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Nachtjasmin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.12.2018
Eve Armaton ist 48 und lebt in einer gutsituierten, aber unglücklichen Ehe. Als sie in einem Trödelladen in Manhattan eine alte Violine findet, ahnt sie noch nicht, dass dieses Instrument ihr Leben für immer verändern wird. Denn am selben Tag begegnet sie auch Micajah, dem Sohn eines Schulfreundes. Miacjah, halb so alt wie sie und erfolgreicher Musiker, zeigt nicht nur Interesse an der Violine, er flirtet auch unverhohlen mit Eve - der Beginn einer leidenschaftlichen Affäre, in der Eve nicht nur ihre Sinnlichkeit neu entdecken wird.

Allegra Huston ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie hat im Verlagswesen und der Filmbranche gearbeitet und ist heute Redakteurin bei dem internationalen Kulturmagazine Garage. Allegra Huston wuchs in dem berühmten Huston-Künstlerclan auf: Regisseur John Huston ist ihr Stiefvater, Schauspielerin Angelica Huston ihre Halbschwester. Sie lebt mit ihrem Sohn in Taos, New Mexico.
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Produkt

KlappentextEve Armaton ist 48 und lebt in einer gutsituierten, aber unglücklichen Ehe. Als sie in einem Trödelladen in Manhattan eine alte Violine findet, ahnt sie noch nicht, dass dieses Instrument ihr Leben für immer verändern wird. Denn am selben Tag begegnet sie auch Micajah, dem Sohn eines Schulfreundes. Miacjah, halb so alt wie sie und erfolgreicher Musiker, zeigt nicht nur Interesse an der Violine, er flirtet auch unverhohlen mit Eve - der Beginn einer leidenschaftlichen Affäre, in der Eve nicht nur ihre Sinnlichkeit neu entdecken wird.

Allegra Huston ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie hat im Verlagswesen und der Filmbranche gearbeitet und ist heute Redakteurin bei dem internationalen Kulturmagazine Garage. Allegra Huston wuchs in dem berühmten Huston-Künstlerclan auf: Regisseur John Huston ist ihr Stiefvater, Schauspielerin Angelica Huston ihre Halbschwester. Sie lebt mit ihrem Sohn in Taos, New Mexico.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641205058
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum10.12.2018
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1336 Kbytes
Artikel-Nr.3400050
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Dort, unter einem Tisch voller Porzellanstücke, die niemand mehr gebrauchen kann, entdeckt sie es, kaum sichtbar hinter irgendwelchen Dingen mit Preisaufklebern, die schon lange verblasst sind. Tageslicht fällt durch die schmutzigen Fensterscheiben auf verschlissenen grünen Samt und honigfarbenes Holz. Seltsamerweise steht der Kasten offen - als ob es hoffte, auf diese Weise eher gefunden zu werden.

Es ist größer als eine Geige, aber deutlich kleiner als ein Cello. Es ist breit, eckiger als die meisten Instrumente dieser Art, mit einem langgezogenen Hals und - das zieht Eve besonders an - verziert mit geschnitzten Ranken. Die zierlichen Schnitzereien schimmern ein wenig grünlich. Vielleicht waren sie ursprünglich einmal bemalt.

Eve schiebt das Gerümpel drumherum beiseite, um besser unter den Tisch kriechen zu können. Bei derartigen Unternehmungen trägt sie gewöhnlich Jeans. Doch heute ist ein heißer New Yorker Sommertag, und sie hat sich in der Früh für ein leichtes Kleid entschieden, dessen detailreiches Muster mögliche Flecken verdecken wird. Allerdings reißt der Stoff auch leicht, weshalb sie nun den Saum des Kleides kurz entschlossen in ihre Unterwäsche stopft, um ihn so vom Boden und den anderen Dingen um sie herum fernzuhalten.

Als sie in die Hocke geht, knacken die Knochen in ihren Knien. Auch wenn sie durchtrainiert und fit ist, beginnt ihr achtundvierzigjähriger Körper sein Alter doch allmählich zu zeigen. Ihre braunen Haare sind bisher kaum grau durchzogen - gute Gene, wie ihre Mutter sagen würde -, aber bald wird sie sich entscheiden müssen, ob sie färbt oder lieber nicht. Bisher hat sie nicht verstanden, warum sie über ihr Alter lügen sollte. Als verheiratete Frau macht sie sich vermutlich weniger Gedanken darüber, jung auszusehen, als sie das als Single getan hätte. Dennoch: Der hässliche Meilenstein zeichnet sich allmählich am Horizont ab. Ihr Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und den Kopf mit einem Schal bedeckt, um ihn vor möglichen Spinnweben zu schützen.

Eve ist Gartenarchitektin. Ihr Mann Larry verdient als Produktentwicklungsleiter eines Zulieferers von Pillenüberzug für die Pharmaindustrie genug, dass sie sich ihr kleines Geschäft mehr oder weniger als Hobby leisten kann. Das ärgert Eve, aber in Wahrheit betrachtet auch sie ihre Arbeit eher als Freizeitbeschäftigung. Würde sie das Ganze ernster betreiben, müsste sie sich hinstellen, ihre Zeit klar für sich einfordern und andere Prioritäten als bisher setzen - wozu sie aber nicht bereit ist. Der Status quo fühlt sich zwar etwas wackelig an, doch zugleich scheint er so beständig zu sein, wie das im Leben nur möglich ist. Sie muss nur das empfindliche Gleichgewicht halten und weder Staub aufwirbeln noch schlafende Hunde wecken. Deshalb hat sie sich angewöhnt, die Kommunikation fast ausschließlich auf praktische Themen zu konzentrieren und nach außen hin den Anschein von Nähe zu wahren, der auch ihr die Sicherheit gibt, dass in ihrer Ehe alles in bester Ordnung ist.

An den Wochenenden stöbert sie - ohne Schuldgefühle und frei von anderweitigen Verpflichtungen - nach Schätzen für den Antiquitätenladen ihrer Freundin Deborah. Larry hat nichts dagegen; sie vermutet sogar, dass er froh ist, das Haus dann eine Weile für sich zu haben. Sie jedenfalls ist erleichtert, es zur Abwechslung einmal hinter sich lassen zu können. Die besonderen Gegenstände, auf die sie bei ihren Entdeckungstouren stößt, entfachen ihre Fantasie und lassen sie ein Leben ausmalen, das aufregender und erschreckender ist als die gemächlich dahinplätschernde Sicherheit, in der sie sich eingerichtet hat. Heute erkundet sie den nördlichen Teil von New York, wo sich wie in einem Gezeitentümpel nach mehreren Flutwellen Menschen aus Ländern niedergelassen haben, die es zum Teil schon nicht mehr gibt: Assyrer, Armenier, Mazedonier, Belutschen. Die Schriften und Zeichen, in denen die Schilder in dieser Gegend geschrieben sind, ändern sich fast von Block zu Block. Viertel wie dieses sind ihr liebstes Jagdrevier.

Auf Händen und Knien versucht sie jetzt das Instrument aus seinem Kasten zu zerren. Der Kasten kommt ein wenig ins Rutschen und hinterlässt auf dem Boden eine staubige Spur. Wahrscheinlich ist er seit Jahren nicht bewegt worden. Sie hebt ihn auf eine Eisentruhe, wobei sie dem Ladenbesitzer den Rücken zudreht, um ihr Interesse nicht zu früh zu verraten.

Die geschnitzten Ranken winden sich über den Instrumentenkörper dessen Hals hinauf, um sich dann dort zu verlieren. Die Schnitzarbeit wirkt dabei so delikat, als wäre sie von Elfen angefertigt, und doch strahlt sie die Kraft von Kletterpflanzen aus: wild rankend und der Schwerkraft trotzend. Zwischen den Blättern blitzen kleine Blüten auf; es ist Jasmin, der so genau nachempfunden wurde, dass Eve ihn problemlos erkennt. Unter einer samtbezogenen Klappe im Kasten verbirgt sich ein Bogen, der von Bändern an seinem Platz gehalten wird. Auch dieser ist von Ranken überzogen.

Vorsichtig schiebt sie ihre Finger in die Lücken zwischen Instrument und Samtauskleidung, um es zu lockern. Eine Motte flattert ihr ins Gesicht und verschwindet in den Strahlen des durch die Scheiben hereinfallenden Lichts.

Als sie das Instrument am Hals hält, erspürt sie eine weitere Form. Mit Spucke und dem Saum ihres Kleids wischt sie den Staub weg und entdeckt ein rundes, kindliches Gesicht, über dessen Augen die Ranken verlaufen: Cupido, vor Liebe blind.

Eve fährt mit den Fingern über den Schmutz am Boden und macht dann das Gesicht wieder unkenntlich. Sie hat gelernt, das Aussehen der Dinge erst nach dem Feilschen und einem abgeschlossenen Handel zu verbessern. Jetzt dreht sie das Instrument um.

Der Rücken ist eingedrückt.

Sie streicht mit einem Finger über die einzelnen Bruchstellen im Holz und wünscht sich, sie könnte es wieder ganz machen. Der Schaden muss bewusst dort entstanden sein, denn ein zufälliger Unfall hätte wohl auch die Ranken absplittern lassen. Was hat denjenigen so weit gebracht? War es die Frustration eines Musikers? Oder Wut über das Schicksal? Liebeskummer? Fast glaubt sie, die Gefühle noch spüren zu können, die an diesem Bruch kleben - wie kleine Tropfen getrockneten Bluts.

Wenn sie es reparieren lässt, wären die Kosten wahrscheinlich höher als der eigentliche Wert des Instruments. Selbst ein Fachmann wäre zudem nicht in der Lage, es wieder ganz zu richten. Man könnte es höchstens als dekorativen Gegenstand verwenden, indem man den Riss hinten verbarg. Deborah würde es sicher nicht wollen; sie hat grundsätzlich etwas gegen kaputte Dinge. Außerdem bevorzugt sie Gegenstände, die man benennen kann - wie Schalen, Vasen oder Kerzenständer. Leidenschaftslose Gegenstände, die dann dekorativ in einem Raum platziert werden. Die Geschichte, die dieses Instrument mit sich herumträgt, würde Deborah vermutlich völlig überfordern.

Eve will das Instrument wieder in den Kasten legen. Doch sie kann es nicht. Nachdem sie es berührt hat, vermag sie es nicht wieder in die Dunkelheit zu verbannen.

Es ist ein extravaganter Luxus, mit dem Auto nach Manhattan zu fahren, allein wegen der Parkkosten und des dahinkriechenden Verkehrs durch die Stadt. Aber Eve hatte den Wagen für ihre Erkundungen der ferner gelegenen Viertel gebraucht, und jetzt ist sie noch nicht bereit, wieder zurück nach New Jersey zu fahren. Sie entdeckt einen teuren Platz in einem Parkhaus und beginnt die acht Blocks bis zur Public Library zu laufen. Das seltsame Instrument lässt sie in seinem Kasten auf der Rückbank, neben einem Vogelkäfig aus geschwungenen Schmiedeeisen, den sie bereits zuvor entdeckt hat.

»Eve? Eve Armanton?«

Sie dreht sich um, unsicher, woher diese aufgeregt klingende Stimme kommt. Mit ihrem Mädchennamen ist sie seit dem College nicht mehr angesprochen worden.

»Eve! Ich kann es nicht fassen!«

»Robert?«

Robert Burnett, der beste Freund ihres Bruders Bill. Und neben ihm ein jüngerer Mann, der sein Sohn sein muss. Die beiden kommen ihr wie eine Fata Morgana vor, zwei Männer in einer Art Zeitschleife: Robert jetzt und Robert damals, nebeneinander auf der 34th Street. Der Sohn ist, wie Eve feststellt, sogar noch schöner, als es der Vater gewesen ist - mit dichten schwarzen Haaren, einer feingeschnittenen Nase und geschwungenen Augenbrauen über langen, weit auseinanderstehenden Augen. Das Alter hat die früher einmal markante Kinnlinie von Robert nach unten gezogen und sein Haar dünner werden lassen. Die leuchtend blauen Augen, die sie so faszinierten, als sie fünfzehn war, sind wässriger geworden, und seine Haut schimmert so, als würde das Cholesterin in seinem Blut durch die Poren dringen.

Damals erinnerte Robert mit seiner ungebändigten Energie und Sorglosigkeit sie an Tigger aus Pu der Bär. Er und Bill waren zweiundzwanzig Jahre alt - Zimmergenossen, begeisterte Partygänger, denen alle Türen offen zu stehen schienen. Robert wirkte so, als wäre das Leben für ihn leicht und unbeschwert. Bill hingegen sah dort Schatten, wo Robert nur Licht erkannte. Roberts Wildheit war reiner Übermut. Bill forderte das Schicksal heraus, wie Eve mit der Ängstlichkeit eines Teenagers zu spüren glaubte. Fast als wollte er die Tragödie heraufbeschwören, die er so sicher erwartete. Seit der Beerdigung ihres Bruders hatte Eve kaum je an Robert gedacht. Nach Bills Tod hatte sie jegliche Verbindung zu seinem früheren Leben und zu dem, was es bestimmt hatte, abgebrochen, weil sie fürchtete, dass die Dunkelheit, die ihn in den Freitod getrieben hatte, auch sie erfassen...

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Autor

Allegra Huston ist Schriftstellerin und Journalistin. Sie hat im Verlagswesen und der Filmbranche gearbeitet und ist heute Redakteurin bei dem internationalen Kulturmagazine Garage. Allegra Huston wuchs in dem berühmten Huston-Künstlerclan auf: Regisseur John Huston ist ihr Stiefvater, Schauspielerin Angelica Huston ihre Halbschwester. Sie lebt mit ihrem Sohn in Taos, New Mexico.