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Der Zauber eines Sommers

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am15.04.2019
Wilde Landschaft, wunderschöne Küsten und ein folgenreiches Wiedersehen ...
Sommer, das ist die Zeit der Freiheit und des schwerelosen Glücks. Nicht so für Giulia und Lorenzo, denn die beiden müssen zwei lange Monate in Maratea verbringen, der Heimat ihrer Mutter, zu der sie keinerlei Bezug haben. Doch selbst sie bleiben nicht unberührt vom Zauber des Südens und der traumschönen Landschaft, wo wilde Lakritze wuchert und das tiefe Purpur des Oleanders leuchtet. Aber auch hier, mitten im Paradies, warten dunkle Erinnerungen, die von einer Liebe erzählen, die vor vielen Jahren drei Schwestern entzweit hat ...

Francesca Barra wurde in Policoro, einem Ort in der Provinz Matera, geboren. Sie arbeitet als Drehbuchautorin und freie Journalistin für Film, Fernsehen und Radio sowie für diverse Printmedien. Ein italienischer Sommer ist ihr erster Roman auf Deutsch.
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Produkt

KlappentextWilde Landschaft, wunderschöne Küsten und ein folgenreiches Wiedersehen ...
Sommer, das ist die Zeit der Freiheit und des schwerelosen Glücks. Nicht so für Giulia und Lorenzo, denn die beiden müssen zwei lange Monate in Maratea verbringen, der Heimat ihrer Mutter, zu der sie keinerlei Bezug haben. Doch selbst sie bleiben nicht unberührt vom Zauber des Südens und der traumschönen Landschaft, wo wilde Lakritze wuchert und das tiefe Purpur des Oleanders leuchtet. Aber auch hier, mitten im Paradies, warten dunkle Erinnerungen, die von einer Liebe erzählen, die vor vielen Jahren drei Schwestern entzweit hat ...

Francesca Barra wurde in Policoro, einem Ort in der Provinz Matera, geboren. Sie arbeitet als Drehbuchautorin und freie Journalistin für Film, Fernsehen und Radio sowie für diverse Printmedien. Ein italienischer Sommer ist ihr erster Roman auf Deutsch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641222505
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum15.04.2019
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2993 Kbytes
Artikel-Nr.4024484
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Rossella
1

Wann wir aufgehört haben, glücklich zu sein, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich genau, dass die Zeit des Glücks unsere Kindheit war.

Damals riefen die Mütter die Namen ihrer Kinder bei jeder Gelegenheit, wenn sie etwas von ihnen wollten, laut aus den Fenstern oder zur Haustür hinaus. Meist klangen ihre Stimmen nicht gerade liebevoll, sie hörten sich eher nach einem Alarm der Feuerwehrsirenen an. Man fasste den Nachwuchs nicht mit Samthandschuhen an wie heute üblich.

Bereits am Tonfall hörte man, was sie von einem wollten. Sollte man so langsam nach Hause kommen, wurde der letzte Vokal unendlich lang gezogen: »Rossellaaaaaaaaaa.« Wurde hingegen jede Silbe knapp und kurz betont, als ob jemand einem auf die Schulter klopfte wie bei »Ros-se-lla«, dann war es ernst. Das war unumstößlich, da galt es keine Zeit mehr zu verlieren, und es war zwecklos, um Aufschub zu bitten. Musste man hingegen rasch zwischendurch etwas erledigen und durfte anschließend wieder zum Spielen zurück, lag der Akzent auf dem zweiten Vokal: »Rossè.«

Im letzten Fall wollte unsere Mutter Anna meist, dass wir in den Kurzwarenladen liefen, um einen Knopf zu besorgen, der ihr gerade fehlte, oder Garn, denn Mama war Schneiderin, die einzige Maßschneiderin in der Gegend. Manchmal schickte sie uns auch irgendwelche Lebensmittel kaufen. Solche Gänge erledigten wir besonders gerne, denn als Lohn winkten uns drei Bonbons. Eins für mich, eins für Beatrice und eins für Ida. Wir wickelten sie gleichzeitig aus, erfreuten uns an dem knisternden Geräusch des Papiers, das an das Plätschern des Regens erinnerte.

Allerdings waren wir weitgehend Selbstversorger. Wir hatten außerhalb des Dorfes ein Feld, das früher zum Bauernhof unserer Großeltern gehört hatte und das meine Eltern nach dem Tod des Großvaters behalten hatten. Dort standen jede Menge Obstbäume und -sträucher, dort wurde Gemüse angebaut, und dort hielten wir Hühner. Das Brot buken wir zu Hause, die Pasta machte unsere Mutter selbst. So war es damals üblich.

