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Marie - Ein stiller Tod

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Edition Lempertzerschienen am13.08.2018
Vorweihnachtsstimmung kommt bei den beiden Bonner Kriminalhauptkommissaren Margot Lukas und Fabian Faust erst einmal nicht auf. Sie haben einen ganz besonderen Fall zu lösen: Wenige Stunden, nachdem sie ihre Pflegetochter getötet hat, wird die Mörderin umgebracht und zwar auf die exakt gleiche Weise. Nun müssen Margot und Fabian den Mörder der Mörderin finden. Und das, obwohl die beiden viel mehr interessiert, warum das kleine Mädchen sterben musste. Vor allem Margot macht der Fall mehr zu schaffen, als ihr lieb ist.

Ditmar Doerner lebt seit den 1960ern im Rheinland, hat dort Lesen und Schreiben gelernt und ist seitdem dabei geblieben: zuerst in der Schule, später an der Bonner Uni, bei Radio Bonn/Rhein-Sieg und seit nunmehr 20 Jahren für den WDR. Da dort die Berichte, die man ihm zutraut, maximal 4 Minuten lang sind, versucht er, die übrig gebliebenen Wörter in seinen Büchern unterzubringen.
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Produkt

KlappentextVorweihnachtsstimmung kommt bei den beiden Bonner Kriminalhauptkommissaren Margot Lukas und Fabian Faust erst einmal nicht auf. Sie haben einen ganz besonderen Fall zu lösen: Wenige Stunden, nachdem sie ihre Pflegetochter getötet hat, wird die Mörderin umgebracht und zwar auf die exakt gleiche Weise. Nun müssen Margot und Fabian den Mörder der Mörderin finden. Und das, obwohl die beiden viel mehr interessiert, warum das kleine Mädchen sterben musste. Vor allem Margot macht der Fall mehr zu schaffen, als ihr lieb ist.

Ditmar Doerner lebt seit den 1960ern im Rheinland, hat dort Lesen und Schreiben gelernt und ist seitdem dabei geblieben: zuerst in der Schule, später an der Bonner Uni, bei Radio Bonn/Rhein-Sieg und seit nunmehr 20 Jahren für den WDR. Da dort die Berichte, die man ihm zutraut, maximal 4 Minuten lang sind, versucht er, die übrig gebliebenen Wörter in seinen Büchern unterzubringen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960582731
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum13.08.2018
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1902 Kbytes
Artikel-Nr.3834096
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Kapitel 2

Ich steige die Treppen hoch, langsam, jede Stufe wird schwerer. An der Wohnungstür bleibe ich stehen und atme tief durch. Die Tür ist angelehnt und ich drücke sie auf. Das Licht im Flur ist schummrig, fast dunkel. Ein blauer Läufer bedeckt größtenteils die schwarz-grauen PVC-Quadrate. Links neben der Tür, in einer Ecke, stehen zwei Paar Kinderschuhe und ein kleines Paar pinkfarbener Hello-Kitty-Gummistiefel, die fein säuberlich nebeneinander aufgestellt wurden. Daneben ein großer tönerner Topf mit zwei Regenschirmen. Es riecht nach Duftspray. Vielleicht Nadelholz oder Moos, etwas Herbes. Ich gehe ein paar Schritte weiter und schaue in den Raum links, die Küche. Eine beleibte Frau sitzt an einem Tisch und weint. Die grauen Locken, die ihr wirr vom Kopf stehen, zucken heftig. Ich schätze sie auf Mitte fünfzig. Sie trägt eine Art Küchenkittel, so dunkel und nichtssagend, wie ich sie nur von den Großeltern aus meiner Jugendzeit kenne.

Ein Notarzt redet leise auf die Frau ein. Ich bleibe stehen, so als habe ich aus einem Versehen heraus diese Wohnung betreten und das erst jetzt bemerkt, und schaue mich um. Am Ende des Flures erkenne ich das Badezimmer. Ich sehe Fabian und den Kollegen Peter Braun von der Spurensicherung in ihren Plastikanzügen auf dem Boden knien. Peters Anzug ist bei seiner Größe natürlich viel zu klein, der Gummizug der Hosenbeine endet knapp unterhalb seiner Knie. Ich frage mich wieder, was es in seinem Fall überhaupt für einen Sinn hat, solch einen Anzug zu tragen. Die Flusen, die sich von seinen Hosenbeinen lösen, könnten uns auf eine falsche Fährte lenken.

Peter wirkt wie immer ruhig und abgeklärt, nichts scheint ihn erschüttern zu können, nichts und niemand. Kurz frage ich mich, ob er Drogen nimmt. Dann merke ich, wie kaputt es ist, so etwas zu denken.

Jemand anderes, den ich nicht erkennen kann, macht Fotos. Weiße Blitze zucken durch den Raum. Nach dem, was Fabian mir gerade eben zugeraunt hat, empfinde ich kein Mitleid mit der Frau, die in der Küche weint. Fabian sagte mir, dass es Spuren gibt, die darauf hindeuten, dass sie das Kind unter Wasser gedrückt haben könnte.

Fabian ist der Kollege, mit dem ich ein Büro und häufig die Fälle teile. Wäre ich eine Figur in einem amerikanischen Kriminalfilm, würde ich sagen, er ist mein Partner. Fabian ist das genaue Gegenteil von mir: Klein, eher dick, obwohl er seit neuestem versucht, Sport zu machen, und fast immer ohne jeden Zweifel an seinem eigenen Handeln. Er hat bereits einige Zeit in Asien verbracht - ich denke, es war Bangladesch. Dort hat er mitgeholfen, eine Polizeiakademie aufzubauen oder so etwas. Daher kommt wohl auch seine innere Ruhe. Wenn ich wieder einmal ungehalten oder missmutig bin, hält er mir immer wieder vor, wie gut wir es doch hier haben. Ich entgegne ihm dann meist nur, dass seine eher positive Weltsicht wahrscheinlich daher rührt, dass ich es in den allermeisten Fällen bin, die die unangenehmen Aufgaben übernimmt. Fabian ist mit einer wirklich sympathischen, hübschen Frau verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Familie nennt man das wohl, auch da hat er mir etwas voraus. Außer ein paar ehemalige Freunde habe ich nichts vorzuweisen. Dafür, dass ich seit vier Jahren allein lebe, habe ich mich bis vor kurzem fast geschämt, mittlerweile macht es mir nichts mehr aus. Ich empfinde das nicht als Makel.

Das, was der Notarzt vorgefunden hat, war für ihn so merkwürdig, dass er uns sofort gerufen hat. Ich sehe kurz in den Spiegel über einer braunen Kommode, mein Gesicht ist milchig weiß und wirkt ausgesprochen ungesund. Das wenige Make-up, das ich am Morgen aufgetragen habe, hat sich im Laufe des Tages verflüchtigt. Ich seufze lautlos, versuche mein Gegenüber anzulächeln und gehe Richtung Badezimmer.

Auf mein Klopfen am Türrahmen drehen sich drei Augenpaare zu mir. Guten Abend, die Herren! , sage ich.

Von wegen Guten Abend ! Peter kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu, was bei seiner Reichweite wirkt, als versuche er zu fliegen. Zieh dir erstmal was über, bevor du hier reinkommst.

Ich schaue mich um und finde im Tatortkoffer mehrere Schutzanzüge, Mundschutz, Handschuhe und Schuhüberzieher. Während ich die Sachen anziehe, beobachte ich die arbeitenden Kollegen. Niemand sagt etwas, nur ab und zu fallen kurze Sätze.

Ich betrete den Raum. Die Luft hier ist wärmer und stickiger als im Flur. Fenster und Spiegel sind beschlagen. Ich frage mich, an was das liegt. War bis vor kurzem die Tür geschlossen? Lief die Heizung auf vollen Touren oder war die Badewanne mit heißem Wasser gefüllt? Es ist ein gewöhnliches Badezimmer, wahrscheinlich aus den 60er, 70er Jahren, ein bisschen alt und antiquiert, aber auf den ersten Blick sauber. Zwei Handtücher hängen ordentlich links vom Waschbecken, ein Stück Seife liegt neben einem Becher, aus dem drei Zahnbürsten ragen, zwei große und eine kleine. Gelb, orange und blau.

Ich schaue mir diese unwichtigen Dinge sehr genau an und weiß, dass ich wieder nur Zeit schinde. Dann gehe ich in die Hocke.

Das tote Mädchen liegt auf der Seite, die kurzen, dünnen Beinchen sind leicht angewinkelt, die Hände liegen gefaltet vor den schmalen Knien. So als wäre sie während des Nachtgebetes eingeschlafen. Die Kleine sieht hübsch aus. Acht Jahre. Die Augen des Kindes sind noch offen, der Mund ist ebenfalls leicht geöffnet und ich sehe ihre weißen Zähne.

