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Ein Abend bei André Blutel

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
152 Seiten
Deutsch
Edition diáerschienen am02.04.20181. Auflage
Maxime Corton kommt aus Wien mit dem Zug in der Pariser Gare de l'Est an, findet ein Hotel und zieht bald wieder los für einen Gang durch die Stadt. Der Mann, Ende zwanzig, ist offensichtlich ohne Familie und auch ohne Job. In einer Brasserie lernt er die junge Madeleine kennen, eine Prostituierte. Sie nimmt ihn mit, doch mitten in der Nacht verlässt er sie, weil er allein sein will. Anderntags beschließt er, seinen alten Freund Andé Blutel zu treffen. Dieser hat ohnehin ein paar Freunde zu sich eingeladen. Maxime verspricht sich einiges von dem Treffen, will er doch seinem Leben einen neue Richtung geben. 'Ein Abend bei André Blutel' von 1927 ist, nach 'Meine Freunde' und 'Armand', der dritte Roman Boves unter eigenem Namen und womöglich der auffälligste in seinem Gesamtwerk. Der vorliegende Roman sticht heraus aus seinem Werk, weil er sich partout in kein Schema pressen lassen will.

1898 als Sohn eines russischen Lebemanns und eines Luxemburger Dienstmädchens in Paris geboren, schlug sich Emmanuel Bove mit verschiedenen Arbeiten durch, bevor er als Journalist und Schriftsteller sein Auskommen fand. Mit seinem Erstling 'Meine Freunde' hatte er einen überwältigenden Erfolg, dem innerhalb von zwei Jahrzehnten 23 Romane und über 30 Erzählungen folgten. Nach seinem Tod 1945 gerieten der Autor und sein gewaltiges ?uvre in Vergessenheit, bis er in den siebziger Jahren in Frankreich und in den achtziger Jahren durch Peter Handke für den deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wurde. Heute gilt Emmanuel Bove als Klassiker der Moderne.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR18,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextMaxime Corton kommt aus Wien mit dem Zug in der Pariser Gare de l'Est an, findet ein Hotel und zieht bald wieder los für einen Gang durch die Stadt. Der Mann, Ende zwanzig, ist offensichtlich ohne Familie und auch ohne Job. In einer Brasserie lernt er die junge Madeleine kennen, eine Prostituierte. Sie nimmt ihn mit, doch mitten in der Nacht verlässt er sie, weil er allein sein will. Anderntags beschließt er, seinen alten Freund Andé Blutel zu treffen. Dieser hat ohnehin ein paar Freunde zu sich eingeladen. Maxime verspricht sich einiges von dem Treffen, will er doch seinem Leben einen neue Richtung geben. 'Ein Abend bei André Blutel' von 1927 ist, nach 'Meine Freunde' und 'Armand', der dritte Roman Boves unter eigenem Namen und womöglich der auffälligste in seinem Gesamtwerk. Der vorliegende Roman sticht heraus aus seinem Werk, weil er sich partout in kein Schema pressen lassen will.

1898 als Sohn eines russischen Lebemanns und eines Luxemburger Dienstmädchens in Paris geboren, schlug sich Emmanuel Bove mit verschiedenen Arbeiten durch, bevor er als Journalist und Schriftsteller sein Auskommen fand. Mit seinem Erstling 'Meine Freunde' hatte er einen überwältigenden Erfolg, dem innerhalb von zwei Jahrzehnten 23 Romane und über 30 Erzählungen folgten. Nach seinem Tod 1945 gerieten der Autor und sein gewaltiges ?uvre in Vergessenheit, bis er in den siebziger Jahren in Frankreich und in den achtziger Jahren durch Peter Handke für den deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wurde. Heute gilt Emmanuel Bove als Klassiker der Moderne.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783860345689
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum02.04.2018
Auflage1. Auflage
Seiten152 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1119 Kbytes
Artikel-Nr.3409918
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Kapitel 1

Gegen zwanzig Uhr passierte der Schnellzug, der in Straßburg mittags um zwölf losgefahren war, Château-Thierry, wo Reisende in der Nähe des Güterbahnhofs auf einen Personenzug warteten. Maxime Corton belegte einen der acht Sitzplätze eines Abteils der dritten Klasse.

