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Die andere Welt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.01.2020
Louise und Louis haben alles gemeinsam, bis auf eines: ihr Geschlecht. Beide wachsen zu willensstarken jungen Menschen heran, verlieben sich, träumen davon, Romane zu schreiben - und verlieren in einer dramatischen Nacht viel zu früh das Vertrauen ins Leben. Dreizehn Jahre später können beide nicht mehr vor der Vergangenheit davonlaufen und kehren in die Heimat zurück. Was denkt und fühlt Louise, was Louis? Wie verlaufen zwei Wege, die mit nur einem Unterschied beginnen? Einfühlsam erkundet Julie Cohen in ihrem vielschichtigen Roman, wie das Geschlecht unser Leben und unsere Identität bestimmt.
Wunderschöne Ausstattung - edles Naturpapier, hochwertig mit Goldfolie veredelt

Julie Cohen wurde in Maine, USA, geboren und verbrachte ihre Kindheit zwischen Büchern in der Bibliothek. Sie studierte Literatur an der Brown und der Cambridge University, und wenn sie nicht gerade an ihren Romanen arbeitet, leitet sie Schreibworkshops. Sie lebt mit ihrer Familie und ihrem Hund in Berkshire, England.
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Produkt

KlappentextLouise und Louis haben alles gemeinsam, bis auf eines: ihr Geschlecht. Beide wachsen zu willensstarken jungen Menschen heran, verlieben sich, träumen davon, Romane zu schreiben - und verlieren in einer dramatischen Nacht viel zu früh das Vertrauen ins Leben. Dreizehn Jahre später können beide nicht mehr vor der Vergangenheit davonlaufen und kehren in die Heimat zurück. Was denkt und fühlt Louise, was Louis? Wie verlaufen zwei Wege, die mit nur einem Unterschied beginnen? Einfühlsam erkundet Julie Cohen in ihrem vielschichtigen Roman, wie das Geschlecht unser Leben und unsere Identität bestimmt.
Wunderschöne Ausstattung - edles Naturpapier, hochwertig mit Goldfolie veredelt

Julie Cohen wurde in Maine, USA, geboren und verbrachte ihre Kindheit zwischen Büchern in der Bibliothek. Sie studierte Literatur an der Brown und der Cambridge University, und wenn sie nicht gerade an ihren Romanen arbeitet, leitet sie Schreibworkshops. Sie lebt mit ihrer Familie und ihrem Hund in Berkshire, England.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641252335
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum13.01.2020
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1679 Kbytes
Artikel-Nr.4310767
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Daddys Mädchen

1978

Louise Dawn Alder wurde am 8. September 1978 als Tochter von Peggy und Irving Alder in Casablanca, Maine, geboren.

Peggy befand sich zwei Wochen über dem errechneten Geburtstermin, und es war heiß. Der August hatte sich geweigert, dem Herbst Platz zu machen. Noch verfärbten sich die Blätter nicht. Das Gras war gelb und verdorrt. Peggy stapfte durchs Haus, schwitzte ihr Schwangerschaftskleid durch, trank ein Glas Eistee mit Zitrone nach dem anderen und stieß mit dem Bauch gegen Möbel und Türrahmen.

»Ich will es hinter mir haben«, stöhnte sie, als sie mit ihrer besten Freundin Mary Phelps telefonierte, die vor einem halben Jahr Zwillinge zur Welt gebracht hatte.

»Das willst du nicht«, sagte Mary. Im Hintergrund schrie Allie oder Benny. »Behalte das Baby im Bauch, solange es geht. Zumindest kannst du schlafen, solange es noch nicht auf der Welt ist.«

Doch Peggy konnte nicht schlafen. Sie musste ungefähr einmal in der Stunde auf die Toilette, und wenn sie im Bett neben sich Irvings tiefe Atemzüge hörte, war ihr immer zu warm, und die Gedanken in ihrem erschöpften Hirn hörten nicht auf zu rasen. Hatten sie die Krippe richtig aufgebaut? Würde sie eine schlechte Mutter sein? Hatte sie die richtigen Dinge in die Tasche fürs Krankenhaus gepackt? Und wenn mit dem Baby etwas nicht stimmte?

»Es ist mir sogar egal, wenn es wehtut«, erklärte sie Mary.

»Das ist dir nicht egal«, prophezeite ihr Mary. »Bitte um alle Medikamente.«

Wie Peggy wusste, bedauerte Mary sehr, dass Benny bei der Geburt der Zwillinge zu schnell auf die Welt gekommen war, weshalb keine Zeit blieb, sie noch mit Medikamenten zu versorgen. Und obwohl Allie erst eine Stunde später gekommen war, fand der Arzt, Mary habe es beim ersten Baby so gut gemacht, dass sie beim zweiten auch nichts einnehmen müsse.

»Ich habe Angst«, flüsterte Peggy, obwohl Irving bei der Arbeit war und niemand sie hören konnte. Fest wickelte sie die Telefonschnur um ihre Finger. »Vielleicht ist es noch nicht auf der Welt, weil etwas mit ihm nicht stimmt.«

»Tritt es dich?«, fragte Mary, dann sprach sie mit ihrem Baby. »Ach, Allie, Schluss jetzt. Du saugst mich ja aus, lass noch etwas für deinen Bruder übrig.«

»Ja.« Wobei ... wann hatte es das letzte Mal getreten? Die Stöße von innen waren so normal geworden, dass Peggy sie kaum noch bemerkte - es sei denn, ein kleiner Fuß klemmte hinter einer Rippe und ließ sie vor Schmerz um Atem ringen. Sie legte die Hand auf ihren runden Bauch und erhielt zur Antwort einen dumpfen Stoß.

»Ja, jetzt gerade«, sagte sie erleichtert.

»Na, dann ist alles in Ordnung. Wetten, dass es ein Mädchen ist?«

»Ich glaube, es ist ein Junge.«

»Nein. Jungs sind pflegeleicht. Sieh dir den kleinen Benny an - einfach mustergültig. Seine Schwester hingegen hat Koliken und einen Windelausschlag, außerdem kann sie nicht aufhören zu essen ... Jetzt ist dein Bruder dran, du kleiner Nimmersatt.«

Ihre Worte stimmten Peggy zuversichtlicher. Neben all jenen Ängsten, die sie nachts wachhielten, gab es eine, die noch nicht einmal Sinn ergab: Würde sie nach der Geburt noch sie selbst sein? Als könnte die Geburt sie ihrer Persönlichkeit berauben, als könnte das Stillen ihre Gedanken und Gefühle zum Versiegen bringen.

Doch Mary war ganz so wie immer. Sarkastisch und direkt, aber mit einem großen Herzen. Die Zwillinge hatten ihre Persönlichkeit eher verstärkt, nicht geschwächt.

»Ich denke immer, Irving hätte den Wagen früher zur Wartung bringen sollen. Den Werkstatttermin morgen hat er vor Monaten ausgemacht. Er dachte, das Baby wäre dann schon auf der Welt, aber es ist noch nicht da. Und wenn es losgeht, während das Auto in der Werkstatt ist? Wie komme ich dann ins Krankenhaus?«

»Dann fahre ich dich«, sagte Mary so prompt, dass sie nicht darüber nachgedacht haben konnte.

»Aber du hast doch Benny und Allie.«

»Die passen ins Auto. Außerdem muss Donnie irgendwann lernen, auf sie aufzupassen. Er ist ihr Vater, und er rührt keinen verdammten Finger. Weißt du, wie viele Windeln er in den sechs Monaten gewechselt hat, die sie auf der Welt sind? Exakt null. Derweil stecke ich jeden Tag bis zum Ellbogen in Babykacke. Wenn ich endlich mal zum Schlafen komme, träume ich schon davon. Und wenn ich nicht von Babykacke träume, träume ich von einem Martini. Beefeater und Wermut auf Eis mit einer Zitronenspirale. Weißt du noch, wie wir die gemacht haben?«

Peggy hörte, wie am anderen Ende der Leitung ein Feuerzeug schnipste und Mary einen tiefen Zug von einer Zigarette nahm. Sie erinnerte sich an die Martinis auf Marys Brautparty, oben am Morocco Pond. Sie hatten ausgeklügelte Drinks gemixt und versucht, Rauchringe zu blasen. Erwachsene, die am Ort ihrer Kindheit verlegen versuchten, sich wie Erwachsene zu benehmen.

Und jetzt war Mary Mutter, und Peggy würde es auch bald sein. Peggy dachte an eiskalten Gin und Zitronenöl. Wie sie im Bikini am Strand gelegen hatten, auf dem flachen Bauch ein kühles Glas, von dem Kondenswasser herabperlte. Bei der Aussicht zu heiraten, ihr eigenes Haus und Ehemänner zu haben, waren sie beide ein bisschen aufgeregt gewesen. Damals war es ihnen fast unglaublich und wundervoll erschienen.

Jetzt wusste Peggy nicht, ob sie schon bereit war, erwachsen zu sein.

Stöhnend erhob sie sich vom Küchenstuhl, ging zum Fenster und schob die geblümten Baumwollvorhänge zur Seite, die sie, kurz nachdem sie das Haus gekauft hatten, selbst genäht hatte. Oder vielmehr, nachdem Irvings Eltern das Haus für sie gekauft hatten. Sie besaßen einen großen Garten, in dem Irving den Rasen mähte und das Unkraut jätete. Er hatte bereits einen Platz für eine Schaukel ausgewählt.

