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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
744 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am03.09.2018
«Die Lektüre Eduard von Keyserlings macht süchtig.» Andreas Isenschmid, NZZ am Sonntag
Er ist der Meister der sinnlichen Erzählkunst, ein begnadeter Impressionist und Stimmungsmagier, und sein Werk gehört zum Stilvollsten, was die deutschsprachige Literatur hervorgebracht hat. Zu seinem 100. Todestag würdigt Manesse Eduard von Keyserling mit einem bibliophilen Liebhaberband, in dem erstmals sämtliche Erzählungen vereint sind. Seinerzeit zählten Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und Herman Bang zu seinen Bewunderern. Und bis heute kommen Kritiker nicht aus dem Schwärmen heraus: «Besser als Fontane!» (Michael Maar), «Nicht lesen, schlürfen!» (Tilman Krause), oder: «Houellebecq minus Zynismus» (Iris Radisch). Zeitgemäß im besten Sinne, ist dieser Klassiker mehr denn je der Entdeckung wert.
In dem Band enthaltene Erzählungen: Nur zwei Tränen (1882) / Mit vierzehn Tagen Kündigung (1882) / Das Sterben (1885) / Grüß Gott, Sonne! (1896) / Grüne Chartreuse (1897) / Die Soldaten-Kersta (1901) / Der Beruf (1903) / Schwüle Tage (1904) / Harmonie (1905) / Sentimentale Wandlungen (1905) / Im Rahmen (1906) / Seine Liebeserfahrung (1906) / Gebärden (1906) / Die sentimentale Forderung (1906) / Osterwetter (1907) / Die Verlobung (1907) / Geschlossene Weihnachtstüren (1907) / Frühlingsnacht (1908) / Landpartie (1908) / Bunte Herzen (1908) / Föhn (1909) / Winterwege (1909) / Prinzessin Gundas Erfahrungen (1910) / Am Südhang (1911) / Nachbarn (1911) / Die Kluft (1911) / Das Landhaus (1913) / Vollmond (1914) / Schützengrabenträume (1914) / Nicky (1915) / Verwundet (1915) / Der Erbwein (1916) / Pfingstrausch im Krieg (1916) / Das Kindermädchen (1916) / Das Vergessen (1917) / Die Feuertaufe (1917) / Im stillen Winkel (1918)

Eduard von Keyserling (1855-1918) stammt aus altem baltischem Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann schon früh mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Lebensjahren zunehmend.
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Produkt

Klappentext«Die Lektüre Eduard von Keyserlings macht süchtig.» Andreas Isenschmid, NZZ am Sonntag
Er ist der Meister der sinnlichen Erzählkunst, ein begnadeter Impressionist und Stimmungsmagier, und sein Werk gehört zum Stilvollsten, was die deutschsprachige Literatur hervorgebracht hat. Zu seinem 100. Todestag würdigt Manesse Eduard von Keyserling mit einem bibliophilen Liebhaberband, in dem erstmals sämtliche Erzählungen vereint sind. Seinerzeit zählten Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und Herman Bang zu seinen Bewunderern. Und bis heute kommen Kritiker nicht aus dem Schwärmen heraus: «Besser als Fontane!» (Michael Maar), «Nicht lesen, schlürfen!» (Tilman Krause), oder: «Houellebecq minus Zynismus» (Iris Radisch). Zeitgemäß im besten Sinne, ist dieser Klassiker mehr denn je der Entdeckung wert.
In dem Band enthaltene Erzählungen: Nur zwei Tränen (1882) / Mit vierzehn Tagen Kündigung (1882) / Das Sterben (1885) / Grüß Gott, Sonne! (1896) / Grüne Chartreuse (1897) / Die Soldaten-Kersta (1901) / Der Beruf (1903) / Schwüle Tage (1904) / Harmonie (1905) / Sentimentale Wandlungen (1905) / Im Rahmen (1906) / Seine Liebeserfahrung (1906) / Gebärden (1906) / Die sentimentale Forderung (1906) / Osterwetter (1907) / Die Verlobung (1907) / Geschlossene Weihnachtstüren (1907) / Frühlingsnacht (1908) / Landpartie (1908) / Bunte Herzen (1908) / Föhn (1909) / Winterwege (1909) / Prinzessin Gundas Erfahrungen (1910) / Am Südhang (1911) / Nachbarn (1911) / Die Kluft (1911) / Das Landhaus (1913) / Vollmond (1914) / Schützengrabenträume (1914) / Nicky (1915) / Verwundet (1915) / Der Erbwein (1916) / Pfingstrausch im Krieg (1916) / Das Kindermädchen (1916) / Das Vergessen (1917) / Die Feuertaufe (1917) / Im stillen Winkel (1918)

