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Die Einsamkeit der Schuldigen - Der Abgrund

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
544 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am12.06.2019
'Wenn man auf den Tod wartet, können sich Minuten schier unendlich hinziehen, während im Kampf ums Überleben jede Sekunde zählt.' Kaum eine Autorin geht so gnadenlos mit ihren Protagonisten um, wie Nienke Jos es tut. Auch im lang ersehnten zweiten Teil stellt sie ihre Leser kompromisslos auf die Probe: Kein Weiß, kein Schwarz, kein furioses Finale, stattdessen eine moralische Irrfahrt an den Abgrund der menschlichen Seele. Und wer noch glaubt, Jos habe etwas für die Guten übrig, wird hier meisterlich durch die Manege geführt. Ein gelungener Abschluss des spannenden Zweiteilers.

Von den härtesten Mountainbiketouren zum härtesten Thriller: Eine Frau der Extreme. Nienke Jos wird im Herbst 1980 am Niederrhein geboren. Nach ihrem Abitur studiert sie Sportpädagogik, führt Mountainbiketouren und bleibt bis 2016 beruflich im Ausland. Ihre Leidenschaft gilt hohen Geschwindigkeiten beim Rallye- und Motorradfahren. Geschrieben hat Jos nie, dennoch gelingt ihr mit dem aktuellen Zweiteiler ein fulminanter Erfolg. Nienke Jos lebt in Wiesbaden, Hessen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

Klappentext'Wenn man auf den Tod wartet, können sich Minuten schier unendlich hinziehen, während im Kampf ums Überleben jede Sekunde zählt.' Kaum eine Autorin geht so gnadenlos mit ihren Protagonisten um, wie Nienke Jos es tut. Auch im lang ersehnten zweiten Teil stellt sie ihre Leser kompromisslos auf die Probe: Kein Weiß, kein Schwarz, kein furioses Finale, stattdessen eine moralische Irrfahrt an den Abgrund der menschlichen Seele. Und wer noch glaubt, Jos habe etwas für die Guten übrig, wird hier meisterlich durch die Manege geführt. Ein gelungener Abschluss des spannenden Zweiteilers.

Von den härtesten Mountainbiketouren zum härtesten Thriller: Eine Frau der Extreme. Nienke Jos wird im Herbst 1980 am Niederrhein geboren. Nach ihrem Abitur studiert sie Sportpädagogik, führt Mountainbiketouren und bleibt bis 2016 beruflich im Ausland. Ihre Leidenschaft gilt hohen Geschwindigkeiten beim Rallye- und Motorradfahren. Geschrieben hat Jos nie, dennoch gelingt ihr mit dem aktuellen Zweiteiler ein fulminanter Erfolg. Nienke Jos lebt in Wiesbaden, Hessen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839260500
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum12.06.2019
Reihen-Nr.2
Seiten544 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4312781
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 10

Er zielte, beobachtete, wie dichte Schleierwolken emporstiegen, sich über den Berg legten. Der mit Eiskristallen besetzte Saharastaub würde die Sonneneinstrahlung schwächen, die Luft in 9.000 Metern Höhe gelblich grau färben, würde eine Eisfront über das Land jagen. Hagelartige und teilweise gewittrige Regenfälle würden den Westwind aufleben lassen, die Sonne würde sich verdunkeln, die Erde ihre Umlaufbahn verlassen, und nur einer würde die Naturkatastrophe überleben. Dieser eine würde sich durchschlagen, hier und da gäbe es Material zu sammeln, er würde nicht genau wissen, wohin er gehen sollte, aber etwas würde ihn antreiben, vielleicht ein natürlicher Instinkt, und er würde nicht aufgeben, würde weiterlaufen, bis seine Füße wund und seine Augen vom Staub erblindet wären. Titus setzte erneut an, ein, zwei, drei Meteoriten schlugen neben seinem Helden ein, verfehlten ihn um Haaresbreite, ließen ihm keine Zeit zum Verschnaufen, die Gravitation außer Kraft gesetzt, Planeten, Monde, Satelliten und Kometen, sogar die Galaxien und Sterne im Kosmos gerieten durcheinander, fielen. Er hätte seinen Helden gern verschont, aber Titus konnte keinen Einfluss nehmen. Er konnte nur ohnmächtig zuschauen, wie der Held dem Tode geweiht war, mit dem Gesicht im Staub, der Speichel würde aus seinem Mundwinkel laufen, seine Hand neben seinem Kopf noch einmal die Erde fühlen. Dann würde er hinaufgezogen und herumgewirbelt werden, schwerelos würde er irgendwann sein Bewusstsein verlieren und Abermillionen Jahre lang würde es Explosionen und Vulkanausbrüche geben, die das Leben auslöschen und für immer begraben würden. Titus war außer Atem, schüttelte den Kopf. Was für eine Katastrophe. Sein einziger Held â¦

»Jetzt!«, rief seine Mutter aus dem Wohnzimmer.

