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Stirb, Brüderchen, stirb

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
398 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am21.09.20181. Auflage
Sie wird verfolgt. Und nicht nur vom Pech. Warja fristet in Moskau ein langweiliges Dasein als Sekretärin. Ihr Chef, Manager einer Fernsehstation, hält sie für einen unfähigen Trampel, und auch sonst ist ihr Leben ziemlich ereignislos. Bis sie eines Tages in ihrem Büro über einen Toten stolpert. Auf dem Heimweg wird Warja angefahren, und dann ist auch noch ihre Wohnung verwüstet. Ausgerechnet jetzt schickt ihr Chef sie nach Prag, wo sie einen geheimnisvollen Umschlag übergeben soll. Aber die Adresse existiert nicht, und die junge Frau gerät in den Strudel einer Verschwörung.

Tatjana Ustinowa, geboren 1968, studierte Aerodynamik am renommierten Moskauer Physikalisch-Technischen Institut und arbeitete danach beim Fernsehen. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht - mit Millionenauflagen.
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Produkt

KlappentextSie wird verfolgt. Und nicht nur vom Pech. Warja fristet in Moskau ein langweiliges Dasein als Sekretärin. Ihr Chef, Manager einer Fernsehstation, hält sie für einen unfähigen Trampel, und auch sonst ist ihr Leben ziemlich ereignislos. Bis sie eines Tages in ihrem Büro über einen Toten stolpert. Auf dem Heimweg wird Warja angefahren, und dann ist auch noch ihre Wohnung verwüstet. Ausgerechnet jetzt schickt ihr Chef sie nach Prag, wo sie einen geheimnisvollen Umschlag übergeben soll. Aber die Adresse existiert nicht, und die junge Frau gerät in den Strudel einer Verschwörung.

Tatjana Ustinowa, geboren 1968, studierte Aerodynamik am renommierten Moskauer Physikalisch-Technischen Institut und arbeitete danach beim Fernsehen. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht - mit Millionenauflagen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688114535
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum21.09.2018
Auflage1. Auflage
Seiten398 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4011568
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


UND DANN WÄRE SIE FAST NOCH unters Auto gekommen.

«Alte, pass auf, wo du hintrittst, wenn du nicht abkratzen willst», brüllte der Fahrer grob und sprang aus dem Auto. Er machte nicht einmal einen Schritt auf sie zu, um nachzusehen, was ihr passiert war.

Was war denn auch schon passiert. Heute war vor ihren Augen ein Mann ums Leben gekommen, und sie hatte den Verdacht, dass er ermordet worden war, das war alles.

«He! Was sitzt du da herum, steh gefälligst auf, Alte!»

Mit Mühe wälzte sie sich auf die Knie, kroch zum Straßenrand und zog sich dort mit beiden Händen an einer harten, schmutzigen Schneewehe hoch. Die ganze Straße schaute dabei zu, wie sie versuchte, ihren Mantel sauber zu klopfen, und nach ihrer Handtasche suchte.

Die Tasche war nicht mehr da.

«Na, was ist? Kannst du laufen?»

Das Knie schmerzte heftig, wahrscheinlich war Warwara damit auf den Asphalt geprallt, als sie stürzte. Sie bückte sich und versuchte nachzusehen, was mit ihrem Knie passiert war, konnte aber nichts erkennen.

Mein Gott, und ihre Tasche!

Die Autos hupten wie verrückt - sie wollten den Wagen wegdrängeln, der Warwara angefahren hatte. Er stand mitten auf der Straße und versperrte ihnen den Weg. Dieser mitfühlende Fahrer, der sich in so überaus höflichen Worten erkundigt hatte, ob mit ihr alles in Ordnung sei, schlug einfach die Tür zu und fuhr los.

Warwara schickte ihm unter ihrem verrutschten Kopftuch hervor einen vernichtenden Blick nach.

Was jucken den schon deine Blicke, meine Liebe. Du hast noch großes Glück gehabt, dass er dich erstens nicht totgefahren und dir zweitens nicht in die Fresse gehauen hat, schließlich hast du sein kostbares Auto gefährdet und ihn gezwungen, anzuhalten, Zeit zu verlieren und dir Fragen zu stellen!

Aber wo war bloß die Tasche?!

Warwara trat von einem Bein aufs andere, als wollte sie deren Standfestigkeit testen, da tauchte der verfluchte Wagen plötzlich direkt vor ihrer Nase auf. Sie wich erschrocken zurück, überzeugt, dass er sie diesmal bestimmt überfahren würde.

Die hintere Tür wurde aufgerissen.

«Oma», ertönte es herzlich aus dem Wageninneren, «kann ich Sie irgendwohin mitnehmen? Wollen Sie vielleicht ins Krankenhaus?»

