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Im Wald der Lügen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
464 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am12.08.2019
Wisconsin, USA, 1960. Angie führt eine glückliche Ehe mit Paul Glass. Doch ein einziger Anruf zerstört ihre heile Welt. Pauls Bruder Henry wurde tot im Wald gefunden, seine Frau Silja ist spurlos verschwunden. Sofort reisen Angie und Paul in das Haus am Waldrand, um ihrer Nichte Ruby beizustehen. Aber die Siebzehnjährige wirkt seltsam gefasst. Was geschah hinter der Fassade der glücklichen Familie? Trauert tatsächlich jeder um den toten Henry? Und kann Angie ihrem Mann vertrauen? Die Frauen der Familie Glass sind von dunklen Geheimnissen umgeben ...

Cynthia Swanson ist Designerin und Inneneinrichterin mit einer Leidenschaft fürs Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Denver, Colorado. Als ich erwachte ist ihr erster Roman.
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Produkt

KlappentextWisconsin, USA, 1960. Angie führt eine glückliche Ehe mit Paul Glass. Doch ein einziger Anruf zerstört ihre heile Welt. Pauls Bruder Henry wurde tot im Wald gefunden, seine Frau Silja ist spurlos verschwunden. Sofort reisen Angie und Paul in das Haus am Waldrand, um ihrer Nichte Ruby beizustehen. Aber die Siebzehnjährige wirkt seltsam gefasst. Was geschah hinter der Fassade der glücklichen Familie? Trauert tatsächlich jeder um den toten Henry? Und kann Angie ihrem Mann vertrauen? Die Frauen der Familie Glass sind von dunklen Geheimnissen umgeben ...

Cynthia Swanson ist Designerin und Inneneinrichterin mit einer Leidenschaft fürs Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Denver, Colorado. Als ich erwachte ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641221171
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum12.08.2019
Seiten464 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2772 Kbytes
Artikel-Nr.4024852
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


3

ANGIE

Ich legte PJ in sein Gitterbett, zog noch einmal die Überschuhe an und stürzte aus der Tür. So schnell wie möglich watete ich durch den matschigen Hof.

Meine Gedanken überschlugen sich, während ich begriff, was Ruby gesagt hatte. Selbstmord - wie furchtbar! Ich hatte keine Ahnung, wie ich die richtigen Worte finden sollte, um Paul diese Nachricht über seinen Bruder zu überbringen. Er würde am Boden zerstört sein.

Und Ruby! Was für eine Situation für ein junges Mädchen. Von der Mutter verlassen. Und auch vom Vater - offenbar mit gebrochenem Herzen, hatte er sich doch lieber umgebracht, als der Realität ins Auge zu sehen. Wie konnten Eltern ihrem Kind so etwas antun?

Ich dachte über den Kosenamen nach, bei dem ich Ruby genannt hatte, und wie sie auf einmal ganz schweigsam geworden war, als ich ihn aussprach. Süße. Das war das Kosewort, das ich für alle meine kleinen Nichten verwendete, und es war mir spontan herausgerutscht.

Doch Ruby war siebzehn, und ich war einundzwanzig. Ruby würde sich sicher nicht als meine Süße sehen. Ich hätte es besser wissen müssen.

Am Waldrand schlug ich den Weg zu Pauls Atelier ein und folgte dem breiten, schlammigen Pfad. Gesprenkelter Sonnenschein fiel durch die schmalen Baumgruppen von Zedern und Birken auf meine Schultern. Nach der intensiven Abholzung Ende des neunzehnten Jahrhunderts wuchsen in den Wäldern von Wisconsins Halbinsel Door County erst langsam wieder ältere Bäume heran. Der spärliche Wald hatte die eigenartige Wirkung, mich gleichzeitig einzuhüllen und den Blicken preiszugeben.

Das Grundstück - zwei Morgen an einer Schotterstraße mit Blick auf die North Bay, östlich von Door - gehörte früher einmal meinen Großeltern väterlicherseits. Paul und ich lebten seit unserer Hochzeit im Jahr zuvor in dem Cottage. Pauls Atelier, das sich etwa zehn Meter hinter dem Haus im Wald befand, hatte Puppenstubengröße. Meine Großeltern hatten es in der Vergangenheit als Lagerschuppen benutzt.

»Paul!«, rief ich und riss polternd die Tür auf.

