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Die Frauen vom Oberholzer-Hof

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Rosenheimer Verlagshauserschienen am07.05.2015
Eine junge Frau löst die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter auf - und entdeckt auf dem Dachboden eine Truhe mit Familienunterlagen. Fasziniert beginnt sich Katharina mit der Geschichte ihrer Vorfahren zu befassen. Alles fing mit ihrer Urgroßmutter Magdalena an, die als niederbayerische Bauerntochter einen Ungarn heiratete ... Viktoria Schwenger erzählt die außergewöhnliche Geschichte einer Familie im 20. Jahrhundert. Eine unterhaltsame und spannende Lektüre, die das Leben der kleinen Leute auf dem Land plastisch schildert und Zeitgeschichte lebendig werden lässt.

Viktoria Schwenger interessierte sich schon in früher Jugend für Literatur und Schreiben. Sie erfüllte sich ihren Lebenstraum, Schriftstellerin zu werden, mit einem Abschluss an der renommierten Axel-Andersson-Akademie in Hamburg. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Süddeutschland.
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Produkt

KlappentextEine junge Frau löst die Wohnung ihrer verstorbenen Mutter auf - und entdeckt auf dem Dachboden eine Truhe mit Familienunterlagen. Fasziniert beginnt sich Katharina mit der Geschichte ihrer Vorfahren zu befassen. Alles fing mit ihrer Urgroßmutter Magdalena an, die als niederbayerische Bauerntochter einen Ungarn heiratete ... Viktoria Schwenger erzählt die außergewöhnliche Geschichte einer Familie im 20. Jahrhundert. Eine unterhaltsame und spannende Lektüre, die das Leben der kleinen Leute auf dem Land plastisch schildert und Zeitgeschichte lebendig werden lässt.

Viktoria Schwenger interessierte sich schon in früher Jugend für Literatur und Schreiben. Sie erfüllte sich ihren Lebenstraum, Schriftstellerin zu werden, mit einem Abschluss an der renommierten Axel-Andersson-Akademie in Hamburg. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Süddeutschland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783475543944
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum07.05.2015
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2519 Kbytes
Artikel-Nr.3201019
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2. Kapitel
Magdalena


Das junge Mädchen entfernte sich eilenden Schrittes vom Hof und wandte sich dem Feldweg zum nahen Wald zu. Immer wieder sah es sich um, gerade so, als ob es auf der Flucht wäre. In gewissem Sinne war es das auch. Der Vater, der bald von seinen Geschäften im nahen Dorf zurückkommen würde, sollte nicht sehen, dass es den Hof verließ, um sich »der Faulheit hinzugeben«, wie er es nennen würde.

Die Arbeit am Hof war für heute getan, das Vieh war versorgt, das Nachtmahl für die Familie und das Gesinde gerichtet. Sie hatte die Küchenmagd angewiesen, das Essen aufzutragen und anschließend das Geschirr zu waschen und die Küche sauber zu machen. Dann war endlich Feierabend für alle.

Magdalena selbst verspürte keinen Hunger, sie hatte bereits beim Zubereiten der abendlichen Suppe einige Löffel gegessen und sich beim Weggehen im Obstgarten einen der noch grünen Äpfel gepflückt und in die Tasche ihres weiten, langen Rockes gesteckt.

Endlich war sie um die Wegbiegung auf dem Hügel gelangt und ihr Schritt verlangsamte sich. Tief atmete sie durch und schlenderte nun gemächlich dem Waldrand zu.

Der Wald oberhalb des Oberholzer-Hofes, wo die Tannen besonders dicht und dunkel beieinander standen, wurde »Dunkelwald« genannt. Niemand, nicht einmal die Holzknechte, die die Bäume fällen mussten, ging gerne dort hin. Vor vielen Jahren war ein Holzknecht von der Arbeit im Wald nicht mehr zurückgekommen. Alle Nachforschungen und Suchaktionen waren vergebens gewesen. So manches wurde gemunkelt, alle möglichen Gerüchte in Umlauf gebracht, denn welcher Holzknecht würde einfach während des Bauernjahres verschwinden, ohne Lohn und Habe? - Zwei Jahre später machte ein Knecht dort oben einen grausigen Fund. Als er einmal austreten musste und sich durch dichtes Gestrüpp kämpfte, blickten ihn plötzlich die leeren Augen eines Totenschädels an. Einige Meter davon entfernt lag auch der völlig skelettierte Körper. Einige Beherzte gingen der Sache nach und entdeckten hoch oben im Wipfel einer Tanne ein Seil mit einer Schlinge. War doch der arme Teufel bis in höchste Höhen geklettert, um sich den Strick um den Hals zu legen und seinem Leben ein Ende zu bereiten!

