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Das Haus am Himmelsrand

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am11.01.2019Auflage
Eine aufwühlende Familiengeschichte um eine badische Uhrendynastie, ein Geheimnis aus finsteren Zeiten und eine Liebe, die alles wiedergutmachen kann Lizzy Tanner führt mit ihrem Partner und der gemeinsamen kleinen Tochter ein unbeschwertes Leben im idyllischen Freiburg im Breisgau. Das ändert sich, als ihr sterbender Großvater eine letzte Bitte an sie richtet: »Sorge für Gerechtigkeit!«. Lizzy beschließt, sein Geheimnis zu ergründen. Ihre Recherchen führen sie zurück bis in das Freiburg der 1930-er Jahre und in die Zeit der Arisierung. Bei ihrer Reise in die Vergangenheit wächst Lizzy über sich hinaus. Aber schon bald muss sie sich entscheiden zwischen Wahrheit und Rücksichtnahme, zwischen dem guten Ruf ihrer Familie und dem, was sie für richtig hält.  »Voller Spannung und Emotionen. Bettina Storks' Roman ist ein echter Pageturner.« Corina Bomann

Bettina Storks, geboren 1960 in Waiblingen, lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Sie studierte Germanistik, Deutsche Philologie und Kulturwissenschaften und promovierte sich 1994 an der Universität Freiburg über die Prosa Ingeborg Bachmanns. Danach war sie mehrere Jahre als Redakteurin beschäftigt. 2007 begann sie mit dem Schreiben belletristischer Texte und erhielt im Jahre 2008 ein Stipendium vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR18,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextEine aufwühlende Familiengeschichte um eine badische Uhrendynastie, ein Geheimnis aus finsteren Zeiten und eine Liebe, die alles wiedergutmachen kann Lizzy Tanner führt mit ihrem Partner und der gemeinsamen kleinen Tochter ein unbeschwertes Leben im idyllischen Freiburg im Breisgau. Das ändert sich, als ihr sterbender Großvater eine letzte Bitte an sie richtet: »Sorge für Gerechtigkeit!«. Lizzy beschließt, sein Geheimnis zu ergründen. Ihre Recherchen führen sie zurück bis in das Freiburg der 1930-er Jahre und in die Zeit der Arisierung. Bei ihrer Reise in die Vergangenheit wächst Lizzy über sich hinaus. Aber schon bald muss sie sich entscheiden zwischen Wahrheit und Rücksichtnahme, zwischen dem guten Ruf ihrer Familie und dem, was sie für richtig hält.  »Voller Spannung und Emotionen. Bettina Storks' Roman ist ein echter Pageturner.« Corina Bomann

Bettina Storks, geboren 1960 in Waiblingen, lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Sie studierte Germanistik, Deutsche Philologie und Kulturwissenschaften und promovierte sich 1994 an der Universität Freiburg über die Prosa Ingeborg Bachmanns. Danach war sie mehrere Jahre als Redakteurin beschäftigt. 2007 begann sie mit dem Schreiben belletristischer Texte und erhielt im Jahre 2008 ein Stipendium vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492985444
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum11.01.2019
AuflageAuflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse1521 Kbytes
Artikel-Nr.4041657
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

»Was willst du von mir?«, fragte eine verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung.

Onkel Erwin, Großpapas jüngerer Bruder, hatte die Familie über Jahrzehnte gemieden. Und diese ihn. Ich kannte ihn nicht persönlich, nur mein Bruder war ihm einmal als kleiner Junge begegnet. In einigen Fotoalben gab es ein paar Jugendfotos von Erwin, das war alles.

Erwin galt als der Familienfluch, und wenn wir als Kinder nach ihm fragten, hatten wir stets betretenes Schweigen geerntet, die wirksamste Strafe in unserer Erziehung gegen Verstöße; als hätten wir etwas Unanständiges gesagt, das es nicht einmal wert war zu kommentieren. Ich hatte lange überlegt, wie ich ihn ansprechen sollte, nachdem ich seinen Wohnort über hartnäckiges Nachfragen bei einer entfernten Verwandten erfahren hatte. Schließlich entschied ich mich für »Du«.

»So etwas wie einen Neuanfang«, erwiderte ich hilflos. »Dein Bruder ist gestorben. Mit zweiundneunzig Jahren! Kann man angesichts des Todes einen alten Streit nicht begraben?«

»Du solltest dich aus Dingen heraushalten, von denen du nichts verstehst, Elisabeth!«

»Nach dem Begräbnis am kommenden Freitag findet jedenfalls in der Kirchmann-Villa eine Trauerfeier statt. Verstehe diesen Anruf bitte als offizielle Einladung.«

»In der Kirchmann-Villa«, wiederholte er verächtlich. »Ich danke vielmals, Madame, aber machen Sie sich keine Hoffnungen auf mein Erscheinen. Ich müsste einen verdammt guten Tag haben, um meine Schuhe vor eurer Haustür abzustreifen.«

»Ganz wie du wünschst«, erwiderte ich und knallte den Hörer auf die Ladestation.