Paul blickte von dem zur Hälfte bemalten Leinen auf, das an seiner Staffelei befestigt war. Der Tisch neben ihm war übersät mit Kisten voller Aquarellfarben, Pinseln in verschiedenen Größen, Wasserbechern und ein paar Lumpen. Auf einer halbhohen Leiste, die Paul an den Schuppenwänden angebracht hatte, lehnten Bilder in unterschiedlichen Phasen der Fertigstellung - Szenen von der North Bay, vom Michigansee und vom Sonnenuntergang über der Green Bay auf der anderen Seite der Halbinsel.

»Was ist los, Angel?« Paul stand auf und wandte sich mir zu.

»Ich weiß nicht ... ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll.« Ich betrat das Atelier. »Es geht um Henry. Und Silja.«

»Was ist mit ihnen?«

Ich schluckte heftig. »Ruby hat angerufen. Sie hat gesagt ... oh, Paul!« Ich schlang die Arme um ihn. »Henry ist ... tot.«

Paul entzog sich meiner Umarmung und sank schwer auf seinem Hocker nieder. »Das verstehe ich nicht.«

»Ich eigentlich auch nicht«, erwiderte ich. »Aber Ruby sagt ...« Ich biss mir auf die Lippe. »Sie sagt, Henry wurde im Wald in der Nähe des Hauses gefunden. Seine Leiche, meine ich. Die Polizei geht davon aus, dass es ... dass es Selbstmord war.« Tränen brannten in meinen Augen. »Und Silja ist verschwunden.« Nach einem Zögern fügte ich hinzu: »Ruby hat gesagt, Silja hat die beiden verlassen.«

Ich erzählte ihm von der Nachricht, die Silja hinterlassen hatte. Und dann verstummte ich und ließ ihn die Puzzleteile selbst zusammensetzen.

Paul sagte gar nichts. »Bist du sicher?«, fragte er dann. »Du bist sicher, dass sie das so gesagt hat?«

Ich nickte. Er sah aus dem Fenster des Ateliers, blinzelte, drehte sich dann wieder zu mir.

»Erzähl mir alles«, sagte er. »Wort für Wort, Angel, wiederhole genau, was Ruby gesagt hat.«

Pauls Bruder Henry lebte mit seiner Frau Silja und ihrer gemeinsamen Tochter Ruby in New York State. Ich war ihnen nur einmal begegnet, als sie letzten September zu unserer Hochzeit nach Door County gekommen waren.

Henry und seine Familie sollten spät am Vorabend der Hochzeit eintreffen. Als sie in Door County ankamen, hatte ich Paul längst an der Türschwelle meiner Eltern eine gute Nacht gewünscht und war nach oben gegangen, um die letzte Nacht in meinem Kinderzimmer zu schlafen. Am nächsten Tag sah ich Paul erst, als ich den Mittelgang von St. Mary of the Lake entlangschritt und zu ihm vor den Altar trat, wo Henry neben ihm stand.

Als der Priester seine Stimme erhob, um die Begrüßungsworte zu sprechen, warf ich Henry einen Seitenblick zu, überrascht von seiner frappierenden Ähnlichkeit mit Paul. Auch ich sehe aus wie alle anderen in meiner Familie - wir alle sechs, von meinem ältesten Bruder George bis hin zu mir, haben mausbraune Haare, Sommersprossen auf der Nase und runde blaue Augen unter gewölbten Brauen. Doch Paul und Henry - beide groß, dünn, mit schmalem Gesicht, einem dunklen Haarschopf und funkelnden, schokoladenbraunen Augen - sahen fast wie Zwillinge aus.

Praktisch waren sie es, hatte Paul mir bei unserer ersten Verabredung erzählt. Da die Brüder nur ein Jahr trennte, waren sie als Kinder unzertrennlich gewesen. »Wir hatten nicht viele Freunde«, sagte Paul. »Wir brauchten sie nicht. Wir hatten einander.« Sie waren im kalifornischen Weinland aufgewachsen. Ihre Eltern waren die Verwalter eines Weinguts gewesen, und Paul und Henry wuchsen inmitten der Reben auf und halfen, die empfindlichen Pflanzen zu hegen, die Trauben zu ernten und sie zu Wein zu verarbeiten.

»Habt ihr sie mit den Füßen in einem großen Holzbottich zerquetscht wie die Römer?«, fragte ich ihn damals und beugte mich vor, um den Ansatz meiner Brüste zu offenbaren, der aus dem Ausschnitt meines Lieblingspünktchenkleides hervorblitzte.

»Jeden Herbst«, versicherte Paul mir mit einem Grinsen. Mein Herz klopfte.

Tja, wer konnte es mir verübeln? Mit seinem breiten Lächeln und den funkelnden Augen sah er aus wie Cary Grant. Ich war machtlos gewesen gegen den Charme von Paul Glass - dieses betörenden Künstlers noch nicht ganz mittleren Alters, der scheinbar aus dem Nichts in Door County aufgetaucht war.

Als ich ihm begegnete, hatte ich gerade meinen alljährlichen Sommerjob als Zimmermädchen in der Gordon Lodge angetreten. Es war eine schweißtreibende, anstrengende Arbeit, die Gästecottages und Zimmer der Lodge zu putzen, während man das türkise Nylonkleid und die Strumpfhose trug, die die Direktion den Zimmermädchen vorschrieb. Eines Nachmittags spazierte ich nach meiner Schicht ins Top Deck, die Lounge von Gordon´s, um ein Glas Wasser zu trinken. Ein Barkeeper, den ich nicht kannte, spülte pfeifend Gläser ab. Die oberen zwei Knöpfe seines Hemdes standen offen, und aus dem Nest aus schwarzem Haar auf seiner Brust lugte eine Christophorus-Medaille hervor. Als ich mich an die Bar setzte, überkam mich ein beinahe unwiderstehlicher Drang, die Hand auszustrecken und die Medaille zu berühren. Der Barkeeper lächelte mir zu, ließ die dunklen Augen aufblitzen und stellte mir ein Glas Eiswasser hin, bevor ich ihn überhaupt darum gebeten hatte.

An eben jenem Abend hatten wir unsere erste Verabredung - die im Grunde einfach darin bestand, dass ich nach Hause ging, duschte und mich umzog, dann zur Lodge zurückkehrte, um an der Bar zu sitzen und darauf zu warten, dass er Feierabend machte.

Paul erzählte mir, sowohl er als auch Henry seien im Krieg gewesen. Mir war bewusst, dass das damals auf jeden jungen Mann zutraf, auch wenn ich noch ein Kleinkind gewesen war, als die Japaner Pearl Harbor bombardierten. Pauls Einsatzgebiet war der Pazifik, und Henry wurde an die Front nach Europa geschickt. Vor dem Auslaufen hatte Henrys Kompanie Ausgang in New York, wo er Silja kennenlernte.

»Was für ein Name ist Silja?«, fragte ich Paul. »Ist er italienisch wie in heilige Cäcilia ?«

»Nein. Es wird ähnlich ausgesprochen, aber anders geschrieben«, erwiderte Paul. »S-i-l-j-a. Das ist finnisch. Silja ist in irgendeiner kleinen finnischen Genossenschaft in Brooklyn aufgewachsen. Alle für einen, einer für alle - die Art Unsinn.« Er lachte spöttisch. »Aber sie lebt nicht mehr so.«

»Wie lebt sie jetzt?«

Paul schnitt eine Grimasse. »Feudal«, erklärte er mir. »Silja lebt feudal.«

Jenes erste Date führte zu einem Sommer gemeinsamer Abende. Auch zu Treffen untertags, wenn ich mich zu dem Zimmer schlich, das Paul in der Stadt gemietet hatte - und mich verstohlen umsah, bevor ich das Haus betrat, um sicherzugehen, dass mich niemand sah, der mich bei meinen Eltern oder Brüdern verpetzen konnte. So etwas hatte ich noch nie zuvor getan - aber ich hatte auch noch nie jemanden wie Paul kennengelernt. Er war anders als die Jungen, mit denen ich aufgewachsen war, wie ein Pfau inmitten der Möwenscharen, die vor der Lodge herumschwärmten und um Essensabfälle bettelten.

Es lag nicht nur an seinem Charme, es lag auch an seiner Reife. Er war schon überall gewesen, er hatte alles gesehen. Nichts brachte ihn aus der Fassung - weder ein Wetterumschwung noch scharfe Worte von einem Gast noch eine Reifenpanne auf einer einsamen Straße. Er war handwerklich geschickter als jeder andere Mann - natürlich mit Ausnahme meines Vaters. Ich konnte Paul alles...

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Cynthia Swanson ist Designerin und Inneneinrichterin mit einer Leidenschaft fürs Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Denver, Colorado. Als ich erwachte ist ihr erster Roman.