Eine besondere Attraktion war für uns Kinder der Markt, der alle zwei Wochen sonntags stattfand und auf dem man allerlei Trödel kaufen und verkaufen konnte. Wir taten Letzteres.

Auf einer kleinen wackeligen, weil dreibeinigen Kommode, die wir auf die Straße vors Haus schleppten, ordneten wir unsere Schätze an. Gerne hätten wir einen ordentlichen Tisch gehabt, aber Sachen, die noch im Gebrauch waren, durften wir nicht benutzen. Zu sehr fürchtete unsere Mutter, dass wir etwas kaputt machten.

Nicht einmal in der Wohnung war es uns erlaubt, etwas anzufassen. »Vorsicht, bleibt da weg«, hieß es ständig, außer wir mussten Staub wischen. Dann war das Verbot aufgehoben.

Dabei gab es so viele interessante Dinge zu bestaunen. Auf unseren Möbeln türmte sich Nippes aller Art: Bonbonnieren von Taufen und Kommunionfeiern, verschiedene Engel und Glöckchen, die auf Spitzen- und Klöppeldeckchen standen und vieles andere mehr. Die Aussteuer der Bräute aus mehreren Generationen schien dort versammelt, bewacht von streng blickenden Menschen auf alten Familienfotos, an deren Namen sich kaum jemand erinnerte, vor allem wir Kinder nicht.

Signora Maria, die Lehrerin, die ein paar Häuser weiter die Straße hinauf wohnte, war da ganz anders, viel lockerer und großzügiger als unsere Mutter. Sie erlaubte ihrer Tochter Antonella sogar, an den Markttagen einen ordentlichen Tisch mit einer schönen weiß lackierten Holzbank davor aufzubauen. Mit dem Resultat, dass ihr Verhalten sofort von den Dorffrauen kritisiert wurde.

»Hoffentlich macht sie die Bank wenigstens sauber, bevor sie sie wieder ins Haus zurückstellt.«

»Was willst du eigentlich? Sie ist eine aus der Stadt und wird andere Gewohnheiten haben.«

»Sauberkeit bleibt Sauberkeit, das ist auf der ganzen Welt so.«

»Warst du schon mal bei ihr zu Hause? Sie hat immer die Rollläden offen - wie viel Staub da reinkommt.«

»Nein, ich war noch nie bei ihr, mir fällt bloß auf, dass sie keine Gardinen an den Fenstern hat. Nicht einen einzigen Vorhang, stell dir das vor. Angeblich hat sie es gerne hell.«

»Licht bringt Hitze und Staub mit sich. Himmel Herrgott, das weiß schließlich jeder. Außer ihr anscheinend.«

»Vielleicht macht sie das ja, weil sie die Hausaufgaben lesen und korrigieren und viel schreiben muss«, fügte eine andere Nachbarin hinzu, die etwas toleranter war.

»Ach, die Glückliche, sie hat Zeit zum Lesen! Kein Wunder, sie muss sich ja nur um ein Kind kümmern.«

Ich fand es immer gemein, dass alle so abfällig über eine Frau sprachen, die ich insgeheim sehr bewunderte, und ihre Verachtung auch Antonella spüren ließen.

»Los. Nimm das!«, sagte meine Schwester und riss mich aus meinen Gedanken.

Sie drückte mir ein paar Umlegekragen und diverse Haarreifen in die Hand, die mit Satin überzogen und mit Perlen besetzt waren und die ich nicht trug, weil sie mir hinter den Ohren zwickten. Zu meinem Ärger bestand Mama hartnäckig darauf, dass ich sie trotzdem aufsetzte, damit ich einigermaßen ordentlich aussah. Deshalb tat ich alles, um mich ihrer zu entledigen, indem ich sie verbog, zerbrach oder sie, wie jetzt, zu verkaufen suchte. So viel zum Thema Haarreifen.

Bei den Kragen handelte es sich um eine Erfindung unserer Mutter. Sie waren Teil der Schuluniform und wurden ausgetauscht, sobald sie verschwitzt oder verkleckert waren. Auf diese Weise brauchte man die Kittelschürzen nicht so häufig zu waschen wie die mit fest angenähtem Kragen. Inzwischen hatte sich daraus ein kleines Geschäft entwickelt. Die einfachen weißen Modelle verkaufte Mama für zweitausend Lire, die mit Blumen oder Bienen bestickten kosteten fünfhundert Lire mehr. Wenn sie entdeckt hätte, dass Ida sie auf dem Markt unter der Hand für tausend Lire verscherbelte, hätte sie meine Schwester mit einem Pantoffel auf den Kirchturm gejagt und anschließend verprügelt.

