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Ich bleib in der Stadt und verreise

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
196 Seiten
Deutsch
Picus Verlagerschienen am11.09.20173. Auflage
Ist Gehen in der Stadt - absichtsloses, zielloses Wandern mit dem immer gleichen Ausgangspunkt, der eigenen Wohnung - eine Möglichkeit zu verreisen, wenn auch nur für kurze Zeit? Stellen sich dabei die für das Reisen typischen Effekte ein wie Distanz zum Alltag, ein freier Kopf zum Nachdenken über dieses und jenes?Nach jahrelangen Selbstversuchen kann der Pianist und Komponist Oskar Aichinger mit einiger Überzeugung behaupten: Ja. So ist dieses Wiener Reisebuch entstanden, mit autobiografischen, historischen und philosophischen Zügen, ein sehr individueller Reiseführer von einem, dem diese Stadt nicht von Anfang an zugeflogen ist, der sie sich allmählich ergangen hat, als Taugenichts für immer wieder ein paar Stunden. Es ist eine Einladung an Lesende mitzugehen, mitzudenken und mitzuschauen, miteinzukehren in manche Gaststätte und vermeintlich Vertrautes neu zu entdecken.

Oskar Aichinger, geboren 1956 in Vöcklabruck in Oberösterreich. Studierte Montanistik, Musik und Geschichte. Seit 1990 vorwiegend als Pianist an der Schnittstelle Jazz/Neue Musik tätig. Zahlreiche CD-Veröffentlichungen, Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Musikern, Kompositionen fürs Theater. Oskar Aichinger unterrichtete an einer Wiener AHS und war Lektor an der Universität für Angewandte Kunst, mittlerweile ist er im wohlverdienten Ruhestand. 2017 erschien im Picus Verlag »Ich bleib in der Stadt und verreise«, 2020 »Fast hätt ich die Stadt verlassen« und im Herbst 2022 der dritte Band der Reihe »Ich steig in den Zug und setz mich ans Fenster«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR17,99

Produkt

KlappentextIst Gehen in der Stadt - absichtsloses, zielloses Wandern mit dem immer gleichen Ausgangspunkt, der eigenen Wohnung - eine Möglichkeit zu verreisen, wenn auch nur für kurze Zeit? Stellen sich dabei die für das Reisen typischen Effekte ein wie Distanz zum Alltag, ein freier Kopf zum Nachdenken über dieses und jenes?Nach jahrelangen Selbstversuchen kann der Pianist und Komponist Oskar Aichinger mit einiger Überzeugung behaupten: Ja. So ist dieses Wiener Reisebuch entstanden, mit autobiografischen, historischen und philosophischen Zügen, ein sehr individueller Reiseführer von einem, dem diese Stadt nicht von Anfang an zugeflogen ist, der sie sich allmählich ergangen hat, als Taugenichts für immer wieder ein paar Stunden. Es ist eine Einladung an Lesende mitzugehen, mitzudenken und mitzuschauen, miteinzukehren in manche Gaststätte und vermeintlich Vertrautes neu zu entdecken.

Oskar Aichinger, geboren 1956 in Vöcklabruck in Oberösterreich. Studierte Montanistik, Musik und Geschichte. Seit 1990 vorwiegend als Pianist an der Schnittstelle Jazz/Neue Musik tätig. Zahlreiche CD-Veröffentlichungen, Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Musikern, Kompositionen fürs Theater. Oskar Aichinger unterrichtete an einer Wiener AHS und war Lektor an der Universität für Angewandte Kunst, mittlerweile ist er im wohlverdienten Ruhestand. 2017 erschien im Picus Verlag »Ich bleib in der Stadt und verreise«, 2020 »Fast hätt ich die Stadt verlassen« und im Herbst 2022 der dritte Band der Reihe »Ich steig in den Zug und setz mich ans Fenster«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783711753540
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum11.09.2017
Auflage3. Auflage
Seiten196 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1128 Kbytes
Artikel-Nr.3329040
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
PROLOG

Ich gehe für mein Leben gern, laufen mag ich nicht.

