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Autopsie

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am15.05.20181. Auflage
Harry Kent, ein Arzt im Dienst der Polizei. Niemand kommt Tätern und Opfern so nahe. Als man Susan Bayliss mit aufgeschlitzten Pulsadern findet, deutet alles auf Selbstmord hin. Die junge Ärztin hatte ihren Chef wegen fachlicher Fehler angezeigt. Angeblich handelte der renommierte Herzchirurg einer Londoner Kinderklinik fahrlässig - mit Todesfolge. Für viele Eltern deckte Susan einen Skandal auf - für die Klinik war sie dessen Ursache: schlechte Presse, abgesagte Operationen. Und eine eingesetzte Ermittlungskommission, durch die Susan alles verlor: ihren Job, ihren Ruf, ihre Lebensfreude. Als Force Medical Examiner Harry Kent den Totenschein ausstellen soll, kommen ihm Zweifel, zu viel deutet auf Fremdeinwirkung hin. Dass ausgerechnet Harrys Exfreundin, DCI Francis Noble, in der Sache ermittelt und ihn um Hilfe bittet, macht die Lage nicht leichter. Denn Harry soll herausfinden, ob es unter seinen Kollegen und Freunden tatsächlich jemanden gab, der von der Sache wusste und für den Tod der Kinder mitverantwortlich war.

Rob McCarthy wurde in London geboren und studiert Medizin. Er begann Kriminalromane zu schreiben, als ihm die Neuroanatomie den Verstand zu rauben drohte. «Todeszeitpunkt» ist sein Debütroman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextHarry Kent, ein Arzt im Dienst der Polizei. Niemand kommt Tätern und Opfern so nahe. Als man Susan Bayliss mit aufgeschlitzten Pulsadern findet, deutet alles auf Selbstmord hin. Die junge Ärztin hatte ihren Chef wegen fachlicher Fehler angezeigt. Angeblich handelte der renommierte Herzchirurg einer Londoner Kinderklinik fahrlässig - mit Todesfolge. Für viele Eltern deckte Susan einen Skandal auf - für die Klinik war sie dessen Ursache: schlechte Presse, abgesagte Operationen. Und eine eingesetzte Ermittlungskommission, durch die Susan alles verlor: ihren Job, ihren Ruf, ihre Lebensfreude. Als Force Medical Examiner Harry Kent den Totenschein ausstellen soll, kommen ihm Zweifel, zu viel deutet auf Fremdeinwirkung hin. Dass ausgerechnet Harrys Exfreundin, DCI Francis Noble, in der Sache ermittelt und ihn um Hilfe bittet, macht die Lage nicht leichter. Denn Harry soll herausfinden, ob es unter seinen Kollegen und Freunden tatsächlich jemanden gab, der von der Sache wusste und für den Tod der Kinder mitverantwortlich war.

Rob McCarthy wurde in London geboren und studiert Medizin. Er begann Kriminalromane zu schreiben, als ihm die Neuroanatomie den Verstand zu rauben drohte. «Todeszeitpunkt» ist sein Debütroman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644561816
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum15.05.2018
Auflage1. Auflage
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1220 Kbytes
Artikel-Nr.2530690
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Eins Sonntag, 24. August

Früher Morgen


Die Frau, die versucht hatte, ihren Mann umzubringen, stank nach Anis und Alkohol. Der Geruch hing an den Wänden, in der Matratze, in ihrem Haar. Sie trug den üblichen weißen Overall - ihre Kleider hatte man längst als Beweismittel sichergestellt - und lag auf der Pritsche in ihrer Zelle. Auf Armen, Händen und im Gesicht hatte sie Kratzer, die noch frisch aussahen.

Diese Beobachtungen sagten Harry Kent zwei Dinge über die Patientin: Wahrscheinlich heilten die Wunden nicht, weil ihre Leber die dafür notwendigen Gerinnungsfaktoren nicht produzierte; und eine Störung der Leberfunktion bei einer sonst gesund wirkenden 34-jährigen Frau war mehr als wahrscheinlich mit dem Gestank nach Sambuca verknüpft, der ihm entgegenschlug, seit er die Zellentür geöffnet hatte.

«Wer sind Sie, verdammte Scheiße?»

Sie klang total nach Nachmittagstalk, fast wie er früher, bevor das Medizinstudium seinen Akzent abgeschliffen hatte. Als sie jetzt aufstand, bemerkte Harry das FC Millwall-Tattoo auf ihrem Handgelenk. Erst als Sergeant Keziah Barnes, die für den Zellentrakt verantwortliche Beamtin, ihre gesamten 120 Kilo hinter ihm durch die Tür schob, setzte die Patientin sich wieder hin.

«Morgen, Mrs. Wright», sagte Harry. «Ich bin Arzt.»