Eduard von Keyserling (1855-1918) stammt aus altem baltischem Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann schon früh mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Lebensjahren zunehmend.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641229894
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum03.09.2018
Reihen-Nr.1
Seiten744 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2293 Kbytes
Illustrationen4 schwarz-weiße Abbildungen
Artikel-Nr.3399958
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Nur zwei Tränen

Motto: «ÎάλαÏÏα, θάλαÏÏα»

Der Lehrer der griechischen Sprache hatte die üble Angewohnheit, seine Schüler «Esel» zu nennen, machten sie ihre Sache nicht recht. Wir zeigten dann stets sehr entrüstete Mienen, allzu tief aber empfanden wir diese Beleidigung eigentlich nicht. Nun behaupteten meine Kameraden, ich hätte einmal über solch einen «Esel» geweint.

Weinen gilt in der Schule ohnehin für eine Schande, und noch dazu über so etwas! Die Kameraden waren unerschöpflich in ihrem Spott. Mich schmerzte das empfindlich; ich vermochte mich aber nicht zu verteidigen. Es waren nur zwei armselige Tränen gewesen, nicht der Rede wert, diese ließen sich jedoch nicht fortleugnen, und sie hatten ihre wunderliche Ursache, die ich damals nicht erörtern mochte.

An einem ganz gewöhnlichen ledernen Montage, in einer ganz gewöhnlichen ledernen Unterrichtsstunde trug sich der Vorfall zu. Ja! Diese Unterrichtsstunde versprach besonders trübe und eintönig zu werden, denn draußen lag dichter Herbstnebel über den Dächern. Wir durften also nicht einmal auf den lustigen Sonnenstrahl rechnen, der durch die Fensterscheiben in die Schulstube zu schlüpfen pflegte, um plötzlich dem gestrengen Lehrer über die faltige Stirn zu huschen, sodass er die mürrischen Augen zukneifen musste und wir kichernd die Nasen tiefer in die Bücher steckten. Solche Streiche liebte der Sonnenstrahl; er hielt es stets mit uns Schülern. Auch auf diese kleine Zerstreuung durften wir an jenem Montage nicht zählen. Tripp - tripp - fielen die Tropfen aus der Dachtraufe auf das Pflaster; eine frostige, verstimmende Musik. Einige verdrossene Spatzen hüpften über das Fensterbrett, und die kleinen, grauen Köpfe auf die Seite neigend, blinzelten sie mit den blanken Augenpünktchen gelangweilt zu uns herüber. Rings um mich saßen die Kameraden mit missmutigen Gesichtern. Die schwarzen Schulbänke mit ihren zahllosen Schnittwunden, der Lehrer mit seinem alten Rock, auf dem ich jeden Streifen des Musters kannte, mit seinem bleichen, sorgenvollen Gesichte, seinem tadellos geglätteten Haar, alles, alles war dazu angetan, ein Knabenherz trüb zu stimmen. Dazu noch der dumpfe Geruch nach alten Büchern und nassen Überröcken, der im Gemache waltete, das unbehagliche Gefühl, die Finger voller Tinte zu haben und mit dem Rockärmel den Staub vom Tische zu fegen, endlich das abgegriffene, befleckte Buch, in das man hineinschauen sollte, die Aussicht auf endlose Fragen nach e verbo, nach consecutio temporum - was weiß ich! Gewiss ist es, dass an jenem Montage eine sehr melancholische Lebensanschauung in den meisten Schülerherzen wohnte.

Xenophon wurde gelesen. Nun wissen wir, dass der weise Schüler des Sokrates wenig Ansehen in Schülerkreisen genießt. Weil er der erste griechische Autor ist, den wir lesen, so nennen wir anfangs zwar seinen Namen mit einigem Stolz: «Wir lesen Xenophons Anabasis » ist ein Satz, den man nicht ungern ausspricht, dazu ist «Anabasis» ein schönes, volltönendes Wort und klingt gar so griechisch. Auf die Dauer aber verstehen die Leiden der Zehntausend die Knabenfantasie nicht anzuregen, und sind wir erst zu anderen Autoren vorgeschritten, dann blicken wir mit entschiedener Verachtung auf die «attische Biene» nieder: «Er liest noch Xenophon» heißt so viel als: Er steht tief unter mir.

Meinem Nachbar auf der Schulbank war die Aufgabe zugefallen, das berühmte 7. Kapitel des IV. Buches der «Anabasis» zu übersetzen. - Mit eintöniger, schläfriger Stimme, mit vielem Räuspern und häufigen Pausen trug er uns die schöne Erzählung vor, wie die Zehntausend, auf den Berg Teches gelangt, plötzlich das Meer vor sich sahen und in lauten Jubel ausbrachen.

Ich war entschlossen, nicht zuzuhören, mich um die ganze Geschichte gar nicht zu kümmern. Meine Aufmerksamkeit richtete sich ausschließlich auf einen Regentropfen, der langsam die Fensterscheibe hinabrann. Wird er unten ankommen oder nicht? Das schien mir eine wichtige Frage. Plötzlich schreckte mich ein Wort im Vortrage meines Kameraden aus meinen Beobachtungen auf.

«Sie hörten nun, wie die Soldaten: Das Meer, das Meer! riefen.» Ich schaute in das Buch. Ja! Da stand es, halb von einem Tintenfleck verdeckt, daneben der misslungene Versuch, das Profil des Lehrers mit stark verlängerter Nase zu skizzieren, da stand es, wie sie jubeln, «Thálatta, Thálatta!» rufen, wie sie sich umarmen, wie sie weinen. - Seltsam! Das gefiel mir, das schien nichts von dem Staub der Schulbank an sich zu haben. Es machte mir das Knabenherz weit. Thálatta, Thálatta! Welch ein würziger, lösender Hauch wehte mir aus diesem Worte entgegen! Das war Ferienlust! Das trug mich weit, weit aus der schläfrigen Schulstunde fort! ...

Da stand ich auf der Düne. Unter meinen nackten Füßen fühlte ich den warmen Sand; in meinen Haaren wühlte der Seewind, und vor mir lag das Meer, die weite blaue Fläche, ganz mit goldenen Sonnenflittern überstreut. Große, durchsichtige Wellen stiegen auf, warfen ihre weißen Schaummützen empor, und ein Jauchzen und Rauschen scholl herüber, dem ich schweigend, lächelnd, mit klopfendem Herzen lauschen musste. Hoch im lichtvollen Himmelsblau hing eine Möwe, eine zitternde weiße Flocke: «Gib Acht! Die sieht etwas. Gleich ist sie unten», sprach es neben mir mit heiserer Kinderstimme. Ja! Da stand des Strandwächters Lotte und schaute empor mit ihrem verständigen Bubengesichte, die runden, grünlichen Augen weit dem Sonnenstrahl geöffnet, das kurze, rote Haar im Winde flatternd. Jetzt schoss die Möwe pfeilschnell nieder, da - mitten in eine große Welle hinein, und Lotte stieß einen gellenden Freudenschrei aus, den sie von den Möwen gelernt haben mochte.

«Die See ist gleich wieder da», sagte Lotte dann und deutete mit dem Mittelfinger auf das Meer hinab: «Wir müssen eilen, wenn wir noch hinauswollen.»

Hinaus mussten wir. Es war die tägliche Ferienarbeit, zu suchen und zu sammeln, was das Meer zurückließ; und endlich, welche Lust, sich langsam von der Flut an das Ufer zurückdrängen zu lassen - mühsam, den halben Leib im Wasser, mit den Wellen kämpfend.

«Fort!», rief Lotte und stürmte voran.

Es lief sich gut über den feuchten Sand. Der Boden wiegte sich sachte unter den Füßen; jeder Tritt verursachte ein kleines plätscherndes Geräusch und ließ eine Spur zurück, die sich mit Wasser füllte. Dort lagen die trägen Seesterne, zart gefärbt und glänzend, wie die Zuckerblume beim Bäcker oben im Städtchen; und Seegras - breite, kühle Bänder, die wir nur behutsam angriffen, denn die weichen, fetten Halme schienen etwas rätselhaft Lebendes. Rückten wir einen Stein von seiner Stelle, dann huschten die Seespinnen hervor, grünliche, durchsichtige Schattenwesen. Wir blieben stehen und lachten laut auf über diese seltsamen Ungeheuer, die so eilfertig seitwärts dahinschlüpften.

«Ins Wasser!», kommandierte Lotte.

Da waren die Wellen schon! Da überstürzten sie sich zischend und bedeckten den Sand mit ihrem Schaum, wie mit großen weißen Tüchern.

Anfangs stiegen wir nur zögernd in das rege Durcheinanderwogen. Das Wasser schlug kühl um unsere Füße, bedrückte ein wenig den Atem, und in das laute Rufen der Wellen mischten wir die hohen Noten unseres ausgelassenen Kinderlachens.

Das tolle Rennen und Springen der Wogen riss uns in seine Lust mit fort.

«Weiter, weiter!»

Lotte war stets die Verwegenere und mir ein gutes Stück voraus. Sie achtete nicht mehr auf ihr schlichtes Leinwandröckchen, sie ließ sich ganz von den Wellen überdecken, sie schlug sich mit ihnen herum und stieß herbe, gellende Rufe aus, wie ein Seevogel.

Mit Vorliebe gingen wir in dem breiten Lichtwege einher, den die Sonne über das Wasser warf. Dort flatterte es glänzend an uns hinauf, ganz goldene Wellen kamen, um mit lustigem Funkeln über unseren Köpfen einzustürzen. Blieb ich einen Augenblick atemlos stehen, ein wenig auszuruhen, schaute ich hinaus auf das endlose Ineinanderspielen von Blau, Gold, Silber, dann legte es sich wie Bangigkeit auf das Kinderherz, eine Bangigkeit, die die Augen groß und ernst macht und die Lippen lächeln lässt. - «Sie kommt!», jubelte Lotte. - In der Tat, die Flut machte merkliche Fortschritte. Die Wellen wurden höher und rissen uns mächtig nach Osten hin.

«Halte dich tüchtig nach rechts», warnte ich.

«Wir haben noch Zeit!», meinte Lotte.

Die Schulbänke machen uns vorsichtig; so zog ich mich denn langsam zum Ufer zurück. Das Wasser trieb mich vor sich her. Die Wellen gaben mir kräftige Stöße in den Rücken. «Geschwind, ge-schwind!», schienen sie zu rufen und überspritzten mich mit Schaum. Sie erlaubten mir nicht, stille zu stehen. Geschwind, geschwind! Ich lief. - Ein wenig Furcht packte mich, so wild war die Jagd noch nie gewesen!

Jetzt war ich am Ufer! «Heute war es lustig», sagte ich mir und schöpfte tief Atem. Ich wandte mich um: «O! Lotte ist weit» - - - -

Die Gestalt des Mädchens schwankte noch zwischen den Wellen einher; jetzt ward sie hoch emporgehoben, sie streckte die Arme aus; ich glaubte ihr Lachen zu hören. Ich legte die Hand vor die Augen und schaute in den Glanz hinaus. Das rote Köpfchen tanzte lustig die Wellen entlang; es schien selbst ein Stück des regen Sonnengoldes zu sein, das allerort über das Wasser hinflirrte. Immer weiter zog es fort. Nur noch einen roten Punkt konnte ich sehen. Jetzt war auch dieser verschwunden. Da war er wieder! Dort auf der großen Welle! Nein, nur der Sonnenglanz! Aber hier - hier! Allerwärts tauchte Lottens Köpfchen auf, und immer wieder war es der Sonnenschein, das endlose Flimmern. Ein...
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Eduard von Keyserling (1855-1918) stammt aus altem baltischem Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann schon früh mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Lebensjahren zunehmend.