Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Melodie der Geister

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am16.11.20151. Auflage
Der Marseiller Polizeikommandant Michel de Palma, auch »Baron« genannt, soll Licht in den Fall des Mordes an Dr. Delorme bringen, der tot an seinem Schreibtisch aufgefunden wurde, vor ihm aufgeschlagen Freuds Werk Totem und Tabu. Sechzig Jahre zuvor hat der Wissenschaftler in Neuguinea den Einheimischen Schädel und Totenmasken abgekauft. Warum fehlt in Delormes Villa einer dieser Schädel? Während die Ermittlungen laufen, kommt es zu weiteren Verbrechen an Ethnologen und Kunsthändlern. Hat Michel de Palma es mit einem manischen Mörder zu tun? Seine Untersuchungen führen den opernbegeisterten, unbeugsamen, unberechenbaren Ermittler in die Tiefen der Marseiller Unterwelt, aber auch nach Neuguinea und in die internationale Kunsthandelsszene.

Xavier-Marie Bonnot, geboren 1962 in Marseille, promovierte in Geschichte und studierte Soziologie und französische Literatur. Seine berufliche Karriere begann er als Filmregisseur von Dokumentarsendungen und Reportagen. 2002 feierte er mit der Veröffentlichung seines ersten Kriminalromans La première empreinte sein literarisches Debüt. Seither erschienen weitere Fälle mit dem Marseiller Polizeikommandanten Michel de Palma. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDer Marseiller Polizeikommandant Michel de Palma, auch »Baron« genannt, soll Licht in den Fall des Mordes an Dr. Delorme bringen, der tot an seinem Schreibtisch aufgefunden wurde, vor ihm aufgeschlagen Freuds Werk Totem und Tabu. Sechzig Jahre zuvor hat der Wissenschaftler in Neuguinea den Einheimischen Schädel und Totenmasken abgekauft. Warum fehlt in Delormes Villa einer dieser Schädel? Während die Ermittlungen laufen, kommt es zu weiteren Verbrechen an Ethnologen und Kunsthändlern. Hat Michel de Palma es mit einem manischen Mörder zu tun? Seine Untersuchungen führen den opernbegeisterten, unbeugsamen, unberechenbaren Ermittler in die Tiefen der Marseiller Unterwelt, aber auch nach Neuguinea und in die internationale Kunsthandelsszene.

Xavier-Marie Bonnot, geboren 1962 in Marseille, promovierte in Geschichte und studierte Soziologie und französische Literatur. Seine berufliche Karriere begann er als Filmregisseur von Dokumentarsendungen und Reportagen. 2002 feierte er mit der Veröffentlichung seines ersten Kriminalromans La première empreinte sein literarisches Debüt. Seither erschienen weitere Fälle mit dem Marseiller Polizeikommandanten Michel de Palma. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293308718
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum16.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2945 Kbytes
Artikel-Nr.3421133
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe




Wir sind gleich da«, sagt Kaïngara.

Robert Ballancourt nickt und lässt den Blick über das schleimige Wasser schweifen. Die lange Piroge gleitet lautlos dahin.

»Nur noch ein paar Minuten, Robert.«

Grau mäandert der Sepik durch den dichten, feuchten Busch. Die heiße Luft riecht erstickend nach Wasserhyazinthen und verrotteten Algen. Hin und wieder tönt aus der Waldmasse der heisere Schrei eines Kakadus.

»Der Fluss ist gefährlich hier. Zu viel Strömung.«

Kaïngara kennt die Fahrrinnen zwischen den gichtigen Mangrovenfingern und den Schilfgürteln. Bei jedem seiner regelmäßigen Paddelstöße reckt sich seine Brust, und die harten Muskeln spannen sich unter der kupfernen Haut.

»Siehst du diese Wirbel da?« Er deutet auf das gelbliche Wasser. »Da sind die Geister unserer Vorfahren.«

Ansonsten ist Kaïngara wortkarg und zeigt nur lächelnd seine großen elfenbeinweißen Zähne.

»Die Geister der Vorfahren?«

»Ja, die noch nicht nach Hause gefunden haben. Hier sind viele Wirbel, man muss aufpassen, dass man nicht einen Geist sieht oder hört.«

»Warum?«

»Man riskiert sonst sein Leben ...«

Kaïngara wirft einen sorgenvollen Blick auf das lehmige Ufer. Aus einem Hinterhalt könnte ein Pfeilregen auf sie herniedergehen. Vorne hält Robert Ballancourt sich krampfhaft am schmalen Bootsrand fest. Den beigen Stoffhut hat er sich tief über die wasserblauen Augen gezogen. Die Hose und das helle Leinenhemd sind mit Schlammspritzern übersät. Seit drei Tagen gärt es in seinen Kleidern, er schläft im ungesunden Dunst des Dschungels, über sich den Baldachin des schwülen Himmels, von Fledermäusen umflattert. Das Hochland hat seinen Blick fiebrig werden lassen.

»Yuarimo ist in dieser Richtung«, ruft Kaïngara, aufrecht spähend. »Da vorne! Morgen sind wir da.«

Sie sind an der Mündung des Flusses Yuat. Hinter Betelpalmen lugt ein seltsam spitzes Dach hervor. Weiter hinten das Haus der Männer mit der riesigen Schutzfigur über dem Eingang, die nach allen Seiten wilde Blicke wirft. Eine so prächtige hat Ballancourt noch nie gesehen.

»Die Leute in diesem Dorf kennen den weißen Mann«, sagt Kaïngara.

Er wirkt nun entspannter. Mit Lanzen und mit Pfeil und Bogen bewaffnete Krieger beobachten die Eintreffenden stumm. Sie sind nackt bis auf die koteka, die langen Penisfutterale, die quer über ihre Bäuche ragen. Einer von ihnen tritt vor. Seine Haut ist gegerbt wie altes Leder.

»Mir scheint, sie haben uns erwartet«, sagt Ballancourt.

»Ja, Neuigkeiten verbreiten sich schnell im Busch.«

Die Piroge stößt zum Anlegen in eine Zunge aus rotem Schlamm. Die im Wasser planschenden Kinder rennen zu den Hütten und schrecken dabei die schwarzen Schweine auf, die zwischen den Palmen stöbern.

Der Mann mit der gegerbten Haut tut einen Schritt auf sie zu.

»Ein Big Man«, sagt Kaïngara mit furchtsamem Blick. »Mit ihm müssen wir reden.«

Auf dem Haupt des alten Mannes wellt sich spärliches weißes Haar. Unter der adrigen Stirn lassen die Augen sich nichts entgehen. In seiner Nasenscheidewand steckt ein Eberhauer, der herabhängt wie ein Schnurrbart. Alle anderen Männer bleiben im Hintergrund stehen, misstrauisch und neugierig zugleich, mit ziemlich wilden Blicken. Ihre muskulösen Oberkörper weisen zahlreiche Kampfnarben auf, kleine sternförmige Wunden von Pfeilen mit Widerhaken und lange Messerschnitte. Der Big Man wendet sich an Kaïngara. Aus seinen Pupillen blitzt es gefährlich, und er spricht im selbstbewussten Ton eines Kriegsherrn.

»Sie freuen sich, dass du zum Kaufen kommst. Sie haben dir viel anzubieten, sagen sie.«

»Frag sie, ob wir ins Haus der Männer dürfen.«

Kaïngara überlegt, bevor er das übersetzt. Er weiß, wie heikel es ist. Nur Eingeweihte dürfen jene Stätte betreten. Nach unendlich langer Bedenkzeit bedeutet der Alte ihnen, zu folgen. Das Haus ist ein weitläufiger, rechteckiger Pfahlbau. Die Pfosten sind wie Totems geschnitzt, für jeden Clan einer. Vor dem Eingang hängt ein Vorhang aus getrockneten Gräsern herab. Im Innern ist jeder Pfeiler und jeder Querbalken mit Fantasiefiguren und verschlungenen Leibern dekoriert.

Die Männer haben sich stumm auf den Boden oder auf Bänke gesetzt. Der Big Man tritt mit großen grünen Blättern in der Hand vor und weist auf einen Schemel. Er sieht Ballancourt an, will ihm etwas zeigen.

»Was ist das?«, fragt dieser.

Zögerlich übersetzt Kaïngara.

»Der Schemel des Redners ... Er steht für den Urahnen. Man benützt ihn, um die Probleme des Dorfes zu besprechen oder die Namen der Clans zu vergeben. Er ist außerordentlich wichtig. Ein vor dem Schemel getaner Schwur gilt in alle Ewigkeit.«

Der Big Man scheint rituelle Worte zu sprechen und moduliert seine dünne Stimme, als deklamierte er Verse. Hin und wieder schlägt er kurz und heftig auf den Schemel.

»Wenn das Dorf beschließen musste, ob es gegen ein anderes Dorf Krieg führen sollte«, übersetzt Kaïngara weiter, während er dem Big Man nickend lauscht, »befragte man den Schemel.«

Der Big Man sieht Ballancourt kurz an und legt auf dem Schemel drei Blätter nieder. »Befahl der Urahn zum Beispiel Geht auf Kopfjagd! , standen im Haus der Männer alle auf und nahmen Lanzen von den Hängebänken. Es herrschte große Aufregung. Die Kopfjagd konnte beginnen.«

Das geschnitzte Gesicht des Schemels scheint von einem Geheimnis verschlossen. Zwei in der Mitte gespaltene Porzellanmuscheln blicken wie kleine Mandelaugen in die Welt der Lebenden. Auf dem Schädel thront eine Krone aus Beuteltierfell. Nase und Mund laufen in einem langen Schnabel aus. Die Schnitzereien der Schemelbeine erinnern an Vogelfüße und bilden den Leib des Urahnen. Auch der Oberteil ist mit Muscheln, Schweinezähnen, Haaren und Blättern geschmückt.

