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Wenn wir nach den Sternen greifen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Ueberreuter Verlagerschienen am08.03.20191. Auflage
2039: Der Aufbruch zur ersten bemannten Mars-Mission steht kurz bevor - auch der Vater der 17-jährigen Ianthe wurde hierfür ausgewählt. Auf einem abgeschirmten NASA-Gelände am Strand verbringen alle Familien einen letzten gemeinsamen Urlaub. Ianthe ist hin- und hergerissen zwischen Abschiedsschmerz und Wut, weil ihr Vater für seinen Traum seine Familie verlässt. Und doch will auch sie nach den Sternen greifen: Ianthe hat ein Angebot von einem Plattenlabel in der Tasche. Der einzige Haken daran: Sie müsste dafür nach Seattle ziehen. Kann sie ihrer Familie eine weitere Veränderung antun, nur damit auch sie ihre Träume verwirklichen kann? Höchstemotional und eindringlich erzählt Kathleen Weise in diesem Roman, was es wirklich kostet, seinen Traum zu leben.

Kathleen Weise, geboren 1978, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig die Fächer Prosa und Dramatik/Neue Medien und war viele Jahre ehrenamtlich für das Literaturbüro Leipzig e.V. tätig, für das sie Textwerkstättten und Schullesungen organisierte und durchführte. Für ihr historisches Jugendbuch Blutrote Lilien (Thienemann/Planet Girl) erhielt sie das Aufenthaltsstipendium des Hausacher Leselenz.
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Produkt

Klappentext2039: Der Aufbruch zur ersten bemannten Mars-Mission steht kurz bevor - auch der Vater der 17-jährigen Ianthe wurde hierfür ausgewählt. Auf einem abgeschirmten NASA-Gelände am Strand verbringen alle Familien einen letzten gemeinsamen Urlaub. Ianthe ist hin- und hergerissen zwischen Abschiedsschmerz und Wut, weil ihr Vater für seinen Traum seine Familie verlässt. Und doch will auch sie nach den Sternen greifen: Ianthe hat ein Angebot von einem Plattenlabel in der Tasche. Der einzige Haken daran: Sie müsste dafür nach Seattle ziehen. Kann sie ihrer Familie eine weitere Veränderung antun, nur damit auch sie ihre Träume verwirklichen kann? Höchstemotional und eindringlich erzählt Kathleen Weise in diesem Roman, was es wirklich kostet, seinen Traum zu leben.

Kathleen Weise, geboren 1978, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig die Fächer Prosa und Dramatik/Neue Medien und war viele Jahre ehrenamtlich für das Literaturbüro Leipzig e.V. tätig, für das sie Textwerkstättten und Schullesungen organisierte und durchführte. Für ihr historisches Jugendbuch Blutrote Lilien (Thienemann/Planet Girl) erhielt sie das Aufenthaltsstipendium des Hausacher Leselenz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783764192372
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum08.03.2019
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1355 Kbytes
Artikel-Nr.4211696
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Days
Hours
Mins
Secs
021
04:
34:
11
18. Juli 2039

Ein strahlend blauer Himmel wölbt sich über uns, und die Luft flimmert über dem Asphalt. Es ist so heiß, dass ich mir trotz Klimaanlage fast die Fingerspitzen am aufgeheizten Armaturenbrett verbrenne.

Leise schließt sich hinter uns das große Tor, doch der Lärm der protestierenden Menge dringt immer noch in den Wagen. Das Gelände ist von einer hohen Mauer umgeben, überall stehen Soldaten mit MPs, um die Anlage vor Terroristen zu schützen. Die Kameras drehen sich wie die Köpfe neugieriger Erdmännchen, und nichts entgeht ihrer Aufmerksamkeit.

So müssen sich Präsidenten fühlen, denke ich. Und irgendwie sind wir ja auch so etwas wie die First Family. Uns fehlt nur noch ein Hund.

Seit Wochen hängen uns die Paparazzi an den Fersen, dabei wissen sie das Wichtigste doch schon: Wir sind die Familie, die zurückbleibt. Was wollen sie noch?

Immer wieder stellen sie uns dieselben Fragen: Was denken Sie darüber, dass Ihr Mann zum Mars fliegt? Dein Vater wird ein Held sein, was empfindest du dabei? Seid ihr stolz? Glücklich? Unglücklich?

Ma wird jedes Mal zur Furie, wenn irgendwer mit einem Mikro bei uns auftaucht. Es gibt mehr Bilder von ihr, auf denen sie wütend aussieht, als Fotos in unseren Familienalben. Meistens muss Pa hinterher ein Interview geben, in dem er erzählt, wie toll unsere Familie eigentlich ist. Nur weil der PR-Mann sagt, dass Mas grimmige Blicke unserem Image schaden, und damit dem Image der M-I-S-S-I-O-N. Wir sollen lächeln. Aber im Moment ist uns so wenig nach Lächeln zumute wie nach einem Knochenbruch.

Ich blinzle gegen das Sonnenlicht, das von den weißen Streifen auf dem Asphalt reflektiert wird, und werfe einen Blick zu Ma rüber. Sie sieht immer noch müde aus, ihre Hände krampfen sich um das Lenkrad, dabei lenkt sie gar nicht. Wie von Geisterhand findet der Wagen seinen Weg durch das Gelände, während wir die Aussicht genießen könnten, weil die Route in den Autopiloten gespeist wird. Ma fällt es nur schwer, sich dem Wagen anzuvertrauen. Sie ist noch daran gewöhnt, selbst zu fahren.

Die letzten Minuten hat sie geschwiegen. Ich weiß, dass sie in der Menge vor dem Tor nach Sanja Ausschau gehalten hat. Ein bisschen haben wir wohl beide gehofft, dass sie es sich noch anders überlegt und mit uns kommt. Aber Sanja ist immer noch zu wütend auf Pa.

Gestern ist sie abgehauen. Mit einer Reisetasche voller Klamotten und einem Zettel auf ihrem Bett als Abschiedsgruß. Statt mit uns will sie die nächsten Tage lieber bei ihrem Freund Hanad verbringen. Ma war so sauer darüber, dass sie eine Pfanne quer durch die Küche geworfen hat. Natürlich sind wir sofort zu den Jamas aufgebrochen, aber Mrs Jama hat uns schon an der Haustür abgefangen. Sie hat gemeint, es wäre sinnlos, Sanja in diesem Zustand zur Rückkehr zwingen zu wollen.

»Das Mädchen wird sich schon wieder beruhigen«, hat sie gesagt, während im Hintergrund irgendeine Serie lief und eine Nachbarin uns vom Fenster gegenüber beobachtete.

Die Jamas wohnen in einem der Viertel, die als No-go-Zone für Touristen eingestuft werden. Ein Haus in einer besseren Gegend können sie sich nicht leisten, weil Hanads Vater schon seit einem halben Jahr arbeitslos ist und auch vorher nicht viel verdient hat. Kein Wunder also, dass sie der Mars-Mission skeptisch gegenüberstehen.

»Geben Sie ihr ein bisschen Zeit«, hat Mrs Jama zu uns gesagt, und die tief stehende Sonne hat ihr Gesicht in ein weiches oranges Licht getaucht und die großen Blumen auf ihrer Bluse zum Leuchten gebracht.

Aber genau das haben wir nicht. Zeit. Es gibt keine zweite Chance, um noch ein paar Tage mit Pa zu verbringen. Nach dieser Woche wird er 14 Tage lang in Quarantäne gehen, um anschließend zu einer Mission aufzubrechen, von der niemand sagen kann, ob oder wie er zurückkehrt. Der kleinste Defekt kann dazu führen, dass die Kurssteuerung versagt und das Raumschiff führungslos ins All trudelt, ohne jemals umkehren zu können.

Sanja weiß das. Immerhin ist das der Tag, auf den wir alle seit Jahren warten. Glaubt sie vielleicht, dass Pa alles stehen und liegen lässt, nur um sie nach Hause zu holen? Dann kennt sie ihn schlecht. Sie führt sich auf wie ein bockiges Kind, dabei ist sie schon vierzehn. Und später wird sie bereuen, dass sie sich nicht von ihm verabschiedet hat.

Doch etwas an der Art, wie Mrs Jama Ma angeschaut hat und ihr dabei sanft über den Oberarm strich, hat Ma dazu gebracht, dass sie nicht durchs Haus stürmte, um Sanja am Ohr nach draußen zu ziehen. Stattdessen sind wir wieder nach Hause gefahren. Wir wissen alle, wie stur Sanja sein kann, und meistens ist es besser, abzuwarten, bis sie die Sache selbst einsieht.

Vielleicht ist sie ja auch die Optimistischste von uns allen. Vielleicht ist sie wirklich davon überzeugt, dass Pa nach diesen drei Jahren wiederkommt und ein Abschied nicht nötig ist. Wer kann schon sagen, was in ihrem Kopf vorgeht. Ich jedenfalls nicht. Nicht mehr.

Pa sagt immer, so groß wäre der Unterschied zwischen ihr und mir nicht. Läppische drei Jahre. Aber mir kommt der Unterschied riesig vor. Als wären wir zwei Planeten, deren Umlaufbahnen mal näher und mal weiter voneinander entfernt sind, die sich aber nie treffen. So gibt es wenigstens keine Kollision.

Früher war das anders, da standen wir uns nah, Sanja ist mir hinterhergelaufen wie ein Entenküken seiner Mutter. Aber dann hat sie irgendwann damit aufgehört. Ich kann mich nicht an ein besonderes Ereignis erinnern. Nur daran, dass wir irgendwann kaum noch miteinander geredet haben. Aber wahrscheinlich ist das bei Geschwistern auch normal.

»Wir müssen zu Sektor 4, Bungalow E12«, sagt Ma, als wir die ersten Häuser sehen.

Nicht gerade ein klangvoller Name für ein Urlaubsziel. Und auch noch vor der Haustür. Abgesehen von der Mauer und den Wachen sieht das ganze Gelände allerdings aus wie viele Urlaubsresorts in der Gegend. Weiße Hütten mit Pools, Palmen, Liegestühlen, dazwischen ein Kino, eine Bar, zwei Restaurants, ein Spa und ein Postoffice. Im Moment sind nicht nur die Familien der sechs Astronauten hier, die für die Mission ausgewählt wurden, sondern auch die der nachrückenden Kollegen. Falls es sich jemand anders überlegt und von der Mission zurücktritt oder krank wird oder sonst irgendetwas Unvorhergesehenes passiert. Wie eine verschwundene Tochter zum Beispiel. Insgesamt vierzehn Familien. Ich kenne die meisten. Es ist nicht das erste Mal, dass wir ihnen begegnen. Allerdings gibt es nur zwei Astrokids in meinem Alter. Tony und Prianka.

Wir verstehen uns ganz gut. Gut genug, um mit zwölf die ersten Küsse auszutauschen. Bei einer Runde Flaschendrehen, als wir wieder einmal auf die Ankunft einer zurückkehrenden Crew gewartet haben. Ich habe die beiden noch nie außerhalb eines NASA- oder ESA-Geländes gesehen. Manchmal kommen sie mir vor wie Inventar. Aber wahrscheinlich geht es ihnen mit mir genauso.

Unser Bungalow sieht aus wie alle anderen. Er liegt oberhalb des Strands, und das Kennedy Space Center ist in der Ferne noch zu sehen. Für die nächste Woche ist er unser Zuhause, und einen Moment lang sitzen Ma und ich im Auto davor und starren auf die weiß verputzte Wand, auf der die Fliegen sitzen. Ich lege meine Hand auf ihre, und beinahe fragend sieht mich Ma an.

Wir haben es Pa noch nicht gesagt.

Wir wussten nicht, wie.

»Komm«, sage ich und steige aus.

Der Protestlärm vor den Mauern dringt dumpf bis zu uns vor, wird nur geschwächt durch das Rauschen des Ozeans. Je nachdem, wie ich den Kopf drehe, höre ich das eine oder andere besser. Es riecht nach Meer, und über uns kreisen Möwen und Securitydrohnen.

Als ich das erste Mal nach Florida gekommen bin, konnte ich vom Strand nicht genug bekommen. Alles wirkte so hell im Vergleich zu Köln. Die Sonne gleißte auf den Oberflächen, und die Farben leuchteten so intensiv, dass man immerzu die Augen zusammenkneifen musste. Inzwischen sind vier Jahre vergangen, und ich habe mich an den Anblick dieses unendlichen Blaus gewöhnt. Wenn es vor der Haustür liegt, verliert es seinen Zauber. Vielleicht, weil es immer da ist. Egal was man anstellt, die Wellen werden auch am nächsten Tag noch auf dem Sand ausrollen. Und die Orangen schmecken auch nicht süßer, nur weil sie oranger sind.

Ich frage mich, ob Pa das Meer vermissen wird, wenn er auf Mission ist. Oder unsere Badewanne. Auch Orangen wird er wohl für eine sehr lange Zeit nicht mehr sehen.

Bei dem Gedanken fällt mir...
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Autor

Kathleen Weise, geboren 1978, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und ist als Autorin und Lektorin tätig. Sie arbeitete viele Jahre ehrenamtlich für das Literaturbüro Leipzig e.V., für das sie Textwerkstätten und Schullesungen organisierte und durchführte. Mit ihrem Partner, dem Autor Boris Koch, und der gemeinsamen Tochter lebt sie in Leipzig. Für das historische Jugendbuch Blutrote Lilien erhielt sie das Aufenthaltsstipendium des Hausacher Leselenz. Mehr unter kathleenweise.de.