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Power-Baby schlägt zurück

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
108 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am26.10.20181. Auflage
Von ihren Eltern mit neun verschiedenen Babysittern pro Jahr beglückt, stellt die fünfjährige Topo die Ersatzmütter auf die Probe und macht mit kindlicher List für sich das Beste daraus. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Alessandro Goldoni, Journalist, hat politische Wissenschaften studiert.
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Produkt

KlappentextVon ihren Eltern mit neun verschiedenen Babysittern pro Jahr beglückt, stellt die fünfjährige Topo die Ersatzmütter auf die Probe und macht mit kindlicher List für sich das Beste daraus. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Alessandro Goldoni, Journalist, hat politische Wissenschaften studiert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105622193
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum26.10.2018
Auflage1. Auflage
Seiten108 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4007291
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Celestina

»Hört mal, ich glaub, ich muß kotzen ...«

Ein Entsetzensschrei von Federico, und das Auto hält mit quietschenden Reifen am Straßenrand. »Schnell, Barbara, tu was. Wenn sie ins Auto kotzt, muß ich auch kotzen.«

Es ist immer dasselbe, wenn wir von Mailand ans Meer fahren. Kaum habe ich diesen Satz gesagt, bricht der Tumult los.

Papa brüllt los wie ein Stier, wird kalkweiß im Gesicht und steigt voll auf die Bremse. In Panik streift Mama die Ärmel hoch, zieht ihre Ringe und Armreifen ab, greift nach den Taschentüchern, der Mineralwasserflasche und der Medizin, die nach Orangen schmeckt, und zerrt mich aus dem Auto. Dann biegt sie mich in der Mitte um, legt mir die Hand auf die Stirn und wartet ab. Dabei wiederholt sie ständig: »Es ist nichts, Topo, du wirst sehen, gleich geht es dir wieder besser.« Dabei habe ich mich nur ein einziges Mal im Auto übergeben. Aber da hatte ich es vorher nicht angekündigt.

Die anderen Male haben sie mich meinen Satz erst gar nicht zu Ende sprechen lassen: »Hört mal, ich muß kotzen, wenn ich nicht sofort an die frische Luft komme.« Das stimmt zwar nicht, aber wenn ich sagen würde: »Mir ist schwindlig, ich möchte gerne aussteigen, ein bißchen spielen oder herumtoben«, würden sie gar nicht erst reagieren. Nicht einmal wenn ich Pipi muß, hält Federico, mein Papa, an. Er sagt immer: »Halt es ein, wir sind gleich da«, auch wenn wir gerade erst abgefahren sind. Deshalb setzt mich Mama vor der Abfahrt immer noch mal aufs Klo. Wir fahren nicht los, bevor Topo nicht Pipi gemacht und Papa nicht getankt hat.

»Wie geht es ihr?« fragt Federico aus dem Auto heraus und hält sich die Hand vor die Augen.

»Wie geht es dir?« fragt mich Barbara.

Mir geht es prima. Aber ich antworte nicht, weil gerade ein kleiner Marienkäfer auf meine Sandalen gekrabbelt ist.

»Fühlst du dich besser?« will Barbara, die Mama, wissen. Ein bißchen warte ich noch ab. Ich habe überhaupt keine Lust, wieder ins Auto einzusteigen, aber dann sage ich: »Uff, ja, es geht mir besser«, und sofort verstaut Barbara alles wieder im Auto. Wir steigen ein, sie streift sich wieder ihre Ringe und Armbänder über, und Papa drückt wieder aufs Gaspedal.

Um mich abzulenken, rät Mama mir, ich soll aus dem Fenster gucken und mir die Landschaft anschauen, weil ich dann nicht mehr daran denke, daß mir übel ist. »Sieh mal«, sagt sie, »die Kinder dort im Bus winken dir zu. Winke ihnen zurück.« Ich winke. Aber ein Junge mit einem Pferdeschwanz, der total doof ausschaut, streckt mir die Zunge raus. Also strecke ich sie ihm auch raus, und sofort machen alle Kinder im Bus dasselbe. Keine Chance, wieder Frieden zu schließen. Zum Glück überholt Papa den Bus, und ich winke dem Busfahrer aus dem Rückfenster zu. Wenigstens der schickt mir dafür ein Küßchen, sozusagen als Entschädigung.

