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Rosinante oder Die Liebe zum Meer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
318 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am27.07.20181. Auflage
Drei Frauen und der häßlichste Hund der Welt haben Unterschlupf auf einem Hausboot gefunden. Doch dann holt sie die Vergangenheit ein ... Joe Coomer hat wieder ein Buch über die etwas schrägere Variante des Lebens geschrieben. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Joe Coomer wurde 1958 auf der Carswell Air Force Base in Fort Worth, Texas, geboren. Nach seinem Studium arbeitete er im Holzhandel und ist heute Besitzer verschiedener Antiquitätenläden.
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Produkt

KlappentextDrei Frauen und der häßlichste Hund der Welt haben Unterschlupf auf einem Hausboot gefunden. Doch dann holt sie die Vergangenheit ein ... Joe Coomer hat wieder ein Buch über die etwas schrägere Variante des Lebens geschrieben. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Joe Coomer wurde 1958 auf der Carswell Air Force Base in Fort Worth, Texas, geboren. Nach seinem Studium arbeitete er im Holzhandel und ist heute Besitzer verschiedener Antiquitätenläden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105621868
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum27.07.2018
Auflage1. Auflage
Seiten318 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1154 Kbytes
Artikel-Nr.3569539
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Am Samstag vormittag hatten Chloe und ich die erste Sitzung unseres Geburtsvorbereitungskurses. Grace wäre ebenfalls mitgekommen, wenn nicht an diesem Tag Harrys Mechaniker an Bord der Rosinante erschienen wäre, um sich den alten Motor vorzunehmen. Grace wich ihm nicht von der Seite. Ein falscher Handgriff, die leiseste Unsicherheit, und Grace würde ihn in der Luft zerreißen, soviel war mir klar. Chloe war in den letzten Wochen ungeheuer gewissenhaft geworden. Sie verzichtete auf ihre gelegentliche Zigarette auf der Pier, kämpfte mit ihrem Gewicht und unternahm jeden Abend einen Drei-Kilometer-Rundgang durch Portsmouth. Roger hatte sich seit der Szene auf der Terrasse des Smarmy Snail nicht mehr blicken lassen, rief sie aber nach wie vor im Geschäft an. Er frage sie jedesmal, wie es ihr gehe, berichtete sie, dränge sie aber auch zu einer Entscheidung über ihre Beziehung.

«Und wieso sollst du die Entscheidung treffen?»

«Weil er´s nicht kann. Er schafft´s nicht.»

«Ich dachte, du hättest dich schon entschieden.»

«Hab ich auch. Aber ich kann´s ihm nicht so direkt sagen.»

«Wenigstens haut er nicht ab.»

«Aber komisch ist es trotzdem», meinte sie. «Er will nicht, daß irgend jemand erfährt, daß ich schwanger bin oder daß er der Vater ist.»

«Ich dachte, er will mit dir zusammenziehen.»

«Will er auch. Jedenfalls sagt er das, aber im nächsten Moment meint er wieder, es geht nicht. Er ist total konfus. Ich glaube, wenn er ehrlich wäre, würde er zugeben, daß er aus der ganzen Sache raus will. Ich versuche ihm zu helfen.»

«Warum sagst du´s ihm dann nicht? Daß du ihn nicht liebst, meine ich, und daß du das Kind allein großziehen willst.»

«Er schämt sich so, und dann wird er wütend. Wenn man ihn so sieht, denkt man, ihm ist alles egal, aber das stimmt nicht. Alles an ihm ist kalkuliert, sein Aussehen, seine Kleidung, nur nicht das, was er sagt, wenn er die Wut kriegt. Er nimmt sich ziemlich wichtig. Man könnte glauben, er ist der Prince of Wales, wenn man so hört, was andere seiner Meinung nach von ihm halten. Bis er dann wieder explodiert jedenfalls. Ich will ihm auf keinen Fall weh tun. Ich hab ihm mal gesagt, daß ich ihn liebe, verstehst du, und jetzt sagt er´s selbst und will, daß ich´s auch wieder sage. Dann tu ich´s eben.»

«Wann sagst du´s deinen Eltern?»

«Bald.»

«Wann bald?»

«Bald eben. Meine Mama und ich, wir verstehen uns nicht besonders, aber irgendwie hab ich das Gefühl, ich brauche ihre Hilfe. Das Problem ist nur: Sie wird garantiert enttäuscht sein.»

