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Die leuchtenden Tage am Bosporus

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
437 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am11.03.2019Deutsche Erstausgabe
Istanbul, 1921: Die ehemals schillernde Metropole des Osmanischen Reiches ist durch Krieg und Besatzung nur noch ein Schatten ihrer selbst. Viele Bewohner haben ihr Zuhause verloren. So auch die junge Nur, die wohlbehütet in einer intellektuellen Familie aufgewachsen ist, fließend Englisch spricht und sich am liebsten an die herrlich trägen Sommer in ihrem Haus am Bosporus erinnert.
Inzwischen lebt sie mit Mutter und Großmutter in einer kleinen Wohnung und schlägt sich mit Näharbeiten durch. Eines Tages findet sie einen Waisenjungen und nimmt ihn zu sich. Als er hohes Fieber bekommt, bringt sie ihn in ein englisches Militärkrankenhaus. Einer der Ärzte, George, kümmert sich aufopferungsvoll um das Kind, und sosehr Nur ihn, den Engländer, also einen der feindlichen Besatzer, auch verachtet - nach und nach entspinnen sich zarte Bande zwischen den beiden ...


Lucy Foley, 1986 in Sussex, England geboren, hat Englische Literatur in Durham studiert und ihren Masterabschluss in Moderner Literatur an der Universität London gemacht. Sie arbeitete einige Jahre als Lektorin bei Hodder & Stoughton und schrieb währenddessen ihren ersten Roman Die Stunde der Liebenden. Lucy Foley lebt in London, wenn sie nicht gerade auf der Suche nach neuen Romanstoffen die Welt bereist.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,95
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIstanbul, 1921: Die ehemals schillernde Metropole des Osmanischen Reiches ist durch Krieg und Besatzung nur noch ein Schatten ihrer selbst. Viele Bewohner haben ihr Zuhause verloren. So auch die junge Nur, die wohlbehütet in einer intellektuellen Familie aufgewachsen ist, fließend Englisch spricht und sich am liebsten an die herrlich trägen Sommer in ihrem Haus am Bosporus erinnert.
Inzwischen lebt sie mit Mutter und Großmutter in einer kleinen Wohnung und schlägt sich mit Näharbeiten durch. Eines Tages findet sie einen Waisenjungen und nimmt ihn zu sich. Als er hohes Fieber bekommt, bringt sie ihn in ein englisches Militärkrankenhaus. Einer der Ärzte, George, kümmert sich aufopferungsvoll um das Kind, und sosehr Nur ihn, den Engländer, also einen der feindlichen Besatzer, auch verachtet - nach und nach entspinnen sich zarte Bande zwischen den beiden ...


Lucy Foley, 1986 in Sussex, England geboren, hat Englische Literatur in Durham studiert und ihren Masterabschluss in Moderner Literatur an der Universität London gemacht. Sie arbeitete einige Jahre als Lektorin bei Hodder & Stoughton und schrieb währenddessen ihren ersten Roman Die Stunde der Liebenden. Lucy Foley lebt in London, wenn sie nicht gerade auf der Suche nach neuen Romanstoffen die Welt bereist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458762478
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum11.03.2019
AuflageDeutsche Erstausgabe
Reihen-Nr.4697
Seiten437 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4215981
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Konstantinopel

1921



Drei Jahre unter Besetzung der Westmächte



Nur

Früher Morgen. In einem Zimmer oberhalb der Schiffswerften des Bosporus schläft eine Frau. Ihr langes schwarzes Haar hat sich in der rauen See der Nacht um ihren Körper geschlungen. Sie hat vergessen, es zusammenzubinden, wie sie es normalerweise tut. Zu müde. Ein Arm liegt wie achtlos fortgeschleudert über ihrem Kopf, eine körperliche Nachlässigkeit, die sie sich am Tage niemals erlauben würde. Ihre Finger sind gespreizt, die Hand wie in einer flehenden Geste geöffnet.

Es ist still, abgesehen vom selbstgefälligen Ticken einer Uhr: eine eher klobige Konstruktion aus dunklem Holz. MADE IN ENGLAND. Ihr lautes Ticken hallt im Raum, denn neben dieser Uhr und dem niedrigen Diwan mit seiner schlafenden menschlichen Fracht gibt es nur wenige Möbel. Aber es hat einmal welche gegeben; die dunkleren Spuren auf dem Boden, die das Sonnenlicht noch nicht hat ausbleichen können, sind noch immer zu sehen. Sie stammen nicht nur von Möbeln, auch von Teppichen, viel feiner als dieses abgenutzte Ding, das übrig geblieben ist. Kelim aus Anatolien, soumak aus Persien.

Die Sonne geht auf. Sie klettert über die grünen Grasflächen am anderen Ufer des Bosporus und streicht über das Wasser wie Butter. Jetzt berührt sie Europa. Innerhalb weniger Minuten hat sie zwei Kontinente überspannt; ein tägliches Wunder. Sie vergoldet den hässlichen mechanischen Detritus der Werften. Jetzt erreicht sie das Zimmer der Schlafenden. In der muffigen Luft vollzieht sich ein weiteres Wunder: Die schwebende Staubschicht verwandelt sich in einen Schwarm tanzender Goldpartikel.

Egal wie häufig die Wohnung auch geputzt wird, der Staub bleibt. Vielleicht liegt es am Alter des Gebäudes oder daran, dass es vollständig aus Holz gebaut ist und über die Jahre Regen, brütende Hitze, Frost und Schnee ertragen hat. Es ist geschrumpft und gewachsen, hat sich gebogen und geatmet wie das lebende Wesen, das es einst war.

Mittlerweile ist das Licht lautlos die Bettlaken hinaufgewandert und hat schlafende Zehen unter einem Lüftungsschacht aus Stoff gefunden. Ein Muster aus ungeübt, aber doch ansehnlich gestickten Granatäpfeln. Ihre Farbe entspricht beinahe vollkommen den Früchten, die bald an den Bäumen in einem Garten auf der anderen Seite des Wassers reifen werden. Die roten Kerne der aufgebrochenen Früchte werden zu einem Muster und marschieren am Saum der Decke entlang; ein goldener Faden bildet die Fasern zwischen ihnen.

Jetzt erreicht das Licht die wirren Haarsträhnen. Im Schatten schienen sie schwarz - nun zeigt sich, dass sie in verschiedenen Brauntönen changieren, an manchen Stellen so leuchtend wie der goldene Stickfaden. Das Licht sammelt sich für seinen finalen Coup: den Hals zu erklimmen, die feinen Knochen des Kiefers, den leicht geöffneten Mund, den vorstehenden Bug der Nase, die Augenlider ...

Nur erwacht. Rosiges Licht. Sie öffnet die Augen. Weiß. Sie setzt sich auf, verschlafen, wischt sich über den Mund. Es war eine unruhige Nacht. Was hat sie in den frühen Morgenstunden aus dem Schlaf gerissen? Ein schlechter Traum. Sie kann sich nicht mehr an die Details erinnern. Je intensiver sie versucht, ihrer habhaft zu werden, desto rascher versinken sie, wie kleine Wesen, die sich im Sand eingraben. Ihr bleibt nur das Gefühl eines nachhallenden Unbehagens. Weit beunruhigender jedoch ist dieses Gefühl des Nichtwissens. Sie steht auf, betrachtet den Tag. Jenseits der flachen Dächer kann sie das Wasser erahnen, ein helles Glitzern. Bis zum Frühstück wird sie ihre Unruhe von sich abgeschüttelt haben. Da ist sie sicher. Denn was kann einen schon an einem solchen Morgen erschüttern?

Oh. Ein Zögern. Etwas fehlt. Und nun geschieht es, wie jeden Morgen. Die Erinnerung an alles, was sich verändert hat. Sie spürt, wie das Wissen sich wieder auf ihre Schultern hinabsenkt - beinahe schon auf beruhigende Weise vertraut. Denn nun hat sie es zumindest wiedergefunden, kennt sein Gewicht. Es ist weit schlimmer als die Erfindung eines simplen Albtraums.

Im Zimmer nebenan kocht jemand Kaffee. Der Geruch ist wie der Tag selbst - eine Andeutung von Wärme und Wohlbefinden. Sie kann diesen besonderen Klang des Kupferkessels hören, als er gegen den Herd schlägt. Sie schiebt die Füße in ihre abgetragenen babouches und schlurft in den Flur hinaus. Lang nach oben gestreckt, sodass das Kinn gerade über die Kante des Herds ragt, auf dem der Kessel eine gefährliche Dampfwolke ausatmet, steht eine kleine Gestalt. Der Junge. Er blickt zu ihr auf, gefangen zwischen Stolz und Schuldgefühlen. Dann lächelt er.

Sie kann ihm nicht böse sein. Der Junge ist beinahe wie ein anderes Kind im Vergleich zu dem, der er noch vor zwei Jahren war. Oftmals findet Nur ihn morgens mit offenen Augen auf dem Rücken liegend und fragt sich, ob er sie überhaupt geschlossen oder die Nacht damit verbracht hat, eine Projektion der Schrecken an der Decke zu verfolgen. Wenigstens hat er wieder angefangen zu essen. Doch es hatte etwas Mechanisches, die Art, wie er das Essen nahm und kaute und schluckte und den Mund öffnete, um erneut etwas hineinzuschieben. Es war nichts weiter als der Instinkt eines Organismus, am Leben zu bleiben.

Lange Zeit hatte es keine Anzeichen mehr von dem Jungen gegeben, den sie einst gekannt hatte. Nur fragte sich, ob dieses Kind gänzlich von der Bildfläche verschwunden war - und niemals zurückkehren würde. Es gab Dinge, die einen Menschen vollkommen verändern konnten. Und als Kind war man formbarer, leichter zu beeindrucken; die Veränderung konnte umso verheerender sein.

Nur nimmt ihre Tasse mit hinauf auf das flache Dach des Hauses. Dies ist ihr heimliches Versteck; sie glaubt nicht, dass die anderen Bewohner des Blocks es kennen. Hier kann der Tag sie noch nicht treffen. Sie ist seine Herrin. Der Morgen ist klar, noch kühl. Doch die Hitze des Tages kündigt sich bereits an. Das Wasser schwappt und plappert unaufhörlich. Und am Horizont liegt ein Schimmern; die Wolken, die sich dort oben ballen, haben die Farbe von Safran.

Sie trinkt einen Schluck Kaffee. Er ist gut, weit besser als der, den ihre Großmutter zubereitet, die sich zu gut dafür ist, Kaffee zu kochen, und ihn jedes Mal zu heiß aufbrüht.

Der Tag ist so still wie ein Gemälde. Man kann sich kaum vorstellen, dass dort unten Bewegung herrscht, Chaos. Doch sie kann es hören: die Geräusche der erwachenden Straßen, den Ruf des Milchverkäufers, die fernen Rufe der Schauermänner am Kai, die Fischer, die ihren Fang feilbieten. Ganz in der Nähe das Rattern und Quietschen einer Straßenbahn. Aus dem nahegelegenen Viertel Pera, nur etwa zweihundert Meter nach Westen gelegen, dringt das Wimmern einer Geige - Relikt nächtlicher Vergnügungen.

Früher hätte Nur dieses Viertel, Tophane, nie als Wohnort in Erwägung gezogen. Es war ein Nirgendwo - ein Nachgedanke, der am Rockzipfel der großen Stadt hing, ein Ort, an dem verschiedene Wohnviertel zwangsläufig zusammenkamen, wo ihre Hauptstraßen aufeinandertrafen wie die losen Enden eines Seils.

Sie blickt über die Anlegestellen hinweg auf die glitzernde Weite des mit Kriegsschiffen gesprenkelten Bosporus. Von hier oben sehen sie winzig aus, als könnte man sie mit der flachen Hand wieder ins Meer zurückschieben. Sie...




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Autor

Lucy Foley, 1986 in Sussex, England geboren, hat Englische Literatur in Durham studiert und ihren Masterabschluss in Moderner Literatur an der Universität London gemacht. Sie arbeitete einige Jahre als Lektorin bei Hodder & Stoughton und schrieb währenddessen ihren ersten Roman Die Stunde der Liebenden. Lucy Foley lebt in London, wenn sie nicht gerade auf der Suche nach neuen Romanstoffen die Welt bereist.