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Ein italienischer Sommer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am17.04.2017Deutsche Erstausgabe
Caterina kann es nicht erwarten, der Enge ihrer Heimatstadt Matera zu entkommen und endlich etwas von der Welt zu sehen. Ihre Reise führt sie nach Rom, wo sie Pietro kennenlernt, für den sie schon bald mehr als nur Freundschaft empfindet. Immer mit dabei ist das Rezeptbuch ihrer Großmutter, das Caterina keinen Moment unbeaufsichtigt lässt, denn es enthält alles, woran sie sich so gerne erinnert - die Düfte ihrer Kindheit, das Gefühl eines nie endenden Sommers, glückliche Stunden in der heimeligen Küche. Als ihre Großmutter überraschend stirbt und ihr ein altes Strandhaus hinterlässt, muss Caterina eine folgenschwere Entscheidung treffen ...

Francesca Barra wurde in Policoro, einem Ort in der Provinz Matera, geboren. Sie arbeitet als Drehbuchautorin und freie Journalistin für Film, Fernsehen und Radio sowie für diverse Printmedien. Ein italienischer Sommer ist ihr erster Roman auf Deutsch.
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Produkt

KlappentextCaterina kann es nicht erwarten, der Enge ihrer Heimatstadt Matera zu entkommen und endlich etwas von der Welt zu sehen. Ihre Reise führt sie nach Rom, wo sie Pietro kennenlernt, für den sie schon bald mehr als nur Freundschaft empfindet. Immer mit dabei ist das Rezeptbuch ihrer Großmutter, das Caterina keinen Moment unbeaufsichtigt lässt, denn es enthält alles, woran sie sich so gerne erinnert - die Düfte ihrer Kindheit, das Gefühl eines nie endenden Sommers, glückliche Stunden in der heimeligen Küche. Als ihre Großmutter überraschend stirbt und ihr ein altes Strandhaus hinterlässt, muss Caterina eine folgenschwere Entscheidung treffen ...

Francesca Barra wurde in Policoro, einem Ort in der Provinz Matera, geboren. Sie arbeitet als Drehbuchautorin und freie Journalistin für Film, Fernsehen und Radio sowie für diverse Printmedien. Ein italienischer Sommer ist ihr erster Roman auf Deutsch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641184537
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum17.04.2017
AuflageDeutsche Erstausgabe
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse921 Kbytes
Artikel-Nr.2151437
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2. TERESA

Die Puppe an der Wäscheleine

Domenico, den alle nur Don Mimì nannten, war zehn Jahre älter als ich. Als er mich zum ersten Mal ansprach, spielte ich noch mit meiner Stoffpuppe an einem Brunnen, der zum Grundstück seiner Familie in Torremozza gehörte, einem Örtchen am Meer kurz vor Policoro, das nach der Trockenlegung aufgeblüht war.

Wir wohnten schon eine ganze Weile hier, seit der Evakuierung aus den Sassi di Matera und einer kurzen Zwischenstation in den ärmlichen Hütten von Policoro.

Nach einem Jahr richtete Domenico zum ersten Mal das Wort an mich. Und es war eine ziemlich lustige Situation. Ich stand mit einem Bindfadenknäuel in der Hand da und versuchte, eine Wäscheleine zu spannen, um die Schürze meiner Stoffpuppe zum Trocknen aufzuhängen. Das eine Ende hatte ich bereits befestigt, wusste nun aber nicht weiter. Leise vor sich hin brummelnd kam Domenico heran und pinnte mühelos die Schnur mit einem Nägelchen an einen Baumstamm. Es war nicht schwer gewesen, und ich fand es nett von ihm.

»Wofür brauchst du die?«

Stimmt, wofür eigentlich? Wie sollte ich ihm gestehen, dass ich seine Zeit für eine Puppe gestohlen hatte, aus einer Laune heraus. Also blickte ich zu Boden und versteckte die Puppe hinter meinem Rücken. Er lächelte mich an und zeigte mir seine weißen, vollkommenen Zähne, wie ich noch nie welche gesehen hatte. Er begriff alles auf der Stelle, auch meine Verlegenheit. Um sie mir zu nehmen, tat er so, als hätte er die Puppe gar nicht gesehen.

»Du hast da was«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf meine Lippen.

Ich streckte die Zunge heraus und ärgerte mich sofort über mich und meine schlechten Manieren. Mit dem Handrücken machte ich alles noch schlimmer und rannte schließlich davon. Meine Mutter hatte zu Mittag Falaoni lucani gemacht, die ich mir im Laufen in den Mund geschoben und mit denen ich mich bekleckert hatte, ohne es zu merken.