«Danke, nicht nötig», murmelte Warwara und klopfte eifrig ihren Mantel ab.

«Nun kommen Sie schon.»

«Ich hab doch gesagt, es ist nicht nötig», wiederholte sie mit Nachdruck. «Mit mir ist alles in Ordnung.»

In diesem Moment erblickte sie ihre Tasche - sie lag weit weg an einer Hauswand - und humpelte freudig auf sie zu, so als könne die Tasche sie beschützen und vor allen Widrigkeiten des heutigen Tages retten.

Gleich würde sie sie aufheben und ruhig nach Hause gehen, die Tür hinter sich zumachen, in die Badewanne steigen und im heißen Wasser sitzen, solange sie Lust hatte, und der Tag würde endlich zu Ende gehen.

Die Tasche war leer. Warwara drehte sie um und schüttelte sie, in der Erwartung, dass aus dem Inneren sogleich Pass, Geldbörse, Brille, der dicke Roman und das noch aus ihrer Schulzeit stammende Notizbuch mit dem flotten Prägedruck auf dem Umschlag - Hammer und Sichel - herauspurzeln würden.

«Na, Alte?», fragte der Fahrer spöttisch direkt neben ihrem Ohr. «Hamse dir die Rente geklaut? Auf dein Geld musst du eben besser aufpassen!»

«Und du solltest nach vorn gucken, wenn du am Steuer sitzt», sagte Warwara, ohne sich umzudrehen. Sie war den Tränen nahe und schluckte angestrengt, um sie zu vertreiben. «Auf die Straße musst du gucken, nicht Krähen zählen und den Mädels hinterherglotzen!»

«Alle Achtung!», rief der Mann beinahe entzückt. «Die hat ja Haare auf den Zähnen! Die lässt sich nichts gefallen!»

«Gib endlich Ruhe, Witja.»

Hinter ihr bewegte sich etwas. Sie schluckte ihre Tränen hinunter, schaute weiter angestrengt in ihre Tasche und wandte sich absichtlich nicht um. Jemand fasste sie energisch beim Ellbogen.

«Kommen Sie mit.»

«Ich komme nirgendwohin mit!»

«Kommen Sie. Ich fahre Sie nach Hause. Sie haben doch gar nichts mehr - kein Geld und keine Papiere.»

Mein Gott, wofür wurde sie eigentlich so gestraft?

«Entweihe den Namen Gottes nicht», pflegte Oma Nastja ärgerlich zu sagen. Sie trug tagein, tagaus ein weißes Kopftuch mit kleinen Pünktchen, ihr Gesicht war dunkel und streng. Warwara hatte Angst vor ihr. «Gott ist nicht Nachbars Ziege, ihn ruft man nicht so mir nichts, dir nichts, nur wenn es sehr nötig ist oder etwas ganz, ganz wichtig!»

«Nun seien Sie doch nicht so störrisch!», sagte die Stimme hinter ihr ärgerlich. «Steigen Sie ein, was stellen Sie sich so an!»

Ein Stoß in den Rücken, und Warwara kroch ungeschickt in das von warmem Licht erhellte Wageninnere. Hier zeigte sich, dass ihre Strumpfhose zerrissen war. An beiden Knien gähnten gleichmäßige runde Löcher wie Seen. Die schmutzige weiße Haut darunter sah in der gedämpften Beleuchtung beinahe unanständig aus, und Warwara bedeckte ihre Knie hastig mit den Mantelschößen.

Sobald ich zu Hause bin, nehme ich ein Bad, dachte sie.

Die Türen wurden zugeschlagen, und der Wagen setzte sich in Bewegung.

«Wo müssen Sie hin, Oma?»

«Tuchatschewski-Straße», sagte Warwara.

Es tat ihr schrecklich leid um das Geld, immerhin fast fünfhundert Rubel. Natürlich würde sie jetzt nicht Hungers sterben, aber es war kränkend.

«Warum gucken Sie denn nicht nach rechts und nach links, wenn Sie die Straße überqueren? Sie müssen besser aufpassen, besonders abends.»

«Ich passe ja auf», sagte Warwara böse. «Es war Ihr Chauffeur, der sonst wohin geguckt hat! Ich bin bei Grün über die Straße gegangen, auf dem Fußgängerüberweg!»

«Aber das Grün flackerte schon!», empörte sich der Chauffeur auf dem Vordersitz, überzeugt, dass er zu Unrecht beschuldigt wurde. «Die Alte ist selber schuld, sie will das jetzt bloß vertuschen. Ich hatte noch gar kein Tempo und bin erst angefahren, als die Ampel schon auf Rot umgesprungen war!»

«Ich weiß nichts von einer roten Ampel», parierte Warwara. «Ich bin jedenfalls bei Grün über die Straße gegangen, und Sie sind wie der Teufel gerast! Ja, und hinter mir kamen noch ganze Scharen von Leuten, das haben Sie doch gesehen!»

«Weil es nur noch Trottel gibt! Wenn die Ampel flackert, muss man stehen bleiben. Ste-hen blei-ben! Aber ihr trampelt einfach weiter, wie eine Hammelherde! Mein Gott, Fußgänger in Moskau!»

«Witja!»

Der Chauffeur blickte in den Rückspiegel, bewegte noch ein Weilchen die Lippen, als könne er nicht auf der Stelle verstummen, und brummte dann: «Entschuldigung, Iwan Alexandrowitsch.»

Iwan Alexandrowitsch, den Warwara noch gar nicht genauer angesehen hatte, rückte ein wenig zu ihr herüber und bot ihr einigermaßen teilnahmsvoll an: «Vielleicht sollten wir Sie doch besser zur Ambulanz bringen? Was haben Sie da ... tut das weh?»

Er fürchtet, ich könnte recht haben, dachte Warwara. Selbst hat er natürlich nicht nach draußen geschaut und weiß jetzt nicht, wem er glauben soll, mir oder seinem Chauffeur.

«Alles in Ordnung», sagte sie, während sie sich das Tuch vom Kopf zog. «Nur Hautabschürfungen und zerrissene Strümpfe. In der Ambulanz bekommt man keine neuen Strümpfe, und Jod habe ich selbst zu Hause.»

Und dabei schaute sie ihn endlich an.

Er hatte kurz geschnittenes dunkles Haar, war nicht dick, aber sehr kräftig gebaut. Große Hände, ein starker, von der Krawatte eingeschnürter Hals. Augen, die durch die dichten dunklen Wimpern wie schwarz umrandet wirkten.

Er blickte sie ebenfalls eine Weile aufmerksam an. Die Farbe seiner Augen konnte Warwara nicht erkennen.

«Entschuldigen Sie», brummte er und wandte sich wieder ab. «Ich dachte, Sie seien eine Oma.»

«Ich bin keine Oma», erklärte Warwara. «Aber vielleicht werde ich es in einiger Zeit mal sein.»

Der Chauffeur glotzte sie im Rückspiegel an und traute offensichtlich seinen Augen nicht. Die plötzliche Verjüngung Warwaras verwirrte ihn völlig.

«Ich hab gedacht», sagte er plötzlich, «Kopftuch, Handtasche, Mantel ... ´ne alte Schachtel, was sonst ...»

«Witja!»

«Entschuldigen Sie, Iwan Alexandrowitsch ...»

«Umso unverzeihlicher», fuhr Iwan Alexandrowitsch aufgebracht fort. «Sie sehen also vermutlich ganz gut, Ihre Beine sind in Ordnung, was haben Sie dann auf der Fahrbahn zu suchen!»

«Nichts habe ich gesucht. Ich habe die Straße überquert.»

«Ja, ich hab´s gehört. Bei Grün. Trotzdem müssen Sie nach rechts und links sehen, wenn Sie nicht wollen, dass man Sie überfährt!»

«Das sagen Sie mal Ihrem Chauffeur! Ich will bestimmt nicht überfahren werden, aber wieso rast er einfach in die Leute hinein?! Mit mir zusammen sind noch viele andere über die Straße gegangen!»

«Aber merkwürdigerweise sind ausgerechnet Sie uns vors Auto gelaufen! Alle anderen sind wohlbehalten hinübergekommen, nur Sie kommen unter die Räder!»

«Weil er mich angefahren hat und ich gestürzt bin! Und meine Tasche ist weggeflogen, und alles hat man mir geklaut!»

«Ja», sagte Iwan Alexandrowitsch ganz ruhig. «Das ist schlimm. Schade um die Tasche. Was war drin? Geld? Papiere?»

«Geld, Papiere, alles Mögliche!»

«Viel Geld?»

«Allerdings», fauchte Warwara wütend. «Fünfhundert Rubel.»

Und plötzlich tat es ihr so leid um diese fünfhundert Rubel, um sich selbst, um ihren Pass mit dem ausnahmsweise einmal gut getroffenen Foto darin und sogar um den Krimi, den sie gerade erst angefangen hatte, dass sie laut zu weinen begann, die Hände vors Gesicht geschlagen...
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Autor

Tatjana Ustinowa, geboren 1968, studierte Aerodynamik am renommierten Moskauer Physikalisch-Technischen Institut und arbeitete danach beim Fernsehen. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht - mit Millionenauflagen.