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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
206 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am27.04.20181. Auflage
Die Ratte Robert ist ein nachdenkliches Geschöpf, das sich von Anfang an von dem Rest der Rattenfamilie unterscheidet. Durch Zufall macht Robert die Bekanntschaft Ashmadis, einer Küchenmagd, in die er sich verliebt. Als die gute Fee Mara, Ashmadis Patin, ihr hilft, zum Ball in den königlichen Palast zu fahren, verwandelt sie einen Kürbis in eine Kutsche und Robert in den Kutscher. Zwar wird er um Mitternacht wieder zur Ratte, aber die Rückverwandlung ist unvollständig, denn er hat anstelle der Rattensprache die menschliche Sprache behalten. Die anderen Ratten, mit denen er sich nicht mehr verständigen kann, stoßen ihn aus ... Eine phantastische Mixtur aus Märchen, Fabel, Allegorie, Zeitkritik und Melodrama. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

David Henry Wilson, 1937 in London geboren, studierte Germanistik und Romanistik am Pembroke College, Cambridge, und lehrte in Frankreich, Ghana und in der Bundesrepublik Deutschland. Als Bühnenautor ist Wilson mit ?Wir suchen Mary Pickford? sowie ?Shylocks Rache? und als Kinderbuchautor mit seiner erfolgreichen Jeremy-James-Reihe bekanntgeworden.
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Produkt

KlappentextDie Ratte Robert ist ein nachdenkliches Geschöpf, das sich von Anfang an von dem Rest der Rattenfamilie unterscheidet. Durch Zufall macht Robert die Bekanntschaft Ashmadis, einer Küchenmagd, in die er sich verliebt. Als die gute Fee Mara, Ashmadis Patin, ihr hilft, zum Ball in den königlichen Palast zu fahren, verwandelt sie einen Kürbis in eine Kutsche und Robert in den Kutscher. Zwar wird er um Mitternacht wieder zur Ratte, aber die Rückverwandlung ist unvollständig, denn er hat anstelle der Rattensprache die menschliche Sprache behalten. Die anderen Ratten, mit denen er sich nicht mehr verständigen kann, stoßen ihn aus ... Eine phantastische Mixtur aus Märchen, Fabel, Allegorie, Zeitkritik und Melodrama. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

David Henry Wilson, 1937 in London geboren, studierte Germanistik und Romanistik am Pembroke College, Cambridge, und lehrte in Frankreich, Ghana und in der Bundesrepublik Deutschland. Als Bühnenautor ist Wilson mit ?Wir suchen Mary Pickford? sowie ?Shylocks Rache? und als Kinderbuchautor mit seiner erfolgreichen Jeremy-James-Reihe bekanntgeworden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105620953
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum27.04.2018
Auflage1. Auflage
Seiten206 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3035 Kbytes
Artikel-Nr.3402838
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

I

Ich habe immer gewußt, daß ich irgendwie anders war. Es stimmt, ich sah genau aus wie meine Brüder und Schwestern, und von außen betrachtet, benahm ich mich, daran zweifle ich nicht, genau wie sie, aber im Innern wußte ich: Ich war ich, und auf der ganzen Welt gab es niemanden sonst, der so war wie ich.

Ich habe sechs Brüder und Schwestern - oder vielmehr, ich hatte sie, denn gewiß sind sie jetzt tot. Wir wohnten in den Abwasserkanälen unter der Market Street. Aus meiner frühen Kindheit ist mir nur die ständige Futtersuche in Erinnerung. Meine Eltern zeigten mir, wie man Mülltonnen plündert, sich durch Hindernisse hindurchnagt, bei dem Herannahen einer Gefahr zur Reglosigkeit erstarrt, angreift, wenn man in die Enge getrieben wird, kämpft, beißt und frißt, immerzu frißt. Hüte dich vor Katzen, hüte dich vor Hunden, und vor allem, hüte dich vor Menschen. Menschen, so sagte man mir, waren die Geißel der Erde.

»Kein Tier«, sagte mein Vater, »ist so zerstörerisch wie der Mensch. Erbarmungslos schlachtet er sein eigenes Geschlecht ab, erwarte daher von ihm kein Erbarmen. Er wird dich jagen, dir Fallen stellen, dich vergiften - aber wenn du klug bist, kannst du ihn überlisten und dich von ihm ernähren. Laß dich nie von ihm sehen. Und wenn er Futter für dich auslegt, so lauf davor weg, denn es würde dich töten. Vor Katzen und Hunden muß man sich fürchten, wenn man sie sieht, aber den Menschen muß man immer fürchten, ob er sichtbar oder unsichtbar ist. Der Fluß fließt schnell und ist gefährlich und wird dich augenblicklich verschlingen, aber wenn du die Wahl zwischen dem Menschen und dem Fluß hast, dann wähle den Fluß.«

Selbst als ich noch sehr jung war, erregten die Berichte über dieses Ungeheuer meine Einbildungskraft. Wie mußte der Mensch sein, um solche Macht zu besitzen? Würde ich selber jemals diese Macht zu Gesicht bekommen? Konnte er mich wirklich töten? In jenen Tagen konnte ich mir nicht vorstellen, daß ich sterben könnte, und der Tod war deshalb weit entfernt. Selbst jetzt kann ich nur schwer glauben, daß dieses Ich einmal verschwinden wird. Aber mein Vater sagte uns immer wieder, daß der Tod uns jeden Augenblick treffen könnte, und daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Mensch es sein würde, der ihn herbeiführte. Eines Nachts kam er von der Futtersuche nicht mehr nach Hause. Wir wollten nach ihm suchen, aber meine Mutter hielt uns zurück.

»Wenn er nach Hause kommen kann«, sagte sie, »wird er es tun. Wenn er es nicht kann, so ist es besser für uns, wenn wir ihn nicht sehen.«

Nächte- und tagelang brannte ich darauf zu erfahren, was mit ihm geschehen war. Ich schäme mich zu sagen, daß der Grund dafür nicht nur Liebe und Sorge waren, wenn ich ihn auch wirklich vermißte. Nein, das Gefühl, das alles andere dabei überwog, war die Neugierde. Schließlich mußte ich die Frage stellen, die mir keine Ruhe ließ:

»Mutter, war es der Mensch, der meinen Vater getötet hat?«

Sie sah mich eine Weile an, als versuche sie, den Grund für meine Fragen zu erraten, dann sagte sie ganz leise:

»Ich weiß es nicht. Es kann auch eine Katze oder ein Hund gewesen sein. Aber ich glaube, nur der Mensch kann klug genug gewesen sein, um ihn zu fangen.«

Ich hätte mich fürchten müssen, aber ich tat es nicht. Immer wenn wir auf Jagd gingen, hoffte ich, den Menschen zu sehen. Aber wenn ein Mensch sich näherte, zwangen meine Angehörigen mich immer, mit ihnen davonzulaufen, wenn ich auch gern geblieben wäre. Wollte ich das wirklich? Vielleicht wollte nur ein Teil von mir bleiben.

Als ich heranwuchs, begann meine Mutter sich meinetwegen große Sorgen zu machen, und meine Brüder und Schwestern lachten immer über mich und nannten mich einen Träumer. Futter suchen, beißen, fressen, kämpfen - diese Dinge langweilten mich. Es gab auf der Welt ein Geschöpf, das tausend andere Dinge tun konnte, die mich und meine Gefährten klein und unbedeutend erscheinen ließen. Es hatte die Städte erbaut, von denen wir lebten, und war so in gewissem Sinne für uns ein Lebensspender, aber es konnte uns auch das Leben nehmen und tat dies häufig. Es war ehrfurchtgebietend. Es war seine Welt, in der ich zu sein wünschte.

Ich magerte ab. Niemand wußte, was er mit mir anfangen sollte. Einige sagten, es würde sich auswachsen, andere sagten, es sollte aus mir herausgeprügelt werden, und noch andere meinten, man solle mich in Ruhe lassen und abwarten, ob ich es überlebte. Aber ich achtete nicht auf sie. Denn sie verstanden mich nicht. Sie waren sie, und ich war ich, und ich war anders.

Eine Zeitlang weigerte ich mich sogar, den Kanal zu verlassen, denn der Anblick der großen Gebäude, die der Mensch errichtet hatte, beunruhigte mich und machte mich unzufrieden. Nie würde ich ihm gleich sein oder mich ihm anschließen können, daher zog ich es vor, mich zu verstecken. Ich wäre gewiß gestorben, wenn meine Mutter mich nicht gefüttert und umsorgt hätte. Aber dann sah ich selber ein, daß es so nicht weitergehen konnte. Ich wälzte und wälzte in meinem Gehirn die Gedanken, bis eine neue Vision zum Durchbruch kam und neue Möglichkeiten sichtbar wurden.

Ich schloß mich meiner Familie wieder an, und besonders meine Mutter war überglücklich, zu sehen, wie ich mit den andern jagte und grub und herumschnüffelte. Sie dachte, ich wäre krank gewesen und wieder gesund geworden. Vielleicht immer noch sonderbar, aber doch gesund. Mein Fell wurde glatter, mein Körper strammer. Äußerlich war ich wieder wie alle andern - aber innerlich, verborgen hinter den Wänden meines Schädels, plante ich, bereitete mich vor. Immer wieder fragte ich: »Wie fängt der Mensch uns, wie tötet er uns? Was sind seine Schliche?« Und die Antworten kamen von denen, die mehr Erfahrung hatten als ich - Antworten, die ich in meinem Kopf hortete. Ich hörte von den Giften, die der Mensch auslegte, von seinen Gewehren und seinen Fallen, vor allem von seinen Fallen. Immer wieder stellte ich Fragen, die die Fallen betrafen. Und niemand kam auf den Verdacht, warum ich dies tat. Alle dachten, ich hätte Angst.