Zum ersten Mal probierte eine Polin das französische Brot, von dem sie schon 1916 gehört hatte. Durch Vermittlung eines Konsuls, den all seine Bekanntschaften wegen Domestiken aufsuchten, hatte sie einen Platz als Haushälterin in einer Familie erhalten. Sie erkundigte sich bei Maxime, wo sich die Avenue de La Bourdonnais befand. Sie unterschlug dabei die Adresse, versuchte gar, sie zu vergessen, um nicht lügen zu müssen, sollte er danach fragen. Wie alle einfachen Leute fürchtete sie, die Wahrheit zu verschweigen. Es schien ihr, dass, sollte sie aufgedeckt werden, ihre Verwandten oder ihre Vorgesetzten ihr nicht mehr das mindeste Vertrauen entgegenbrächten. Unaufhörlich hatte sie ein Auge auf sich, so wie diese Vorzeigeangestellten, die danach streben, niemals, und sei es auch nur ein einziges Mal, einen Diebstahl zu begehen, wären doch damit, genau wenn man sie erwischte, all ihre Bemühungen, all die Jahre der Aufopferung und der Treue, verloren gewesen. Sie hatte Angst, in flagranti bei einer Lüge ertappt zu werden. Wenn sie etwas verheimlichen wollte, gab sie sich treuherzig. Und so hielten ihre Freundinnen, die besser als irgendjemand sonst in der Position waren, sie zu kennen - schließlich ähnelten sie ihr -, sie für eine Heuchlerin. Als sie erfuhr, dass sich die Avenue de La Bourdonnais unweit des Eiffelturms befand, glaubte sie, dass sie bald mitten in Paris wohnen würde, in der Nähe der bedeutendsten Metrostation, dass die Busse und die Lichter sie am Schlafen hindern würden, und sie konnte vor Vorfreude kaum an sich halten.

