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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.11.2019
Moskau, 1946: Im Büro eines literarischen Magazins begegnen sich der gefeierte Schriftsteller Boris Pasternak und die mehr als 20 Jahre jüngere Olga Ivinskaya. Es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung zwischen dem verheirateten Autor und der schönen Witwe, die bis zu Pasternaks Tod währen soll. Doch Olga zahlt einen hohen Preis: Stalins Schergen verbannen sie zweimal in den sibirischen Gulag, und auch Pasternaks Familie setzt alles daran, den Dichter von seiner Geliebten und Muse fernzuhalten. Basierend auf Archivmaterial und Quellen aus Familienbesitz erzählt die Großnichte des Literaturnobelpreiträgers die Lebensgeschichte der Frau, die Pasternak zu Lara in Doktor Schiwago inspirierte.


Anna Pasternak ist Journalistin und Schriftstellerin. Sie entstammt der berühmten Pasternak-Familie und ist die Großnichte von Literaturnobelpreisträger Boris Pasternak. Anna Pasternak lebt mit ihrem Mann in Oxfordshire im Süden Englands.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextMoskau, 1946: Im Büro eines literarischen Magazins begegnen sich der gefeierte Schriftsteller Boris Pasternak und die mehr als 20 Jahre jüngere Olga Ivinskaya. Es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung zwischen dem verheirateten Autor und der schönen Witwe, die bis zu Pasternaks Tod währen soll. Doch Olga zahlt einen hohen Preis: Stalins Schergen verbannen sie zweimal in den sibirischen Gulag, und auch Pasternaks Familie setzt alles daran, den Dichter von seiner Geliebten und Muse fernzuhalten. Basierend auf Archivmaterial und Quellen aus Familienbesitz erzählt die Großnichte des Literaturnobelpreiträgers die Lebensgeschichte der Frau, die Pasternak zu Lara in Doktor Schiwago inspirierte.


Anna Pasternak ist Journalistin und Schriftstellerin. Sie entstammt der berühmten Pasternak-Familie und ist die Großnichte von Literaturnobelpreisträger Boris Pasternak. Anna Pasternak lebt mit ihrem Mann in Oxfordshire im Süden Englands.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641186432
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum11.11.2019
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9974 Kbytes
Illustrationen16 Seiten farbiger Bildteil
Artikel-Nr.4024729
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


PROLOG

Spinnennetze entwirren

Gemessen an den heute geltenden Standards ist es fast unmöglich, den Grad der Berühmtheit nachzuvollziehen, den Boris Pasternak von den 1920er Jahren an in Russland genoss. Pasternak mag in der westlichen Welt als Verfasser des Liebesromans Doktor Schiwago, für den er den Nobelpreis erhalten hat, weltberühmt sein, in Russland hingegen ist er in erster Linie als Lyriker bekannt und wird dafür noch heute gefeiert. 1890 geboren, wuchs sein Ruhm mit Anfang dreißig sprunghaft an; bald füllte Pasternak große Vortragssäle mit jungen Studenten, Revolutionären und Künstlern, die zusammenkamen, um die Lesungen seiner Gedichte zu hören. Wenn er eine Kunstpause einlegte oder einen Hänger hatte, brüllte das ganze Publikum - ähnlich wie heutzutage bei Popkonzerten - die nächste Zeile seines Gedichtes im Chor.

»In Russland gab es einen sehr realen Kontakt zwischen dem Dichter und dem Publikum, viel intensiver als irgendwo sonst in Europa«, schrieb Boris´ Schwester Lydia über diese Zeit, »ganz bestimmt aber viel unmittelbarer, als man sich das in England vorstellen kann. Gedichtbände wurden in enormen Auflagen gedruckt und waren innerhalb weniger Tage nach Erscheinen ausverkauft. Überall in der Stadt hingen Plakate, die Lyrikabende ankündigten, und alle, die sich für Lyrik interessierten (und wer in Russland tat das nicht), strömten scharenweise in die Vortragssäle oder Theater, um ihre Lieblingsdichter zu hören.«1 Schriftsteller waren in der russischen Gesellschaft ungemein einflussreich. Während dieser unruhigen Jahre gab es keine glaubwürdigen Politiker, und so orientierte sich die Öffentlichkeit an ihren Schriftstellern. Literaturzeitschriften waren mächtige Instrumente für politische Meinungsmache. Boris Pasternak war nicht nur ein populärer Poet, der für seinen Mut und seine Aufrichtigkeit hochgeschätzt wurde. Eine ganze Nation verehrte ihn wegen seiner furchtlosen Stimme.