»Es gibt nichts Schlimmeres als ein unachtsames Schleckermäulchen«, hatte Mamma mir hinterhergerufen, bevor ich verschwunden war.

Dank Don Mimì wurde ich schlagartig älter. Ich setzte meine Puppe zwar gut sichtbar auf meine Kommode, nahm sie aber nie mehr zum Spielen mit nach draußen.

Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, unsichtbar für ihn zu sein. Doch scheinbar nicht unsichtbar genug, um in ihm nicht die Neugierde und den Wunsch zu wecken herauszufinden, was aus mir in ein paar Jahren werden würde.

Dies war die erste Begegnung mit dem Mann, der einmal mein Ehemann werden sollte; im Garten seines Elternhauses, der mir riesig vorkam gemessen an dem, was ich gewohnt war. Doch nach den Grotten von Matera kam mir ohnehin jedes Haus wie der Palast eines Königs vor. Selbst die elenden Hütten in Policoro hatten mir gefallen, obwohl sie winzig waren. Ich dachte, ich würde mein Leben lang so wohnen, in einem Zimmer mit meinen Eltern: in diesen niedrigen Häuschen, am Fuße des Schlosses von Baron Berlingieri, über den immer alle redeten und vor dem ich ein wenig Angst hatte.

»Hat ihn denn schon mal jemand gesehen? Gibt es ihn überhaupt?«, fragte man sich.

Die einen beschrieben ihn als eine Art Weihnachtsmann, andere als ein dreiköpfiges Monster. Wieder jemand verglich ihn mit einem Kinohelden. Und noch andere sagten über ihn: »Ein großer Schürzenjäger und Freibeuter, das ist dieser Baron.«

Aber zu Gesicht bekam ich ihn nie.

Was ich an der Hütte so gar nicht ertrug, war das Geräusch, das die mit Maisblättern gefüllten Matratzen schon bei der kleinsten Bewegung machten, so dass ich davon aufwachte. Ich hatte einen leichten Schlaf und es klang, als prasselte der Regen auf die Matratze. Jede Nacht.

Doch manches war auch besser als in den Sassi. Endlich hatten wir ein Badezimmer und elektrisches Licht. Es gab eine Küche, die nicht in Tuffstein gehauen und rußgeschwärzt war. Endlich eine richtige Küche. Mit Herdplatten, einer Dunstabzugshaube und Schränken, in die man Pfannen und Töpfe einräumen konnte, damit sie nicht an wackeligen Nägeln an der Wand verstaubten.

Ein entfernter Cousin meiner Mutter war es gewesen, der meine Eltern nach der Räumung überredet hatte, nicht in den Wohnblöcken in Matera zu bleiben, sondern in ein Häuschen nach Policoro umzusiedeln. Und er war es auch, der eines Tages hereingestürmt kam mit dem Vorschlag, eine Arbeit auf dem Hof des Cavaliere Terranova anzunehmen, Don Mimìs Vater. Wir würden ans Meer ziehen, für mich ein reines Gottesgeschenk.

»Dann hat es wenigstens einen Sinn, dass wir Matera verlassen haben, denn ich liebe das Meer!«, hatte ich meiner Puppe verraten.

Obwohl ich es noch nie gesehen hatte. Das Meer war mir einfach vertraut.

Mein drittes Leben sollte nun also in Torremozza stattfinden, in einem weißen Bauernhaus mit unverputzten Schmuckziegeln unweit der Ställe. Dort hatte man Unterkünfte für Gäste und die Dienerschaft eingerichtet. Der zentrale Platz war von einem Säulengang gesäumt, an dem sich Bouganvilleen entlangrankten. Doch das umliegende Terrain war sonnenverbrannt, verwildert und staubig und schrie geradezu danach, gezähmt zu werden, und genau dafür suchten die Gutsbesitzer nun einen Gärtner.

Im Rücken des Besitzes thronte wie zur Wache ein Turm aus dem sechzehnten Jahrhundert, der wie so viele in der Gegend zur Verteidigung des Königreiches entlang der Küste erbaut worden war. Seinetwegen hieß der Bezirk auch Torremozza, der abgeschlagene Turm.