Gegen 17 Uhr gestern Nachmittag hatte Pauline Wright eine Flasche billigen Sambuca auf dem Kopf des Mannes zerschmettert, der seit zwölf Jahren mit ihr verheiratet war. Der Mann war zur Beobachtung im John Ruskin Universitätsklinikum, wo Harry normalerweise arbeitete, weil er nach dem Angriff einen Krampfanfall erlitten hatte. 38-jährige Männer hatten in der Regel keine Krampfanfälle, 38-jährige Alkoholiker, die bereits einen beachtlichen Anteil ihrer Gehirnzellen abgetötet hatten, allerdings schon. Er würde durchkommen. Im Augenblick des Schlags, hatte man Harry gesagt, war die 0,7-Liter-Flasche beinahe leer gewesen. Mrs. Wrights Gatte hatte sie ausgetrunken. Und das war anscheinend auch der Grund für den Streit gewesen. Ein Säufer klaut dem anderen den Sprit.

Pauline Wright hatte seit fast zwölf Stunden keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen. Und das sah man ihr an.

«Hör´n Sie, ich brauch unbedingt was zu trinken. Diese Arschlöcher haben mich echt mies behandelt.»

Barnes hatte etwas ganz anderes erzählt, so in der Richtung, dass vier Beamte nötig gewesen waren, um Mrs. Wright aus dem Polizeitransporter für eine Untersuchung in die Notaufnahme, zurück in den Transporter und schließlich in den Zellentrakt zu verfrachten. Sie hatte sich erst beruhigt, nachdem man im Krankenhaus damit gedroht hatte, sie zu sedieren.

«Das tut mir leid», sagte Harry, hockte sich hin und stellte seine Tasche auf den Boden. «Ich würde Sie gern untersuchen, ist das in Ordnung?»

«Tun Sie sich keinen Zwang an», sagte Wright. «Muss das Miststück dabei sein?»

Barnes stand hinter ihm, und Harry spürte förmlich, wie das sarkastische Lächeln der Polizistin sich in seinen Hinterkopf brannte.

«Ich fürchte, ja», sagte Harry. «Sie ist ebenso hier, um Sie zu schützen, wie um mich zu schützen.»

«Scheißbullen.»

Wright kratzte sich am Hals, und Harry betrachtete ihre Hand, als sie sie wieder in den Schoß legte. Der Tremor war deutlich wahrnehmbar, er hatte so etwas Tausende Male gesehen. Es bestätigte, was er gleich beim Betreten der Zelle vermutet hatte.

«Wie geht es Ihnen im Augenblick?», fragte Harry.

«Total scheiße. Ich hab die ganze Nacht gekotzt. Dank dieser Arschlöcher hab ich kein Auge zugetan und bin in meiner eigenen Scheiße aufgewacht.»

Harry nickte.

«Haben Sie Schmerzen?»

«Hab den miesesten Kopfschmerz, den´s gibt, und die blöde Kuh da gibt mir nicht mal ´ne Scheißtablette.»

«Ich will sehen, was ich für Sie tun kann», sagte Harry. «Aber ich muss Sie zuerst untersuchen und mich vergewissern, dass Sie sonst gesund sind.»

«Nur zu.»

Harry hängte sich das Stethoskop um den Hals und legte die Blutdruckmanschette um den Arm der Patientin.

«Haben Sie irgendwelche Erkrankungen?»

«Nein.»

«Nehmen Sie verschreibungspflichtige Medikamente?»

Sie hatte einen guten, kräftigen Puls in der Armbeuge. Ein bisschen schnell, aber das war nicht ungewöhnlich bei einem Alkoholentzug.

«Citalopram. Wegen Depressionen. Aber die hab ich ewig nich genommen.»

«Nehmen Sie andere Drogen?»

«Bitte was?»

Harry seufzte. «Alles, was Sie mir sagen, fällt unter die ärztliche Schweigepflicht. Es kann vor Gericht nicht gegen Sie verwendet werden.»

Das hatte er in den fast zwei Jahren als Force Medical Examiner oder schlichter als Polizeiarzt vielleicht zweitausend Mal gesagt. Aber es war notwendig. Patienten hielten wichtige, aber vielleicht belastende Informationen oft zurück, sobald jemand in Uniform anwesend war, selbst wenn ihr Leben davon abhing.

«Quatsch», sagte Pauline Wright.

«Verklagen Sie mich, wenn ich lüge», sagte Harry. «Sie würden gewinnen und mindestens fünfzig Riesen kassieren. Ich schwör´s.»

Die meisten lachten, wenn er das sagte, aber Wright starrte ihn nur an. Ihre Augen und Zähne waren gelb, das Haar vorzeitig ergraut. Trotzdem fragte er noch einmal, während er die Blutdruckmanschette aufpumpte.

«Nehmen Sie irgendwelche Drogen?»

«Nein.»

«Und früher?»

«Als ich jung war, hab ich alles Mögliche ausprobiert. Hat´s alles nicht wirklich gebracht.»