Schon in frühen Jahren wollte Pasternak einen großen Roman schreiben. Seinem Vater Leonid gestand er 1934: »Nichts von dem, was ich geschrieben habe, existiert ... und jetzt verwandle ich mich schnell in einen Prosaiker der Dickens´schen, und anschließend, wenn die Kräfte ausreichen, in einen Lyriker - der Puschkin´schen Richtung. Glaub nicht, ich wollte mich mit ihnen vergleichen. Ich nenne sie, um dir einen Begriff von meiner inneren Verwandlung zu geben.«2 Pasternak tat seine Lyrik als zu einfach zu schreiben ab. Mit seinem ersten, 1917 veröffentlichten Gedichtband Über die Barrieren hatte er schon frühzeitig unerwarteten Erfolg. Dieses Werk gehörte bald zu den einflussreichsten Sammlungen, die jemals in russischer Sprache veröffentlicht wurden. Die Kritik pries den biographischen und historischen Stoff und bewunderte die kontrastierenden lyrischen und epischen Eigenschaften des Bandes. A. Manfred, der für die Kniga I revoljucija (Das Buch und die Revolution) schrieb, beobachtete eine neue, »expressive Klarheit« und hoffnungsvolle Signale, dass der Schriftsteller »in die Revolution hineinwachsen«3 werde. Pasternaks zweite Sammlung von zweiundzwanzig Gedichten, Meine Schwester, das Leben, 1922 veröffentlicht, erntete eine noch nie dagewesene literarische Würdigung. Die hier verbreitete Jubelstimmung verzückte die Leser, vermittelte sie doch die Euphorie und den Optimismus des Sommers 1917. Pasternak schrieb4, dass die Februarrevolution5 wie »aus Versehen« stattgefunden habe, und alle sich plötzlich frei fühlten. Es war Boris´ »berühmtester Gedichtband«6, wie seine Schwester Lydia bemerkte. »Die kultiviertere jüngere Generation literarisch interessierter Russen riss sich um das Buch.« Sie fanden, dass er die feinfühligsten Liebesgedichte im Bann seiner ganz persönlichen Bildersprache schrieb. Nachdem der Dichter Ossip Mandelstam Meine Schwester, das Leben gelesen hatte, verkündete er: »Pasternaks Verse zu lesen heißt, sich zu räuspern, seine Atmung zu kräftigen, die Lungen zu füllen; mit solcher Poesie ließe sich Tuberkulose heilen. Keine Dichtung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesünder! Sie ist Kumys [vergorene Stutenmilch] verglichen mit Büchsenmilch.«7

»Die Gedichte meines Bruders sind ausnahmslos strikt rhythmisch und überwiegend im klassischen Versmaß gehalten«, schrieb Lydia später. »Pasternak hat wie Majakowski, der revolutionärste der russischen Dichter, niemals in seinem Leben eine einzige Zeile unrhythmischer Lyrik geschrieben, nicht, weil er sich etwa pedantisch an überholte Regeln klammerte, sondern weil ein instinktives Gefühl für Rhythmus und Harmonie in seiner Natur lag und er schlicht nicht anders schreiben konnte.«8 In einem Gedicht, das er kurz nach Erscheinen von Meine Schwester, das Leben schrieb, nahm Boris Abschied von der Lyrik. »Lebt wohl, meine Verse, meine Manie, ich habe eine Verabredung mit euch in einem Roman.«9 Und dennoch glorifizierte er das Schreiben von Prosa als zu schwierig. Doch unabhängig vom Genre verschmolz sein Werk die beiden Schreibformen miteinander. In seiner 1931 veröffentlichten Autobiographie Sicheres Geleit, einem manierierten Bericht über sein frühes Leben, seine Reisen und privaten Beziehungen, schrieb er: »Wir zerren den Alltag in die Prosa um der Poesie willen. Wir ziehen Prosa in die Poesie hinein um der Musik willen. So nannte ich in der weitesten Bedeutung des Wortes das Kunst ...«10

1935 sprach Pasternak erstmals von seiner Absicht, sein künstlerisches Potenzial mit einem monumentalen Roman zu krönen. Und meine Großmutter, seine jüngere Schwester Josephine Pasternak1, war die Erste, der er bei ihrem letzten Treffen am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin sein Vorhaben anvertraute. Boris erzählte Josephine, dass in seinem Kopf die Saat eines Buches keimte; eine große Liebesgeschichte mit Symbolcharakter, die in der Zeit nach der Russischen Revolution spielen sollte.