Ballancourt klopft sich mit dem Hut den Staub von der Hose, was bei den Männern, die ihn beobachten, ein belustigtes Lächeln hervorruft. »Verkauf mir diesen Schemel!«

»Unmöglich«, erwidert der Big Man. »Ich erkläre dir gern, wozu er dient, doch ihn verkaufen? Niemals.«

»Ich gebe dir diese Schillinge. Da, alle! Es sind über zwanzig.«

»Nein, Fremder.«

Ballancourt hält ihm große, blinkende Münzen hin. »Das ist viel Geld.«

Der Blick des Big Man hellt sich auf. Ein Lächeln huscht über seinen zahnlosen Mund, dann wird die Miene sogleich wieder abweisend.

»Nein.«

Der Big Man dreht die Handflächen zum Himmel empor. Dem Blick Ballancourts weicht er aus.

»Nein.«

»Das ist ein Sakrileg«, flüstert Kaïngara. »Aber wenn du willst, sind noch andere Sachen da.«

Gleich beim Betreten des Hauses sind Ballancourt die an rituellen Haken aufgehängten Köpfe aufgefallen. Besonders einer ist von morbider Schönheit und zieht den Forscher in seinen Bann. Der Schädel ist nackt und glatt, wie lackiert, die Augenhöhlen mit brauner Paste gefüllt, in die zwei runde asymmetrische Augen gedrückt wurden. Dem Kopf sind grobe Züge aufgeschminkt.

»Der ist nicht aus diesem Dorf«, erläutert Kaïngara. »Es ist der Schädel eines Feindes, der nach einer Schlacht enthauptet wurde. Eine Trophäe ...«

Ballancourts Blick verrät wohl, was in ihm vorgeht, denn der Big Man tritt näher an ihn heran und mustert ihn mit einem interessierten Lächeln.

»Und der da?«, fragt Ballancourt und deutet auf einen weit raffinierter gestalteten Schädel.

»Das ist der Kopf eines Ahnen«, erwidert Kaïngara direkt. »Vermutlich ein Big Man von ähnlicher Bedeutung wie dieser hier. Ein besonders schönes Exemplar.«

Das eine Auge ist spiralförmig gearbeitet, das andere besteht aus einem vollkommen runden Loch. Von den Nasenflügeln und den Mundwinkeln winden sich schwärzliche Pinselstriche, dünn wie Tätowierungen, bis hinauf zur Stirn. Kaïngara erklärt, dass sie die Wirbel des Sepik symbolisieren, jenen Ort, an dem die Geister wohnen. Die Schädelrückseite ist mit dichtem, schwarzem Lockenhaar ausgestattet.

»Nie habe ich etwas gesehen, aus dem derart das große Geheimnis des Todes spricht«, sagt Ballancourt und neigt dabei leicht seine hohe Gestalt zu dem Big Man. »Prächtig. Wie viel will er dafür?«

»Tabakstangen, für das ganze Dorf. Glas, wie du es in der Piroge hast, und eisernes Werkzeug. Es ist sehr teuer.«

Der alte Mann vollführt eine Geste, die Ballancourt nicht zu deuten weiß, und wiederholt mehrfach sonderbar röchelnd das gleiche Wort.

»Er sagt, dass er dir für drei eiserne Beile zusätzlich diesen Kopf hier gibt.«

Es ist ein Schädel mit patinierter Stirn, geschmückt mit Federn und weißen Muscheln. In der Nase sind in braunes Harz kleine rote Perlen gedrückt.

»Der ist sehr schön. Sag ihm, dass ich einverstanden bin und es mich ganz besonders freut, diesen Schädel in Frankreich auszustellen. Sag ihm, er ist für ein großes Museum.«
...


mehr

Autor

Xavier-Marie Bonnot, geboren 1962 in Marseille, promovierte in Geschichte und studierte Soziologie und französische Literatur. Seine berufliche Karriere begann er als Filmregisseur von Dokumentarsendungen und Reportagen. 2002 feierte er mit der Veröffentlichung seines ersten Kriminalromans La première empreinte sein literarisches Debüt. Seither erschienen weitere Fälle mit dem Marseiller Polizeikommandanten Michel de Palma. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt