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Tom Knight. Ein Mann tanzt aus der Reihe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am23.04.2018
Er ist witzig. Er ist charmant. Er ist noch immer gut zu Fuß.
Tom Knight ist 73 Jahre alt und hat schon bessere Zeiten gesehen. So wie die Dinge stehen, wird er sich seine Wohnung bald nicht mehr leisten können. Die Pension reicht gerade eben für das Minus auf seiner Kreditkarte. Aus purer Verlegenheit nimmt er einen schlecht bezahlten Job als Aktmodell an. Doch als seine spleenige Auftraggeberin plötzlich das Zeitliche segnet, wird Tom misstrauisch. Wird er einfach nur vom Pech verfolgt, oder gibt es hier ein Verbrechen aufzuklären - und möglicherweise sogar eine Frau zu erobern?

Charles Hodges, geboren in Südafrika, studierte Deutsch und Französisch am Jesus College Cambridge. Es verschlug Hodges unter anderem nach Deutschland, wo er in Gießen unterrichtete. Später verdiente er sich seine Sporen im Filmgeschäft und arbeitet als Drehbuchautor für das britische Fernsehen. Mit der Figur des Tom Knight begann er eine zusätzliche Karriere als Schriftsteller.
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Produkt

KlappentextEr ist witzig. Er ist charmant. Er ist noch immer gut zu Fuß.
Tom Knight ist 73 Jahre alt und hat schon bessere Zeiten gesehen. So wie die Dinge stehen, wird er sich seine Wohnung bald nicht mehr leisten können. Die Pension reicht gerade eben für das Minus auf seiner Kreditkarte. Aus purer Verlegenheit nimmt er einen schlecht bezahlten Job als Aktmodell an. Doch als seine spleenige Auftraggeberin plötzlich das Zeitliche segnet, wird Tom misstrauisch. Wird er einfach nur vom Pech verfolgt, oder gibt es hier ein Verbrechen aufzuklären - und möglicherweise sogar eine Frau zu erobern?

Charles Hodges, geboren in Südafrika, studierte Deutsch und Französisch am Jesus College Cambridge. Es verschlug Hodges unter anderem nach Deutschland, wo er in Gießen unterrichtete. Später verdiente er sich seine Sporen im Filmgeschäft und arbeitet als Drehbuchautor für das britische Fernsehen. Mit der Figur des Tom Knight begann er eine zusätzliche Karriere als Schriftsteller.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641191122
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum23.04.2018
Reihen-Nr.2
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1353 Kbytes
Artikel-Nr.2512881
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Die Reihe identischer Bungalows erstreckte sich über mehrere Hundert Meter. Unter der Schneedecke bildeten sie ein regelmäßiges Muster, und wie in gut gemachten Computeranimationen bekam ihre trostlose Banalität so fast etwas Überirdisches.

Ein alter Mann zog langsam von Tür zu Tür. Mithilfe seines Stocks tastete er sich vorsichtig über die tückischen Stellen hinweg, an denen der Schnee festgetreten war. Sein schwerer Armeemantel bildete einen eigenartigen Kontrast zu den Gummistiefeln und der roten Pudelmütze, dem einzigen Farbklecks inmitten dieses weißen Meeres. Über seiner Schulter hing eine Umhängetasche.

So sehr Knight sich auch bemühte, sich in die Rolle eines Polarforschers zu versetzen, letztlich lief es doch eher auf die des Versagers hinaus. In seiner Tasche befand sich auch nicht der Proviant für eine Arktisexpedition, sondern vielmehr Flyer, die die Bürger Eastbournes animieren sollten, Gewächshäuser, Doppelglasfenster oder indisches Fast Food zu kaufen. Kurz war er in Versuchung geraten, die halbe Ladung in einer Mülltonne zu entsorgen, doch die Agentur überprüfte seine Route stichprobenartig.

Es wurmte ihn gewaltig, dass er im Alter von dreiundsiebzig praktisch an den Bettelstab gekommen war. In den sechs Monaten, die es gedauert hatte, bis sein Knie verheilt war, hatte er nicht arbeiten können. Die Aufträge, die er hatte ablehnen müssen, hätten ihm zwar auch nicht ermöglicht, sich endgültig zur Ruhe zu setzen, aber doch wenigstens seine laufenden Kosten gedeckt. Seine Schulden wuchsen so schnell, wie seine Aufträge zurückgingen. Überzogene Kreditkarten, Darlehen und unbezahlte Rechnungen formierten sich zu einem Bataillon, gegen das er mit seiner bescheidenen Lebensweise und der Armeepension vergeblich anstürmte. Doch zumindest konnte man ihm nicht vorwerfen, dass er untätig blieb, auch wenn er mit seinem Schneckentempo auf gerade einmal vier Pfund pro Stunde kam. Zudem war sein körperlicher Zustand recht erfreulich - den Marsch durch den Schnee empfand er sogar als belebend. Nach der wundersamen Operation funktionierte sein neues Knie wieder einwandfrei. Ebenfalls positiv wirkte sich das bisschen Gras aus, das er vorher noch geraucht hatte, der einzige Genuss, den er sich noch gönnen konnte, denn Zigaretten für acht Pfund die Packung kamen nicht im Entferntesten infrage.

Er war nun an der Stelle angelangt, wo die Bungalowreihe Richtung Meer führte. Am Ende der Straße befand sich ein kleiner Parkplatz, von dem aus man zu einem abgelegenen Strandabschnitt einige Kilometer außerhalb der Stadt gelangte. Vor zwei Wochen war dort die Leiche einer jungen Frau angespült worden. Da sie einen Neoprenanzug und Flossen trug, lag die Vermutung nahe, dass sie einem Taucherklub angehörte, aber niemand schien sie zu vermissen. Es wurde auch spekuliert, dass es sich um einen Flüchtling handelte, ertrunken bei dem Versuch, von Frankreich aus den Ärmelkanal zu überqueren. Aber es gab kein gekentertes Schiff, das diese Theorie gestützt hätte. Das tote Mädchen lenkte Knights Gedanken auf die humanitäre Katastrophe, die sich über den Kontinent hinweg nach Norden ausbreitete und seine eigenen Probleme belanglos aussehen ließ. Er sollte dankbar sein, dass es eher unwahrscheinlich war, dass er verhungern müsste oder von religiösen Psychopathen behelligt würde. Und doch, mochte es angesichts des Zustands dieser Welt auch selbstsüchtig sein, er konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken immer wieder um eine entsetzliche Befürchtung kreisten: Wenn kein Wunder geschah, würde er nicht mehr lange in seiner geliebten Wohnung bleiben können. Und an Wunder glaubte er nicht.

Er war nun nah genug, um eine Gestalt mit Helm auf dem Kopf zu erkennen, die sich auf die Schranke zwischen dem Parkplatz und dem Weg zum Strand lehnte. Daneben stand ein Motorroller, ein ungeschickt gewähltes Transportmittel angesichts der Schneeverhältnisse. Doch diese aus Leichtsinn geborene Freiheit war das Privileg der Jugend, die auch er selbst weidlich genutzt hatte. Fast hätte er der einsamen Figur an der Schranke eine gewisse Sympathie entgegengebracht - bis eine ältere Frau vom Strand aus den Parkplatz betrat. Als sie neben einem klapprigen Nissan stehen blieb, um in der Handtasche nach dem Autoschlüssel zu kramen, stürzte die von Knight eben noch so wohlwollend beurteilte Gestalt auf sie zu, stieß sie zu Boden und entriss ihr die Handtasche. Vom Schnee erstickt klang ihr Schrei mehr wie ein Jammern.

Während sie sich mühsam hochrappelte, saß der Dieb längst auf seinem Roller und raste mitten auf der Straße in Knights Richtung. Ob es ein Anfall von Zivilcourage war oder nur das dringende Bedürfnis, seinen aufgestauten Groll an einem geeigneten Objekt abzureagieren, konnte Knight im Nachhinein schwer sagen. Jedenfalls machte er, als sich der Motorroller näherte, einen Schritt nach vorn und schwang seine schwere Umhängetasche. Sein Schlag wurde von der Windschutzscheibe abgefangen und hätte keinen Schaden angerichtet, wenn der Fahrer nicht versucht hätte auszuweichen. Auf dem festgefahrenen Schnee geriet der Roller ins Schleudern, warf seinen Fahrer ab und schlitterte schließlich in einen geparkten Wagen.

Erst jetzt kam es Knight in den Sinn, dass seine Aktion unbedacht, wenn nicht gar leichtsinnig gewesen sein könnte. Wenn der Dieb ernsthaft verletzt war, drohten juristische Konsequenzen, war sein Opfer dagegen in der Lage, Rache zu üben, würde es ihm schwerfallen abzuhauen. Der Dieb kniete bereits wieder, und es ging ihm augenscheinlich gut genug, um Knight eine Flut von Schimpfwörtern an den Kopf zu werfen. Seine Stimme war schrill und ebenso aggressiv wie die knallrote Akne, die aus dem Helmvisier hervorleuchtete.

Das Messer, das dem Jungen nun aus dem Stiefelschaft rutschte, bestätigte Knights Befürchtungen hinsichtlich seiner unüberlegten Entscheidung und machte zugleich die nächste umso einfacher: Angriff war die beste Verteidigung.

Nachdem er sicher stand, ließ er seinen Stock durch die Hand gleiten, um ihn am unteren Ende zu fassen. Der Griff sah nur aus wie Holz, war aber tatsächlich aus massivem Stahl und geeignet, jemandem schwere Verletzungen zuzufügen. Rein technisch gesehen handelte es sich nur dann um eine Waffe, wenn man ihn als solche einsetzte, doch der Anblick des Messers schien Knight Rechtfertigung genug.

Der Junge stand inzwischen wieder auf den Füßen und näherte sich ihm vorsichtig über eine vereiste Stelle hinweg. Auch er fing gerade an, seine vorausgegangene Handlung zu bedauern. Bislang hatte er keines seiner Opfer tatsächlich angegriffen, es hatte immer genügt, mit dem Messer zu fuchteln und ein bisschen herumzuschreien. Bei der bislang einzigen Messerstecherei seines Lebens war er selbst das Opfer gewesen: als er sich in der Gastronomieschule, von der er kürzlich geflogen war, im betrunkenen Zustand mit einem Tranchiermesser duelliert hatte. Er richtete sein Messer nun auf das Gesicht des alten Mannes, dessen einziger Körperteil, der nicht bedeckt war.

»Was sollte denn der Scheiß?«, beschwerte er sich.

Knight schlug mit dem Metallgriff auf das Handgelenk seines Angreifers. Der Junge brüllte, beziehungsweise jaulte und presste seine Faust an die Brust, wobei er das Messer fallen ließ.

»Das Gleiche, was das hier soll. Und jetzt rauf auf die Kiste und verpiss dich, bevor ich es noch mal mache!«

Die Stimme des alten Mannes klang so herrisch arrogant, wie es der frustrierte Räuber nur aus dem Fernsehen oder vom Gericht her kannte. Die fremdartige, bedrohliche Vornehmheit verstärkte jedenfalls seinen Fluchtreflex, sodass es ihm irgendwie gelang, seinen Roller mit einem Arm hochzuhieven. Dann taumelte er davon, möglicherweise angemessen bestraft, aber nicht unbedingt klüger durch die Erfahrung.

Knight angelte sich die Handtasche mit seinem Stock und ließ sie kurz daran baumeln, als hätte er einen Trophäenfisch aus dem Meer geholt. Für einen Moment waren alle Gedanken an die Schulden und sein Scheitern wie weggeblasen, und die Welt lag ihm zu Füßen. Gleichzeitig schlurfte die Handtaschenbesitzerin durch den Schnee auf ihn zu.

»Das war ziemlich mutig von Ihnen, vielen Dank.« Sie konstatierte das sehr nüchtern, fast als wäre er ihr den eben geleisteten Dienst schuldig gewesen.

»Gern geschehen. Mit etwas Glück überlegt er es sich in Zukunft zweimal, ob er so etwas macht.«

Er hielt ihr die Handtasche hin, und sie zögerte einen Augenblick, bevor sie danach griff. Sie schien erwartet zu haben, dass er selbst sie von seinem Stock nahm und ihr offiziell überreichte. Unter der Kapuze ihres unförmigen Mantels erblickte er ein schmales, fast ausgemergeltes Gesicht mit dünner Nase und fliehendem Kinn. Einige graue Haare hingen ihr in die Stirn, und ein paar weitere hatten sich an ihrer Oberlippe angesiedelt.

»Sind Sie verletzt?« Er wusste aus eigener, bitterer Erfahrung, wie teuer man manchmal für einen Sturz bezahlte.

»Nein, gar nicht. Wegen des Schnees, wissen Sie.« Es klang, als hätte er sie genötigt, etwas ganz Offensichtliches zu erläutern. Nun begann sie, in ihrer Handtasche herumzuwühlen. »Ich sollte Ihnen wirklich etwas geben.«

So sehr Knight das Geld auch brauchen konnte, kränkte es ihn zugleich, dass sie seine Heldentat mit schnödem Mammon würdigen wollte.

»Nein, ich bitte Sie, das würde ich ja nicht im Traum erwarten!«

»Ach, Unsinn! Viel können Sie mit dem Prospektaustragen nicht verdienen.«

Die Werbeflyer waren als sichtbarer Beweis seines sozialen Abstiegs über die ganze Straße verstreut.

»Ach wissen Sie ...« Er überlegte fieberhaft, wie er seine Tätigkeit in ein...

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Autor

Charles Hodges, geboren in Südafrika, studierte Deutsch und Französisch am Jesus College Cambridge. Es verschlug Hodges unter anderem nach Deutschland, wo er in Gießen unterrichtete. Später verdiente er sich seine Sporen im Filmgeschäft und arbeitet als Drehbuchautor für das britische Fernsehen. Mit der Figur des Tom Knight begann er eine zusätzliche Karriere als Schriftsteller.