«Vielleicht freut sie sich ja.»

«Nein, nein.» Chloe schüttelte entschieden den Kopf. «Sie wird sich ziemlich aufregen. Sie und Dad haben jahrelang gespart, damit ich aufs College kann. Als ich von zu Hause weg bin, hat sie gesagt, ich sei nicht mehr ihre Tochter.»

«Das hat sie doch nicht ernst gemeint, Chloe.»

«Mein Bruder hat zwei akademische Abschlüsse und arbeitet bei Hewlett-Packard in Baltimore. So was Ähnliches hat ihnen für mich auch vorgeschwebt. Aber ich wollte nicht mehr zur Schule. Ich hab schwer geschuftet, um so schnell wie möglich da rauszukommen.»

«Aber auf dem College ist es ganz anders als auf der High-School. Die Leute sind nicht mehr so kindisch. Ich fand´s toll da, und du würdest es auch toll finden. Du könntest als Hauptfach Psychologie studieren.»

«Genau. Das haben meine Eltern auch gesagt. Und vielleicht hat´s ja auch gestimmt. Aber jetzt kommt das Baby, und das Baby kann nicht aufs College. Außerdem interessiert mich das Baby viel mehr als die Lernerei. So würde es dir doch auch gehen, wenn du schwanger wärst, oder?» Ich lächelte ein halbes Lächeln, das weder Zustimmung noch Ablehnung ausdrückte. Sie umfaßte während der Atemübungen ihren Bauch, und ich zählte für sie: «Eins, zwei, drei, vier, ausatmen, eins, zwei, drei, vier, ausatmen, eins, zwei, drei, vier, ja, klar.»

«Charlotte?»

«Ja?»

«Ich mach eine Umfrage.»

«Was für eine Umfrage?»

«Eine ...»

«Atmen», sagte ich.

«Eine, bei der nur ich mitmachen kann.»

«Wieso?»

«Weil es dann keinen Fehlerspielraum gibt», erwiderte sie und lächelte mich breit an. Sie schwenkte meine Hand durch die Luft, ließ sie auf ihrem erstaunlich straffen Bauch landen und hielt sie dort unter ihrer feuchten Handfläche fest.

 

Am späten Nachmittag hatte der Mechaniker zwei neue Bordbatterien eingebaut, zwei Treibriemen und mehrere Schläuche erneuert, Motor- und Getriebeöl gewechselt, den Kühlwasserblock mit frischer Kühlflüssigkeit durchgespült und Glühkerzen, Zinkanoden und ein halbes Dutzend weiterer Teile ausgetauscht. Chloe und ich schauten ihm von unserer Relaisstation in der Tür des Maschinenraums aus erwartungsvoll zu, und schließlich sagte er fast feierlich: «Okay, sagt ihr, sie soll den Gang rausnehmen und dann den Zündschlüssel drehen, aber nur ganz kurz. Der Motor muß ein paar Umdrehungen machen, bevor wir ihn starten.»

Grace stand am Ruder, und ich rief ihr diese Instruktionen den Niedergang hinauf zu. Chloe fügte erläuternd hinzu: «Scotty sagt, er braucht Impulskraft, bevor wir auf Warpkraft gehen.» Ich kniff sie in den Ellenbogen, weil Grace ohnehin schon jeden Moment an die Kajütendecke gehen konnte.

Grace drehte den Schlüssel aus der Vorglühstellung nach rechts, und es sah aus, als bekäme sie einen elektrischen Schlag. Der Anlasser hatte noch kaum eine ganze Umdrehung gemacht, als das Schiff schon unter meinen Füßen zu beben begann. Es gab kein Stottern, keine Möglichkeit der Gewöhnung, sondern ein augenblickliches, drängendes Dröhnen, als der Motor seine erste Kompressionschance nutzte und zum Leben erwachte, vibrierend vor Leistungsfähigkeit und Kraft. Grace schien kein bißchen überrascht. Ein paar Sekunden lang drang weißer Rauch aus dem Auspuff am Heck und nebelte die Abendessensgäste auf der Terrasse des Smarmy Snail ein, aber bald verzog er sich wieder. An Deck merkte man kaum, daß der Motor lief, aber der Fluß schien es zu wissen. Er kräuselte sich rings um den Rumpf, als wäre das Schiff magnetisch, und irgendwie wirkte seine Oberfläche plötzlich kleiner. Der Mechaniker war ein paarmal um den Motor herumgegangen, als hätte er sich verirrt. Wir versammelten uns in der Kajüte, der Mechaniker mit einem Schraubenschlüssel in der Hand, die Hand auf dem Herzen.

«Der dürfte eigentlich gar nicht laufen», sagte er.

«Wieso nicht?» fragte Chloe. «Klingt doch gut.»

«Der Treibstoff», erwiderte er. «Ich hab einen Zwanzigliterkanister mitgebracht, den wollte ich gleich in den Tank einfüllen, aber ich hab´s noch nicht gemacht. Der Motor läuft mit Treibstoff, der vier Jahre alt ist.» Er schüttelte den Kopf, aber sein Blick blieb starr. «Mein Boot würde noch nicht mal mit Treibstoff vom letzten Jahr laufen.»

«Na, Grace?» sagte ich.

«Ich weiß nicht», sagte sie. Ihre Augen wurden weit, ihre Pupillen verengten sich.

Der Mechaniker stellte den Gashebel auf Leerlauf. Dann drehte er sich zu uns um. «Jetzt wollen wir mal ein bißchen Tang aufwühlen», sagte er und schaltete in den Rückwärtsgang.

«Aber wir sind doch noch an der Pier vertäut», gab ich zu bedenken.

«Keine Sorge, wir bleiben im Leerlauf.» Er verließ die Kajüte und ging wieder in den Maschinenraum hinunter, wo wir alle zusammen zuschauten, wie sich die Schraubenwelle langsam drehte. Er sah zu uns auf. «Alles bestens», sagte er. Die Stopfbuchse lecke nicht, erklärte er und führte uns dann zum Heckspiegel der Rosinante, und wir schauten über Bord und sahen Tangfetzen langsam aus der Tiefe aufsteigen und Seekühlwasser aus dem Auspuff rinnen. «Ich hab befürchtet, ein Stück Leine hätte sich um die Schraube gewickelt», sagte er. «Aber es sieht gut aus. Der Treibstoff - nicht zu fassen. Da muß jemand literweise Konservierungsmittel reingeschüttet haben.»

«Sweet George», sagte Grace und sah ins Wasser hinab. «Er hat an alles gedacht.» Sie schien einen tiefen Seufzer des Wiedererkennens zu unterdrücken, so als wäre sie endlich auf irgendeine Einzelheit gestoßen, eine entfernte Möglichkeit. «Ich war so glücklich hier», sagte sie und wandte sich von uns ab. «Legen Sie die Rechnung auf den Kartentisch», rief sie dem Mechaniker über die Schulter zu, sagte noch irgend etwas und verschwand dann im Innern der Rosinante. Es war das erste Mal, daß ich sie an Bord mit sich selbst hatte reden hören.

 

Beim Abendessen erzählte Grace zwischen Chloes Vorträgen über den Kalorien- und Fettgehalt jedes einzelnen Bestandteils unserer Mahlzeit von ihrem Mann.

«Wir haben damals Ende September hier an der Pier festgemacht. Nachts wurde es schon sehr kalt, und da wir weiter nach Norden wollten, meinte Sweet George, es sei ein guter Platz zum Überwintern. Im Mai wollten wir dann weiter. Wir waren im Sommer die ganze Strecke von Palm Beach heraufgekommen. Ich fand es immer so ungerecht, daß er nur die eine Saison auf dem Schiff erlebt hat. Sweet George war auch dick, Chloe, aber er war ein ruhiger Mensch.»

Chloe hörte auf zu kauen, und ihre Mundwinkel bogen sich nach unten.

«Er ist so gut wie nie laut geworden, und auf dem Schiff haben wir uns beim Ankern oder Anlegen sogar durch Handzeichen verständigt, weil er nicht schreien wollte. Ich erinnere mich noch gut an den Sommer. Wir haben so viel gesehen. Bis dahin war unser Leben immer in getrennten Bahnen verlaufen, mit Arbeit und gesellschaftlichen Aktivitäten, und als wir nach fünfundvierzig Ehejahren auf der Rosinante zusammenkamen, waren wir zwar miteinander vertraut, aber nicht aneinander gewöhnt....
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Autor

Joe Coomer wurde 1958 auf der Carswell Air Force Base in Fort Worth, Texas, geboren. Nach seinem Studium arbeitete er im Holzhandel und ist heute Besitzer verschiedener Antiquitätenläden.