmte Namen: Albrecht Dürer, Hieronymus Bosch, Francisco de Goya, Rembrandt van Rijn, daneben standen die Titel ihrer Gemälde. Am Ende jeder Zeile hatte Pierre eine Markierung gesetzt, ein kleines »v« mit ungleichen Schenkeln, das ihm verriet: Dieses Bild war bereits aus dem Museum evakuiert worden und rollte auf einem Lastwagen in Richtung der französischen Grenze. Jedes einzelne dieser Häkchen war für Pierre ein Siegeszeichen.

Eine Detonation ließ die Wände erbeben. Pierre blickte sorgenvoll zum Glasdach der Galerie auf.

»Wir verschwinden!«, rief Gérard und zog am schmutzigen Ärmel von Pierres Uniformjacke.

Pierre riss sich los. »Warte doch«, sagte er. Sein Blick flog über die Liste. Die Häkchen standen in Reih und Glied. Alles schien vollständig abtransportiert worden zu sein, Kunstwerke von Weltrang, gerettet vor den deutschen Bomben, die die spanischen Faschisten über Madrid abwarfen.

Er blätterte um. Auf Seite zwei las er die Namen von Michelangelo Buonarotti, El Greco und Fra Angelico. Auch hinter ihren Werken waren die Häkchen gesetzt.

Dann sah er die Lücke.

»Las Meninas ist noch hier im Haus«, sagte Pierre.

Ein berstendes Geräusch war zu hören, gefolgt vom Jaulen überdrehender Motoren. Die Flugabwehr musste einen Bomber erwischt haben.

»Du kommst jetzt mit«, rief Gérard und riss erneut an Pierres Uniform. »Wir haben mehr als tausend Kunstwerke verladen. Auf dieses eine kommt es nicht an.«

Pierre legte eine bebende Hand auf Gérards bloßen Arm. Der untersetzte Soldat hatte die Ärmel seines Militärhemds hochgekrempelt. Seine Haut fühlte sich heiß an, und die dichten Haare auf seinem Unterarm waren aufgerichtet. Er zitterte.

»Aber es ist Las Meninas«, sagte Pierre so ruhig wie möglich. »Ein Velázquez.«

»Na und?« Gérards Augen waren aufgerissen. »Du hast dein Leben heute schon für genug Leinwände aufs Spiel gesetzt!«

Pierre zögerte. Von seiner Stirn fiel ein Schweißtropfen auf das Klemmbrett und verschmierte zwei kleine Siegeszeichen. Es ging ihm ja ebenso wie Gérard, auch in seinem Bauch lag der kalte Klumpen der Angst.

»Wenn wir dieses Bild zurücklassen, sind wir gescheitert.« Pierre klopfte mit der Lampe gegen das Klemmbrett. Der Lichtschein streifte die Wände der großen Galerie. Wo noch vor wenigen Stunden Gemälde gehangen hatten, ragten nur noch Haken und Drahtseile aus dem Putz hervor. Der Prado war ein ausgeschlachteter Kadaver. »Wenn es hier verbrennt, wäre das viel mehr als nur der Verlust eines alten Ölgemäldes. Es wäre der Triumph des Faschismus über den freien Geist des Menschen. Verstehst du? Franco kann Madrid erobern. Er kann sich ganz Spanien nehmen. Aber die Freiheit, Gérard, die bekommt er nicht. Nicht, solange wir beide noch hier sind und darauf achtgeben!«

Das Jaulen wurde lauter und endete in einem Krachen. In der folgenden Stille war das Rieseln von Putz zu hören, der sich aus den Mauern des Museums löste.

Gérard stöhnte. »Du bist zwar mein kleiner Bruder, aber dein Sturkopf war schon immer größer als meiner. Wo finden wir dieses Bild?«

Pierre richtete das Licht wieder auf die Liste. »Saal zwölf«, sagte er in das Platzen einer Detonation hinein. Er deutete auf eine Treppe am Ende der großen Halle. »Dort entlang.«

In Saal zwölf stand Wasser. Es reichte ihnen bis zu den Knöcheln, irgendwo musste eine Leitung geplatzt sein. Das Atmen fiel schwer, denn die Rotunde war voller Rauch. Trotzdem war sofort zu erkennen, dass alle Gemälde entfernt worden waren.

»Wo ist dieses Bild denn nun?«, fragte Gérard ungeduldig. »Hast du dich im Saal geirrt?«

Pierre stapfte durch das Wasser bis vor die Wand. »Unmöglich.« Er tastete über den Putz. »Es war hier. Ich habe es vergangene Woche selbst gesehen, als ich die Liste erstellt habe.«

»Dann hat es wohl jemand mitgenommen«, schlussfolgerte Gérard.

»María Teresa und Rafael waren für diesen Flügel zuständig«, sagte Pierre. Er spürte Zorn in sich aufwallen. »Ich hatte ihnen doch befohlen, sich an die Pläne zu halten und jedes evakuierte Bild abzuhaken.« Kopfschüttelnd watete er zum Ausgang des Saals. »Wenn hier jeder macht, was er will, werden wir hinterher nichts mehr wiederfinden.«

»Wenn wir dann überhaupt noch am Leben sind«, versetzte Gérard.

Diesmal leistete Pierre keinen Widerstand, als sein Bruder ihn durch die dunklen Fluchten des Prado zog. Früher hatte Pierre sich immer gewünscht, eine Nacht allein in einem Museum wie diesem verbringen zu können. Jetzt eilte er durch die gespenstisch leeren Säle und Korridore wie durch ein albtraumhaftes Labyrinth.

Wo war Las Meninas?

Das Bild hatte etwas Geisterhaftes. Es war die Krönung im Werk von Diego Velázquez. Es zeigte die fünfjährige spanische Königstochter Margarita im Kreis ihrer Hofdamen. Und es zeigte den Maler selbst, der sich mit Staffelei und Farbpalette neben der Königstochter in Szene gesetzt hatte. Was Velázquez dabei wohl im Sinn gehabt hatte? Bislang war es noch niemandem gelungen, dieses Rätsel zu lösen. Und wenn das Gemälde jetzt in der Bombennacht von Madrid verschwand, würde sein Geheimnis mit ihm untergehen.

Kühle Nachtluft schlug Pierre und Gérard entgegen, als sie die Stufen zur Plaza Murillo hinabliefen. Der Himmel über den Dächern der Stadt wurde von den tastenden Fingern der Suchscheinwerfer zerschnitten. Am Seiteneingang des Museums hatten sie die Lastwagen geparkt. Um die Plaza war ein kleiner Park angelegt, und Pierre hatte daraufgesetzt, dass die Frühlingsblätter in den Baumkronen den Bomberpiloten die Sicht auf die Wagen nehmen würden. Das hatte offenbar funktioniert. Nur ein einziger Laster wartete noch in der Dunkelheit.

»Miguel, wo bist du?«, rief Pierre.

Unter dem Fahrzeug war eine Bewegung zu erahnen. Kurz darauf kam ein Mann zwischen den Reifen hervorgekrochen. Er war jung, kaum älter als achtzehn, und trug das Barett der Freiwilligenverbände, die Madrid gegen den Ansturm der Faschisten verteidigten.

»Zur Stelle, Señor Coronel«, sagte Miguel. »Die anderen sind schon unterwegs. Ich hielt es für das Sicherste, unter dem Wagen auf Sie zu warten.«

Die Ladefläche des Lasters war geschlossen. Pierre schob die Plane zur Seite. In der Dunkelheit dahinter erkannte er schemenhaft dicht an dicht stehende Bilderrahmen. »Las Meninas. Ist das Bild auf dem Wagen?«

Miguel schaute ihn ratlos an. »Señor. Monsieur. Ich kenne die Gemälde leider nicht mit Namen.« Er deutete ins Innere des Lastwagens. »Aber der Wagen ist voll bis auf den letzten Millimeter. Und wir müssen abfahren.«

»Es ist ein Velázquez. Die Infantin mit Hofdamen. Ein kleines blondes Mädchen.«

Miguel zuckte mit den Schultern.

Pierre spürte, wie er die Nerven verlor. Er versuchte sich zusammenzureißen. Miguel war nicht schuld an der Misere. »Das Bild ist groß«, begann er noch einmal. »Etwa drei mal zweieinhalb Meter.«

»María Teresa und Rafael könnten es herausgebracht haben«, warf Gérard ein. »Waren sie hier?«

Miguel rieb sich eine Wange. Im Aufblitzen eines Geschosses war sein jugendliches Gesicht zu erkennen. Mein Gott, dachte Pierre, als er den Flaum auf der Oberlippe Miguels sah, der hat ja noch nicht einmal einen Bart.

»Sí, sí, sí«, beeilte sich Miguel zu sagen. Die Laute klangen wie die Querschläger eines Schnellfeuergewehrs. »María Teresa und Rafael waren hier. Sie haben ein Bild aus dem Museum getragen. Es war so groß.« Er deutete den Umfang mit ausladenden Gesten an.

»Habt ihr es auf diesen Wagen verfrachtet? Oder ist es mit den anderen unterwegs?«, hörte sich Pierre mit erstickter Stimme fragen. Am liebsten hätte er die Antworten aus dem jungen Spanier herausgeschüttelt.

»No, no, no«, sagte Miguel und unterstrich seine Worte mit abwehrenden Gesten. »Das Bild war viel zu groß. Die Laster waren alle schon fort, und dieser da ist voll. Es passte nirgendwo rein.«

Pierre spürte, wie etwas in ihm platzte. »Wo ist dieses Bild?«, donnerte er.

Eine Detonation, keine zwei Häuserblocks entfernt, unterstrich seine Worte....

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Autor

Dirk Husemann gräbt als Wissenschaftsjournalist, Archäologe und Schriftsteller Geschichten aus. Er studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie in Münster. Neben historischen Romanen schreibt er Sachbücher und Reportagen, zum Beispiel über die rosaroten Steine von Stonehenge, Fische in der Sahara oder den Sternenhimmel unter den Pyramiden Mexikos.
Die Beute

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt