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Die Todesfee der Grindlay Street

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
576 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.12.2018
London 1889. Nach der Aufführung von »Macbeth« wird eine mit Blut geschriebene Botschaft aufgefunden: In Edinburgh, der nächsten Station der berühmten Theatertruppe, soll jemand grausam zu Tode kommen. Der Fall ruft die Inspectors Ian Frey und Adolphus McGray auf den Plan. Während der vernünftige Engländer Frey die düstere Ankündigung für reine Publicity hält, ist McGray von einem übernatürlichen Phänomen überzeugt, da Besucher eine »Todesfee« vor dem Theater gesehen haben wollen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn was auch immer dahintersteckt - in der Premierennacht in der Grindlay Street soll der Tod die Hauptrolle spielen ...

Oscar de Muriel wurde in Mexico City geboren und zog nach England, um seinen Doktor zu machen. Er ist Chemiker, Übersetzer und Violinist und lebt heute in Cheshire. Mit seiner viktorianischen Krimireihe um das brillante Ermittlerduo Frey und McGray feiert er in seiner neuen Heimat und darüber hinaus große Erfolge.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextLondon 1889. Nach der Aufführung von »Macbeth« wird eine mit Blut geschriebene Botschaft aufgefunden: In Edinburgh, der nächsten Station der berühmten Theatertruppe, soll jemand grausam zu Tode kommen. Der Fall ruft die Inspectors Ian Frey und Adolphus McGray auf den Plan. Während der vernünftige Engländer Frey die düstere Ankündigung für reine Publicity hält, ist McGray von einem übernatürlichen Phänomen überzeugt, da Besucher eine »Todesfee« vor dem Theater gesehen haben wollen. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn was auch immer dahintersteckt - in der Premierennacht in der Grindlay Street soll der Tod die Hauptrolle spielen ...

Oscar de Muriel wurde in Mexico City geboren und zog nach England, um seinen Doktor zu machen. Er ist Chemiker, Übersetzer und Violinist und lebt heute in Cheshire. Mit seiner viktorianischen Krimireihe um das brillante Ermittlerduo Frey und McGray feiert er in seiner neuen Heimat und darüber hinaus große Erfolge.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641231057
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum17.12.2018
Reihen-Nr.3
Seiten576 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse5495 Kbytes
Artikel-Nr.3399985
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


London, 29. Juni 1889

Es donnerte, die Menge zuckte zusammen. Die inmitten der Nebelschwaden nur schemenhaft zu erkennende Bühne wurde durch grelle Blitze erleuchtet. Plötzlich ragte aus dem dichten Nebel ein Speer heraus, auf dessen Spitze der abgetrennte Kopf von König Macbeth steckte.

Die Damen schnappten nach Luft und bedeckten sich den Mund mit einem Spitzentaschentuch oder drückten sich ihren fedrigen Fächer an die Brust. Einige von ihnen waren berührt, die meisten jedoch angewidert vom Anblick des dunklen, dickflüssigen Bluts, das aus dem Hals des toten Königs tropfte.

Schrille Stimmen vermischten sich mit den hohen Tönen von Streichern und Trompeten, als drei schemenhafte Gestalten emporstiegen und sich wie Aasfresser um den gespenstischen Scheiterhaufen scharten. Es waren keine Geier, sondern drei schwarze Raben, die mit den Flügeln schlugen und ein höhnisches Krächzen ausstießen, während sich ihr unheilvolles Schreien mit dem Chorgesang vermischte.

»Heil dir, Macbeth! Heil! Heil dir!«

Alles endete mit Schrecken, Tragödie und Tod. Alle Augen glitzerten feucht, alle Herzen waren schwer. Alle nahmen an, es gebe keine Erlösung, doch dann trat eine schlanke, scheue Gestalt aus dem dichten Nebel hervor. Es schien, als zögen sich die Nebelschwaden zurück, und die Zuschauer erblickten das goldene Haar und die großen blauen Augen eines Jungen. Die Finsternis umschlang ihn, seine Gestalt wurde nur durch das Licht einer kleinen, dünnen Wachskerze beschienen, die er mitgebracht hatte. Dann aber zerschnitt ein einzelner greller Lichtstrahl den Nebel. Der Lichtstrahl wurde größer und breiter, reflektiert von der edelsteinbesetzten Krone, die der Junge in der anderen Hand trug.

»Fleance«, murmelte ein Gentleman.

Zukünftiger Vater von Königen. Keim von Gerechtigkeit, Frieden und Ruhm. Verheißung auf eine neuerliche Thronbesteigung.