Titus zuckte zusammen. Er hatte seinen Auftrag vergessen, stand vor der Anrichte in der Küche, seinen Blick aus dem Fenster gerichtet. Er füllte das Glas mit Wasser und trank es in einem Zug leer.

»Hast du schon wieder geträumt?«, fragte sie ihn.

Titus nickte. »Er ist gestorben«, bedauerte er. »In den Himmel hinaufgesogen und herumgewirbelt worden, er war der einzige Überlebende.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich konnte nichts mehr tun.«

Seine Mutter sah ihn verständnisvoll an. »Und jetzt? Wird jemand Neues kommen und ihn ersetzen?«

Titus schüttelte den Kopf. »Leider nein«, er knabberte an seiner Unterlippe, überlegte angestrengt. »Leider nein«, wiederholte er.

Titus ließ sich von seiner Mutter auf die Wange küssen. »Wie schade«, sagte sie. Er liebte es, wenn sie an seinen Haaren herumzupfte und sein zerknittertes T-Shirt zurechtzupfte. »Dann such dir neue Geschichten«, forderte sie ihn auf und schob ihn zur Haustür. »Und sei zum Mittagessen zurück«, bat sie ihn, »dann kannst du mit anpacken, wir müssen die Gräber mit Sommerflor bepflanzen. Bella hilft auch.«

»Bella ist ein feines Mädchen«, säuselte er. »Ein feines Mädchen.«

Seine Mutter stupste ihn an. »Lass das!«, befahl sie streng, und weil Titus selbstgefällig grinste, rollte sie mit den Augen und ließ die Tür ins Schloss fallen, ohne ihm wie sonst noch einmal über den Kopf zu streicheln.

Titus hüpfte über den Hof, vorbei an Gewächshaus drei und vier, ignorierte die vielen Paletten, die rechts und links den Weg säumten und von den Gastarbeitern leergeräumt wurden. Bella, Bella, Bella. Bella war strebsam, wie Mädchen eben sind, und würde ihm noch den Sommer verderben. Gehorsam, fleißig, gewissenhaft und mit Hingabe und Liebe zu Blumen und Schnecken und Marienkäfern und Läusen. Titus hatte nichts übrig für den Betrieb. Er interessierte sich nicht für Frühblüher und Einjährige, Sommerflor oder die vielen Floristikgeschäfte, die sie tagein, tagaus belieferten. Einzig die rissige Haut an den Händen seiner Mutter, die dunklen Ränder unter den Nägeln und die gegerbten Arme konnte er mit Anerkennung betrachten, sogar lieben, weil er mochte, wie ihre Hände ihn streichelten oder liebkosten. Er liebte seine Mama, und die wenige Zeit, die sie abends für ihn abzapfte, erfüllte ihn mit Glück. Seine Mama ließ ihn Titus sein, und Bella war Bella. Nur an Tagen wie heute, wenn der Betrieb großflächig ausliefern musste, sollte auch Titus mit anpacken. Er war überzeugt davon, dass seine Mutter in ihm einen sechsjährigen Jungen sah, der außer Flausen nur Streiche im Kopf hatte, und er setzte alles daran, dem oktroyierten Image zu folgen. Für heute würde er schnell verschwinden und erst spät zurückkehren, und er wusste, dass seine Mutter schmunzeln und ihn küssen würde, statt zu schimpfen. Das Mittagessen. Sie würde nicht fragen, wo er sich herumgetrieben hatte. Seiner Mutter reichte, wenn er erst abends heimkehrte, am besten mit Stroh im Haar und Zecken in der Kniekehle.

Er hatte ein bequemes Leben.

Titus rannte los, hoffte, dass ihn niemand zurückpfeifen würde, machte einen Freudensprung, als er hinter Treibhaus elf außer Sichtweite war.

Er suchte westlich der Gärtnerei nach einem neuen Rohling. Aufmerksam lief er den Bereich unterhalb der Haselnussbäume ab, fand hier und da geeignete Exemplare, sammelte sie, selektierte, wog ab, bis er einen einzigen behielt, den er ehrfürchtig in seiner Hand bestaunte. Titus entschied, dass es die beste Astgabel war, die er je gefunden hatte. Die beiden Abzweigungen waren symmetrisch gewachsen, mit identischem Durchmesser. Er kürzte sie auf die gleiche Länge, schälte die Rinde sorgfältig ab, kerbte die beiden oberen Enden der Zwillinge an den Außenseiten ein. Er wühlte in seiner Hosentasche nach den Einweckgummis, knotete sie zusammen und legte sie um die Astgabel. Er spannte das Gummi, spannte es Zentimeter um Zentimeter, immer weiter, bis es zu reißen drohte. »Gut«, stellte er zufrieden fest.

Der erste Versuch ging schief. Der Stein verfehlte sein Ziel, schoss mehr als zehn Zentimeter daran vorbei. Titus entspannte sich, schloss die Augen, atmete tief ein und aus. Die Astgabel hielt er in der linken Hand, mit der rechten spannte er das Gummi erneut. Auf Augenhöhe. Er hielt inne, konzentrierte sich, auf den Herzschlag und seine Atmung, auf sein Ziel.