»Du bist verrückt ... Wenn Mama das merkt, blüht dir was«, mahnte ich sie oft.

Ida zuckte die Schulter. »Vielleicht kapiert sie dann endlich, wie peinlich es ist, dass wir keinen richtigen Tisch haben. Mit irgendwas müssen wir ja von diesem ärmlichen Stand ablenken.«

Und tatsächlich wurden uns die Kragen beinahe aus der Hand gerissen.

»Weiß eure Mutter eigentlich, dass ihr die hier verkauft?«, fragte uns hin und wieder eine Nachbarin, die ahnte, dass dieses Sonderangebot nicht in Signora Annas Sinn war.

»Natürlich«, pflegten wir lächelnd in der Gewissheit zu antworten, dass unsere Mutter viel zu sehr mit ihrer Näherei beschäftigt war, um sich um unsere Verkäufe zu kümmern. Erst wenn das Rattern der Maschine verstummte und ein Kontrollgang drohte, versteckten wir die Kragen rasch.

Ein weiterer Verkaufsschlager war die selbst gemachte Limonade unserer Großmutter, die wir in Plastikbechern ausschenkten. Zwar wurde sie schnell wässrig, weil wir immer neues Eis zugeben mussten, aber in der feuchten Sommerhitze, die in unserem nach Süden gerichteten Bergdorf herrschte, störte das niemanden, zumal die Bar des Ortes ein gutes Stück bergauf lag. Und das war es niemandem in der Sonnenglut wert.

Übrigens war meine Großmutter ein fester Bestandteil unserer Markttage. Unbeweglich saß sie, mit einem Taschentuch über dem Kopf, vor dem Haus in ihrem Korbstuhl und wirkte mehr tot als lebendig.

Nach dem Tod des Großvaters hatte sie ihre Kleider mit Tinte in Töpfen über dem Herdfeuer schwarz gefärbt, um fortan Trauer zu tragen. Allen anderen Farben hatte sie auf ewig abgeschworen, desgleichen jedem Lächeln in der Öffentlichkeit. Selbst die Schürzen über den knöchellangen Tuchröcken, die sie sommers wie winters trug, waren schwarz wie die Nacht. In der großen, rechteckigen Tasche hatte sie früher, als sie noch mit ihrem Mann auf dem eigenen Bauernhof lebte, den schweren Schlüsselbund für Haus und Stall verwahrt, der jetzt wie eine Reliquie in ihrem Zimmer neben dem kleinen Bild der Madonna della Stella sowie dem Foto ihres Heimatorts San Costantino Albanese und einigen Pappmascheepuppen hing, einer Erinnerung an das Nusazit-Fest, das man in ihrem Dorf gefeiert hatte. Inzwischen befanden sich in der Schürzentasche lediglich ein großes Stofftaschentuch und ein Kartenspiel.

Traditionen wurden in unserer Familie hochgehalten. Von allen außer von Beatrice, die sich nicht dafür interessierte. Genauso wenig wie für die Geschichten, die Großmutter uns wieder und wieder erzählte. Meine mittlere Schwester lebte nämlich von Kindheit an in der ständigen Erwartung, endlich aus der Enge unseres Dorfes befreit zu werden. Deshalb kam ihr alles, was mit der Vergangenheit und mit Erinnerungen zu tun hatte, verstaubt und überholt vor, war nichts als lästiger, überflüssiger Ballast für sie.

»Du kritisierst alles und jeden, schaust zu viel fern und träumst von einem besseren Leben in einer großen Stadt. Das ist es, was dir im Kopf herumspukt«, hielt ich ihr manchmal vor.

Darüber hinaus war Beatrice die einzige von uns Schwestern, der es peinlich war, auf dem Markt zu verkaufen. Im Grunde schämte sie sich für alles: für die schäbige Kommode, die uns als Stand diente, für die altmodische Großmutter, die wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit wirkte, und sogar für unsere Mutter, weil sie als Schneiderin für andere arbeitete, statt sich selbst und uns auszustaffieren. Ein steter Stein des Anstoßes war für Bea überdies, dass sie die abgelegten Kleider ihrer älteren Schwester tragen musste. Nicht unbedingt weil sie hässlich gewesen wären, sondern weil sie ihr nicht wirklich passten, denn sie war ein ganz anderer Typ und hatte einen völlig anderen Körperbau.

Ida, die Älteste von uns dreien, wies mit ihren fast zwölf...

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Francesca Barra wurde in Policoro, einem Ort in der Provinz Matera, geboren. Sie arbeitet als Drehbuchautorin und freie Journalistin für Film, Fernsehen und Radio sowie für diverse Printmedien. Ein italienischer Sommer ist ihr erster Roman auf Deutsch.