Doktor Schiwago basiert auf Boris Pasternaks Beziehung zu der Liebe seines Lebens, Olga Wsewolodowna Iwinskaja, welche die Muse für Lara, die temperamentvolle Heldin des Romans, werden sollte. In dessen Mittelpunkt steht die leidenschaftliche Liebe zwischen Juri Schiwago, einem Arzt und Lyriker (eine Reverenz an Anton Tschechow, der ebenfalls Arzt war), und der Heldin Lara Guichard, einer Krankenschwester. Ihre Liebe wird auf eine harte Probe gestellt, denn Juri ist ebenso wie Boris verheiratet. Juris praktisch veranlagte Ehefrau Tonja ist Boris´ zweiter Frau Sinaida Neuhaus nachempfunden. Juri Schiwago ist ein halbautobiographischer Held; es ist das Buch einer Kämpfernatur.

Doktor Schiwago wurde zwar millionenfach verkauft, doch die wahre Liebesgeschichte dahinter ist bislang noch nie ganz erforscht worden. Pasternaks Familie wie auch seine Biographen haben die Rolle der Olga Iwinskaja in Boris´ Leben konsequent kleingeredet. Olga wurde regelmäßig geringgeschätzt und als »abenteuerlustig«, als »Verführerin« und als raffgierige Frau verunglimpft, die im Leben des Mannes und bei der Entstehung seines Buches nur eine unbedeutende Nebenrolle gespielt hatte. Als Pasternak den Roman zu schreiben begann, kannte er Olga noch nicht. Das traumatische Erlebnis der Lara, die als Teenager vom viel älteren Viktor Komarowski vergewaltigt wurde, erinnert stark an Sinaidas Erlebnisse mit ihrem sexuell übergriffigen Cousin. Doch kaum hatte Boris Olga getroffen und sich in sie verliebt, veränderte sich auch seine Lara, blühte auf und entwickelte sich zu Olgas Ebenbild.

Früher waren sowohl Olga wie auch deren Tochter Irina bei meiner Familie schlecht angesehen. Die Pasternaks spielten bei jeder Gelegenheit Olgas Bedeutung in Boris´ Leben und seinen literarischen Errungenschaften herunter. Die Familie hatte eine derart hohe Meinung von Boris, dass die Tatsache, dass er zwei Ehefrauen - Evgenija und Sinaida - hatte und obendrein in aller Öffentlichkeit eine Geliebte, nicht mit ihrem starren Moralkodex zu vereinbaren war. Hätten sie Olgas Platz in Boris´ Leben und in seinem Herzen akzeptiert, hätten sie zwangsläufig auch seine moralische Fehlbarkeit einräumen müssen.

Kurz bevor Josephine Pasternak starb, sagte sie wutentbrannt zu mir: »Es ist eine Schnapsidee, dass diese ... Bekannte da überhaupt in Schiwago aufscheint.« Ihre Verachtung für »diese Verführerin« war tatsächlich so groß, dass sie sich standhaft weigerte, ihre Lippen mit deren Namen zu beschmutzen. Geblendet von der Verehrung für ihren Bruder, wollte sie der Wahrheit einfach nicht ins Auge sehen. Obwohl Boris in seinem letzten Brief an seine Schwester am 22. August 1958 schrieb, er hoffe, »mit Olga« in Russland zu reisen, und so den Stellenwert seiner Geliebten in seinem Leben unterstrich, weigerte Josephine sich, deren Existenz zur Kenntnis zu nehmen. Evgenij Pasternak, Boris´ Sohn aus erster Ehe, war da schon pragmatischer. Vielleicht mochte auch er Olga nicht, denn er ließ kaum Sympathien für sie erkennen, doch kam er mit der Situation deutlich besser zurecht. »Mein Vater hatte Glück, dass Lara ihn liebte«, sagte er mir 2012, kurz bevor er mit 89 Jahren starb. »Mein Vater brauchte sie. Er sagte immer: Lara existiert, also geh und besuch sie . Das war ein Kompliment.«

Erst 1946, als Boris 56 Jahre alt war, griff das Schicksal ein. Später schrieb er in Doktor Schiwago: »So hat der Sturm des...

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Autor

Anna Pasternak ist Journalistin und Schriftstellerin. Sie entstammt der berühmten Pasternak-Familie und ist die Großnichte von Literaturnobelpreisträger Boris Pasternak. Anna Pasternak lebt mit ihrem Mann in Oxfordshire im Süden Englands.