Ich habe schon versucht zu laufen, so wie viele das heutzutage tun, ich habe aber nie Freude daran gefunden, möglicherweise fehlt mir die Anlage dazu, eine genetische Disposition, denn schon in der Schule war ich auf der Aschenbahn eine lahme Ente. Beim Fußball dem Ball hinterherzulaufen, das mochte ich schon, obwohl ich es nie zu einer nennenswerten Meisterschaft in dieser Disziplin brachte, aber ich spielte viel und ausdauernd, ja sogar mit Leidenschaft, sodass ich oft beim Einschlafen nach einem Spiel in Gedanken noch einmal ein paar gelungene Spielzüge durchging, was mir ein Gefühl von Stärke und Zufriedenheit verschaffte.

Heute habe ich mir eine simple Erklärung für meine Laufunlust zurechtgelegt, die ich bei Bedarf jedem angeblich passionierten Läufer entgegenhalte, der mich mit seinen endorphinen Glücksgefühlen zu überzeugen sucht. Laufen, so meine Worte, sei entweder notwendig als Fluchtverhalten bei drohender Gefahr oder als Nachlaufen eine Folge von erotischer Begierde oder Beutehunger, somit jedenfalls bei allen Lebewesen immer ein Ausnahmezustand und als solcher ganz sicher gesundheitsschädlich, sobald er als nutzlose Dauerbeschäftigung etabliert wird. Die unglücklichen, ja mitunter qualvoll verzerrten Gesichter, die mir nahezu täglich beim Gehen begegnen, scheinen mir recht zu geben, wobei ich einräumen muss, dass mir die verzweifelten Mienen älterer sogenannter Jogger, die ja tatsächlich vor einer realen Gefahr, nämlich dem Tod, davonlaufen, mitunter richtig ans Herz rühren. Ja, und auch das muss ich zugeben, es gibt Menschen, die zum Laufen wie geboren zu sein scheinen. Jahr für Jahr gehe ich am Tag des Wien-Marathons die paar Schritte von meiner Wohnung hinüber zur Linken Wienzeile, um die Spitzengruppe zu sehen. Taucht sie im Fernsehen am Schwarzenbergplatz auf, muss ich mich schon beeilen, um in den Genuss dieser vollendeten Laufdemonstration zu kommen. Ist nach ein paar Minuten auch die Spitze der Damen durch, ist es auch schon wieder Zeit zu verschwinden, denn sonst könnten die nachfolgenden vierzigtausend Streber und Masochisten, genannt Hobbyläufer, den wunderbaren Eindruck von Leichtigkeit und Bewegungsfreude schnell wieder zunichtemachen.

Ich gehe, wandern ist mir suspekt, obwohl ich als bekennender Schubertianer dem Wandern in ambivalenter Weise innig zugetan bin, aber da ist etwas anderes gemeint, das nichts mit dem Wandern meiner Kindheit und Jugend zu tun hat, mit Wandertagen, Wanderausrüstung, Pfadfindern und Jungschar, mit dem verkrampft lustigen Absingen von Wanderliedern in Berghütten, mit den morgendlich prustenden Kaltwasser-Waschritualen von ältlichen Männern am Gemeinschaftsbecken, dem omnipräsenten »Griaß di« auf alpinen Wegen und dem gefährlichen »Berg Heil!« an Gipfelkreuzen. Ja, ich besitze Wanderschuhe und verwende sie dort, wo sie vonnöten sind, ich liebe Wanderkarten, am meisten diejenigen, die die Topografie trocken in gutem Maßstab wiedergeben und sich als Blatt des Amtes für Eich- und Vermessungswesen tarnen, ich gehe auch auf markierten Wanderwegen, um nicht in die Irre zu gehen, und trotzdem möchte ich nicht wandern, sondern einfach nur gehen.

Ich war lange Zeit der Ansicht, Gehen um des Gehens willen sei nur in der Natur oder zumindest in naturnahen Zonen wie etwa in Parks angebracht, Gehen in Ortschaften und Städten habe dagegen immer einem bestimmten Zweck zu dienen, wie etwa dem Einkaufen, dem Arbeiten, dem Studieren oder wenigstens dem Hundeausführen. Höchstens am Abend könne man sich ein wenig Flanieren gönnen, um den beschwerlichen Arbeitstag angenehm ausklingen zu lassen. In der Stadt einfach so zu gehen, ohne bestimmte Absicht, fand ich lächerlich, und wenn ich es trotzdem tat, schämte ich mich ein wenig und hatte es dann besonders eilig und wollte besonders geschäftig wirken, nur um den eigentlichen Zweck meines Tuns zu verbergen, nämlich keinen zu haben. Womöglich besitzen manche Leute nur deswegen einen Hund, um ihrem Bedürfnis nach sinnlosem Gehen perfekt getarnt folgen zu können, und wer weiß, wie viele Ziele in der Stadt vorgeschützt werden, nur um absichtslos gehen zu können.

Was mir also vorschwebte, war eine Art von Ausflug, ohne die Stadt verlassen zu müssen, eine Fahrt ins Blaue für ein paar Stunden mitten in der Stadt, also die Stadt als Landschaft zu begreifen, die man auf abertausenden Wegen durchstreifen, in der man seine eigenen Markierungen setzen, aber nach Lust und Laune von diesen auch jederzeit wieder abweichen kann. Und ich begann zu begreifen, dass ich die auf sozusagen echten Wanderwegen von mir so geschätzten und gerne aufgesuchten Schutzhütten und Buschenschänken nicht zu vermissen brauchte, die Stadt ja geradezu übersät war von Gaststätten jeglicher Art, die ich jederzeit zu Zielen und Stützpunkten meiner Streifzüge erklären konnte. Denn eines war mir bei meinen Gehversuchen längst klar geworden: Das völlig absichtslose Sichtreibenlassen wollte mir doch nicht so recht gelingen, auch wenn ich ohne jegliche Absicht losging, begann sich immer eine Art von Ziel oder Zwischenstation vor meinem inneren Auge zu materialisieren, dem ich dann willig und freudig zusteuerte. So überzog ich den Stadtplan im Laufe der Jahre mit einem immer dichter werdenden Netz aus Wegen und Zielen, aus denen ich je nach innerer Gestimmtheit wählen konnte. Es gab trübe und helle, volkstümliche und elegante, winterliche und sommerliche Routen, deren Ziele die vorherrschende Stimmung vertiefen, aber auch konterkarieren konnten. Hatte ich etwa zu viel an imperial-vornehmer Innenstadtluft aufgesaugt, verschaffte mir der Besuch eines einfachen Vorstadtgasthauses Erleichterung, drückte die triste Atmosphäre endloser Zinskasernen-Straßenzüge zu sehr aufs Gemüt, konnte ich mich von der geschäftig scheppernden Klangkulisse eines eleganten Kaffeehauses wieder aufrichten lassen.

Mit der Zeit begann ich mich für das Wesen meiner Wege und Ziele zu interessieren, für ihre historischen und topografischen Besonderheiten, allerdings ohne den Anspruch wissenschaftlicher Redlichkeit, die mir zwar in ihrer akribischen Beflissenheit immer imponiert hat, für die ich mich aber selber nicht eigne. Schon beim Studium der Geschichte, das ich an der Universität so nebenher betrieb, fehlte mir nach ein paar Stunden Arbeit in Archiven oder Bibliotheken der nötige Ernst, und ich begann, zu anderen Dingen abzuschweifen, die Atmosphäre im Raum einzufangen oder die Studentinnen zu beobachten, die, in ihre Arbeit vertieft, besonders hübsch und anziehend auf mich wirkten. Ich beschloss also, bei der Beschreibung meiner Wege und Ziele Wissen und Recherche zwar nicht beiseitezulassen, aber auf keinen Fall gelehrt und pedantisch zu werden, denn es geht mir, wie gesagt, um das Gehen und den damit verbundenen Zustand einer sanften Entrücktheit, der die Dinge in einem besonderen Licht erscheinen lässt, und um den Nachweis, dass dies nicht nur in Wald und Wiese, sondern auch mitten in der Großstadt möglich ist.

In der Regel gehe ich schnell, nicht unbedingt aus Gründen der körperlichen Ertüchtigung, sondern weil ich meinem inneren Metrum folge, und das ist eben beim Gehen schnell und beim Laufen langsam, was aber das Laufen ad absurdum führt, sogenanntes Langsamlaufen verursacht mir Lachkrämpfe, genauso wie die noch immer olympische Disziplin »Gehen«, bei der man so schnell wie möglich gehen und sich dabei das Laufen ständig verkneifen muss, was ein komisch anzusehendes Rudern mit den Armen und ein geradezu verzweifeltes Wackeln mit dem Gesäß hervorbringt. So ähnlich muss es Pferden im Trabrennsport ergehen, die schnell sein müssen, aber ja nicht ins Galoppieren verfallen dürfen. Dort nennt man das »Einspringen«, was eine sofortige Disqualifikation zur Folge hat, »Ausspringen« als Befreiung aus einer prekären Situation wäre wesentlich treffender. Also, meine Herrschaften, da bleibe ich lieber gleich beim einfachen Gehen, das wir alle kennen und können.

Eine Zeit lang kursierten in diversen Medien Untersuchungen über die unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten in Städten, sozusagen um der ihnen innewohnenden Dynamik auf die Spur zu kommen, erstaunlicherweise rangierte dabei Wien unter den zehn schnellsten, zusammen mit New York, Kopenhagen, Berlin und anderen. Dieselbe Studie stellte auch eine eindeutige Korrelation zwischen der Größe einer Stadt und der Gehgeschwindigkeit her, also je größer, desto schneller, und einen Zusammenhang mit der Gesundheit ihrer Bürger. Je schneller gegangen wird, desto geringer die Lebenserwartung, aber desto größer auch das subjektive Glücksempfinden. Gemessen und gefragt wurde dabei jeweils auf einer belebten Straße mit breitem Gehsteig ohne Hindernisse, da kann ich wohl kaum mitgemessen worden sein, und sicher wollte niemand wissen, ob die Leute zu ihrem Vergnügen oder aus anderen Gründen unterwegs waren. Sonst würde ich doch glatt im Namen meiner Stadtverwaltung dazu aufrufen, es mir gleichzutun, es spart Pensionszahlungen und bringt glücklichere Bürger.

Mein Gehtempo ist, wie gesagt, eher hoch. Allerdings hat auch die jeweilige Route Einfluss auf die...
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Autor

Oskar Aichinger, geboren 1956 in Vöcklabruck in Oberösterreich. Studierte Montanistik, Musik und Geschichte. Seit 1990 vorwiegend als Pianist an der Schnittstelle Jazz/Neue Musik tätig. Zahlreiche CD-Veröffentlichungen, Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Musikern, Kompositionen fürs Theater. Oskar Aichinger unterrichtete an einer Wiener AHS und war Lektor an der Universität für Angewandte Kunst, mittlerweile ist er im wohlverdienten Ruhestand. 2017 erschien im Picus Verlag »Ich bleib in der Stadt und verreise«, 2020 »Fast hätt ich die Stadt verlassen« und im Herbst 2022 der dritte Band der Reihe »Ich steig in den Zug und setz mich ans Fenster«.

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