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Die Schneetoten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am07.12.20181. Auflage
Verschollen im Wintercamp.

Amanda Doucette ist mit Jugendlichen unterschiedlicher Nationalität in einem Wintercamp. Bis auf Luc sind alle aus politischen Krisengebieten nach Kanada gekommen. Zuerst verschwindet Luc, kurz darauf Yasmina, ein Mädchen mit irakischen Wurzeln, in den unendlichen weißen Weiten. Amanda macht sich mit ihrem Hund Kaylee und Chris Tymko auf die Suche nach beiden. Schon bald erfährt sie, dass Yasmina zu einer Gruppe radikalisierter Jugendlicher gehört. Was hat sie vor?

'Kluges Plotting und die angebrachte Frage, was junge Leute zu extremistischen Ideologien hinzieht.' Publishers Weekly.


Barbara Fradkin, geboren in Montreal, studierte Psychologie und arbeitete als Kinderpsychologin, bevor sie sich entschloss, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Die dreifache Mutter hat zahlreiche Kurzgeschichten und mehrere Kriminalromane veröffentlicht. Bei Aufbau Taschenbuch sind ihre Kriminalromane 'Tote Spur. Verschollen in den Wäldern Kanadas' (2014) und 'Die Toten in den Klippen' (2016) lieferbar. Mehr Informationen zur Autorin unter www.barbarafradkin.com
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Produkt

KlappentextVerschollen im Wintercamp.

Amanda Doucette ist mit Jugendlichen unterschiedlicher Nationalität in einem Wintercamp. Bis auf Luc sind alle aus politischen Krisengebieten nach Kanada gekommen. Zuerst verschwindet Luc, kurz darauf Yasmina, ein Mädchen mit irakischen Wurzeln, in den unendlichen weißen Weiten. Amanda macht sich mit ihrem Hund Kaylee und Chris Tymko auf die Suche nach beiden. Schon bald erfährt sie, dass Yasmina zu einer Gruppe radikalisierter Jugendlicher gehört. Was hat sie vor?

'Kluges Plotting und die angebrachte Frage, was junge Leute zu extremistischen Ideologien hinzieht.' Publishers Weekly.


Barbara Fradkin, geboren in Montreal, studierte Psychologie und arbeitete als Kinderpsychologin, bevor sie sich entschloss, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Die dreifache Mutter hat zahlreiche Kurzgeschichten und mehrere Kriminalromane veröffentlicht. Bei Aufbau Taschenbuch sind ihre Kriminalromane 'Tote Spur. Verschollen in den Wäldern Kanadas' (2014) und 'Die Toten in den Klippen' (2016) lieferbar. Mehr Informationen zur Autorin unter www.barbarafradkin.com
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841215178
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum07.12.2018
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.2
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3411010
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1. Kapitel

Die Fremde, die gegen die Tür hämmerte, hatte weder eine Entschuldigung parat, noch nannte sie ihren Namen. Sie stand in der Türöffnung und trotzte der Kälte, während ihr Atem weiße Wirbel in die eisige Luft malte.

»Amanda Doucette?«, fragte sie.

Ihr Tonfall ließ Amanda argwöhnisch zurücktreten. Die Frau trug einen zerschlissenen marineblauen Parka und einen roten glockenförmigen Hut mit passenden Fausthandschuhen und wirkte ziemlich harmlos, doch in ihrer Stimme schwang Verzweiflung mit. Durch ihre jahrelange Arbeit in internationalen Hilfsorganisationen wusste Amanda, dass verzweifelte Menschen gefährlich werden können. Sie war allein und selbst in dem ruhigen, abgelegenen Wochenendhäuschen in den ausgedehnten Wäldern der Provinz Québec nicht sicher.

»Sind Sie Amanda Doucette?«, wiederholte die Frau, diesmal sogar noch schärfer. Der Tonfall der Québecer war jetzt deutlicher zu erkennen.

Amanda warf einen Blick auf den kleinen Honda, der in der verschneiten Einfahrt parkte. Der Wagen war einmal weiß gewesen, wirkte jedoch unter mehreren Schichten aus Salz und Rost wie marmoriert. Ein Scheinwerfer war zerbrochen, ein Kotflügel verbeult. Genau wie bei seiner Besitzerin hatte die Zeit auch bei dem Fahrzeug ihre Spuren hinterlassen. Amanda ließ sich erweichen.

»Ja«, antwortete sie. »Kann ich Ihnen helfen?« Sie packte das Halsband von Kaylee, ihrer Hündin, die angerannt kam, um den Besuch zu begrüßen. Sie hätte die Frau hereinbitten sollen, doch auch nach anderthalb Jahren war Vertrauen für sie immer noch ein unzuverlässiger Verbündeter, der sie beim ersten Anzeichen von Gefahr im Stich ließ. Das Häuschen war ihr ganz persönlicher Zufluchtsort, ihr verstecktes, der Öffentlichkeit nicht bekanntes Refugium, in dem sie nicht von sensationshungrigen Neugierigen behelligt wurde. Kaum jemand wusste, wo es lag.