In Commercy war nach einer Busfahrt nach Verdun ein Deutscher zugestiegen, der die drei wichtigsten Sprachen sprach, mit denen die ganze Welt bereist werden kann: Deutsch, Englisch, Französisch. Quer über seiner Mutter liegend, schlief ein Kind. Wenn sie sich bewegte oder das Kind zur anderen Seite legte, so schlief es weiter, obwohl sein Kopf hinabhing und seine Beine hin- und herbaumelten. Die Hitze war erdrückend. Die Frauen hatten den Männern erlaubt zu rauchen. Ab und zu erhob sich der Reisende, der den Temperaturreglern am nächsten saß, und justierte sie neu. Dann wartete er ein paar Minuten. Weil er die Regler mehrfach verschoben hatte, wusste er nicht mehr, ob die Heizung an- oder ausgestellt war. Dann taten es seine Nachbarn ihm nach. Sie stürzten sich auf alles, was irgendwie neu eingestellt werden konnte: den Lampenschirm, die Vorhänge, die Fensterscheiben, wobei deren dreilöchrige Gurte nur ein begrenztes Spiel zuließen. Manchmal trat ein Mann mit einem Handtuch über der Schulter - wie ein Soldat, der zur Dusche unterwegs ist - hinaus in den Gang, der vollgepfropft war mit Urlaubern und Reisenden, die in den Anschlussbahnhöfen zugestiegen waren und die mangels Sitzplätzen die Ecken an den Rändern des Faltenbalgs im Auge behielten. Einige von denen, die ein ganzes Abteil in Beschlag genommen hatten, waren mit Pantoffeln beschuht, andere hatten Mützen auf. Pakete, Koffer, mit Fahrradschlössern versehene Weideköfferchen verstopften die Netze oder waren den Beinen unter den Bänken im Weg. Ein für alle Mal hatten die Reisenden entschieden, den Bereich ihres Gepäcks nicht mehr einzeln festzulegen und es zu akzeptieren, wenn etwas durcheinandergeriet. Sie beschwerten sich nicht mehr, wenn man etwas umstellte. Sie hatten lediglich ein Auge darauf, dass keines der Gepäckstücke das Abteil verließ, mochte es einem selbst gar nicht gehören. Oftmals kam es vor, dass Gespräche stockten und die Leute vergaßen, dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersaßen. Sie kannten sich plötzlich nicht mehr. Sie fanden auf einmal zu unerwarteten Selbstbeschäftigungen zurück, verbesserten ihre Sitzposition. Durch ihr Schweigen sollte das Provisorische ihrer Beziehung unterstrichen werden, was bei der Ankunft einen leichten Abschied ermöglichte. Sie fürchteten diese Ankünfte in den Zielbahnhöfen in Begleitung neu gewonnener Freunde, die sich womöglich gar nicht als echte Freunde herausstellen sollten. Doch gab es andererseits auch solche, die sich auf der Stelle sympathisch waren, die, plötzlich einem monotonen Leben entrissen, undeutlich neue Horizonte aufscheinen sahen, womöglich neue berufliche Stellungen, ein finanzielles Vermögen, und das alles dank dieser Unbekannten, die die Reise ihnen an die Seite gesetzt hatte. Fragen zogen keine Antworten nach sich und erbrachten lediglich neue Fragen. »Sie sind wohl nach Paris unterwegs?« - »Sie vermutlich auch?« - »In Geschäftsdingen?« - »Ja und nein.« Und die offen dargelegten Berufe schufen entweder Hoffnungen oder Enttäuschungen. Man achtete darauf, von seinen Problemen nichts offen zu zeigen. Angesichts so vieler gelassen erscheinender Menschen fühlten sich Nichteingeweihte verloren. Sie hörten, ohne daran teilzunehmen, den einsetzenden Gesprächen zu, die sich etwa um den Arbeitsplatz eines Kontrolleurs drehten, den korpulente Männer nicht hätten besetzen können; um bestimmte Frauen, die dreimal pro Woche die Strecke abfuhren mit dem Ziel, auf einen wohlhabenden Mann zu stoßen, was dazu führte, dass andere sagten, es gäbe auch solche, die sich diesbezüglich auf Fahrten über den Atlantik spezialisiert hätten; dann ging es um Ratten im Zug; um das Risiko der Notbremse, die Mördern zugutekäme - denn ist ihre Tat einmal vollbracht, bräuchten sie nur an ihr zu ziehen und darauf zu warten, dass der Zug seine Fahrt verlangsamte, damit sie sich aus dem Staub machen könnten; dann um die Landstreicher, die sich unter den Waggons festkrallten; um die Verantwortung der Weichensteller; um die Anzahl der Kilos, auf die der Reisende ein Recht habe, ohne draufzahlen zu müssen. Vor einer Eisenbahngesellschaft einen Anspruch geltend zu machen wie vor der Armee ließ Leute auf den Plan treten, die sich in dieser Hinsicht in allen Details auskannten. Sie wussten, dass im Falle eines Unfalls, selbst wenn sie persönlich nicht in Mitleidenschaft gezogen worden waren, sie über innere Schmerzen klagen konnten, dass der Zug, wenn er an einer Bahnhofsgaststätte gehalten hatte und ganz ohne sie weitergefahren war, sie in das Büro des Bahnhofsvorstehers telegraphieren und den nachfolgenden Zug besteigen konnten, und dass sie in die zweite Klasse wechseln durften, wenn die Waggons der dritten ausgebucht waren.