Wenn man den Wald schon vorher gemieden hatte, dann jetzt erst recht. »Da geht s um!«, hieß es, wenn unheimliches Heulen und Jammern von dort oben zu hören war. Natürlich war es nur der Wind, aber das Gerücht, dass die unerlöste Seele des armen Menschen dort umhergeistere, hielt sich hartnäckig.

Natürlich wäre auch Magdalena nie in den Dunkelwald hineingegangen, die Mutter hatte sie oft genug davor gewarnt. Sie ging am Waldrand entlang zur Südseite des Gehölzes, von wo aus man einen schönen Blick auf die Landschaft hatte. Dort, auf der Sonnenseite, war ihr Ziel, und es war ihr gerade recht, dass die Leute den Dunkelwald mieden; so würde niemand ihren geheimen Rückzugsort entdecken, eine kleine Waldlichtung, hinter dichten Himbeer- und Brombeerbüschen verborgen. Jetzt im Sommer hingen sie voll reifer Früchte. Rasch pflückte sie sich eine Handvoll davon und steckte sie in den Mund. Wie süß und aromatisch sie schmeckten!

Dann suchte sie nach dem Einschlupf, bückte sich tief, teilte mit den Armen die Zweige des Strauches und war kurz darauf hinter dem Beerenschlag verschwunden. Fast kriechen musste sie, bis sie zu der kleinen, kreisrunden, freien Stelle kam, der Boden mit feinem, grünen Moos bewachsen. Ihr geheimer Lieblingsplatz!

Schon als Kind war sie oft hierhergekommen, um ein wenig alleine zu sein, zu träumen oder auch, um sich auszuweinen.

Sie legte sich auf das warme, weiche Moos, die letzten Strahlen der untergehenden Sonne streichelten ihr Gesicht und sie schloss die Augen. Wie gut die Ruhe und der Frieden hier taten!

Sie öffnete das Band am Ausschnitt ihrer Arbeitsbluse und lockerte diesen. Langsam kamen ihr Atem und ihre Gedanken zur Ruhe, doch allzu lange würde sie sich diese Entspannung nicht leisten können.

Der Vater wäre böse, wenn sie zu lange aushäusig wäre und er würde unangenehme Fragen stellen. Vorsorglich hatte sie eine kleine Milchkanne mitgebracht, um einige Beeren zu sammeln, somit hätte sie eine Ausrede für ihr Verschwinden.

Der Vater! Was für ein unduldsamer Mensch er doch war! Als Kind hatte sie sich richtiggehend vor ihm gefürchtet, selbst heute noch hütete sie sich, seinen Zorn heraufzubeschwören. Doch inzwischen hatte sie gelernt, mit seiner Schroffheit und seinen Launen umzugehen, so wie auch die Knechte und Mägde auf dem Hof. Er führte ein strenges Regiment, es musste hart gearbeitet werden, und am Abend, nach dem Nachtmahl, sanken alle müde und erschöpft auf ihre Strohsäcke. Da war selten Zeit und Lust zu einem »Hoagarten«, einer gemütlichen Plauderei auf der Hausbank, denn spätestens um vier Uhr in der Früh hieß es aufzustehen und mit dem Tagwerk zu beginnen, vor allem wenn das Wetter gut zum Heuen war wie zurzeit.

Umso mehr genoss man es, wenn der Bauer einmal, so wie heute, für einen Tag in Geschäften oder auf einem der zahlreichen Viehmärkte unterwegs war. Man konnte förmlich spüren, wie alle befreit aufatmeten und wie manches lustige Wort bei der Arbeit gewechselt wurde. Selbst mit ihr, der einzigen Tochter und Hoferbin, wurde gescherzt, auch wenn Magdalena sich bemühte, nicht allzu leutselig zu sein, denn immerhin würde sie einmal die Bäuerin und Herrin sein. Nicht früh genug konnte man sich den Respekt der Leute sichern, wie ihr der Vater immer wieder einbläute.


Als die Mutter noch lebte, war es daheim viel schöner gewesen. Sie hatte zwar auch auf Ordnung geachtet in Haus und Hof, aber doch für jeden ein offenes Ohr gehabt und viele Grobheiten ihres Mannes wieder ausgebügelt. Zu ihrer Zeit war auch nicht so viel Wechsel beim Gesinde gewesen; heute hielt es kaum einer länger als ein Jahr beim »Oberholzer« aus, wie der Hof seit Menschengedenken genannt wurde, auch wenn die Familie selbst Kröll hieß.

Jedes Jahr am 2. Februar, dem Lichtmesstag, quittierten einige der Arbeitskräfte den Dienst und suchten sich eine andere Arbeitsstelle; manche hielten es sogar kein Jahr aus und verließen den Hof schon zu Kirchweih, nach der Ernte. Arbeit gab es genug, denn alles musste von Hand gemacht werden, Maschinen gab es Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als Magdalena ein junges Mädchen war, noch nicht.

Obwohl man der Arbeitskraft der Dienstboten auf den Höfen dringend bedurfte, war deren Leben hart und karg, und der Verdienst gering. Ein erster Knecht verdiente um diese Zeit jährlich etwa 280, eine Magd sogar nur 215 Mark. Hinzu kamen unentgeltliches Essen und Schlafen sowie die »ausbedungenen Reichnisse« wie Schuhwerk, Gewand und Getreide. Das alles wurde bei der Einstellung per Handschlag besiegelt.

Noch früher hatte es nicht einmal eine Absicherung gegen Krankheit oder Unfall gegeben, und ein Knecht oder eine Magd, welche die ganze Lebenszeit redlich gedient, hart gearbeitet und dadurch an Lebenskraft eingebüßt hatten, mussten oft genug im Alter betteln, in Not und Elend dahinvegetieren oder waren auf das Erbarmen und das Mitleid ihrer Mitmenschen angewiesen.

Welch ein unwürdiges Dasein am Ende eines entbehrungsreichen Lebens! Doch auch die Rente, die es jetzt neuerdings gab, war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel.


Solcherlei Sorgen kannte Magdalena nicht. Sie, die einzige Tochter des wohlhabenden Oberholzer-Bauern im Rotttal, würde einmal den stattlichen Hof erben.

Dies mochte wohl auch der Grund sein, dass der Vater sie gar so sehr in die Pflicht nahm und so streng mit ihr war.

Doch seine Härte und Verbitterung rührte auch daher, dass der einzige Sohn und Stammhalter, den ihm seine verstorbene Frau geboren hatte, im Alter von sechs Jahren an einem unerklärlichen Fieber gestorben war. Kein Doktor und keine Arznei hatten dem Kind helfen können. Zwei Wochen nach Ausbruch der Krankheit, nach sorgenvollen, durchwachten Nächten, hatte man den kleinen, vom Fieber ausgezehrten Körper auf dem Dorffriedhof von Rossbach zu Grabe tragen müssen.

Das war ein schlimmer Schicksalsschlag für die Familie gewesen, zumal die Mutter kurz darauf zu kränkeln begann und sich keine weiteren Kinder mehr einstellten. So war es bei der Tochter Magdalena geblieben, die damals neun Jahre alt war und vom Vater oft genug zu hören bekam, es wäre besser gewesen, sie wäre an Stelle des Sohnes gestorben.

» s Weibersterben ist kein Verderben, aber s Rossverrecken tut den Bauern schrecken.« Das war einer seiner derben, doch damals absolut üblichen Aussprüche, die viel darüber aussagten, wie wenig geachtet Frauen und ihre Arbeit zu jener Zeit waren. Doch gerade die Frauen waren es, die von morgens bis abends unermüdlich arbeiteten, meist mehrere Schwangerschaften und Geburten ertragen und erleiden mussten und für den Zusammenhalt der Familie und der Menschen auf dem Hof sorgten und...
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Autor

Viktoria Schwenger interessierte sich schon in früher Jugend für Literatur und Schreiben. Sie erfüllte sich ihren Lebenstraum, Schriftstellerin zu werden, mit einem Abschluss an der renommierten Axel-Andersson-Akademie in Hamburg. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in Süddeutschland.

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