Die Menschen stellen verschiedene Arten von Fallen her, und sie erfinden immer wieder neue, aber sie arbeiten alle nach einem Grundprinzip: Das Opfer wird mit Futter angelockt und dann entweder getötet oder lebendig gefangen. Der Rat meines Vaters wegen des Futters, das ausgelegt wurde, war vernünftig: Je leichter man es fand, desto näher war die Falle. Es liegt etwas Teuflisches in diesem Prinzip. Aber was ich mir vor allem einprägen mußte, war der sichtbare Unterschied zwischen den Fallen, die töten und denen, in denen man lebendig gefangen wird. Erst wenn ich die beiden unterscheiden konnte, durfte ich handeln. Glücklicherweise gab es viele ehrwürdige Seelen, die bereit waren, mich zu unterrichten, und da meine Neugier allgemein bekannt geworden war, zeigte man mir viele Beispiele. Der Anblick eines Mitgeschöpfs, dessen Rückgrat gebrochen oder das von der Stahlfeder zu einer blutigen Masse zerquetscht worden war, flößte mir Angst ein. Diese Fallen mußte ich um jeden Preis vermeiden. Aber die Falle, die das Opfer lebend fing, war etwas ganz anderes: Es war ein Käfig, und wenn das Opfer hineinging, um sich den Köder zu holen, fiel eine kleine Tür herunter, so daß es von allen Seiten eingeschlossen war. Einmal blieb ich zum Entsetzen meiner Familie und meiner Freunde zurück, um zu beobachten, was mit einem solchen Opfer geschehen würde. Ich versteckte mich und verhielt mich ganz still, und am frühen Morgen (denn ich machte meine Erkundungsgänge bei Nacht) kam ein Mann in einem weißen Mantel und hob die Falle auf. Ich folgte ihm die Straße hinunter und sah, wie er noch zwei oder drei andere Fallen aufhob. Dann kletterte er in eine Kutsche, und ich konnte ihm nicht weiter folgen.

Er hatte etwas Zielstrebiges an sich, das ihn mir verdächtig machte. Aber es war klar: Er hätte keine solche Falle benutzt, wenn er keinen besonderen Grund dazu gehabt hätte, und dieser Grund mußte mit allen Fallen dieser Art zusammenhängen. Aber was für ein Grund war das? Eins war sicher: Ich wäre nicht gern von diesem Mann mitgenommen worden. Es genügte also nicht, die Falle zu kennen. Man mußte auch den Eigentümer der Falle kennen.

Ich begann meine Futtersuche immer weiter auszudehnen. Manchmal lief ich so weit, daß ich nicht vor Tagesanbruch zum Nest zurückkehren konnte. Dann versteckte ich mich in einem Loch oder einer dunklen Ecke, bis es Abend wurde. Besonders meiner Mutter bereitete meine Abwesenheit zu Anfang Sorge. Aber wie es mit allen Unternehmungen so ist, je häufiger sie vorkommen, desto weniger Unruhe verursachen sie. Wahrscheinlich riefen meine Ausflüge schließlich nur noch ein Schulterzucken hervor.

Wonach war ich auf der Jagd? Ich wußte nur eins: Wenn ich es fand, würde ich es erkennen.

Meine Suche dauerte Monate. Systematisch durchforschte ich jedes Haus in jeder Straße, suchte die Umgebung unseres Kanals nach allen Richtungen hin ab. Später setzte ich diese Suche von den Punkten aus, die ich vorher schon erreicht hatte, fort. Sorgfältig prägte ich meinem Gedächtnis den Standort einer jeden Falle ein, und wenn ich die richtige Falle wiedergefunden hatte, wartete ich auf den Eigentümer und beobachtete sein Gesicht und seine Bewegungen. Aber in meinem Herzen wußte ich, daß diese Bemühungen unnötig waren.

Meine Suche fand an einem Sommerabend ihr Ende. Ich hatte mich in die Spülküche eines großen alten Hauses geschlichen, das in einigem Abstand von der Straße hinter einem Gitter und einem schmiedeeisernen Tor lag. Das Haus machte einen düsteren Eindruck, und ich betrat es ohne Hoffnung auf Erfolg. Hätte ich es mir nicht zur Aufgabe gemacht, jede Möglichkeit...
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Autor

David Henry Wilson, 1937 in London geboren, studierte Germanistik und Romanistik am Pembroke College, Cambridge, und lehrte in Frankreich, Ghana und in der Bundesrepublik Deutschland. Als Bühnenautor ist Wilson mit >Wir suchen Mary PickfordShylocks Rache