Langsam habe ich es ehrlich satt, mir dauernd die Landschaft anzugucken. Federico hat die eine Hand am Lenkrad, und mit der anderen streichelt er Mamas Knie. »Heute abend gehen wir aus bis zum Abwinken«, sagt er zu ihr.

Sie lacht: »Phantastisch! Das war ein echter Glücksfall mit dieser Frau. Eine Babysitterin für die ganzen Ferien.«

Eine Babysitterin?! Warum? Ich weiß, ich hatte schon mal welche, aber so genau kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Im letzten Winter hat jedenfalls mein Großvater auf mich aufgepaßt, und wenn ich aufgewacht bin, hat er immer Tiere für mich gezeichnet. Aber ein Großvater ist ein Großvater und kein Babysitter. Dann kommt hin und wieder meine ältere Cousine Antonella vorbei, aber auch eine Cousine ist kein richtiger Babysitter.

Endlich sind wir doch noch angekommen. Das rechte Ohr von Pluto zeigt auf die Hundehütte, und das linke auf den Hundenapf: Es ist also genau fünf Uhr auf meiner Comic-Swatch.

Federico steuert den Wagen auf den Parkplatz von MAREBLU. Das ist eine Feriensiedlung am Meer, wo wir eine Wohnung haben, in der wir die Sommerferien verbringen und manchmal auch die Wochenenden. Mama ist hier ganz in der Nähe geboren.

Am besten von der ganzen Wohnung gefällt mir die Terrasse. Sie hat orangefarbene Fliesen, und die Zweige der Pinienbäume vor dem Haus wachsen durchs Geländer. Hier, sagt Barbara, kann man sich ungestört nackt sonnen. Deshalb verbringt sie auch die meiste Zeit auf der Terrasse, und weil das Meer ein Stück weiter weg ist, geht sie ständig unter die Dusche. Wir machen das oft so, und es ist eigentlich auch gar nicht so schlecht. Da braucht man wenigstens keinen Schwimmreifen.

Kaum sind wir in der Wohnung angekommen, zieht Barbara die Jalousien hoch, und ich verschwinde sofort nach draußen. Die Sonne sieht wie ein großer, roter Luftballon aus, und es riecht nach Spaghettisoße und Pizza. Ein bißchen weiter weg kann man zwischen zwei Hotels ein Stückchen vom Meer erkennen. Federico kommt zu mir auf die Terrasse hinaus und meint: »Bitte, sei so nett und benimm dich heute abend anständig, wenn die neue Babysitterin kommt. Vielleicht wird sie für längere Zeit bei uns bleiben.«

Aha, ich verstehe. Sie haben das Ganze schon ausgeheckt, ohne mich zu fragen. Die Babysitterin wurde auf Dauer engagiert, egal ob sie mir nun gefällt oder nicht.

Nun erscheint auch Barbara auf der Terrasse und ich frage: »Wie ist sie?«

»Wieso? Wie soll sie schon sein?« fragen Federico und Barbara unisono zurück.

»Na ja ... Ist sie jung? Ist sie alt? Was für Spiele kennt sie? Kann sie Tiere zeichnen? Kann sie gut kraulen?«

»Du wirst schon sehen«, antwortet mir Barbara, »sie wird dir bestimmt gefallen. Da sind wir ganz sicher.«

Na, bitte. Das fängt ja gut an!

 

Ich sitze auf der Terrasse und lasse die Beine durch das Geländer baumeln. Gleich wird es wieder Abendessen geben. Ich will auf der Terrasse essen, hier auf dem Boden, neben meinen Muscheln, die ich heute morgen am Strand gesammelt habe, den Pinienkernen, die noch geknackt werden müssen, neben meinem großen, roten Bär und der Fledermaus mit den Vampirzähnen.

Aber seit zwei Tagen ist das unmöglich. Ich hatte es geahnt, sie hat alle meine Gewohnheiten durcheinandergebracht. Sie zwingt mich, im Wohnzimmer zu essen, eingezwängt in einen Kinderstuhl, und mit so einer Art Tischtuch um den Hals. Außerdem sagt sie ständig, ich soll sie nicht »Du hör mal«, sondern Ce-le-sti-na nennen, und alle paar Minuten rupft sie mir mit ihrer Bürste durch die Haare. Dauernd ermahnt sie mich, ich soll keine Dummheiten machen ... Und das ausgerechnet mir, wo ich in meinem ganzen Leben noch keine einzige Dummheit gemacht habe!

An dem Abend, als sie angekommen ist, saß ich gerade auf dem Fußboden. Sie hat sich zu mir heruntergebeugt, mich mit ihrem riesigen Busen fast erstickt und geflötet: »Gibst du deiner Tata ein Küßchen, nur ein ganz kleines?«

Ich habe ihr eins gegeben, ein noch viel kleineres. Das erste und das letzte.

Aber sie hat den Mund nicht mehr zugekriegt und mit ihren zwei Goldzähnen zu Barbara gesagt: »Signora, die Kleine ist wirklich zu süß«, und dann wieder zu mir: »Wir werden gute Freunde sein, nicht wahr, mein Blauäuglein!«

Du und ich Freunde? habe ich mir gedacht, niemals!

Anschließend hat sie eine halbe Stunde mit Mama getuschelt, und in der Zwischenzeit hat Federico auf mich eingeredet, damit ich ihr nicht gleich meine ganze Monstersammlung, einschließlich der Köpfe, die kotzen können, zeige.

Da war die Sache für mich klar: Diese Celestina taugt zu gar nichts.

Also habe ich mir gedacht, ich fange mit etwas ganz Einfachem an, und habe sie vor dem Einschlafen gefragt, ob sie mich vielleicht ein bißchen am Arm kraulen kann. Das ist wirklich das Einfachste von der Welt, kinderleicht. Einfach am Arm ganz leicht rauf und runter kraulen, und ganz besonders am Ellbogen. Man schläft davon schneller ein. Aber was macht sie? Entweder knetet sie einem den Arm durch, oder sie kratzt einem fast die Haut vom Leib. Sie schafft es einfach nicht, ihre Finger sanft rauf und runter zu bewegen. Nur wegen ihr habe ich die ganze Nacht schlecht geschlafen. Nicht mal richtig kraulen kann sie.

Und am Abend danach - das war das Letzte! Ich denke, ich sehe nicht recht. Setzt die sich doch tatsächlich mit ihrem dicken Hintern auf den Sessel, auf dem Cesare, mein Hund, den niemand sehen kann außer mir, immer schläft! Dabei hatte ich sie vorher schon gewarnt, daß ich einen unsichtbaren Hund habe. Gerade weil man ihn nicht sehen kann, muß man besonders vorsichtig sein, denn er kann überall sein. Gestern abend jedenfalls war er genau auf diesem Sessel, direkt unter ihrem Hintern. Richtig tot ist er zwar, glaube ich, nicht, aber gesehen habe ich ihn seitdem auch nicht mehr.

Zuerst habe ich nur laut gebrüllt. Aber sie, anstatt mich, oder wenigstens Cesare, um Entschuldigung zu bitten, hat mich einfach unter den Armen gepackt, als ob nichts wäre, und mich wieder in diesen Kinderstuhl gestopft.

Da hat´s mir dann gereicht. Ich habe das Glas, das vor mir stand, gepackt, ein Stück davon rausgebissen, und das habe ich dann im Mund behalten.

»Spuck den Glassplitter aus, spuck ihn sofort aus!« hat Celestina geschrien. »Mach keinen Unsinn, spuck ihn aus, sonst sage ich es deiner Mama.«

Sie hat immer lauter geschrien, aber sobald sie mir zu nahe gekommen ist, habe ich nur noch fester auf den Glassplitter gebissen.

Dann hat sie zu weinen angefangen. Wie blöd die Erwachsenen doch sein können. Und als sie auch noch die Hände vors Gesicht geschlagen hat, um mir die Verzweifelte vorzuspielen, habe ich schnell den Glassplitter unter dem Teller versteckt, einen großen Löffel von dem roten Tomatenrisotto, diesem widerlichen Pampf, den ich zu Abend essen sollte, in den...
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