»Ich habe es dir gleich gesagt«, kommentierte Mama lapidar Erwins Abfuhr. »Er möchte nichts mehr mit uns zu tun haben. Das letzte Mal habe ich ihn gesehen, als du gerade einmal laufen konntest. Überleg einmal, Lizzy, wie lange das her ist! Jahrzehntelang galt er als verschollen. Ich wusste nicht einmal, dass er im Schwarzwald lebt.«

»Mir habt ihr immer erzählt, dass wir es waren, die mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten«, berichtigte ich.

»Was macht das jetzt für einen Unterschied?«

Für mich war es eine Frage des Anstands, den Bruder meines Großvaters dennoch einzuladen. Aber Erwin erschien weder auf dem Begräbnis noch zur Trauerfeier, was mir angesichts der vielen Besucher in der Villa zunächst nicht einmal auffiel.

Zahlreiche Gäste waren gekommen, deren Bewirtung unsere ganze Aufmerksamkeit verlangte. Die meisten kannte ich gar nicht, wohingegen einige von ihnen sich an mich als Kind erinnerten. In seinen späten Lebensjahren hatte mein Großvater die gesellschaftlichen Kontakte drastisch eingeschränkt, dennoch wollten ihm ehemalige Geschäftspartner und Weggefährten die letzte Ehre erweisen. Ich schätzte den Altersdurchschnitt an jenem Nachmittag auf Mitte siebzig, Thea und die anderen Kinder nicht mitgezählt.

Allmählich leerte sich die untere Etage der Villa, wo Mama, Alexander und ich empfangen hatten. Stundenlang hatten wir Hände geschüttelt und Beileidsbekundungen entgegengenommen. Das Buffet im Speisezimmer barg die Reste eines langen Nachmittags. Angebrochene Weinflaschen und Essensreste standen auf den Tischen herum. »Leichenschmaus« war ein grausames Wort für etwas, was nicht selten in ein Besäufnis ausuferte. Hier aber atmete jeder Raum Disziplin und Mäßigung.

Übrig geblieben war ein kleiner, persönlicher Kreis, der jetzt im Salon bei Wein und Bier saß. Susanne, Alexanders Frau, war nach der Beerdigung zu ihrem Ältesten ins Krankenhaus geeilt. Seit gestern lag Thomas mit einem abklingenden Brechdurchfall in der Kinderklinik, wo ihn die Ärzte vorsorglich noch bis morgen behalten wollten.

Alexander und Tom hatten sich in den Wintergarten zurückgezogen. Vom Salon aus konnte man sie sehen, wie sie Zigarre rauchten. Die Kinder spielten in der oberen Etage Memory. Ich saß neben meiner Großmutter, die mich antippte und bereits zum dritten Mal fragte, was genau die vielen Menschen hier gesucht hätten, wohin die meisten von ihnen jetzt verschwunden wären und was los sei.

»Bring mir einen Cognac, Lizzy. Zur Feier des Tages«, befahl sie, ohne meine Antwort abzuwarten, und klopfte mir dabei voller Vorfreude auf die Hand.

Als ich zurück an den Tisch trat, hatte sie bereits ein Glas Weißwein ergattert und Ingrid, die bei größeren Gesellschaften im Haus meiner Großeltern immer aushalf, steuerte mit einem Rotwein auf uns zu.

»Für die gnädige Frau«, sagte sie freundlich und stellte das Getränk ab.

Für Alkoholisches am Nachmittag war Großmama besonders zu haben und sobald sie eine Ausnahmesituation witterte, orderte sie quer durch das Angebot.

»Sag schon, Lizzy! Welchen Geburtstag feiern wir heute?«, hakte sie nach, während sie mit glasigen Augen an ihrem Wein nippte.

Als ich Ingrid ein Zeichen gab, den Roten wieder mitzunehmen, hielt Großmutter ihr Glas blitzschnell mit beiden Händen fest. »Das bleibt hier«, bestimmte sie.

Ich winkte ab und ließ sie gewähren. Mit ihrem Dickkopf wollte ich es heute nicht aufnehmen.

»Sag schon, Lizzy, was ist hier los?«, fragte sie noch einmal und lehnte sich genüsslich zurück.

»Großpapa ist von uns gegangen«, flüsterte ich und musste dabei zusehen, wie sie auf einmal in sich zusammenfiel. Betroffen schwieg sie und für einen winzigen Moment glaubte ich, dass sie begriff. Aber dieser Zustand hielt nicht lange an. Mit einem Mal lächelte sie wieder selbstvergessen und verschanzte sich in ihrer Welt.

»Lizzy, es wird Zeit für meinen Mittagsschlaf«, sagte sie plötzlich. Sie zeigte auf ihre Getränke: »Die gehen mit nach oben.«

Ich nahm die Gläser und begleitete Großmama in ihr Zimmer, wo sie sich auf ihr Bett fallen ließ und die Augen schloss.

»Mir schwindelt ein bisschen«, stöhnte sie.

Ich legte eine Decke über ihre Füße und unterdrückte ein Lachen. Niemand wusste, wie viel sie bei ihrem krankhaften Sammeltrieb heute getrunken oder gegessen hatte. Sie hortete alles, was sie für lebenswichtig erachtete: Getränke, Essen, Papier, Briefumschläge mit Werbebotschaften; wir hatten sogar schon Vogelfutter und Konserven in ihrem Nachtkasten gefunden.

»Mir schwindelt«, wiederholte sie und schlief sofort ein.

Leise nahm ich die Gläser aus ihrem Zimmer und brachte sie in die Küche, wo ich den Inhalt ins Spülbecken schüttete. Wieder im Salon angekommen, setzte ich mich zu meiner Mutter und schenkte mir einen kühlen Weißwein ein.

»Sie schläft«, sagte ich.

Mama lächelte.

»Nach der Menge Alkohol, kein Wunder.«

Plötzlich klingelte es Sturm. Mama sprang auf und kurz darauf waren Stimmen zu hören. Dann ging die Tür zum Salon auf und Mama erschien mit einem älteren Mann, der ihr auffällig ähnlich sah.

»Erwin Kirchmann«, stellte sie den Anwesenden ihren Onkel vor. »Der Bruder meines Vaters.«

Dr. Reichert und seine Gattin nickten ihm freundlich zu. Die übrigen Gäste, am anderen Ende des Sofas in ein Gespräch vertieft, sahen kurz auf, grüßten ebenfalls höflich und unterhielten sich dann leise weiter.

Dann wandte sich meine Mutter an mich: »Dein Großonkel Erwin.«

»Mit einiger Verspätung, aber anwesend! Beschwert euch bei der Deutschen Bahn. Elisabeth! Ganz die Mama. Eine kleine Schönheit!«, erwiderte er feierlich, reichte mir die Hand und zog die meine zum Handkuss andeutungsweise an seine Lippen.

Dabei kippte er fast vorneüber, fing sich aber gerade noch ab, sammelte sich kurz, warf dann einen Blick in die Runde und murmelte ein »Habe die Ehre«.

Onkel Erwin stach allein durch seine Kleidung aus der Gesellschaft heraus. Er trug Jeans und einen knallroten Rollkragenpulli. Seinen Mantel, den er lässig über die Schulter gehängt hatte, zog er mit einer eleganten Geste herunter und warf ihn über die Sofalehne.

»Nimm doch Platz«, sagte Mama freundlich. Sie nahm seinen Mantel und überreichte ihn wortlos Ingrid, die sogleich in Richtung Garderobe verschwand. »Was darf ich dir anbieten?«

Auf Anstand war Verlass in unserer Familie. Die Etikette glich einem Kompass, der uns sicher durchs Leben navigierte. War die See auch noch so stürmisch, die Kirchmanns blieben an Deck, falteten ihre Stoffservietten zusammen und tupften sich die Lippen trocken, bis das Schiff kenterte.

»Ich nehme, was da ist, meine Liebe. Ich bin nicht so wählerisch. Wenn die Prozente stimmen. Ja, die Teestunde ist vorbei. Zeit für Rotwein. Der Feier angemessen. Wo befindet sich denn die Dame des Hauses?«

Er sah sich fragend um und rieb dabei die Hände gegeneinander.

»Sie hat sich soeben zurückgezogen«, entgegnete Mama ruhig, nahm ein Weinglas von einem Tablett, schenkte einen Burgunder ein und reichte Onkel Erwin das Glas. Dieser bedankte sich mit einem Kopfnicken, nahm einen kleinen Schluck, schob ihn wie bei einer Weinprobe an den Zähnen vorbei in Richtung Gaumen, schien kurz zu überlegen und schluckte dann. Er sah aus wie ein Sommelier, der eine Bewertung abgeben sollte und sich über die Qualität nicht sicher war. Dann wiederholte er das Ganze und stellte sein Glas kommentarlos auf einem Beistelltisch ab.

»Nett habt ihr es hier. Sehr nett«, meinte er schließlich und begab sich an das Ende des Salons in Richtung Terrassentür. »Ich erinnere mich noch daran, wie mein Bruder diese Hütte gekauft hat. Ein wahres Schnäppchen!«

Seine Stimme klang vital, fast fröhlich. Unter den letzten Gästen herrschte betretenes Schweigen. Verstohlen betrachtete ich das markante Profil meines Großonkels, während er mit den Händen in den Hosentaschen gen Garten blickte. Abrupt drehte er sich, ging in Richtung...
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Bettina Storks, geboren 1960 in Waiblingen, lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Sie studierte Germanistik, Deutsche Philologie und Kulturwissenschaften und promovierte sich 1994 an der Universität Freiburg über die Prosa Ingeborg Bachmanns. Danach war sie mehrere Jahre als Redakteurin beschäftigt. 2007 begann sie mit dem Schreiben belletristischer Texte und erhielt im Jahre 2008 ein Stipendium vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg.