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Sieben Jahre Nacht

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am06.11.20151. Auflage
Der Vater, ehemals erfolgreicher Catcher des Baseballteams »Hansin Fighters«, ist ein Kind im Körper eines Riesen. Im richtigen Leben gelingt ihm nichts mehr, er steht unter der Knute seiner Frau, arbeitet für eine Sicherheitsfirma und trinkt sich ins Elend. Nur seinen Sohn liebt er abgöttisch. So sieht seine Beförderung zum Sicherheitschef eines abgelegenen Staudamms zunächst wie eine letzte Chance aus. Doch schon bevor die kleine Familie umzieht, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Unaufhaltsam wie eine griechische Tragödie entrollt sich das Unheil, das aus dem Vater das »Stauseemonster« und aus seinem Sohn einen Getriebenen macht.

Jeong Yu-jeong (geboren 1966) wird »Koreas Stephen King« genannt. Ihre psychologisch ausgefeilten Kriminalromane stehen regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Sie arbeitete als Krankenschwester und als Sachverständige der staatlichen Gesundheitsversicherung, bevor sie zu schreiben begann. Als Autorin trat sie an die Öffentlichkeit mit ihrem ersten Roman My Life's Spring Camp. Für ihre Werke erhielt sie 2007 den Segye Youth Literary Award und 2009 den renommierten Segye Ilbo Literary Award.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextDer Vater, ehemals erfolgreicher Catcher des Baseballteams »Hansin Fighters«, ist ein Kind im Körper eines Riesen. Im richtigen Leben gelingt ihm nichts mehr, er steht unter der Knute seiner Frau, arbeitet für eine Sicherheitsfirma und trinkt sich ins Elend. Nur seinen Sohn liebt er abgöttisch. So sieht seine Beförderung zum Sicherheitschef eines abgelegenen Staudamms zunächst wie eine letzte Chance aus. Doch schon bevor die kleine Familie umzieht, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Unaufhaltsam wie eine griechische Tragödie entrollt sich das Unheil, das aus dem Vater das »Stauseemonster« und aus seinem Sohn einen Getriebenen macht.

Jeong Yu-jeong (geboren 1966) wird »Koreas Stephen King« genannt. Ihre psychologisch ausgefeilten Kriminalromane stehen regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Sie arbeitete als Krankenschwester und als Sachverständige der staatlichen Gesundheitsversicherung, bevor sie zu schreiben begann. Als Autorin trat sie an die Öffentlichkeit mit ihrem ersten Roman My Life's Spring Camp. Für ihre Werke erhielt sie 2007 den Segye Youth Literary Award und 2009 den renommierten Segye Ilbo Literary Award.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293309050
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3083 Kbytes
Artikel-Nr.3421117
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




1


Ein schwarzer Van hält quietschend vor der Apotheke. Der Fahrer mit einer Ray-Ban-Sonnenbrille steigt aus und kommt herein, während ich mir endlich eine Instant-Nudelsuppe als verspätetes Mittagessen gönnen will. Es ist bereits drei Uhr, ich bin gerade mit dem Putzen des Ladens fertig und habe Hunger. Trotzdem bleibt mir nichts anderes übrig, als aufzustehen.

»Hey, du! Kann ich dich was fragen?«, sagt der Kerl und nimmt die Brille ab. Sein Blick bleibt an meinen schülerhaft kurz geschnittenen Haaren hängen, so, als ob er sich vergewissern wollte: Dich kann man doch noch duzen, oder?

Ich lege die Stäbchen zur Seite. Frag, aber mach schnell.

»Welche Straße führt zum Leuchtturmdorf? Auf den Schildern steht davon nichts.« Der Kerl deutet mit seiner Ray-Ban-Brille auf die Kreuzung neben der Apotheke. Zuerst mustere ich sein Auto: groß, grob und kraftstrotzend. Ist das ein Chevy Van? »Hey, du! Kennst du das Leuchtturmdorf nicht, oder wie?«

Was mich betrifft, so bin ich ein Angestellter der Apotheke, kein Schüler. So etwas wie ein Chevrolet macht auf mich keinen Eindruck. Und auch seine herablassende Art lässt mich vollkommen kalt. Nur aus Neugierde und weil der Chef gerade nicht da ist, erlaube ich mir, eine Frage zu stellen: »Haben Sie denn kein Navi?«

»Ich frage dich doch, weil meins es nicht findet!« Sicher ist es dem Kerl nicht leichtgefallen, bei seiner Antwort den Zusatz du Depp wegzulassen. Auch ich verkneife mir dieses Wort und frage schlicht zurück: »Warum suchen Sie denn in einer Apotheke etwas, das selbst Ihr Navi nicht findet?«

Kurz darauf braust der Chevy über die Kreuzung, verschwindet und ich esse in Ruhe meine Nudelsuppe weiter. Als die Schale leer ist, fällt mir der Ortsname für das Leuchtturmdorf ein, welchen auch das Navi finden dürfte: Sinsung-ri. Übrigens, der Typ hätte an der Kreuzung nach links abbiegen müssen. Ich weiß das, denn: Ich gehöre zu den Einwohnern dieses Dorfes.