»Ich möchte, dass Sie meinen Sohn auf Ihren Ausflug mitnehmen.«

Wieder spürte Amanda diese Beklemmung, den Druck, den sie nicht vorhergesehen hatte, als Matthew Goderich sie im vergangenen September überredete, zu wohltätigen Zwecken ihr Reiseprogramm Familien-Spaß aus der Taufe zu heben. Die Idee hatte sie begeistert: Abenteuerfahrten für benachteiligte Jugendliche, die sie wenigstens für kurze Zeit den täglichen Kampf des Lebens vergessen ließen. Und Matthew, der unübertreffliche Organisator, hatte ihr versprochen: »Du planst den Spaß, ich suche die Familien.« Aber die Nachfrage nach den Erlebnisreisen war überwältigend gewesen und die Auswahl der Teilnehmer qualvoll. So viele bedürftige Kinder, so wenig verfügbare Plätze.

»Steht er auf der Liste?«, fragte sie, wohl wissend, dass sie sich anhörte wie jeder andere Bürokrat.

»Er sollte draufstehen, aber am College befand man, dass er wegen seiner Vergangenheit ungeeignet sei. Darf ein Achtzehnjähriger denn keine Fehler machen?« Sie umklammerte Amandas Arm. »Er ist ein guter Junge. Aber er braucht Zuspruch, um seinen Weg zu finden. Bitte.«

Amanda wickelte ihre ausgebeulte Fleecejacke enger um sich, denn ein kalter Wind wehte durch die offene Tür. Sie hatte zwei Möglichkeiten: Entweder sie wies die Frau unter einem bürokratischen Vorwand ab, was sie grundsätzlich verabscheute - Ich mache die Listen nicht -, oder sie bat sie herein, um sich ihre Version der Geschichte anzuhören. Als Mitarbeiterin internationaler Hilfsorganisationen hatte Amanda zu viele Jahre gegen die Willkür von Bürokraten gekämpft, um sich jetzt genauso zu verhalten.

Ein dankbares Lächeln erhellte das Gesicht der Frau, als Amanda sie hereinbat. Während sie die Stiefel auszog, entschuldigte sie sich für den Schnee auf dem Parkett aus Kiefernholz. »Merci mille fois«, sagte sie. »Schon allein dafür, dass Sie mich anhören und meinen Sohn nicht wie einen faulen Apfel aussortieren.«

»Wie heißt er denn?«

Die Frau sah auf, und ihre blonden Locken fielen ihr über die Augen. Das Blond war künstlich, wie der graue Haaransatz verriet, aber beim Stylen hatte sie sich alle Mühe gegeben. »Entschuldigen Sie. Mein Name ist Ghyslaine Prevost, und er heißt Luc Prevost. Genau genommen Luc Prevost-MacLean, aber er verzichtet auf MacLean. Seit sein Vater uns verlassen hat. Und ich bestehe nicht darauf.«

Amanda kannte die Liste der zwölf Jugendlichen, die für ihr Extrem-Abenteuer in den Laurentinischen Bergen angemeldet waren, und der Name des Jungen stand weder darauf noch auf dem längeren Verzeichnis der dreißig Anwärter, die Matthew Goderich von dem Jugendberater erhalten hatte, der bei ihrem Projekt mitarbeitete.

Amanda hatte sich seit über zehn Jahren mit Leidenschaft als Entwicklungshelferin engagiert und niemals vorgehabt, das aufzugeben, doch das mörderische Wüten von Boko Haram in dem nigerianischen Dorf, in dem sie arbeitete, hatte alles verändert. Fast zweihundert Schulkinder waren entführt oder getötet worden, ihre Eltern abgeschlachtet und ihr Dorf niedergebrannt. Zwei Jahre später waren die Erinnerungen an jene Nacht und an ihre eigene grauenvolle Flucht noch so lebhaft, dass sie bezweifelte, jemals wieder in einem Entwicklungsland arbeiten zu können.

Als sie im letzten Herbst nach einer neuen Perspektive gesucht und Familien-Spaß konzipiert hatte, schienen die Prämissen klar: eine Fundraising-Tour für gemeinnützige Abenteuerreisen in die berühmtesten Gegenden Kanadas. Die Erlebnisreisen sollten Lebensfreude und Zugehörigkeitsgefühl stärken, aber vor allem die Hoffnung auf eine Zukunft, sowohl für sie selbst als auch für die teilnehmenden Familien und Jugendlichen.