Zwischen zwei Herzschlägen ließ er los.

Der Stein schoss mit gnadenlos hoher Geschwindigkeit aus seiner Position und schlug mit lautem Knall in den Stamm ein, weit unterhalb seines anvisierten Ziels. Rinde platzte zu allen Seiten ab, in der Nähe schreckte ein Tier auf und verschwand in den Büschen. Vielleicht ein Vogel oder Eichhörnchen. Titus grunzte, versuchte es ein drittes und viertes Mal, ohne Erfolg. Grimmig stopfte er seine Steinschleuder in die Hosentasche. Dann eben nicht. Nicht jetzt. Später würde es schon klappen.

Er machte sich auf den Weg, wenig zuversichtlich, schlecht gelaunt, deprimiert. Der erste Teil führte durch dichte Brombeerhecken und Brennnesseln. Mit einem Stock bahnte er sich seinen Pfad, wollte nicht, dass man seiner Spur folgte, weswegen er nur vorsichtig einzelne Ranken zur Seite schob oder herunterdrückte. Der Weg zog sich an den Brennnesselfeldern vorbei entlang des ausgetrockneten Bachs. Titus atmete flach, ekelte sich vor dem Geruch, der sich durch zwei vergammelte Kröten unter die Hitze gemischt hatte. Fasziniert und angewidert beobachtete er die grünen Schmeißfliegen, die sich gierig durch ausgehöhlte Augen und verdorbenes Gehirn drängten. Er lief weiter, blickte in die Ferne. Hier gab es nur noch Wiesen und Felder, einige von ihnen so groß, dass er nicht einmal erkennen konnte, wo die jeweilige Grenze verlief. Titus entschied, dass er hier richtig war, orientierte sich erst an einer kleinen Kapelle, dann an einer Bank, deren obere Beplankung fehlte. Er erinnerte sich an ein zerfleddertes Stück weiße Folie, das jemand unter einem Stein befestigt hatte, hielt Ausschau danach, und tatsächlich entdeckte er den kleinen Wegweiser. Er lief und lief, die Temperaturen stiegen. Er machte sich Sorgen um den Rückweg, war kurz davor umzukehren. Mindestens eine Stunde, so kam es ihm vor, war er bereits unterwegs, aber die Aussicht auf ein Abenteuer, darauf, dass der Hof gleich aus dem Nichts erscheinen würde, gab ihm Zuversicht. Titus schleppte sich weiter und weiter, bis er an der entscheidenden Weggabelung angelangt war, auf die er so lange gehofft hatte. Er wählte intuitiv den rechten der beiden Pfade, erkannte freudig eine Schlinge aus verrostetem Draht wieder, die jemand über einen Stein gelegt hatte. Seine Schritte wurden schneller, fast hüpfte er, und dann war es so weit: nur noch wenige Meter bis zum Hof. Er legte eine kurze Pause ein, musste sich sammeln, seine Konzentration bündeln, sich vorbereiten. Er würde Pepper heute erneut aufschrecken, hoffte, Mittke damit auf den Hof zu locken. Vielleicht hatte er Glück. Einfach so.

Titus stand auf und schlich sich näher an den Hof heran. Er fand einen geeigneten Posten, etwas höher gelegen, sodass er auf den Hof hinunterschauen konnte. Der Hof war von hier aus nicht zu erreichen, es sei denn, man rutschte den Abhang hinunter. Titus hockte sich hin, mit einem Stock schleuderte er angewidert eine vergilbte Saftpackung aus seinem Blickfeld.

Er entdeckte Pepper nicht sofort. Mit schmalen Augen suchte er den Hof ab, fand den Hund weit hinten unter einem Wellblech liegen. Eher zufällig an einen großen Stein gelehnt, bot es gerade so viel Schatten, dass Peppers Kopf darunter Schutz fand.

Titus hörte das Geräusch. »Da schweißt doch jemand«, murmelte er.

Er pflückte einen langen Halm ab, kaute lässig darauf herum. Pausenlos scheuchte er winzige Fliegen fort, die unentwegt vor seinen Augen tänzelten, eine Bremse saß auf seiner Wade und das getrocknete Gras...

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Von den härtesten Mountainbiketouren zum härtesten Thriller: Eine Frau der Extreme. Nienke Jos wird im Herbst 1980 am Niederrhein geboren. Nach ihrem Abitur studiert sie Sportpädagogik, führt Mountainbiketouren und bleibt bis 2016 beruflich im Ausland. Ihre Leidenschaft gilt hohen Geschwindigkeiten beim Rallye- und Motorradfahren. Geschrieben hat Jos nie, dennoch gelingt ihr mit dem aktuellen Zweiteiler ein fulminanter Erfolg. Nienke Jos lebt in Wiesbaden, Hessen.