Ihr Baby war das erste Enkelkind in der Familie. Solange Peggy nur Irvings Freundin gewesen war, hatten sich Irvings Eltern, Vi und David, ihr gegenüber stets distanziert verhalten - sie fanden, sie sei nicht gut genug für ihren Sohn. Kaum hatten sie jedoch geheiratet und ihnen von der Schwangerschaft erzählt, waren sie ganz aus dem Häuschen und schenkten Peggy alle Aufmerksamkeit der Welt.

Irving freute sich darauf, Vater zu werden. Er stürzte sich rückhaltlos in das Unterfangen, konnte kaum die Hände von Peggys Bauch lassen und schien sie attraktiver als je zuvor zu finden. »Ich liebe es, wenn du schwanger bist«, raunte er ihr ständig zu. »Ich wünschte, du wärst immer schwanger.«

Doch Peggy war nicht sonderlich gern schwanger. In den ersten drei Monaten hatte sie sich permanent übergeben müssen, dann bekam sie Akne, außerdem schmerzten ihre Brüste. Und sie war aufgegangen wie ein Hefeteig, und draußen war es schrecklich heiß geworden. Was, wenn sie nach diesem keine weiteren Kinder mehr haben wollte? Würde Irving sie dann immer noch lieben? Fände er sie überhaupt noch attraktiv, nachdem das Baby auf der Welt war?

Sie hatten geheiratet, weil sie schwanger war. Natürlich wollten sie es sowieso, doch aufgrund der Schwangerschaft konnte Irving es sich nicht mehr anders überlegen. Es war zwar nicht ihre Absicht gewesen, doch ... Sie waren nach Portland durchgebrannt, um in der Stadt zu heiraten, und flitterten im kalten April zwei Tage an der Küste. Nicht ganz die opulente katholische Hochzeit, die Peggys Mutter erwartet, oder die aufwändige Feier, die Vi Alder sich vorgestellt hatte.

»Mary ...«, begann sie zögernd, nicht sicher, wie sie es formulieren sollte. Aber Mary war der einzige Mensch, mit dem sie reden konnte, die Einzige, die nicht so tat, als wäre Muttersein ein Spaziergang. »Wünschst du dir manchmal ...«

Sie merkte, wie etwas Warmes ihre Beine hinunterlief, als hätte sie sich eingenässt. Als Peggy nach unten blickte, sah sie eine kleine Pfütze auf dem Linoleumboden.

»Was soll ich mir wünschen?«, fragte Mary am anderen Ende.

»Ich glaube, meine Fruchtblase ist gerade geplatzt.«

Schweigen, das Knistern einer Zigarette, Einatmen. Mit beiden Händen umklammerte Peggy den Hörer und starrte auf die sich ausbreitende Pfütze. Einen Moment hatte sie vollkommen vergessen, was nun zu tun war. Dass sie auflegen und Irving in der Papierfabrik anrufen musste, damit er sie abholte und ins Krankenhaus brachte.

»Ich habe mich geirrt«, sagte Mary schließlich. »Es ist doch kein Mädchen, es ist ein Junge. Nur ein Junge würde ein Gespräch unterbrechen, wenn es gerade interessant wird.«

Nach neunzehn Stunden Wehen war es Peggy gleichgültig, ob sie eine gute Mutter sein würde oder nicht. Der Geburtshelfer weigerte sich, eine Epiduralanästhesie bei ihr vorzunehmen, weil sie die Wehen unterdrücke und ihr von dem Luftgasgemisch nur übel werde.

Peggy lag flach auf dem Rücken, die Füße auf Stützen, und durchlitt mit geballten Fäusten, zusammengebissenen Zähnen und schweißnassem Haar die bislang schlimmste Wehe. In den ersten Stunden hatte sie trotz der Schmerzen und der langen Warterei eine Art Hochgefühl empfunden. Sie lief über die Flure der Geburtsstation und hörte die Schreie anderer Mütter und Babys. Irving durfte sie begleiten und ihre Hand halten.

Als sich die Wehen verstärkten, brachte man sie in einen ruhigen Raum und verbannte Irving ins Wartezimmer, wo er Kaffee trinken und auf und ab laufen konnte. Inzwischen litt Peggy starke Schmerzen und war froh, dass Irving nicht dabei war. Er war um ihr Wohlergehen bemüht, und es strengte sie an, um seinetwillen so zu tun, als wäre sie nicht erschöpft, als hätte sie keine Angst...

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Autor

Julie Cohen wurde in Maine, USA, geboren und verbrachte ihre Kindheit zwischen Büchern in der Bibliothek. Sie studierte Literatur an der Brown und der Cambridge University, und wenn sie nicht gerade an ihren Romanen arbeitet, leitet sie Schreibworkshops. Sie lebt mit ihrer Familie und ihrem Hund in Berkshire, England.