Harry maß den Blutdruck, der normal war. Die Ärztin in der Notaufnahme hatte sich die Verletzungen bereits angesehen. Da sie zahlreich, aber nur oberflächlich waren, hatte sie es nicht für nötig befunden, Mrs. Wright stationär aufzunehmen. Allerdings hatte sie bemerkt, dass die Patientin aufgewühlt und in einem Rauschzustand war, und hatte auf Bitten der Polizei Blut für ein Tox-Screen abgenommen. Inzwischen war Wright nüchtern, der Entzug hatte schon eingesetzt, und Harry musste entscheiden, ob sie ohne Risiko in der Zelle bleiben konnte, bis man sie morgen früh, wenn die Kriminalpolizisten ihren Dienst antraten, verhören würde. Ein so schwerer Angriff wie der auf ihren Mann konnte als Mordversuch durchgehen, wenn der diensthabende Staatsanwalt sich besonders zuversichtlich fühlte.

«Wie viel haben Sie gestern getrunken?»

«Ein paar vor dem Spiel im Pub, ein paar danach im Park», sagte Wright. «Als ich nach Haus kam, hatte der beschissene Arsch meinen Sambuca gesoffen.»

Beim zweiten Heimspiel der Saison war der FC Millwall von Rotherham besiegt worden, und die eingefleischten Fans hatten ihre berüchtigte Gewaltbereitschaft ausgelebt - mit den erwartbaren Folgen für die Rettungsdienste. In der Notaufnahme des Ruskin musste es ziemlich hektisch zugegangen sein, und Harry war froh, heute Nacht Bereitschaftsdienst bei der Polizei zu haben.

«Wie viel sind ein paar, Mrs. Wright?», fragte Harry. «Das muss ich wissen.»

«Vielleicht fünf. Vielleicht zwölf. Lass mich in Frieden.»

«Und wie haben Sie sich während der Nacht gefühlt?»

«Hab ich doch gesagt, Mann. Scheiße. Hab mich eingeschissen und mir die Seele aus´m Leib gekotzt.»

«Wann war das genau?»

«Was weiß ich», sagte Wright. «Ich hab keine Ahnung, wie spät es ist.»

Sie kratzte sich an den Armen, als Barnes den Kopf schüttelte und etwas murmelte. Die Frau auf der Pritsche riss den Kopf hoch und explodierte.

«Ist irgendwas, blöde Schlampe?», brüllte Wright. «Der Laden hier ist ein Saustall. Alles voller Scheiße und die beschissenen Maden überall, das ist ´ne Gefahr für die Gesundheit!»

«Pfft!», sagte Barnes und drehte sich zu Harry. «Hören Sie nicht auf sie, Doc. Maden? Ist ja ganz was Neues, Schätzchen.»

Harry wusste, dass es in der Zelle keine Maden gab, aber er war sich ziemlich sicher, dass Wright sich das nicht ausgedacht hatte. Sie sah sie. Und wahrscheinlich fühlte sie auch, wie sie über ihre Haut krochen. Hinter solchen Halluzinationen konnte durchaus etwas Ernsteres stecken. Aber Wright hatte neben dem Alkoholismus keine Vorgeschichte von psychischen Erkrankungen.

«Erzählen Sie mir von den Maden, Pauline», sagte Harry.

«Die sind überall», sagte Wright und kratzte sich wieder. «Ich krieg die nicht ab. Ich kann nich mal schlafen.»

«Verstehe», sagte Harry. «Mrs. Wright, ich werde Ihnen etwas Blut abnehmen und im Krankenhaus ein paar Tests machen lassen, wenn das in Ordnung ist. Dann gebe ich Ihnen ein paar Tabletten und eine Injektion zur Beruhigung.»

«Machen Sie, was Sie wollen, Mann. Ist mir scheißegal.»

In den ersten Wochen seiner Arbeit für die Polizei hatte Harry streng darauf geachtet, eine korrekte Einwilligung von seinen Patienten zu bekommen, bevor er Blut abnahm oder eine Injektion verabreichte. Aber die Frau vor ihm litt unter so extremen Entzugserscheinungen, dass sie nach nur zwölf Stunden ohne Alkohol halluzinierte. Sie war kaum dazu in der Lage, in einen Haarschnitt einzuwilligen, geschweige denn in eine medizinische Behandlung.

Glücklicherweise hielt Wright still, als Harry eine Vene suchte, ihr drei Röhrchen Blut abnahm und eine Spritze mit Haloperidol aus dem Medikamentenvorrat in seiner Tasche aufzog. Er hätte ihr Tabletten geben können, aber die hätte sie wahrscheinlich nicht bei sich behalten.

«Das war´s schon», sagte er.

«Danke, Doc.»

Harry hob seine Tasche auf und ging rückwärts zur Tür. Er drehte ihnen nie den Rücken zu, auch nicht...
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Autor

Rob McCarthy wurde in London geboren und studiert Medizin. Er begann Kriminalromane zu schreiben, als ihm die Neuroanatomie den Verstand zu rauben drohte. «Todeszeitpunkt» ist sein Debütroman.