Das Leuchtturmdorf ist auf keiner Landkarte verzeichnet. Vermutlich ist seine Bedeutung für die Macher von Landkarten so gering, dass es einfach nicht der Erwähnung wert ist. Der Erklärung des Onkels zufolge ist es ein Stück Land im hintersten Winkel der Halbinsel Hwawon. Mein Boss, der Apotheker der Alpha-Apotheke, nennt es dagegen nur das gottlose Kaff, wo es nicht einmal eine Bushaltestelle gibt. Der Chef des Jugendclubs des Leuchtturmdorfs beschreibt es als den hintersten Zipfel der Welt, von dem man, nur um einen Nagel kaufen zu können, laufen muss, bis einem die Zunge aus dem Mund hängt. Das alles mag schon wahr sein, denn man kann das Dorf an der Felsklippe erst sehen, wenn man den menschenleeren, etwa zwölf Kilometer langen Weg am Meer entlanggegangen ist. Der Leuchtturm steht direkt an der Klippe, die wie ein Vogelschnabel zum Meer zeigt. Viele große und kleine Felseninseln ragen vor der Küste aus dem Meer, und ein hohes, lang gestrecktes Bergmassiv umrahmt das Dorf auf der Landseite.

Irgendwann hatte ich mit Onkel Sunghwan dieses Massiv bestiegen. Von dort aus hat man freie Sicht auf das Hinterland, das weitläufig wie das Meer ist und sich ohne einen einzigen Baum wie eine öde Brachfläche ausbreitet. Der Staat hatte das Land mit der Absicht gekauft, hier einen Touristenkomplex zu errichten, aber er lässt es seither ungenutzt liegen. Ursprünglich soll es einmal ein Hirsefeld gewesen sein, an dessen Ende sich ein kleines Dorf befand. Die Kinder dieses mittlerweile verschwundenen Dorfes nannten Sinsung-ri das Leuchtturmdorf.

Und auch dieses ist im Begriff, langsam, aber sicher zu verschwinden. Denn zusammen mit dem Onkel und mir gibt es hier nur zwölf Einwohner, die vom Anbau von Süßkartoffeln leben. Das Durchschnittsalter liegt bei 69 Jahren. Daher werden wir auch die Kleinen genannt. Eigentlich sind wir nur Phantomeinwohner. Es gibt zwar das Meer direkt vor der Haustür, aber keinen, der noch die Fischerei beherrscht. Wenn die Bewohner ihre Suppe aufmotzen oder ihren Schnapskonsum abfedern wollen, lassen sie sich manchmal von uns etwas aus dem Meer ziehen. Die letzte Geburt im Leuchtturmdorf wurde vor 61 Jahren in der Gemeindechronik verzeichnet. Dieser Zuwachs von damals ist heute sowohl der Chef des besagten Jugendclubs als auch der Besitzer des einzigen Motorboots. Außerdem ist er der Vermieter der Leuchtturm-Ferienwohnungen, in denen Onkel Sunghwan und ich zur Miete wohnen. Die meisten Gäste finden durch Hörensagen zu diesen Ferienwohnungen und sind Sporttaucher. Das Unterwasserkliff um die Steininsel vor dem Dorf lockt sie zu diesem abgeschiedenen Ort. Auch den Onkel und mich hat es hierhergeführt. Und wir sind geblieben. Ich fürchte, auch der Chevy-Fahrer von eben jagt dem Ruf der Steininsel hinterher.

Gegen neunzehn Uhr kommt der Chef zurück und zählt die Einnahmen. Das ist das Zeichen, dass Feierabend ist. Ich stopfe heimlich Arzneipflaster sowie ein altchinesisches Kräftigungsmittel in meine Tasche. Auf allfällige Einwände, was für eine Schäbigkeit ich gerade heute zu Heiligabend begehe, möchte ich gern Folgendes erklären: Mit seinen neununddreißig Jahren hat der Onkel schon Geheimratsecken. Seine Augenbrauen zieren eine beträchtliche Zahl weißer Haare. Auch seine Leistungen bei unseren Wettkämpfen sind kaum mehr erwähnenswert. Dabei handelt es sich um eine bequeme Art des Triathlons. Zunächst fahren wir mit dem Boot unseres Vermieters zum westlichsten Punkt der Steininsel, der Arena unseres Wettkampfs. Nachdem wir es festgemacht haben, umrunden wir die Insel mit Brustschwimmen. Als zweite Disziplin tauchen wir die Steilwand hinab, um unsere Drahtkörbe mit allerlei Muscheln, Krebsen und Seegurken zu füllen. Zum Schluss erfolgt ein Basketballspiel. Mann gegen Mann. Wer zuerst fünf Mal den Ball im Korb versenkt, den wir an einem Baum der Insel befestigt haben, gewinnt.

Der Onkel hat dabei in letzter Zeit neun von zehn Wettkämpfen verloren. Als er sich letzte Woche an einem hohen Wurf versuchte, verrenkte er sich den Nacken. Nun behauptet er immer, dass ihm irgendein Fiesling den Kopf heruntergedrückt hätte.

»Ich geh heim. Schönen Feierabend!«, rufe ich von der Tür zurück in den Laden und steige auf mein Fahrrad. Gleich nach der Kreuzung trete ich kräftig in die Pedale und fahre, so schnell es geht, den Weg am Meer entlang. Der Mond ist nicht zu sehen, aber dunkel ist es auch nicht. Die Nacht ist sternenklar und das Meer vom Funkeln der Sterne traumgleich mit Lichtern übersät, die Wellen schlagen gegen die Steilküste, durch die Dunkelheit gleiten lautlos silberne Vögel, und Nebel steht zwischen den grauschattierten Felseninseln. Nur eine liebliche Brise Seeluft würde das idyllische Bild vervollkommnen, doch in Wirklichkeit schneidet mir scharfer Wind ins Gesicht. Zu Hause angekommen fühlt es sich an, als wäre mir die Haut von den Knochen geschabt.

An der Mauer des Ferienhauses steht der lila Kleinbus des Onkels neben einem schwarzen Chevrolet. Ich stelle mein Fahrrad dazwischen und höre die Stimme des Onkels über die Mauer, als würde er aus einem Schulbuch vorlesen: »Die Meeresströmung um die Steininsel ist stark und nur schwer zu berechnen. Außerdem gibt es in dieser Gegend immer wieder Vertikalströmungen, und der Meeresgrund gleicht einem Labyrinth. Darüber hinaus ist jetzt Springflut, es ist mitten in der Nacht, und ihr habt Alkohol getrunken ...« Diesen Ton hat der Onkel immer, wenn er glaubt, etwas sagen zu müssen.

»Jetzt mal halblang!«, unterbricht jemand. »Wer sind Sie eigentlich? Sie stehen hier im Unterhemd und markieren den Oberlehrer?« Der Onkel beendet seinen Vortrag mit dem Satz: »Meines Erachtens sollte ein Betrunkener niemals ins Meer, sondern ins Bett gehen.«

Ich trete durch die Hoftür und sehe zwei Grüppchen, die sich im Vorhof gegeneinander in Stellung gebracht haben: die mit Tauchausrüstung voll ausgestattete Chevy-Truppe gegen den Onkel in Unterhemd und Pantoffeln zusammen mit unserem Vermieter, dem Jugendclubchef. Vier gegen zwei. Ich vermute, dass der Onkel aus dem Schlaf geholt wurde, da seine ohnehin tief liegenden Augen nur halb offen sind. Hinter ihm steht in gekrümmter Haltung unser Vermieter, der ihn wohl geweckt hat.

»So wie ich das sehe, sollte besser der, der hier im Unterhemd friert, schnellstens wieder ins Bett. Und das wären ja wohl Sie!« Der Herausforderer aus dem gegnerischen Team, der gerade gegen den Onkel antritt, ist der Ray-Ban-Typ von heute Nachmittag. »Hast du nachts überhaupt schon einmal Strömungstauchen gemacht?«, fragt ihn der Onkel.

Mr. Ray-Ban bricht in lautes Lachen aus. Wie Fußballwunder Ronaldo, wenn er gefragt würde, ob er einen Ball mit dem Kopf annehmen könne. Die anderen drei Mitglieder der Chevy-Truppe stimmen in das Gelächter ein. Der Onkel blickt mit verschränkten Armen auf den Boden und murmelt halblaut: »Ein leichtsinniger Anführer ist die häufigste Ursache von Unfällen.«

»Und wer seine Nase überall hineinsteckt, bekommt leicht Nasenbluten«, antwortet Ray-Ban und reibt sich mit dem Daumen an der Nasenspitze. Seine Begleiter brechen erneut in Gelächter aus. Einer davon muss sich sogar vor Lachen setzen. Sie haben keinen Alkohol getrunken, so vermute ich, sondern andere Drogen genommen. Der Onkel kaut nervös auf seiner Unterlippe und starrt dabei Ray-Ban an. Vermutlich rechnet er jetzt still zusammen, was wohl passiert, wenn er ihm eins überbraten würde. Nach meiner Einschätzung liegt das Kräfteverhältnis bei vier zu zwei....



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Autor

Jeong Yu-jeong (geboren 1966) wird »Koreas Stephen King« genannt. Ihre psychologisch ausgefeilten Kriminalromane stehen regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Sie arbeitete als Krankenschwester und als Sachverständige der staatlichen Gesundheitsversicherung, bevor sie zu schreiben begann. Als Autorin trat sie an die Öffentlichkeit mit ihrem ersten Roman My Life's Spring Camp. Für ihre Werke erhielt sie 2007 den Segye Youth Literary Award und 2009 den renommierten Segye Ilbo Literary Award.
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Yu-jeong, Jeong
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Flügel, Kyong-Hae
Übersetzung

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt