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Unter Engeln

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.01.2020
Als ich einmal Jesus traf ... Ein Mädchen entdeckt die Religion, und ihre Eltern flippen aus.
Die 13-jährige Alma ist überzeugt davon, dass ihr Jesus erschienen ist. Sie will fortan den 'Weg der Liebe' gehen und alle davon überzeugen. Ihre Eltern, die eigentlich gedacht haben, sie hätten ihre Tochter im Geist der Freiheit erzogen, wissen sich nicht mehr zu helfen und schicken sie zur Psychologin. Doch Alma lässt sich nicht beirren und geht weiter ihren Weg. Je entschlossener sie ist, desto unsicherer werden ihre Eltern, die plötzlich gezwungen sind, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren.

Gudrún Eva Mínervudóttir, geboren 1976, studierte in Reykjavík Philosophie. Ihr Roman 'Der Schöpfer' fand international Beachtung. Für 'Alles beginnt mit einem Kuss' ist sie mit dem isländischen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Sie zählt zu den bekanntesten jungen Autorinnen Islands.
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Produkt

KlappentextAls ich einmal Jesus traf ... Ein Mädchen entdeckt die Religion, und ihre Eltern flippen aus.
Die 13-jährige Alma ist überzeugt davon, dass ihr Jesus erschienen ist. Sie will fortan den 'Weg der Liebe' gehen und alle davon überzeugen. Ihre Eltern, die eigentlich gedacht haben, sie hätten ihre Tochter im Geist der Freiheit erzogen, wissen sich nicht mehr zu helfen und schicken sie zur Psychologin. Doch Alma lässt sich nicht beirren und geht weiter ihren Weg. Je entschlossener sie ist, desto unsicherer werden ihre Eltern, die plötzlich gezwungen sind, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren.

Gudrún Eva Mínervudóttir, geboren 1976, studierte in Reykjavík Philosophie. Ihr Roman 'Der Schöpfer' fand international Beachtung. Für 'Alles beginnt mit einem Kuss' ist sie mit dem isländischen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Sie zählt zu den bekanntesten jungen Autorinnen Islands.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641176105
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum13.01.2020
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1610 Kbytes
Artikel-Nr.4279760
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Ich und Jesus

sind wie zwei fette Menschen

in einem winzigen Boot

prallen gegeneinander

lachend

Wange an Wange

Wampe an Wampe

kleben aneinander

lachend

bebende Kolosse

zitternde Doppelkinne

wieder schaukelt der Kahn

ich purzle auf Jesus

der prustet

und zwinkert mir zu:

Here´s looking at you, kid

ich sterbe vor Lachen!

»Hat sie das geschrieben?«, fragte Snæfrídur und legte den Zettel auf einen kleinen Tisch neben ihrem Ledersessel.

»Ja.«

Das braune Sofaleder knarzte, als Pétur sich nach vorn beugte und die Ellbogen auf den Knien abstützte. Er kam nicht umhin, darüber nachzudenken, was so eine Garnitur wohl kostete. Ein Sofa, zwei Sessel, drei passende Teaktische, auf einem davon ein Schreibblock, ein Stift und eine Taschentücherbox mit dem Aufdruck ultra soft. Alle anderen Flächen waren leer. An den weißen Wänden hingen keine Bilder, vor den Fenstern keine Gardinen. Drei Stockwerke unter ihnen, auf der Einkaufsstraße, und durch dreifaches Glas hindurch war das Geschiebe der Menschen und Autos zu hören.

Diese Psychiaterin, Snæfrídur Björnsdóttir, war irgendwie genau so, wie Pétur sie sich nach den Beschreibungen seines Vaters vorgestellt hatte, nur älter. Schon klar, sie war genauso alt wie er. Aber er hatte sie immer als junge Frau in Schlaghosen vor sich gesehen, mit ernstem Gesichtsausdruck und einem Buch unter dem Arm. Die Lieblingsstudentin des alten Professors, der ihren Namen immer japsend hervorstieß, Shnai-frith, und am Ende stets beim selben Witz landete: Snow Pretty, daughter of Bear. A-hah-hah-hah! Jetzt waren sie beide, Snæfrídur und Pétur, um die sechzig, doch damals, als sie bei Professor emeritus Boulanger studiert hatten, waren sie in ihren Zwanzigern gewesen. Damals mochte ihr Name vielleicht noch nicht so recht gepasst haben. Zumindest hatte sich der alte Boulanger manchmal darüber beschwert, dass die skandinavische Schönheit unter seinen Studenten, in deren Namen noch dazu das Wort Schnee steckte, dunkle Haare hatte. Doch inzwischen machte sie ihm alle Ehre - das schulterlange Haar war nahezu weiß geworden. Einzelne dunkle Strähnen machten das Weiß noch auffälliger; wie einzelne kahle Birkenzweige auf schneebedeckter Erde. Alles an ihr war überzeugend und vertrauenerweckend: der freundliche Ernst, die ruhigen und gezielten Bewegungen, der Hosenanzug (hellgrau, zweireihig). Die zynische Seite in Pétur wollte sie nicht so leicht davonkommen lassen, nicht ohne wenigstens ein bisschen über sie zu schmunzeln, aber das war auch schon alles. Was wünscht man sich von seinem Psychiater, wenn nicht, dass er vertrauenerweckend ist? Wenn sie ihm helfen sollte, dann durfte er sich kein zu genaues Bild von ihr machen. Außerdem wusste er in Wirklichkeit ja auch so gut wie nichts über diese Frau. Die Anspielungen und nervösen Spötteleien seines Vaters, an die er sich erinnerte, konnte man wohl kaum Fakten nennen.

Sein Drang, mehr über sie zu erfahren, überraschte ihn selbst. Denn nicht Neugier hatte ihn in dieses Behandlungszimmer getrieben, sondern die Verzweiflung, die sein kindliches Vertrauen in die Tradition erneuert hatte. Die Überheblichkeit seines Vaters hatte er längst durchschaut, doch damit war nicht gesagt, dass alles, was der alte Boulanger glaubte und lehrte, zu nichts taugte.

»Und wo haben Sie das gefunden? Hat sie es Ihnen gezeigt?«, fragte Snæfrídur.

»Ich habe es auf ihrem Computer gefunden und ausgedruckt, als sie gestern Abend im Bett war. Um es Ihnen zu zeigen.«

Snæfrídur musterte ihren neuen Klienten. Pétur Boulanger, ein Gastwirt, der auf Snæfellsnes seine eigene kleine Pension führte, der einzige Sohn von Bernard Boulanger, ihrem ehemaligen Professor an der Sorbonne - Gott habe ihn selig. Ein Ehemann und Vater, der den ganzen Weg von Stykkishólmur gekommen war, weil er und seine Familie Hilfe brauchten. Ähnlich war er dem alten Boulanger nicht. Obwohl - jetzt, wo er das Kinn so eigensinnig nach vorne schob, wurde die Ähnlichkeit doch deutlich. Ein feines Gesicht, zu einer unwirschen Miene verzogen.

»Das ist wirklich gut«, sagte Snæfrídur. »Schreibt sie häufiger? Da steckt Humor drin und Rhythmus und eine Anspielung auf einen Filmklassiker. Sie ist erst dreizehn, haben Sie gesagt?«

Gegen den Stolz, der in ihm aufstieg, kam Pétur nicht an. Alma war trotz allem seine Tochter. Und schon immer ein cleveres Köpfchen gewesen. »Dreizehn Jahre und vier Monate, seit gestern«, antwortete er. »Als sie noch kleiner war, hat sie uns immer irgendwelche Gedichte oder Verse gezeigt, aber damit hat sie inzwischen aufgehört.«

Snæfrídur nickte langsam und schrieb etwas auf.

»Gut oder nicht gut, spielt keine Rolle«, beeilte Pétur sich zu ergänzen. »Ich wollte nur, dass Sie sehen, wie weit es schon mit ihr gekommen ist.«

»In welcher Hinsicht weit gekommen?«

»Das weiß ich nicht, deshalb bin ich ja hier!«

Wenn Pétur die Stimme erhob, hatte er denselben Tonfall wie sein Vater; auch seine Augenbrauen tanzten genauso wie bei ihm, und als er ausgeredet hatte, blieb der Mund einen Moment halb offen stehen, bis er ihn zuklappte und die Lippen übertrieben zusammenpresste. Seine Reaktion war nichts anderes als ein Stacheldrahtzaun um einen Garten aus Sentimentalität. Snæfrídur fühlte sich in Boulangers Vorlesungen in Paris zurückversetzt. Dieselbe liebenswerte Gereiztheit.

Mit zögerlichem Unbehagen fügte Pétur hinzu: »Sie ist inzwischen richtig fanatisch und komisch. Als wäre sie krank. Am Glaubensfieber erkrankt. A-hah-hah! Das Gedicht kommt Ihnen vielleicht harmlos vor, aber Sie wissen ja nicht, wie sie im Alltag so ist. Das ist grotesk und völlig aus der Luft gegriffen. Wir haben sie nie in die Sonntagsschule geschickt oder dergleichen. Niemand von ihren Freunden ist so drauf, und wir haben ihr das nicht vorgelebt.«

»Es ist nicht ungewöhnlich, dass Mädchen in diesem Alter eine Art Jesusliebe entwickeln, aber das gibt sich in der Regel von allein wieder«, sagte Snæfrídur.

»Das mag ja vielleicht auf Mädchen in katholisch geprägten Ländern zutreffen, aber hier?«, schnaubte Pétur. »Auch der Schulbehörde sind solche Schwierigkeiten nicht bekannt. Damit scheint sie wirklich allein zu sein. Allein in einem Boot, sozusagen. A-hah-hah-hah! Ihre Freundinnen reden nicht mehr mit ihr, oder sie nicht mehr mit ihnen. Die Eltern ihrer besten Freundin haben ihrer Tochter den Umgang mit Alma verboten. Sie behaupten zwar, dass sie sich mehr auf den Klavierunterricht in der Musikschule konzentrieren will, aber das ist definitiv nur ein Vorwand.«

»Also noch mal«, sagte Snæfrídur. »Die Freundinnen Ihrer Tochter sprechen nicht mehr mit ihr und deren Eltern wollen nicht, dass ihre Töchter Umgang mit Alma haben, weil sie zu stark an Jesus glaubt?«

Pétur zuckte mit den Schultern. »Wir haben versucht, ihr entgegenzukommen, und gesagt, dass sie glauben kann, an was sie möchte, aber dass solche Gedanken privat sind. Dass das niemand hören will. Dass sie die Leute damit in Verlegenheit bringt. Darauf antwortet sie dann zum Beispiel: Also wie Selbstbefriedigung oder aufs Klo zu gehen? Dann fühle ich mich wie ein Idiot, obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass ich richtigliege. So vorlaut war sie früher nicht, so schlagfertig.«

Pétur fuhr sich mit der Hand über den Kiefer und hinters Ohr.

»Wie war sie denn?«, fragte Snæfrídur.

Er dachte nach, bevor er antwortete. »Ein junger Mensch mit gesunden Interessen, würde ich sagen. Jedenfalls hatte sie keine so rigiden Ansichten. Sie ist gern schwimmen gegangen ...« - Pétur kratzte sich mit tanzenden Fingern am Kopf - »... daran hat sich eigentlich auch nichts geändert. Ich fand zwar immer, dass sie und ihre Freundinnen zu sehr damit beschäftigt sind, was sie anhaben und wie sie sich schminken - ich meine, das sind schließlich noch Kinder. Aber jetzt würde ich mich hundertmal lieber mit so etwas herumschlagen als mit diesem Mist.«

»Mhm«, machte Snæfrídur. »Sie haben die Schulbehörde erwähnt, ist denn etwas Konkretes vorgefallen, weshalb Sie hergekommen sind? Geht sie nicht mehr zur Schule?«

»Nein. Also ich meine, sie geht noch zur Schule.«

»Aber irgendetwas muss Sie dazu gebracht haben, zu mir zu kommen.«

Auf einmal wirkte Pétur wie ausgewechselt. Er strich über die Sofalehne und spielte an einem der Lederknöpfe herum. Sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht, als er sagte: »Ich bin nicht nur deshalb hier. Und ... ach, ich weiß nicht, mir fällt es schwer, über so etwas zu reden.«

»Ich empfehle meinen Klienten meist, einfach am Anfang zu beginnen«, sagte Snæfrídur und lächelte aufmunternd, doch Schreibblock und Stift in ihrer Hand machten Pétur wieder unsicher.

»Tja«, sagte Pétur, »ich weiß gar nicht mehr so genau, wie das alles angefangen hat, darüber mache ich mir auch gar nicht so einen Kopf. Ich mache mir eher Sorgen darüber, wie das enden wird.«

Sie schwiegen. Eine Fliege brummte durchs Fenster herein, obwohl es bereits Mitte Oktober war und Kälte und Dunkelheit die Tage schon längst im Griff hatten. »Ach, hallo!«, rief jemand mit schriller Stimme draußen auf der Straße.

»Also nehmen Sie sie als Patientin an?«, fragte...

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Autor

Gudrún Eva Mínervudóttir, geboren 1976, studierte in Reykjavík Philosophie. Ihr Roman "Der Schöpfer" fand international Beachtung. Für "Alles beginnt mit einem Kuss" ist sie mit dem isländischen Literaturpreis ausgezeichnet worden. Sie zählt zu den bekanntesten jungen Autorinnen Islands.
Weitere Artikel von
Wolff, Anika
Übersetzung