Der Zug passierte Noisy-le-Sec. All diese Leute mit ihrem kurzzeitig gleich getakteten Schicksal, so als hätten sie sich auf Straßen mit Landengen befunden, die allesamt meinten, es sei eine gute Wahl gewesen, sich dieses eine Abteil auszusuchen, da sie ansonsten ja nicht die gleichen Nachbarn gehabt hätten, begriffen im selben Moment, dass sie bald ans Ziel gelangen würden. Einige erhoben sich. Andere nahmen ihr Gepäck in Augenschein. Maxime Corton zog seinen Mantel an, den er, um ihn auf das Netz zu legen, wie einen Soldatenmantel zusammengefaltet hatte. Was im Übrigen eine seiner Angewohnheiten war. Auch im Theater oder im Café faltete er seinen Mantel, bevor er ihn an der Garderobe abgab. Er trat nun hinaus in den Gang, von wo aus gerade die interessanteste Seite der Vorstadt sich zeigte. Während des Krieges hatte er diese Reise hundert Mal gemacht, selbst wenn er nur vierundzwanzig Stunden Zeit zur Verfügung gehabt hatte, und bei der Rückfahrt nahm er einen der drei Züge, die hintereinander um 21:45, 21:50 und 21:55 Uhr abfuhren. Ab dem Steuerungsbahnhof von Vaire-Torcy kannte er die Stationen auswendig. Er schaute nach den ersten Bussen auf der Place de la Villette. Die Trambahnen von Villemomble - was für ihn lange Zeit Villemonde hieß - gaben ihm einen Vorgeschmack auf die Bahnverbindungen in der Pariser Region. Gleise und Telegraphendrähte begannen sich zu kreuzen und verloren sich dann in unterschiedlichen Weiten. Die Kräne mit ihrem Neigungswinkel von 45 Grad sahen nicht mehr aus wie einfache Kräne. Sie bewegten sich auf Parallelschienen, rollten in alle Richtungen, und ähnlich jenen perfekt nachgebildeten Händen aus Holz, deren Finger allesamt über gelenkige Glieder verfügen, ähnelten sie weitestgehend der Bewegung eines Riesen. Ein besonderes Regelwerk lag über dem Gebiet um die Pariser Gasometer. Maxime dachte an den immensen Aufwand, den es bedeutete, all diese Eisengerippe zu warten, die Träger und die zahllosen Schrauben zu kontrollieren. Zementpfosten, ähnlich jenen, die ihm in Deutschland aufgefallen waren, festigten in ihm das Gefühl eines Patrioten, der dem Modernismus zugeneigt ist und es ständig bedauern muss, dass Frankreich sich gegenüber anderen Ländern im Rückstand befindet. Er erblickte die Fabrik von Amer Picon. Als Kind hatte er sich die berühmten Produkte nicht vorstellen können, die aus einigen ähnlich kleinen und tristen Fabriken kamen wie jene aus den Randgebieten seiner eigenen Stadt. Für ihn waren sie von einem schönen, heiteren Leben erfüllt, vergleichbar und genauso groß wie auf den Graphiken der Prospekte, wo sie abgebildet waren. Wie an jenem Kriegstag, an dem er in einem Hotel in Bar-le-Duc einem der Amieux-Brüder begegnet war, verspürte er beim Anblick dieser Fabrikgebäude jedes Mal dieselbe Enttäuschung. Der Werbung auf dem Lande, für die ein Gremium stritt, folgte derzeit die für die Pariser Region. Bislang waren es nur Schilder aus Weißblech, die zwar genauso wie Leuchtschilder aussahen, sich aber nur im Schein anderer Lichtquellen aufhellten, so wie die Wandschränke eines Hutmachers am Boulevard Sébastopol. Der Zug verlangsamte seine Fahrt. Auch die Warenlager des Kaufhauses...
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1898 als Sohn eines russischen Lebemanns und eines Luxemburger Dienstmädchens in Paris geboren, schlug sich Emmanuel Bove mit verschiedenen Arbeiten durch, bevor er als Journalist und Schriftsteller sein Auskommen fand. Mit seinem Erstling "Meine Freunde" hatte er einen überwältigenden Erfolg, dem innerhalb von zwei Jahrzehnten 23 Romane und über 30 Erzählungen folgten.
Nach seinem Tod 1945 gerieten der Autor und sein gewaltiges OEuvre in Vergessenheit, bis er in den siebziger Jahren in Frankreich und in den achtziger Jahren durch Peter Handke für den deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wurde. Heute gilt Emmanuel Bove als Klassiker der Moderne.

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