Was weißt du? , frage ich leise.

Fabian verlagert sein Gewicht auf das andere Bein und schaut Richtung Flur. Er schnauft, und ich kann nicht entscheiden, ob es eher sein Gewicht oder das tote Kind ist, das ihm zu schaffen macht.

Ich weiß es noch nicht , sagt er leise, aber was die Mutter erzählt, passt irgendwie nicht. Sie behauptet, die Kleine habe nicht abwarten können zu baden. Sie sei einfach in die Wanne geklettert, als sie selbst gerade etwas in der Küche machen musste. Er schaut mich herausfordernd an. Kannst du dir das vorstellen?

Ich bemerke einen unterdrückten Zorn bei Fabian, der mir bislang nicht aufgefallen war. Es macht ihn mir noch sympathischer, weil ich nun weiß, dass es das tote Kind ist, das ihn aus der Fassung bringt. Es gibt also doch etwas, das er nicht ruhig wegatmen kann.

Hat sie gesagt, ob das so lange gedauert hat, dass die Kleine in der Zeit ertrinken konnte?

Fabian verzieht den Mund, und ich weiß nicht, ob das eine Antwort sein soll, sage aber nichts. Ich richte mich auf und bemerke wieder einmal seine lichte Stelle mitten auf seinem Kopf. Ich überrage ihn um fünfzehn Zentimeter, aber er ist einer der wenigen kleinen Männer, die sich von Körperlänge nicht einschüchtern lassen. Auch das gefällt mir an ihm.

Steht da etwas auf dem Ofen, das sie gekocht haben könnte? , frage ich.

Ja, Spiegelei. Fabian schaut Richtung Küchentür. Aber das heißt ja nichts.

Von irgendwoher höre ich Musik. Entweder aus der Wohnung nebenan oder der Küche. Ein Weihnachtslied, irgendetwas Amerikanisches im Bing-Crosby-Stil. Viel Schmelz, viel Glückseligkeit, Tradition und Frieden.

Ich schaue wieder auf das tote Kind und mein Kopf beginnt zu schmerzen. Ihre Fingerkuppen sind immer noch runzlig vom Wasser, so als sei sie gerade erst aus der Wanne gehoben worden. Acht Jahre? , frage ich.

Ja. Sagt die Pflegemutter. Acht Jahre, Marie.

Plötzlich höre ich ein Gluckern über mir. Ich schaue hoch und bemerke zwei dicke, weiß gestrichene Rohre unter der Zimmerdecke. So etwas wird seit Urzeiten nicht mehr so verlegt. Vielleicht ist das Haus doch älter, als ich gedacht habe.

Die Pflegemutter sagt das , wiederhole ich, als würde das etwas erklären. Seit wann war die Kleine hier?

Seit einem halben Jahr. Wir haben das Jugendamt verständigt. Da kommt vielleicht noch einer.

Ich schaue aus dem Fenster. Es ist immer noch beschlagen, außer der Dunkelheit draußen und den langsam nach unten laufenden Kondenstropfen innen ist nichts zu erkennen. Hat jemand schon mit den Nachbarn gesprochen?

Nein. Fabian schüttelt den Kopf. Ich bin nur vier, fünf Minuten vor dir gekommen.

Plötzlich hören wir zu unseren Füßen ein Seufzen. Ich fahre entsetzt zurück und trete rückwärts gegen die Trage des Notarztes. Auch Fabian starrt auf das Kind, das sich aber nicht rührt. Ein wenig Wasser läuft ihr aus dem Mund.

Das ist nur Luft, die entweicht, das solltet ihr eigentlich wissen. Peter schüttelt ärgerlich den Kopf, als sei er böse, dass ich die Fassung verloren habe. Einen Augenblick ist es still, dann fragt er: Braucht ihr noch etwas?

Ich betrachte...
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Autor

Ditmar Doerner lebt seit den 1960ern im Rheinland, hat dort Lesen und Schreiben gelernt und ist seitdem dabei geblieben: zuerst in der Schule, später an der Bonner Uni, bei Radio Bonn/Rhein-Sieg und seit nunmehr 20 Jahren für den WDR. Da dort die Berichte, die man ihm zutraut, maximal 4 Minuten lang sind, versucht er, die übrig gebliebenen Wörter in seinen Büchern unterzubringen.