Der Cavaliere stammte ursprünglich aus Sant´Arcangelo. Er war von der Regierung damit beauftragt worden, die Grundstücke des Amts für Bodenreform zu verteilen. Kraft seines Amtes erlangte er binnen kürzester Zeit Zutritt zu den Eliten des Dorfes und hielt sich auch lange dort. Er war ein drahtiger Mann mittleren Alters mit einem etwas plumpen Gang, der, wo er ging und stand, einen Hauch von Aftershave zurückließ. Und er war wie besessen von Hosenträgern. Er liebte sie. Niemand hatte ihn je ohne gesehen. Im Mund die Pfeife, eine Hand unter den rechten Hosenträger geklemmt, immer etwas gesetzt aufgrund seiner Stellung, und dazu der Geruch von Gewürznelken. Er redete nicht viel. Er kaute lieber Tabak. Und wenn er doch sprach, verstand man ihn nur anhand seiner Mimik.

Über siebenhundert Höfe waren bereits zugeteilt worden, und viele Familien aus der ganzen Provinz zogen hierher, um ein paar Hektar Land zu beackern. Unter den zugeteilten Bauernhäusern war auch das des Cavaliere. Das größte.

Anfangs zählte das Dorf kaum mehr als achthundert Einwohner, doch die Zahl verdoppelte sich mit jedem Jahr. Policoro wurde eine eigenständige Gemeinde und damit eine Baustelle. Durch die Trockenlegungen starb niemand mehr an Malaria, und wir würden nicht weit vom Meer entfernt wohnen.

Als Allererstes, noch bevor ich den Pappkarton mit meinen wenigen Habseligkeiten auspackte, erkundigte ich mich, wie man zu dieser großen blauen Fläche kam: Ich musste das ganze Grundstück überqueren, ein Gatter öffnen, das normalerweise mit einem einfachen Draht verschlossen war, und dann einem schmalen Pfad zwischen Agaven und Wildwuchs hindurch folgen. Nach etwa zwei Kilometern lag das Meer vor mir. Es war als hätte man einen Privatstrand, denn diese Seite des Dorfes war ziemlich ungepflegt und halbwegs abgelegen.

Das genügte mir, um mich wie eine Königin zu fühlen. Die Königin von Torremozza. Ich glaubte felsenfest daran, dass sich meine Geschichte irgendwann in die einer Königin verwandeln würde.

»Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg«, sagte meine Mutter Bernardina immer.

Papà bereute die Entscheidung am meisten. Er musste sein Talent für das Töpfern ruhen lassen und sich ganz diesem heruntergekommenen Garten widmen und außerdem zur Ernte auf den Feldern helfen. Mamma kümmerte sich um den Haushalt. Vor allem ums Kochen. Signora Damiana, die Gattin des Cavaliere Terranova, war untauglich am Herd, doch anstatt ihr Unvermögen zuzugeben, brüstete sie sich regelmäßig mit den von meiner Mutter zubereiteten Speisen.

Ich hatte ein eigenes Zimmer und, was noch besser war, eine Wollmatratze. Endlich konnte ich schlafen, ohne mich wie in einem Hagelsturm zu fühlen.

Ich war glücklich in Torremozza, auch weil es hier Don Mimì gab.

Jahre nach unserer ersten, peinlichen Begegnung wurde ich in den Salon seiner Eltern gerufen. Meine zukünftigen Schwiegereltern waren in Tränen aufgelöst.

»Was hab ich getan?«, fragte ich.

Monatelang hatte er ihrem Willen getrotzt. Er wollte mich heiraten, mit oder ohne ihren Segen, und berief sich sogar auf die Willensfreiheit, was sie zutiefst verwirrte. Er war gebildet, las viel und verteidigte sich unter Ausnutzung ihrer beschränkten intellektuellen und logischen Fähigkeiten mit Begriffen, deren Bedeutung sie nicht einmal kannten. Was hieß denn bitte schön »Liberum Arbitrium«?

Doch an diesem Punkt weinten sie bereits. Und ich auch, denn ich hatte Angst. Vor dem offiziellen Heiratsantrag, vor den erschrockenen Gesichtern meiner Eltern, die, sollte ich Nein sagen, schnurstracks auf der Straße sitzen würden, und vor den zukünftigen Schwiegereltern, die mir mit ihren Blicken alles Übel dieser Welt an den Hals wünschten. Ihr Leben lang würden sie sich für das rechtfertigen und schämen müssen, was wie eine Zwangsehe aussah. Auch der Himmel hatte sich dunkel verhüllt und weinte an diesem Nachmittag eines alltäglichen Tages.

»Aber ihr müsst mindestens ein Jahr warten, bevor ihr Kinder bekommt«, sagte meine Schwiegermutter und ließ mich nicht aus den Augen.

»Kinder?«, war das Einzige, was mir daraufhin einfiel.

»Tèn la...

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