Die Logistik für die Projekte erwies sich jedoch als wesentlich komplizierter als erwartet. Die Auswahl der Reiseziele und Aktivitäten vor Ort war einfach gewesen - für den bevorstehenden Ausflug waren sechs Tage geplant, mit Schneeschuhwanderungen, Skilanglauf und Winter-Camping in der Nähe des weltberühmten Mont-Tremblant-Nationalparks nördlich von Montreal -, die Auswahl der Teilnehmer dagegen ganz und gar nicht. Seit sie mit ihrer Spendenaktion Aufmerksamkeit erregt hatte, zum Teil auch durch Matthews außergewöhnliches Talent, in den sozialen Medien für Furore zu sorgen, war sie von Vorschlägen für hilfsbedürftige Gruppen überflutet worden und von zahllosen Bitten von Eltern, ihre Kinder mitzunehmen.

Es war Matthews Idee gewesen, sie vor dem Ansturm - und dem daraus resultierenden Ärger - zu schützen, indem er diese Aufgabe übernahm. Er behauptete zwar, auf diese Weise könne sie den Gruppen unbelastet gegenübertreten, doch sie vermutete, dass er auch ihre Gemütsverfassung berücksichtigte. Matthew kannte sie besser als jeder andere; seit er als Auslands-Korrespondent arbeitete, hatten sich ihre Wege häufig gekreuzt - in den abgelegenen Krisenherden dieser Welt. Er hatte in Westafrika über Boko Haram berichtet und sie unmittelbar nach dem Massaker getroffen, erneut nach den grauenvollen Torturen, die sie letzten Herbst in der Wildnis von Neufundland durchlitten hatte. Er kannte ihre Stressfaktoren, vielleicht sogar besser als sie selbst.

Nachdem Amanda Ghyslaine ins Wohnzimmer geführt hatte, setzte sich die Frau auf die Kante des Sofas nahe der Tür wie ein Vogel, der jederzeit zur Flucht bereit war. Kaylee reagierte instinktiv auf ihre Anspannung, sprang auf die Couch und schmiegte sich an sie. Amanda wollte ihre Hündin gerade rufen, als ihre Besucherin die Finger in ihrem seidigen roten Fell vergrub und lächelte, als hätte Kaylees Zauber bereits gewirkt.

»Was für ein hübscher kleiner Golden Retriever«, sagte sie. »Wie heißt sie denn?«

»Kaylee«, antwortete Amanda und erwärmte sich sofort für ihren Gast. Bei der Erwähnung ihres Namens horchte die Hündin auf. »Das bedeutet Fest. Sie ist eigentlich ein Nova Scotia Duck Tolling Retriever. Manche nennen sie auch kleine Goldene mit Charakter.«

Die Frau sah sich in dem Häuschen um, das Amandas Tante spartanisch mit Möbeln aus privaten Wohnungsauflösungen und von Flohmärkten eingerichtet hatte. Tante Jean besaß genügend Menschenverstand, um den Winter in Florida zu verbringen, so dass Amanda ihre Hütte und den Wagen benutzen konnte. Sie hatte keine großen ästhetischen Ansprüche, sondern legte lediglich Wert auf Bequemlichkeit, was Amanda durchaus entgegenkam. In dieses einfache, abgeschiedene Refugium flüchtete sie sich, um sich von Nigeria und Neufundland zu erholen. Ihre einzigen Zugeständnisse an die Moderne waren Telefon und Laptop, der geöffnet auf dem Schreibtisch am vorderen Fenster stand. Von hier aus konnte sie die Straße überblicken und immer sehen, wer kam. Eine kleine Maßnahme zur eigenen Beruhigung.

Amandas Besucherin schien das Fehlen jeglichen Überflusses zu bemerken, denn sie senkte den Kopf. »Entschuldigen Sie die Störung. Ich weiß, dass Sie mit den Reisevorbereitungen beschäftigt sind, aber Herr Zidane ruft mich einfach nicht zurück. Er behauptet, die Entscheidung sei getroffen. Eine Vorstrafe wegen Gewalttätigkeit, sagt er. Aber das war nicht Luc, das waren die Drogen. Ja, Luc war wütend und verwirrt, aber dass er so verzweifelt reagierte, lag an den Drogen.«

Drogen und Gewalt, dachte Amanda bestürzt. »War er im Gefängnis?«

Vielleicht ahnte die Frau, dass eine Tür ins Schloss zu fallen drohte, denn ihr Blick wurde hart. »Ja, aber â¦«

»Wie oft?«

»Ein einziges Mal â¦«

»Wie viele Verurteilungen?«

»Warum achten Leute wie Sie eigentlich immer nur auf das Negative? Warum hat Luc denn überhaupt zu...
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Autor

Barbara Fradkin, geboren in Montreal, studierte Psychologie und arbeitete als Kinderpsychologin, bevor sie sich entschloss, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Die dreifache Mutter hat zahlreiche Kurzgeschichten und mehrere Kriminalromane veröffentlicht.
Bei Aufbau Taschenbuch sind ihre Kriminalromane "Tote Spur. Verschollen in den Wäldern Kanadas" (2014) und "Die Toten in den Klippen" (2016) lieferbar.
Mehr Informationen zur Autorin unter www.barbarafradkin.com