Der Junge schaute auf, und augenblicklich stimmte der Chor eine liebliche, engelsgleiche Melodie an, die verklang, während der Vorhang sich langsam senkte. Lange bevor der Samtstoff den Boden berührte, durchfluteten tosender Applaus und Jubel das Theater - so laut, dass Henry Irving zu spüren meinte, wie der Klang in seiner Brust vibrierte.

Er umklammerte den Rahmen der Kulisse und spähte an der Landschaftsszene vorbei. Dass ihn die Leute womöglich sahen, war ihm bewusst, doch das scherte ihn jetzt nicht. Die ohrenbetäubenden Beifallsrufe hallten im Londoner Lyceum Theatre wider, und für diese Momente lebte er. Er ließ den Blick über das Publikum schweifen, in dessen Reihen die Leute nun begannen, mit den Füßen zu stampfen. Gleich würden sich die Hauptdarsteller zu ihm gesellen. Er würde Ellens weiche, wunderschöne Hand halten und sie hochheben, und ...

Sein Herz setzte für einen Schlag aus, und im gleichen Moment wich alle Freude aus ihm.

Aus einer der Sitzreihen, ein gutes Stück von ihm entfernt, fixierten ihn stechende Augen. Er wusste bereits, zu wem sie gehörten, noch bevor er die Gesichtszüge ausmachen konnte.

»Florence!«, rief er, doch inmitten des ganzen Geschreis hörte niemand seine Stimme.

Irving fragte sich, wie er sie bis eben hatte übersehen können: Die Haut der Frau war so blass, wie mit Chlor gebleicht, dass sie inmitten der Sitzreihen gespensterhaft leuchtete, und ihre Stirn durchfurchten so tiefe Falten, dass sie trotz der Entfernung zu erkennen waren. Außerdem wirkte die Frau sehr dünn, so als wäre sie vor Kurzem von einer kräftezehrenden Krankheit heimgesucht worden.

Als Schauspieler glaubte er volle Kontrolle über seine Gesichtszüge zu haben - vor allem Atmung und Augen waren die Werkzeuge seiner Kunst. Doch in diesem Augenblick begriff er trotz dreier Jahrzehnte des Schauspielerns nur, dass er jedwede Kontrolle über seine Gesichtszüge verloren hatte. Als Florence seinen Gesichtsausdruck wahrnahm, hob sie herausfordernd das Kinn, und ihr gespenstisches Lächeln wurde noch breiter.

»Was tust du hier?«, formte Irving wütend mit den Lippen, kurz bevor ihm der Vorhang die Sicht versperrte, doch der unheilvolle starre Blick der Frau brannte sich schier in seine Netzhaut ein.

Und dann vernahmen alle den Schrei der Todesfee.

*

Ellen Terry wusch sich wieder und wieder die Hände.

Es war seltsam, dass die Mischung aus Sirup und Cochenillerot, die sich mit etwas Wasser mühelos aus den Kleidern entfernen ließ, so hartnäckig unter den Nägeln und an den Nagelhäuten kleben blieb.

»Ein wenig Wasser spült von uns die Tat«, rezitierte sie immer auf der Bühne, um sich danach den Rest des Abends mühsam die Hände zu waschen.

Miss Ivor, ihre sauertöpfisch dreinblickende Zweitbesetzung, stand mitten im Flur, hielt das Porzellanbecken in den Händen und sah zu, wie sich die große Miss Terry feinmachte.

Die in die Jahre gekommene Schauspielerin hatte gute Gründe, aufgebracht zu sein: Ellen Terry hatte seit Dezember nicht eine einzige Aufführung versäumt, und da die Londoner Saison an diesem Abend endete, hatte die arme Miss Ivor keine Gelegenheit bekommen, ihre Lady Macbeth aufzuführen.

»Schlacht verloren und gewonnen, höre ich«, sagte sie. »Sie sollten sich jetzt umkleiden, Miss Terry.«

»Das sollte ich wohl«, erwiderte Ellen, trocknete sich die Unterarme ab und reichte Miss Ivor das Handtuch. »Danke, meine Liebe. Und nochmals: Es tut mir leid. Sie wissen ja, dass ich es hasse, Sie wie eine Zofe zu behandeln!«

Miss Ivor tat kaum etwas, um ihren Unmut zu kaschieren, doch Ellen Terry hatte keinen Kopf, sich allzu viele Gedanken darüber zu machen: Sie trug nach wie vor das weiße Nachthemd aus ihrer Schlafwandlerszene, das absolut unangemessen dafür gewesen wäre, die Ovationen des Publikums entgegenzunehmen. Sie zog es vor, wieder ihr reguläres Bühnenkostüm anzuziehen, eben jenes majestätische grüne Kleid, mit Edelsteinen besetzt und mit echten Käferflügeln bestickt, das während des ganzen Jahres in London Gesprächsthema gewesen war.

Die Tür zu ihrer Garderobe stand einen Spalt offen, doch Ellen dachte sich nichts dabei. Es konnte eine der Näherinnen gewesen sein oder die kleine Susy, die gekommen war, um sich ein Buch auszuleihen, mit dem sie sich nach der Aufführung in den Schlaf lesen konnte. Vielleicht auch Bram, der ihr Blumen oder Geschenke von einem ihrer glühenden Verehrer gebracht hatte.

»Fussie!«, rief sie, kaum dass sie Irvings geliebten Foxterrier schwanzwedelnd auf ihrem Schminktisch erblickt hatte. Der Hund hatte einmal ihr gehört, doch Irving hatte sich seine Zuneigung durch Menüs aus Lammkoteletts, Erdbeeren oder in Champagner getränkten Löffelbiskuits und darüber hinaus mit seinem wunderschönen Fellteppich erschlichen. »Was machst du hier?«

Fussie hörte nicht. Er stand dem Spiegel zugewandt, hatte den Kopf halb in ein mit Einschlagpapier umwickeltes Bündel vergraben und schmatzte geräuschvoll.

»Was ist das, mein Liebling?«, fragte Ellen. Der Hund war ein Vielfraß, schnupperte immer und überall nach Leckerlis, die er stibitzen konnte. »Deine Gier wird dir noch den Garaus bereiten, weißt du das?«

Zu beschäftigt, um auch nur einen Blick auf das Bündel zu werfen, langte Ellen nach ihrem Kleid. Dann aber nahm sie einen sonderbaren Geruch wahr, fleischig und ekelerregend.

Sie drehte sich um, und nun stieß der Feuereifer, mit dem der Hund etwas verschlang, sie mit einem Mal ab.

»Oh, Fussie, was frisst du denn da?«

Überall um den Hund herum lag zerknittertes Packpapier. Mit nun zitternden Fingern ergriff Ellen eine Ecke und zog die Verpackung zögerlich beiseite.

Zunächst glaubte sie, es handele sich um einen Haufen Nacktschnecken, deren schleimige graue Häute von einer scheußlichen roten Flüssigkeit durchtränkt waren. Dann blinzelte sie, und ihr war, als wiche alles Leben aus ihr, bis sie nur noch eisige Kälte in ihrer Brust spürte. Fussie hatte an blutgetränktem Hirn herumgekaut.

Und genau in dem Moment, als Ellen Terry zu schreien anhob, war der Schrei der Todesfee zu vernehmen.

*

»Mein Gott, wer hat denn die ganzen Lichter gelöscht?«, fragte Bram Stoker mit Blick in den dunklen Flur.

»Mr Wheatstone«, antwortete die Erste Hexe wie aus der Pistole geschossen.

»Er hat dieses helle Pulver hereingebracht und meinte, ein kleiner Funken genüge, um uns alle ins Jenseits zu befördern«, ergänzte ihre Zauberschwester. »Er hat das Gas persönlich abgestellt.«

Bram spähte in die undurchdringliche Finsternis. »Und hier habt ihr sie zum letzten Mal gesehen?«

»In der Tat. Wir fragten sie, wohin sie ginge, aber sie hat nichts geantwortet. Sie hatte einen ihrer ... Momente.«

Bram spürte einen kalten Luftzug. Mr Wheatstone musste die Hintertür offen gelassen haben. Jeder hätte hereinkommen oder hinausgehen können.

»Hier«, sagte die Dritte Hexe, die eine kleine Öllampe mitgebracht hatte. Deren bernsteinfarbene Flamme warf scharfe Schatten auf die Gesichter der Hexen.

Zum ersten Mal in der Geschichte wurden die Zauberschwestern von Frauen gespielt. Und diese Damen nun sahen auch so aus: Sie trugen nach wie vor ihre dunklen Lumpen, und ihre Gesichter waren dank der Masken, die sie immer noch aufgesetzt hatten, allesamt verzerrt. Während Bram die Lampe ergriff, war ihm, als wären sie Monster in einer Höhle. Sie waren genauso gespenstisch wie auf der Bühne.

»Wir müssen jetzt los«, sagte die Erste Hexe, »um unsere Ovationen entgegenzunehmen.«

Tatsächlich hatten sie seit der Premiere stets Beifallsstürme geerntet, die denen für Terry und Irving gefährlich nahe kamen.

»Wollen Sie, dass wir mithelfen?«, fragte die Dritte...

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Oscar de Muriel wurde in Mexico City geboren und zog nach England, um seinen Doktor zu machen. Er ist Chemiker, Übersetzer und Violinist und lebt heute in Cheshire. Mit seiner viktorianischen Krimireihe um das brillante Ermittlerduo Frey und McGray feiert er in seiner neuen Heimat und darüber hinaus große Erfolge.