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Willems letzte Reise

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am13.04.20181. Auflage
Wenn du noch einmal die Gelegenheit hast, das Richtige zu tun... Einsam und mit seiner Familie zerstritten, lebt der alte Willem auf seinem Bauernhof in Ostfriesland. Dann bringt seine Tochter ungefragt ihren Sohn Finn bei ihm unter, weil sie sich wegen ihrer Trennung nicht anders zu helfen weiß. Und so sehr sich der knurrige alte Mann auch dagegen wehrt - der bezaubernde kleine Junge erobert sein Herz. Ausgerechnet jetzt erhält Willem eine fatale Nachricht. Aber um ein Versprechen zu erfüllen, das er Finn gegeben hat, begibt er sich mit seinem alten Traktor auf eine Reise quer durch Deutschland. Schon bald wird jedoch klar, dass Willem nicht mehr lange drum herumkommen wird, sich seinen Fehlern von damals zu stellen. Einfühlsam und berührend erzählt Jan Steinbach von den Wunden, die sich in der Geschichte jeder Familie finden, und dem Glück, endlich die richtige Entscheidung zu treffen.



Jan Steinbach, geboren 1973, ist das Pseudonym eines erfolgreichen deutschen Schriftstellers, der auf einem Bauernhof nahe der niederländischen Grenze aufgewachsen ist.

Bei Rütten & Loening und im Aufbau Taschenbuch liegen von ihm die Romane 'Willems letzte Reise', 'Das Café der kleinen Kostbarkeiten', 'Das Strandhaus der kleinen Kostbarkeiten' , 'Die Schwestern von Marienfehn' und ' Was wir Glück nennen' vor.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextWenn du noch einmal die Gelegenheit hast, das Richtige zu tun... Einsam und mit seiner Familie zerstritten, lebt der alte Willem auf seinem Bauernhof in Ostfriesland. Dann bringt seine Tochter ungefragt ihren Sohn Finn bei ihm unter, weil sie sich wegen ihrer Trennung nicht anders zu helfen weiß. Und so sehr sich der knurrige alte Mann auch dagegen wehrt - der bezaubernde kleine Junge erobert sein Herz. Ausgerechnet jetzt erhält Willem eine fatale Nachricht. Aber um ein Versprechen zu erfüllen, das er Finn gegeben hat, begibt er sich mit seinem alten Traktor auf eine Reise quer durch Deutschland. Schon bald wird jedoch klar, dass Willem nicht mehr lange drum herumkommen wird, sich seinen Fehlern von damals zu stellen. Einfühlsam und berührend erzählt Jan Steinbach von den Wunden, die sich in der Geschichte jeder Familie finden, und dem Glück, endlich die richtige Entscheidung zu treffen.



Jan Steinbach, geboren 1973, ist das Pseudonym eines erfolgreichen deutschen Schriftstellers, der auf einem Bauernhof nahe der niederländischen Grenze aufgewachsen ist.

Bei Rütten & Loening und im Aufbau Taschenbuch liegen von ihm die Romane 'Willems letzte Reise', 'Das Café der kleinen Kostbarkeiten', 'Das Strandhaus der kleinen Kostbarkeiten' , 'Die Schwestern von Marienfehn' und ' Was wir Glück nennen' vor.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841215239
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum13.04.2018
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4929 Kbytes
Artikel-Nr.2512694
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel eins


Es war kein Tag wie jeder andere, dennoch begann ihn Willem so. Er stand früh auf, stieg in seine Arbeitskleidung, aß eine Banane und stapfte quer über den Hof zum Melkstall. Es war eine dieser magischen Morgenstunden in Ostfriesland, um kurz vor fünf, wenn der Dunst noch über den saftgrünen Feldern hing, wenn die Luft klar und rein war und der weite Himmel still und wie eingefroren wirkte. Willem stand am Gatter und schaute. Die ersten Vögel erwachten, ein rosafarbener Streifen zog am Horizont herauf und kündigte einen weiteren strahlenden Sommertag an. Es war kaum zu glauben, dass dies sein letzter Arbeitstag sein würde. Doch heute war es so weit. Seine Kühe würden abgeholt werden, und zurück blieben nichts als leere Ställe.

Die Vorbereitungen liefen seit Wochen. Sein Hof war zu klein, um zu überleben. Außerdem gab es keinen Nachfolger. Willem musste froh sein, es überhaupt bis zur Rente geschafft zu haben. Er war ja nicht der Einzige, dem es so erging. Überall in der Gegend ging den kleinen Betrieben die Luft aus. Trotzdem. Ihn traf das Endgültige der Situation. Willem war der letzte Bauer in seiner Familie. Nach den vielen Generationen, die auf dem Hof gelebt und gelärmt und gearbeitet hatten, wäre mit ihm Schluss. Das war nicht leicht zu verdauen.

Seine ehrwürdigen Damen trotteten an diesem Morgen in alter Gewohnheit vor ihm her in den Melkstall. Alles war vertraut, alles wie immer. Nur die gute Aggi, die trotz ihres Alters immer noch viel Milch gab und deshalb glücklicherweise zusammen mit dem Rest der Herde verkauft werden konnte, spürte offenbar die Veränderung. Sie war anhänglich an diesem Morgen. Nach dem Melken wollte sie nicht von seiner Seite weichen, im Laufstall hielt sie ständig nach ihm Ausschau, und als Willem das Heu aus der Futtertenne fegte, streckte sie den Kopf durch das Gitter und stupste ihn mit ihrer feuchten Nase an.

Zu Aggi hatte er eine besondere Verbindung - seit einer Winternacht vor zwei Jahren, als es bei der Geburt ihres Kalbes unerwartet Komplikationen gab, der Tierarzt wegen eines Schneesturms nicht kommen konnte und Willem die ganze Nacht an Aggis Seite im Stall verbracht hatte, bis am Ende das Kalb doch noch herauskam und alle Beteiligten wie durch ein Wunder überlebten. Sie hatte nicht vergessen, dass er ihr beigestanden hatte.

»Es wird schon werden, Aggi«, sagte er und klopfte ihr aufs Fell. »Alles wird sich fügen.«

Mit Tieren war es einfach auszukommen. Sie verstanden, wie man fühlte. Was man tief drin für ein Wesen war. Sie nahmen auf eine Weise Verbindung auf, die einzigartig war. Schwierig war es nur mit Menschen. Da wurde schnell alles kompliziert. Es gab Missverständnisse und Streitereien, und keiner sah mehr auf das Wesentliche, auf das, was eine Person im Kern ausmachte. Ob sie es gut meinte, ob sie Liebe für einen empfand. Das jedenfalls waren die Erfahrungen, die Willem in seinem Leben gemacht hatte.

Als die Morgensonne blutrot über den weiten Feldern stand und die Tiere versorgt waren, wischte er sich den Schweiß von der Stirn, kehrte ins Haus zurück und bereitete das Frühstück vor. Er kochte Kaffee, briet sich ein Spiegelei und setzte sich an das Ende des Küchentischs, von dem aus er den Kuhstall sehen konnte. Solange sie noch da waren, wollte er die Tiere im Blick behalten.

Spiegeleier. Die gehörten zu den wenigen Gerichten, die er selbst zubereiten konnte. Emmi Terhöven, eine Bauersfrau aus der Nachbarschaft, war nach dem Tod seiner Frau da gewesen, um ihm ein bisschen unter die Arme zu greifen. Sie war vierzehn Jahre älter als Willem, in ihrer Familie die Älteste von fünf Kindern und hatte ihn schon als Dreikäsehoch zusammen mit anderen Kindern aus der Gegend betreut. Nach dem Tod seiner Frau hatte sie ihn bei einem Überraschungsbesuch dabei erwischt, wie er versucht hatte, sich ein Spiegelei zu braten. Zugegeben, eine ziemliche Katastrophe war das gewesen. Unten angebrannt, oben glibberig, und als er es aus der Pfanne auf den Teller hieven wollte, war das Eigelb aufgeplatzt und hatte eine Spur vom Pfannenrand über die Anrichte bis zu seinem Teller hinterlassen.

»So kannst du das nicht machen, Willem«, schimpfte sie, als wäre er immer noch der kleine Junge, auf den sie aufpassen musste. Dabei waren beide längst grau auf dem Kopf, und Emmi war schon im Rentenalter. »Die Pfanne ist zu heiß. Und außerdem: Spiegelei. Das mit dem Wenden ist doch viel zu kompliziert.« Sie sah ihn kopfschüttelnd an, dann machte sie sich hemdsärmelig in der Küche zu schaffen und bestimmte: »Wir fangen mal mit Rührei an. Da kommen die Eier in die Schüssel. Ein Schluck Milch dazu und umrühren. Immer rühren. Siehst du? Butter in die Pfanne, Eier rein und rühren. Da kann nichts passieren, Willem.«

Ohne dass er darum gebeten hatte und ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, war Emmi in den folgenden Wochen regelmäßig aufgetaucht, um ihm das Kochen beizubringen. Nur das Nötigste, das er brauchte, um über die Runden zu kommen. Bratkartoffeln, Strammer Max, Wurzelgemüse.

»Morgens und abends kannst du dir Stullen machen. Aber mittags, Willem, da brauchst du was Warmes im Bauch.«

Auf die Jüngeren aufzupassen, das steckte eben in ihr drin. Gewisse Dinge änderten sich nie, egal, wie alt man wurde.

»Jetzt fehlt nur noch eins«, sagte sie zum Ende ihres Kochkurses. »Wir backen zusammen einen Kuchen. Dann sind wir fertig.«

»Wozu denn einen Kuchen? Ich brauch keinen Kuchen. Das reicht mir so.«

»Für sonntags, Willem. Nur was Einfaches. Marmorkuchen vielleicht oder Streuselkuchen. Es ist doch sonst kein richtiger Sonntag. Nicht, wenn man keinen Kuchen hat.«

Ohne seine verstorbene Frau Anna war eh kein Sonntag ein richtiger Sonntag. Allein vor einem Stück Kuchen zu sitzen würde es nur schlimmer machen. Aber das wollte Willem ihr nicht sagen. Stattdessen hatte er sich einfach geweigert. Er brauche keinen Kuchen, fertig. Emmi, die es nicht gewohnt war, Widerworte zu bekommen, wollte nicht so schnell klein beigeben. Es hatte ein ziemliches Gerangel gegeben, aber Willem hatte sich am Ende durchgesetzt. Keinen Kuchen!

Im letzten Frühjahr war Emmi plötzlich gestorben. Ein Schlaganfall, zum Glück war alles ganz schnell gegangen. Nicht wie bei ihrem Mann Heinz, der jahrelang ein Pflegefall gewesen war und sich bis zum Schluss verzweifelt ans Leben geklammert hatte. Sie hatte einfach beim Hofkehren verwundert innegehalten, dann war sie tot umgefallen. Zu ihrer Beerdigung hatte Willem schließlich doch einen Kuchen gebacken. Einen Streuselkuchen. Ganz allein. Ein Nachbarsjunge hatte ihm auf seinem Tablet-Computer gezeigt, wie man Videos abrief, auf denen Schritt für Schritt gezeigt wurde, wie es ging. Ein ganzer Tag Arbeit war das gewesen, verflucht anstrengende noch dazu, nachdem der erste Kuchen verbrannt war und der zweite aus nicht nachvollziehbaren Gründen nach alten Schuhsohlen geschmeckt hatte. Doch schließlich hatte es ein Blech richtigen Streuselkuchen gegeben, das er beim Beerdigungskaffee einfach zu dem restlichen Kuchen dazugestellt hatte. Keiner hatte etwas gemerkt, keiner hatte gefragt. Und am Abend war das Blech leer gewesen, offensichtlich hatte der Kuchen allen geschmeckt. Willem hatte das leere Blech wieder eingesteckt und war nach Hause gegangen.

Sein Spiegelei sah gut aus. Trotzdem hatte Willem keinen Appetit. Er sah zur Uhr. Noch eine halbe Stunde, bis das Fuhrunternehmen seine Kühe abholte.

Auf dem Hof erschien ein Mann mit Schirmmütze und in Arbeitshosen. Es war sein Nachbar, Alfred Janssen. Wie Willem war er ein Leben lang Landwirt gewesen, jetzt war er in Rente, und sein Hof wurde von seinem Schwiegersohn weitergeführt. Der Betrieb vergrößerte sich sogar. Ein riesiges Ungetüm von einem Sauenstall hatten sie im letzten Jahr gebaut. Fünfhundert Tiere, nur in diesem Stall. Schwer zu glauben, dass so etwas überhaupt möglich war. Alfred machte sich immer irgendwie nützlich auf dem Hof. Er wurde noch gebraucht, hatte noch eine Rolle zu spielen in seinem Leben. Im Gegensatz zu Willem.

Willem stand auf und zog sich in der Waschküche die Stiefel an. Dann trat er vor die Tür und blinzelte in die Sonne.

»Was machst du denn hier, Alfred?«

»Moin, Willem.«

»Moin.«

»Geld einsammeln. Die Beiträge für den Schützenverein.«

»Ist das Jahr schon wieder um?«

»Sieht so aus. Sonst wär ich nicht hier.«

Willem war klar, dass der Beitrag für den Schützenverein, den Alfred Janssen als Vereinskassenwart einmal im Jahr überall persönlich einsammelte, nur ein Vorwand war. Sein Nachbar, dessen Hof in Sichtweite hinter einem Erlenwäldchen lag, wusste natürlich genau, dass heute die Kühe abgeholt werden würden. Er wusste, was dieser Tag für Willem bedeutete. Alfred Janssen war da, um Willem heute nicht allein zu lassen. Auch wenn er das niemals offen zugegeben hätte.

»Dann geh ich gleich mal und hol das Geld.«

»Ich hab s nicht eilig. Ganz wie du willst. Aber sag mal: Wann kommt denn der Fuhrunternehmer?«

»Wegen der Kühe? Der müsste jeden Moment da sein.«

Das Rolltor zum Stall stand offen. Willem konnte den Kühen dabei zusehen, wie sie sich gemächlich über das Heu hermachten.

»Hast du vielleicht einen Schnaps?«, fragte Alfred, schob die Hände in seine Arbeitshose und sah sich auf dem Hof um, als müsste er sich alles genau einprägen. »Ich weiß nicht. Irgendwie könnte ich einen gebrauchen.«

Das gab es...
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Autor

Jan Steinbach, geboren 1973, ist das Pseudonym eines erfolgreichen deutschen Schriftstellers, der auf einem Bauernhof nahe der niederländischen Grenze aufgewachsen ist.

Bei Rütten & Loening und im Aufbau Taschenbuch liegen von ihm die Romane "Willems letzte Reise", "Das Café der kleinen Kostbarkeiten", "Das Strandhaus der kleinen Kostbarkeiten" , "Die Schwestern von Marienfehn" und " Was wir Glück nennen" vor.