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Engel der Themse

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Dryas Verlagerschienen am09.09.2016
England, 1864: Im viktorianischen London werden immer wieder Kinder vermisst, die Kinder der Ärmsten. Der Schatten holt sie, sagen die Leute. Die Polizei unternimmt nichts. Auch nicht, als der neugeborene Bruder von Gladys verschwindet. Dann verschwindet der Sohn eines Lords und diesmal wird die Polizei aktiv. Das vorlaute Küchenmädchen Emma gerät in Verdacht und muss fliehen. In den Straßen von London trifft sie Gladys. Keine traut der anderen. Doch als auch der zweite Sohn des Lords vermisst wird und die Polizei alle Schuld bei Emma sucht, müssen sie sich zusammenraufen. Nur gemeinsam können sie den Schatten besiegen und das Kind retten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt ...

Anne Breckenridge ist das Pseudonym der Krimi-Autorin Christiane Dieckerhoff. Die gelernte Kinderkrankenschwester und Mutter zweier erwachsener Kinder schreibt seit mehr als zehn Jahren. 2008 erschien ihr erster Kriminalroman. Seit 2013 durchstreift sie die Jahrhunderte und ist nach einem Abstecher in die Karibik im London des 19. Jahrhunderts gelandet.
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Produkt

KlappentextEngland, 1864: Im viktorianischen London werden immer wieder Kinder vermisst, die Kinder der Ärmsten. Der Schatten holt sie, sagen die Leute. Die Polizei unternimmt nichts. Auch nicht, als der neugeborene Bruder von Gladys verschwindet. Dann verschwindet der Sohn eines Lords und diesmal wird die Polizei aktiv. Das vorlaute Küchenmädchen Emma gerät in Verdacht und muss fliehen. In den Straßen von London trifft sie Gladys. Keine traut der anderen. Doch als auch der zweite Sohn des Lords vermisst wird und die Polizei alle Schuld bei Emma sucht, müssen sie sich zusammenraufen. Nur gemeinsam können sie den Schatten besiegen und das Kind retten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt ...

Anne Breckenridge ist das Pseudonym der Krimi-Autorin Christiane Dieckerhoff. Die gelernte Kinderkrankenschwester und Mutter zweier erwachsener Kinder schreibt seit mehr als zehn Jahren. 2008 erschien ihr erster Kriminalroman. Seit 2013 durchstreift sie die Jahrhunderte und ist nach einem Abstecher in die Karibik im London des 19. Jahrhunderts gelandet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783941408883
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum09.09.2016
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4539 Kbytes
Artikel-Nr.3261362
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Gladys wischte sich über den Mund. Der metallische Geschmack von Blut verdrängte den Geschmack von Salz und Fisch, den das Zeug hatte, das Männer verspritzten. Der Matrose hatte gelacht und Gladys eine gescheuert, als sie ihren Penny gewollt hatte. Sein Schlag hatte ihr die Beine weggehauen. Noch ein Tritt in die Rippen, dann hatte der Nebel die beiden verschluckt.

»Fischschwänze!« Vorsichtig fuhr sich Gladys mit der Zunge über die scharfen Kanten des abgebrochenen Zahnes. Aber wenigstens hatte sie den anderen Penny noch.

Sofort abkassieren war die Regel. Für etwas Brot und Zwiebel würde es reichen und vielleicht sogar für einen Teller Suppe, um die Kälte aus den Gliedern zu vertreiben.

»Gladys?« Plötzlich hockte Tom neben ihr. »Was ist passiert?«

»Nichts.« Vergeblich versuchte Gladys auf die Beine zu kommen. Sie zitterte vor Wut und Enttäuschung über ihre Dummheit. »Hilf mir!« Sie streckte die Hand aus. Ihre Rippen schmerzten so sehr, dass sie kaum genug Luft zum Sprechen hatte. »Was hast du ihr gesagt?«

»Ich?«

»Nein, der Typ hinter dir.«

Tom drehte sich hastig um. Er war so blöd wie rothaarig.

»Idiot!« Gladys war eigentlich nicht wütend auf ihn, aber er war gerade da und die Wut auch. »Also, was hast du Mum gesagt?«

»Du hast geschrien.« Endlich nahm Tom ihre ausgestreckte Hand und zog sie hoch.

»Und da schickt sie dich?« Gladys spuckte Blut und Zahnsplitter aus. Ihr klingelten die Ohren von dem Schlag.

Warum hatte das Arschloch sich nach dem Abspritzen nicht einfach umgedreht und war gegangen? Sie hätte doch sowieso nichts machen können. Wahrscheinlich hatte er nach dem Schlag gleich wieder dicke Eier gehabt und prellte nun das nächste Mädchen um seinen Lohn.

Gladys spürte den Penny in ihrer Hand. Mum würde ihn ihr abnehmen, so wahr sie Gladys Brothers hieß. Sei ein liebes Kind, würde sie sagen und ihre Unterlippe würde zittern und aus ihren Augen würden Tränen rollen. Gladys würde ihr den Penny geben, das war so sicher, wie auf den Morgen der Hunger folgte. Aber wozu hatte man einen kleinen Bruder?

»Kennst du die alte Betty in der Nelson Street?«

»Die wo Pasteten verkauft?«

»Genau. Hier haste den Penny und nun lauf!«

»Aber wenn die Männer zurückkommen?«

»Dann bin ich ohne dich besser dran.«

Gladys haute Tom eine runter, aber nur leicht, damit er sich in Bewegung setzte. Schließlich war er ja noch ein Kind, kaum trocken hinter den Ohren. Sie wusste nicht, wie alt er war. Wie auch? Er war geboren, als sie noch zu klein gewesen war, um auf den Kalender zu achten, und Mum meistens zu betrunken. Ihr eigenes Alter wusste Gladys, weil ihre Mum sich an den Tag ihrer Geburt erinnerte. Sie waren eine richtige kleine Familie gewesen: Mum, Dad und Gladys. Dad war Dachdecker gewesen, der beste, sagte Mum. Aber dann war er vom Dach gefallen. Seitdem waren es Mum, der Gin und Gladys und die vielen Männer, die so schnell wieder aus ihrem Leben verschwanden, wie sie Mum anbufften. Und irgendwann war eben auch Tom dazugekommen.

Typisch Mum, dachte sie. Ich schreie und die Alte schickt den Kleinen, um nach mir zu schauen. Sie wischte sich mit dem Schultertuch das Blut aus dem Gesicht und machte sich auf den Weg zurück zum Gin House.

Irgendwo sang eine Frau ein Kinderlied: »Hush little Baby ⦫

Gladys kannte es. Früher hatte ihre Mum auch Kinderlieder für sie gesungen. Heute sang sie nur noch, wenn sie voll war, und bestimmt keine Kinderlieder. Gladys zog den Umhang fester um die Schultern. Seven Dials war eigentlich kein Ort, an dem Kinderlieder gesungen wurden.

Als sie das Gin House erreichte, war ihre Mutter natürlich nicht da. Wahrscheinlich hatte sie einen Typen aufgerissen, der ihr einen Drink spendierte. Baby hin oder her, Mum war gut darin, Typen aufzureißen. Na, wenigstens hatte es das Baby warm.

Gladys hockte sich in den Schatten zwischen den Häusern. Nur einen Moment ausruhen. Jeder Atemzug schmerzte, als bohre sich ein Nagel in ihre Brust.

»Schläfst du?«

Das Herz rutschte Gladys zwischen die Schenkel. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo sie war.

»Hast du das Brot?«, fragte sie.

Tom nickte. »Wo ist das Baby?«

»Wo soll s sein? Bei Mum.« Gladys griff nach dem Brot, riss sich ein Stück ab und biss hinein.

»War sie böse?«

»Woher soll ich das wissen?« Gladys kaute auf dem Brot herum. Obwohl der Hunger in ihren Eingeweiden wühlte, konnte sie es nur mit Mühe hinunterschlucken. »Wieso fragst du eigentlich so blöd?«

»Na ja ⦫ Tom drehte den Kanten Brot in den Händen.

»Nun red endlich!« Gladys hätte ihn schütteln können, wenn ihre Rippen nicht so geschmerzt hätten.

»Du hast geschrien und da hab ich Angst gekriegt.«

»Und hast Mum geholt?«

Tom schüttelte den Kopf.

»Aber das Baby.«

Tom warf den Kanten Brot wie zuvor seine Mütze in die Luft. Gladys schlug ihm die Hände weg und das Brot landete zwischen seinen Schuhen.

»Du dämlicher Idiot hast das Baby allein gelassen?«

Wenn Gladys Mutter nicht so mit Gin abgefüllt gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich die Klappe gehalten. Aber betrunken, wie sie war, schrie sie die ganze Gasse zusammen und es dauerte nicht lange, bis sich ein Constable - er und seine Kollegen wurden von allen wegen der Farbe ihrer Uniformen nur blaue Flaschen« genannt - mit seinem Stock einen Weg durch die Gruppe der Huren und Säufer bahnte, die um Gladys und ihre Familie herumstanden.

»Sei still!« Gladys zerrte an ihrer Mutter.

Aber die riss sich los und kreischte nur noch lauter: »Mein Baby, mein geliebtes Baby! Der Schatten hat es mir geraubt.« Sie klammerte sich an den Blauen wie an eine Ginflasche.

Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als sie mit aufs Revier zu nehmen. Und weil Gladys Mutter auch dort keine Ruhe gab, landeten sie im Arbeitshaus in Holborn. Damit hatten sie noch Glück - so wie ihre Mum kreischte, hätten die Blauen sie auch ins Irrenhaus nach Bethlem bringen können, und das war schlimmer als die Hölle, sagten die Leute.

Im Vergleich dazu war Holborn nicht der schlechteste Ort, wo man landen konnte. Zwar wurde Gladys der Kopf geschoren und sie wurde von ihrer Familie getrennt, aber das machte ihr nach dieser Nacht nichts aus. Sie war froh, das betrunkene Kreischen ihrer Mum und Toms Flennen nicht mehr hören zu müssen. Schließlich litt sie genug unter der Stimme in ihrem Kopf, die in einer Tour tönte: Alles meine Schuld. Alles meine Schuld.

Hatte man sich erst einmal an den Gestank von ungewaschenen Füßen, Seifenlauge und Kampher gewöhnt, unterschied sich das Leben im Arbeitshaus von dem in Seven Dials nur dadurch, dass man ständig beten sollte, mit blutigen Fingern Werg zupfen oder Wäsche walken musste und jeden Tag Brot und dünne Kohlsuppe bekam. Einen Ort wie Holborn überlebte man nur, wenn man Teil der Masse wurde. Wer eine dicke Lippe riskierte, wurde geschlagen, ins Loch gesteckt oder bekam nichts zu essen.

Doch Gladys wusste sich anzupassen. Es gelang ihr so gut, mit den grauen Wänden zu verschmelzen, dass sie selbst nach ein paar Wochen vergessen hatte, wer Gladys Brothers war.

Erschrocken fuhr sie zusammen, als Mrs Dungeon sie ohrfeigte, weil sie nicht aufgesprungen war, als ihr Name gerufen worden war.

»Kannst du nicht hör n, du unnützes Aas?«, schimpfte die Wärterin. »Wenn ich rufe, hast du zu kommen!«

»Entschuldigung, Ma am.« Gladys hielt sich die Wange; Mrs Dungeon hatte einen ordentlichen Schlag.

»Komm mit!« Die Wärterin drehte sich um und rauschte aus der Wäscherei.

Keines der Mädchen schaute auf, als Gladys ihr folgte. Ihre Holzschuhe klapperten über die feuchten Steine. Sie krampfte die Zehen zusammen, um sie nicht zu verlieren. Ihr Herz schlug im Rhythmus ihrer hastigen Schritte und sie fragte sich fieberhaft, was sie ausgefressen hatte - oder schlimmer: wer ihr was anhängen wollte.

Das Leben in Holborn hatte seine eigenen Gesetze. Die Wärterinnen waren zwar schlimm, aber noch schlimmer waren die Mädchen, die sich Vergünstigungen erschleichen wollten, indem sie andere verpetzten. Doch Gladys hatte mit niemandem Streit. Trotzdem fühlte sie sich wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wurde.

»Hier lang!« Mrs Dungeon steuerte den flachen Schuppen an, der genau auf der Grenze zwischen dem Frauen- und dem Männerbereich lag. Gladys rutschte das Herz von der Kehle zwischen die Oberschenkel.

Mrs Dungeon zog am rostigen Griff und knarrend öffnete sich die Tür. Zögernd folgte Gladys der Wärterin. Das flackernde Licht der Paraffinlampen ließ Schatten über die Wände wandern. Gladys blieb stehen. Der Raum stank schlimmer als der Fluss bei Ebbe. Ihr Magen rebellierte. Unwillkürlich presste sie die Hand vor den Mund. Der scharfe Geruch der Ammoniaklauge auf ihrer Haut verhinderte, dass sie auf einen der abgedeckten Körper spuckte, die Schulter an Schulter auf dem Boden lagen.

Am Ende der Reihe stand ein Wärter, zu seinen Füßen kniete eine schmale Kindergestalt. Gladys musste zweimal hinschauen, um ihren Bruder zu erkennen. Sein kahler Schädel war mit Krätze bedeckt.

»Sprich ein Gebet für deine Mutter!« Mrs Dungeon stieß Gladys zu Tom.

Sie sank neben ihm auf die Knie. Während sie die Hände faltete, musterte sie ihn aus den Augenwinkeln. Er sah nicht so aus, als sei es ihm gelungen, mit den Wänden zu verschmelzen. Sein linkes Auge war zugeschwollen und die Oberlippe blutig verkrustet. Rotz lief...
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Autor

Anne Breckenridge ist das Pseudonym der Krimi-Autorin Christiane Dieckerhoff.
Die gelernte Kinderkrankenschwester und Mutter zweier erwachsener Kinder schreibt seit mehr als zehn Jahren. 2008 erschien ihr erster Kriminalroman. Seit 2013 durchstreift sie die Jahrhunderte und ist nach einem Abstecher in die Karibik im London des 19. Jahrhunderts gelandet.
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Breckenridge, Anne