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Die verborgenen Stimmen der Bücher

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am15.02.20191. Auflage
Jeder braucht eine Geschichte - auch wenn es schmerzhaft ist. Emmett Farmer arbeitet auf dem Hof seiner Eltern, als ein Brief ihn erreicht. Er soll bei einer Buchbinderin in die Lehre gehen. Seine Eltern, die wie alle anderen Menschen Bücher aus ihrer Welt verbannt haben, lassen ihn ziehen - auch weil sie glauben, dass er nach einer schweren Krankheit die Arbeit auf dem Hof nicht leisten kann. Die Begegnung mit der alten Buchbinderin beeindruckt den Jungen, dabei lässt Seredith ihn nicht in das Gewölbe mit den kostbaren Büchern. Menschen von nah und fern suchen sie heimlich auf. Emmett kommt ein dunkler Verdacht: Liegt ihre Gabe darin, den Menschen ihre Seele zu nehmen? Nach dem plötzlichen Tod der Buchbinderin erkennt der Junge, welch Wohltäterin sie war - und in welche Gefahr er selbst geraten ist. Ein unvergleichliches Buch über die Macht der Erinnerung, verbotene Liebe und darüber, was das Menschsein bedeutet: Geschichten zu erzählen.


Bridget Collins hat an der London Academy of Music and Dramatic Art studiert. Sie hat bisher mehrere Romane geschrieben sowie zwei Stücke, die beim Edinburgh Festival uraufgeführt wurden. 'Die verborgenen Stimmen der Bücher' wurde in mehrere Länder verkauft. Ulrike Seeberger lebt in Nürnberg und ist seit 1987 freie Übersetzerin. Sie hat unter anderem Philippa Gregory und Vikram Chandra ins Deutsche übertragen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextJeder braucht eine Geschichte - auch wenn es schmerzhaft ist. Emmett Farmer arbeitet auf dem Hof seiner Eltern, als ein Brief ihn erreicht. Er soll bei einer Buchbinderin in die Lehre gehen. Seine Eltern, die wie alle anderen Menschen Bücher aus ihrer Welt verbannt haben, lassen ihn ziehen - auch weil sie glauben, dass er nach einer schweren Krankheit die Arbeit auf dem Hof nicht leisten kann. Die Begegnung mit der alten Buchbinderin beeindruckt den Jungen, dabei lässt Seredith ihn nicht in das Gewölbe mit den kostbaren Büchern. Menschen von nah und fern suchen sie heimlich auf. Emmett kommt ein dunkler Verdacht: Liegt ihre Gabe darin, den Menschen ihre Seele zu nehmen? Nach dem plötzlichen Tod der Buchbinderin erkennt der Junge, welch Wohltäterin sie war - und in welche Gefahr er selbst geraten ist. Ein unvergleichliches Buch über die Macht der Erinnerung, verbotene Liebe und darüber, was das Menschsein bedeutet: Geschichten zu erzählen.


Bridget Collins hat an der London Academy of Music and Dramatic Art studiert. Sie hat bisher mehrere Romane geschrieben sowie zwei Stücke, die beim Edinburgh Festival uraufgeführt wurden. 'Die verborgenen Stimmen der Bücher' wurde in mehrere Länder verkauft. Ulrike Seeberger lebt in Nürnberg und ist seit 1987 freie Übersetzerin. Sie hat unter anderem Philippa Gregory und Vikram Chandra ins Deutsche übertragen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841217042
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum15.02.2019
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4742 Kbytes
Artikel-Nr.4052992
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Als der Brief kam, band ich draußen auf dem Feld die letzte Weizengarbe mit Händen, die so sehr zitterten, dass ich den Knoten kaum fertig brachte. Ich war schuld daran, dass wir auf die altmodische Weise arbeiten mussten, und ich würde, verdammt, nicht aufgeben. Ich hatte mich durch die Nachmittagshitze gekämpft, die dunklen Flecken weggeblinzelt, die am Rand meines Gesichtsfelds aufflackerten. Die Nacht zog herein, und ich war fast fertig. Die anderen waren aufgebrochen, als die Sonne unterging, hatten mir über die Schulter hinweg zum Abschied zugerufen, und ich war froh darüber. Zumindest war ich nun allein und musste nicht so tun, als könne ich mit ihnen mithalten. Ich machte weiter, versuchte nicht daran zu denken, wie leicht alles mit der Erntemaschine gewesen wäre. Ich war zu krank gewesen, um die Maschinen zu überprüfen - nicht dass ich mich an viel erinnerte, was zwischen den immer wieder kurz aufblitzenden Augenblicken von Klarsichtigkeit lag. Für mich bestand der Sommer nur aus Echos und Geistern und dunklen, schmerzenden Lücken. Es hatte auch niemand sonst daran gedacht, nach der Maschine zu sehen. Jeden Tag stolperte ich über eine andere Aufgabe, die nicht erledigt war; mein Vater hatte sein Bestes gegeben, aber er konnte ja nicht alles schaffen. Meinetwegen würden wir das ganze Jahr in allem hinterherhinken.

Ich zog die Stängel fest um die Mitte der Garbe und lehnte sie gegen die anderen. Fertig. Nun konnte ich nach Hause gehen ... Doch rings um mich pulsten und wirbelten Schatten, tiefer als das blaue Violett der Abenddämmerung, und mir zitterten die Knie. Ich ließ mich in die Hocke sinken, keuchte vor Schmerzen in allen Knochen. Es war schon besser als sonst - besser als die schwindelerregenden Krämpfe, die mich monatelang immer wieder ohne Vorwarnung überfallen hatten -, doch ich fühlte mich noch so spröde und zerbrechlich wie ein alter Mann. Ich biss die Zähne zusammen. Ich war so schwach, dass ich hätte heulen mögen; aber das würde ich nicht, eher würde ich sterben, obwohl das einzige Auge, das mich beobachtete, der volle, runde Herbstmond war.

»Emmett? Emmett!«

Es war nur Alta, die sich zwischen den Korngarben hindurch auf mich zuschlängelte; ich rappelte mich auf und versuchte, das Schwindelgefühl zu unterdrücken. Über mir wankten die wenigen Sterne erst hierhin, dann dorthin. Ich räusperte mich. »Ich bin hier.«

»Warum hast du nicht einen von den anderen gebeten, das fertig zu machen? Ma hat sich solche Sorgen gemacht, als die anderen die Gasse entlangkamen und du nicht dabei ...«

»Sie hat keinen Grund zur Sorge. Ich bin doch kein Kind mehr.« Mein Daumen blutete, wo ein scharfer Halm in die Haut eingedrungen war. Das Blut schmeckte nach Staub und Fieber.

Alta zögerte. Vor einem Jahr war ich so stark gewesen wie all die anderen. Jetzt schaute sie mich mit schief gelegtem Kopf an, als wäre ich jünger als sie. »Nein, aber ...«

»Ich wollte den Mond aufgehen sehen.«

»Ja, sicher.« Im Zwielicht wirkten ihre Züge weicher, aber ich sah trotzdem, wie überlegt sie mich anschaute. »Wir können dich nicht dazu zwingen, dich auszuruhen. Wenn dir nichts daran liegt, gesund zu werden ...«

»Jetzt redest du schon wie sie. Wie Ma.«

»Weil sie recht hat. Du kannst nicht erwarten, dass du mit einem Schlag wieder so bist, als wäre nichts geschehen. Nachdem du so krank warst.«

Krank. Als hätte ich mit einem Husten oder mit Erbrechen oder von Pusteln übersät das Bett gehütet. Selbst durch den Nebel meiner Alpträume hindurch konnte ich mich an mehr erinnern, als ihnen bewusst war; ich wusste um das Schreien und die Halluzinationen, um die Tage, an denen ich nicht zu weinen aufhören konnte oder niemanden erkannte; um die Nacht, als ich mit bloßen Händen das Fenster eingeschlagen hatte. Ich wünschte, ich hätte mir wirklich tagelang hilflos die Eingeweide aus dem Leib und in den Nachttopf geschissen; das wäre besser gewesen, als immer noch die Striemen an den Handgelenken zu sehen, wo sie mich festbinden mussten. Ich wandte mich von Alta ab und konzentrierte mich nur noch darauf, an der Wunde unten an meinem Daumen zu saugen, mit der Zunge daran zu lecken, bis ich kein Blut mehr schmecken konnte.

»Bitte, Emmett«, sagte Alta und strich mit den Fingern über den Kragen meines Hemdes. »Du hast ein ebenso gutes Tagwerk verrichtet wie alle anderen. Kommst du jetzt nach Hause?«

»Na gut.« Eine Brise hob mir die Nackenhaare in die Höhe. Alta bemerkte, dass ich zitterte, und senkte die Augen. »Was gibt´s denn zum Abendessen?«

Sie warf mir ihr Grinsen zu, das eine Zahnlücke entblößte. »Gar nichts, wenn du dich nicht beeilst.«

»Na schön. Wer zuerst da ist.«

»Du kannst noch mal mit mir um die Wette laufen, wenn ich kein Mieder trage.« Sie wirbelte herum, dass ihr der staubige Rock um die Fußgelenke flog. Wenn sie lachte, sah sie noch immer wie ein Kind aus, aber die Knechte schnüffelten bereits um sie herum. In manchem Licht wirkte sie schon wie eine junge Frau.

Ich trottete neben ihr her, war so erschöpft, dass ich mich wie betrunken fühlte. Die Dunkelheit verdichtete sich, sammelte sich unter den Bäumen und in den Hecken, während das Mondlicht die Sterne am Himmel ausbleichte. Ich dachte an kaltes Brunnenwasser, glasklar, mit winzigen grünen Pünktchen unten am Boden - oder nein, an Bier, grasig und bitter, bernsteinfarben, mit Vaters Spezialmischung von Kräutern angesetzt. Davon würde ich gleich einschlafen, aber das war gut. Ich wollte nur eines: erlöschen wie eine Kerze, in eine traumlose Bewusstlosigkeit sinken. Keine Alpträume, keine nächtlichen Angstattacken, und am Morgen im sauberen neuen Sonnenlicht aufwachen.

Die Turmuhr im Dorf schlug neun, als wir durch das Tor in den Hof traten. »Ich habe einen Bärenhunger«, sagte Alta. »Die haben mich nach dir losgeschickt, ehe ich ...«

Plötzlich unterbrach sie die Stimme meiner Mutter. Sie schrie.

Alta hielt inne, während das Tor hinter uns zuschwang. Unsere Blicke trafen sich. Ein paar Wortfetzen schwebten über den Hof: Wie kannst du nur sagen ... wir können das nicht, wir können es einfach nicht machen!

Meine Beinmuskeln zitterten, weil ich mich zwang, stockstill zu stehen. Ich streckte die Hand aus, stützte mich an der Mauer ab und wünschte, mein Herz schlüge langsamer. Schimmernd drang ein Keil aus Lampenlicht durch einen Spalt in den Küchenvorhängen. Dahinter bewegte sich ein Schatten hin und her: Mein Vater ging auf und ab.

»Wir können nicht die ganze Nacht hier draußen bleiben«, flüsterte Alta.

»Es ist wahrscheinlich nichts.« Die beiden stritten sich schon die ganze Woche darüber, warum niemand die Erntemaschine überprüft hatte. Keiner erwähnte, dass es eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre.

Ein dumpfer Schlag: Fäuste hieben auf den Küchentisch. Mein Vater erhob die Stimme. »Was erwartest du denn von mir? Dass ich nein sage? Die verdammte Hexe wird uns so schnell verfluchen wie ...«

»Das hat sie doch schon! Sieh ihn dir doch an, Robert - was ist, wenn er nie wieder gesund wird? Das ist alles ihre Schuld ...«

»Seine Schuld, meinst du wohl - wenn er ...« Eine Sekunde lang schrillte ein hoher Ton in meinen Ohren und übertönte Vaters Stimme. Die Welt kippte und richtete sich wieder auf, als hätte sie kurz auf ihrer Achse geruckelt. Als ich mich wieder konzentrieren konnte, herrschte Schweigen.

»Das wissen wir nicht«, sagte mein Vater endlich, laut genug, dass wir es hören konnten. »Sie hilft ihm vielleicht. All die Wochen hat sie geschrieben und sich erkundigt, wie es ihm geht.«

»Weil sie ihn für sich haben wollte. Nein, Robert, nein, ich lasse das nicht zu. Er gehört hierher, zu uns, was immer er auch getan hat, er ist immer noch unser Sohn - und die, die jagt mir Angst ein.«

»Du hast sie doch noch nie gesehen. Du musstest doch nie dahin gehen und ...«

»Das ist mir gleichgültig! Sie hat genug angerichtet. Sie kriegt ihn nicht.«

Alta schaute mich an. Irgendwas veränderte sich in ihrem Gesicht, und sie packte mich beim Handgelenk und zerrte mich vorwärts. »Wir gehen jetzt da rein«, sagte sie mit der hohen, aufgeregten Stimme, mit der sie auch die Hühner rief. »Es war ein langer Tag, du hast bestimmt einen Bärenhunger. Ich habe den jedenfalls. Wenn jetzt keine Pastete mehr übrig ist, bringe ich jemanden um. Steche ihm die Gabel direkt ins Herz.« Sie hielt vor der Tür inne. Dann riss sie die Tür auf.

Meine Eltern standen an entgegengesetzten Enden der Küche: mein Vater beim Fenster, mit dem Rücken zu uns, meine Mutter am Kamin, sie hatte rote Flecken auf den Wangen wie Rouge. Zwischen ihnen auf dem Tisch lagen ein Blatt dickes, weißes Papier und ein offener Umschlag. Mutter blickte rasch von Alta zu mir und machte einen halben Schritt auf den Tisch zu.

»Abendessen«, verkündete Alta. »Emmett, setz dich, du siehst aus, als würdest du jeden Augenblick umkippen. Ich hoffe, die Pastete ist im Ofen.« Sie stellte einen Stapel Teller neben mir ab. »Brot? Bier? Ehrlich, ich könnte genauso gut Küchenmagd sein ...« Sie verschwand in der Speisekammer.

»Emmett«, sagte mein Vater, ohne sich zu mir herumzudrehen. »Auf dem Tisch liegt ein Brief. Den solltest du lesen.«

Ich zog das Blatt zu mir her. Die Schrift auf dem Papier verschwamm zu einem formlosen Klecks. »Meine Augen sind zu staubig. Sag mir, was...
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Bridget Collins hat an der London Academy of Music and Dramatic Art studiert. Sie hat bisher mehrere Romane geschrieben sowie zwei Stücke, die beim Edinburgh Festival uraufgeführt wurden. "Die verborgenen Stimmen der Bücher" wurde in mehrere Länder verkauft.

Ulrike Seeberger lebt in Nürnberg und ist seit 1987 freie Übersetzerin. Sie hat unter anderem Philippa Gregory und Vikram Chandra ins Deutsche übertragen.