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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
206 Seiten
Deutsch
Europa Verlagerschienen am31.03.20221. Auflage
Ein Mann betrachtet einen alten Boxsack, der in seinem Garten an einem Zweig des Kakibaums hängt. Dieses Überbleibsel aus seiner Jugend ist der Ausgangspunkt für die Geschichte seines Lebens, von der High School bis ins Erwachsenenalter. Als Teenager wurde er von seinem Ethiklehrer zu Unrecht bestraft, weil er die herumwirbelnden Blätter vor dem Klassenzimmerfenster beobachtet hatte. Im Boxen findet der wütende junge Mann ein Ventil und einen Weg, sich der Welt zu stellen. Jab, das ist eine abrupt geschlagene Gerade - hier ist es die Titelgeschichte von Un-su Kims erster Kurzgeschichtensammlung. Darin begegnet man faszinierenden Menschen, die auf ihre Art Helden sind, ob nur für einen Tan oder ihr ganzes Leben lang. Un-su Kims Geschichten zeigen die Auswirkungen der Zeit auf Menschen und auf Dinge. Frei von direkter Gesellschaftskritik und unterschwelligen Botschaften schildern sie, wie die Protagonisten ihr Schicksal meistern - oder daran scheitern.

Un-su Kim, geboren 1972 in Busan, Korea, begann seine Karriere als Schriftsteller im Jahr 2002. Er hat in seiner Heimat mehrere Literaturpreise gewonnen, darunter den Yi Sang Literature Award und den renommierten Mumhakdongne Preis. Mit seinem ersten Thriller 'Die Plotter' ist ihm auf Anhieb ein Bestseller gelungen, der weltweit für Furore sorgte und in über 20 Ländern veröffentlicht wurde. Un-Su Kim besticht durch seinen einzigartigen Stil und seine bemerkenswerte Beobachtungsgabe. Die internationale Krimiszene feiert ihn seit Jahren als »koreanischen Henning Mankell«.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextEin Mann betrachtet einen alten Boxsack, der in seinem Garten an einem Zweig des Kakibaums hängt. Dieses Überbleibsel aus seiner Jugend ist der Ausgangspunkt für die Geschichte seines Lebens, von der High School bis ins Erwachsenenalter. Als Teenager wurde er von seinem Ethiklehrer zu Unrecht bestraft, weil er die herumwirbelnden Blätter vor dem Klassenzimmerfenster beobachtet hatte. Im Boxen findet der wütende junge Mann ein Ventil und einen Weg, sich der Welt zu stellen. Jab, das ist eine abrupt geschlagene Gerade - hier ist es die Titelgeschichte von Un-su Kims erster Kurzgeschichtensammlung. Darin begegnet man faszinierenden Menschen, die auf ihre Art Helden sind, ob nur für einen Tan oder ihr ganzes Leben lang. Un-su Kims Geschichten zeigen die Auswirkungen der Zeit auf Menschen und auf Dinge. Frei von direkter Gesellschaftskritik und unterschwelligen Botschaften schildern sie, wie die Protagonisten ihr Schicksal meistern - oder daran scheitern.

Un-su Kim, geboren 1972 in Busan, Korea, begann seine Karriere als Schriftsteller im Jahr 2002. Er hat in seiner Heimat mehrere Literaturpreise gewonnen, darunter den Yi Sang Literature Award und den renommierten Mumhakdongne Preis. Mit seinem ersten Thriller 'Die Plotter' ist ihm auf Anhieb ein Bestseller gelungen, der weltweit für Furore sorgte und in über 20 Ländern veröffentlicht wurde. Un-Su Kim besticht durch seinen einzigartigen Stil und seine bemerkenswerte Beobachtungsgabe. Die internationale Krimiszene feiert ihn seit Jahren als »koreanischen Henning Mankell«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783958904620
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum31.03.2022
Auflage1. Auflage
Seiten206 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1259 Kbytes
Artikel-Nr.9094856
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

JAB

Ich habe einen alten Boxsack. Er ist etwa 1,20 Meter groß und eigentlich an der Zimmerdecke zu befestigen. Als ich ihn kaufte, gab es solche hochwertigen Modelle aus echtem Büffelleder nur in Boxstudios. Bis heute hängt er vor unserem Haus am Kakibaum und ist seit Jahren der Witterung ausgeliefert. Nun sieht er aus, als würde er bei der kleinsten Berührung seine Füllung aus Sägespänen und Sand ausspucken. Seit dem Schulabschluss habe ich aber kein einziges Mal auf ihn eingeschlagen. Warum eigentlich nicht? Im Vorbeigehen hätte ich ihn wenigstens spaßeshalber einmal anstoßen können.

Bei meiner heutigen dürren Gestalt würde es mir niemand glauben, aber ich habe früher geboxt. Vom zweiten Halbjahr der zehnten Klasse bis zum Ende der zwölften. Ich war zwar kein Profi, aber man konnte es auch nicht nur als einfaches Hobby oder Konditionstraining abtun. Édouard Manet soll über Fünfzehnjährige gesagt haben, es ist das Alter, in dem man »die Welt mit Dynamit in die Luft jagen möchte«. Genauso fühlte ich mich damals. Ich war ständig aggressiv, aber die Gründe für meine Wut waren meistens so absurd, dass ich sie selbst nicht verstehen konnte.

Nichts an der Schule gefiel mir, am wenigsten die Bronzestatue vor dem Schultor, auf deren Marmorsockel in großen Buchstaben die Aufschrift »Jungs, seid ambitioniert!« stand. Wäre mir damals zufällig so etwas wie Dynamit in die Hände gefallen, hätte ich sie sofort gesprengt. Mit ihren 2,40 Metern Höhe überragte sie jeden gewöhnlichen Menschen. Ihr Gesicht sollte angeblich dem des Schulgründers nahekommen, der alles hier allein aufgebaut hatte. Die entschiedene Haltung glich jedoch der von Generalfeldmarschall Erwin Rommel, wie er aus seinem Panzerturm mit ausgestrecktem Arm den letzten Sturmangriff befohlen hatte. Die Gesichtszüge waren allerdings zu faltig und ähnelten daher eher einer Grimasse. Mutmaßlich lag es am Anspruch des Künstlers, das Gesicht des Gründers möglichst realistisch zu gestalten, oder vielleicht war beim Gießen der Bronze ein Fehler passiert. Jedenfalls war der Ausdruck weit davon entfernt, irgendeine Art von Ambition zu wecken. Vielmehr schien sich die Statue verärgert zu fragen: »Warum muss ich hier vor einer Schule diesen Dummköpfen Ehrgeiz eintrichtern, statt in einer Rodin-Gallery zu glänzen?«

Es wäre tatsächlich für alle - einschließlich der Statue - viel besser gewesen, wenn sie an einem solchen Ort gestanden hätte.

Jedes Mal, wenn ich an ihr vorbeiging, schüchterte sie mich ein. Es gab die unsinnige Schulregel, dass man morgens an der Statue stehen bleiben und für ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen über seine Ambitionen nachdenken sollte. Daneben wachte ein Lehrer mit einem Rohrstock. Die Jungen schlossen ihre Augen wie alte Elefanten kurz vorm Sterben und taten so, als ob ihr Herz vor verstecktem Eifer brennen würde. Es spielte keine Rolle, ob es realistisch war oder nicht. Rückblickend muss es ein seltsamer Anblick gewesen sein, wie 2000 Schüler jeden Morgen vor dem Rohrstock des Lehrers für drei Sekunden die Augen schlossen.

Unglücklicherweise hatte ich zu jener Zeit keinerlei Ambitionen. Deshalb fragte ich mich jedes Mal, wenn ich vor der Statue meine Augen geschlossen halten musste, ob in meinem Leben irgendwas falsch gelaufen war. Die anderen Jungen hatten den Ehrgeiz, Arzt oder Rechtsanwalt zu werden oder an einer bestimmten Universität zu studieren. Mir jedoch war völlig unklar, wie so etwas wie Arzt oder Anwalt überhaupt Ziel eines Jungen sein konnte.

Ein einziges Mal stellte ich einem Klassenkameraden die Frage: »Und, was für Ambitionen hast du?« Er war sonst ein stiller Typ, man fragte sich, ob er vergessen hatte, wie man spricht. Noch dazu war er Einzelgänger. Also nahm ich an, dass wir in der gleichen Situation waren. Aber er antwortete entschlossen, ohne nur eine Sekunde zu zögern: »Ich will Arzt werden!« Dabei machte er ein Gesicht, als wäre es für einen Jungen absolut selbstverständlich, so einen Ehrgeiz zu entwickeln. Als er meinen verwirrten Ausdruck sah, dachte er wohl, dass ich ihn nicht verstanden hatte. Also fügte er hinzu: »Ein Arzt eben, der Patienten heilt. Kennst du keine Ärzte?«

Ich aber fragte zurück: »Arzt ist doch ein Beruf. Eine Ambition und ein Beruf sind doch zwei unterschiedliche Sachen, oder?«

Er legte seinen Kopf etwas zur Seite, als hätte ich etwas Seltsames gesagt, und murrte dann: »Das ist doch dasselbe. Wo ist das Problem? Auf jeden Fall ist es besser, Arzt zu werden als Straßenkehrer, oder?«

In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass er recht haben könnte. Aber er hatte ja nicht einmal gesagt, was er als Arzt erreichen wollte. Ich konnte wirklich nicht nachvollziehen, warum Arzt »auf jeden Fall« besser sein sollte als Straßenkehrer.

Es geschah an einem Samstag im September. Während des Unterrichts blickte ich aus dem Fenster über den Schulhof, auf dem der Wind die herbstlichen Ginkgoblätter in einem wunderschönen Wirbel gen Himmel fliegen ließ. Sie drehten und drehten sich in einer Spirale immer weiter nach oben, noch viel höher als der Fahnenmast mit der Nationalflagge. Es war ein atemberaubender Anblick, der an sich schnell drehende Kreisel und an die Eiskristalle im Saturnring erinnerte. Bis dahin hatte ich noch nie die Gestalt des Windes gesehen. Für mich war der Wind körperlos, so wie Saueroder Stickstoff, vielleicht auch Liebe oder Zorn. Doch an diesem Tag zeigte sich der Wind vor meinen Augen wie mit Muskeln und Sehnen. Und er war wunderschön. Mir entfuhr ein bewunderndes »Oh!«.

In dem Moment unterbrach der Ethik-Lehrer an der Tafel seinen Text und drehte sich um. Man nannte ihn »Silicagel« wegen seines skelettartig abgemagerten Gesichts und der trockenen Haut. »Wer hat gerade dieses Geräusch gemacht?« Silicagel warf den Schülern seinen typischen ungeduldigen Blick zu. Schließlich hob ich meine Hand, und er zitierte mich mit einer kleinen Fingerbewegung zum Lehrerpult. »Was hast du gerade gemacht?« Seine Stimme war kalt und trocken. Ich nahm an, dass so ein wundervoller, schöner Anblick im Leben eines Jungen nicht so oft passierte und dass der Lehrer mich verstehen würde. Also antwortete ich ehrlich: »Ich habe mir gerade den wunderschönen Wirbelwind draußen angesehen.« Silicagel starrte mich entgeistert an. »Was? Was hast du dir angesehen?« Ich sagte, betont deutlich: »Ich habe beobachtet, wie der Wind die Ginkgoblätter hochgewirbelt hat und sie noch über den Fahnenmast steigen ließ. Es war ein sehr schöner Wind.« Die Schüler brachen in Gelächter aus und trommelten sogar auf ihre Bänke, wahrscheinlich fanden sie meine Gedanken bizarr. Einen Moment lang starrte mich Silicagel ungläubig an und fragte: »Ist der ⦠übergeschnappt?« Dann legte er seine Armbanduhr auf dem Pult ab und begann, mir Ohrfeigen zu geben. Erste! Zweite! Dritte! Vierte! Ich bekam zahlreiche Schellen und stolperte dabei vom Pult bis zur Klassenzimmertür zurück. Was mir wehtat, war aber nicht meine Wange. Vielmehr machte es mich traurig, dass dieses besondere Erlebnis, das mich so tief berührt hatte, nun vom Lehrer vor meinen Klassenkameraden ins Lächerliche gezogen wurde. Inzwischen stand ich mit dem Rücken an der Tür und wurde noch immer geschlagen. Plötzlich stieg aus meinem tiefsten Inneren etwas Trübes und Trauriges auf. Ich schubste Silicagel weg, begann mir die Haare zu raufen und wie ein Irrer zu schreien.

»Uaa! Uaa! Uaa!«

Voller Schreck machte Silicagel ein paar Schritte zurück und blieb schockiert stehen. Auch meine Klassenkameraden starrten mich stumm an. Ich hatte das Gefühl, die Welt würde in diesem Moment stillstehen.

Nachdem alle gegangen waren, saß ich den ganzen Nachmittag allein im leeren Klassenzimmer - mit dem Auftrag, mein Verhalten kritisch zu reflektieren und einen Aufsatz darüber zu schreiben. Was sollte ich denn kritisch reflektieren? Ich dachte lange nach und kam zu keinem Ergebnis. Daher ließ ich das weiße Blatt auf dem Tisch liegen, legte meine Ellenbogen auf das Fensterbrett und beobachtete, wie sich der Schatten der Torpfosten in der nachmittäglichen Sonne in die Länge zog. Allein im Klassenzimmer zurückgeblieben und den Schulhof betrachtend, war mir ziemlich merkwürdig und einsam zumute. Gegen 15.00 Uhr öffnete mein Klassenlehrer die Tür, sah mich kurz an und sagte, ich solle ihm ins Lehrerzimmer folgen.

»Also, du hast nichts zu schreiben, weil du dir nichts vorzuwerfen hast, richtig?«, fragte er dort und wedelte dabei mit dem weißen Blatt vor meinem Gesicht herum.

Ich saß einfach still da. Vielleicht wollten die Lehrer gemeinsam essen gehen, jedenfalls rief jemand aus einer Ecke: »Herr Kim, Herr Lee, lassen Sie uns jetzt gehen.«

Mein Klassenlehrer sah mich scharf an und sagte: »Du widersetzt dich also deinem Lehrer. Dich müsste man...
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Autor

Un-su Kim, geboren 1972 in Busan, Korea, begann seine Karriere als Schriftsteller im Jahr 2002. Er hat in seiner Heimat mehrere Literaturpreise gewonnen, darunter den Yi Sang Literature Award und den renommierten Mumhakdongne Preis. Mit seinem ersten Thriller "Die Plotter" ist ihm auf Anhieb ein Bestseller gelungen, der weltweit für Furore sorgte und in über 20 Ländern veröffentlicht wurde. Un-Su Kim besticht durch seinen einzigartigen Stil und seine bemerkenswerte Beobachtungsgabe. Die internationale Krimiszene feiert ihn seit Jahren als »koreanischen Henning Mankell«.