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Kerstin und ich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Verlag Friedrich Oetingererschienen am16.05.2019
Überraschung im Doppelpack! Zwillinge machen (fast) alles gemeinsam Die 16-jährigen Schwestern Barbro und Kerstin gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Wenn Barbro nicht einen kleinen braunen Fleck auf der Wange hätte, würde kein Mensch wissen, wer Barbro und wer Kerstin ist. Und eigentlich spielt das auch keine Rolle, denn die beiden machen alles gemeinsam, haben die gleichen Ansichten, sind gleich gut in der Schule und tanzen mit denselben Jungen. Doch dann geschieht etwas, das das Leben der Zwillinge verändert ... Mit 'Kerstin und ich' liegt einer der frühen Romane Astrid Lindgrens in überarbeiteter Neuausgabe vor.

Astrid Lindgren (1907?-?2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die 'wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten' (DIE ZEIT) wurde u.?a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
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Produkt

KlappentextÜberraschung im Doppelpack! Zwillinge machen (fast) alles gemeinsam Die 16-jährigen Schwestern Barbro und Kerstin gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Wenn Barbro nicht einen kleinen braunen Fleck auf der Wange hätte, würde kein Mensch wissen, wer Barbro und wer Kerstin ist. Und eigentlich spielt das auch keine Rolle, denn die beiden machen alles gemeinsam, haben die gleichen Ansichten, sind gleich gut in der Schule und tanzen mit denselben Jungen. Doch dann geschieht etwas, das das Leben der Zwillinge verändert ... Mit 'Kerstin und ich' liegt einer der frühen Romane Astrid Lindgrens in überarbeiteter Neuausgabe vor.

Astrid Lindgren (1907?-?2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die 'wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten' (DIE ZEIT) wurde u.?a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783862744732
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum16.05.2019
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4493645
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Erstes Kapitel


Es ist merkwürdig, wie rasch sich das Dasein eines Menschen verändern kann. Da waren wir beide nun unser ganzes sechzehnjähriges Leben lang auf demselben holprigen Kopfsteinpflaster in dieser verschlafenen kleinen Garnisonsstadt herumgelaufen, wo nichts geschah, rein gar nichts. Wenn man das Ereignis nicht mitzählt, wie wir damals als Kinder vom Spielplatz im Stadtpark nach Hause trabten und uns ein Schornsteinfeger fast auf den Kopf gefallen wäre, als wir in der Breiten Straße an einem dreistöckigen Haus vorbeigingen. Ja, und dann war die Buchhandlung von Strömberg ausgebrannt, gerade in dem Jahr, als wir konfirmiert worden waren. Aber sonst - überhaupt nichts!

Unser ganzes Leben war sorgfältig eingeteilt. Man musste Grammatik und Geschichte und Biologie und solche Sachen pauken, mit denen einige ehrgeizige Lehrer uns unschuldigen Menschenkindern, die nichts Böses getan hatten, das Leben schwer machten. Und dann musste man jeden Morgen in die liebe alte Schule gehen, wenn man nicht zufällig irgendein Zipperlein hatte, sodass man ausnahmsweise im Bett bleiben konnte.

Nachmittags gingen Kerstin und ich natürlich die Breite Straße auf und ab, bis wir Rückenschmerzen kriegten. Zweihundert Meter hin und ebenso viele Meter zurück. Wir kehrten immer bei der Motoraktiengesellschaft von Svenssons um, nachdem wir vorher einen Blick in das große Schaufenster geworfen hatten, um festzustellen, dass man jedenfalls schlechter hätte aussehen können.

Genau genommen brauchte ich in kein Schaufenster zu schauen, um mir über mein Aussehen klar zu werden. Ich brauchte nur Kerstin anzusehen, denn sie ist mir fast noch ähnlicher als ich mir selber. Wenn man seit sechzehn Jahren ein Zwillingspaar ist, macht sich das bemerkbar, das kann ich versichern. Und wenn ich nicht einen kleinen braunen Fleck auf der linken Wange hätte, könnte kein Mensch wissen, wer Barbro ist und wer Kerstin. Aber ich bin jedenfalls Barbro, das möchte ich ein für alle Mal festhalten. Eigentlich spielt es ja keine größere Rolle, da wir genau gleich aussehen und über alles genau die gleichen Ansichten haben und in der Schule beide immer so einigermaßen abschneiden oder, ich muss wohl sagen, abgeschnitten haben und genau dieselben Schülerbälle besuchten und mit genau denselben Jungen tanzten.

Nein, es geschah niemals irgendetwas, und ich persönlich konnte mir nichts anderes vorstellen, als dass es im gleichen Trott weitergehen müsste, bis am Ende der Tod als Befreier käme.

Aber dann, eines Tages, geschah doch etwas. Der Anlass war ganz einfach der, dass Papa fünfzig Jahre alt wurde und als Major seinen Abschied bekam. Papa ist ein großer, starker, gesunder und kräftiger Mann, und kein Mensch kann glauben, dass er einen Tag älter ist als vierzig. Also, er konnte ja nicht gut die Hände in den Schoß legen und auf sein Ende warten. Er zerbrach sich den Kopf, was er tun könnte. Eine Lebensversicherungsgesellschaft wollte ihn gern als Agenten haben und versprach ihm bedeutende Einkünfte, wenn er diesen Posten übernehmen wollte. Aber Papa hatte keine besondere Lust dazu. Lange Zeit schien er so in Gedanken versunken und abwesend zu sein, dass wir ihn kaum anzusprechen wagten.

»Stört ihn nicht, er denkt nach«, sagte Mama mit einem anzüglichen Lächeln. Und damit überließ sie ihn seinen Grübeleien und kehrte zu ihren eigenen Beschäftigungen zurück, die für den oberflächlichen Betrachter hauptsächlich darin zu bestehen schienen, gut auszusehen und wie direkt einer Modezeitung entstiegen zu wirken, damit bloß niemand ahnen sollte, was für eine schrecklich tüchtige und energische Person sie im Grunde ist. Man kann nämlich tüchtig sein und doch wie ein englisches Vollblut aussehen, sagt Papa. Das tut Mama, und neben ihr komme ich mir immer wie ein belgisches Füllen vor.

Eines Abends war Papa mit dem Grübeln fertig und kam ins Schlafzimmer, wo Mama gerade vor dem Toilettenspiegel saß, während Kerstin und ich auf der Couch kauerten, und er entwickelte sein großartiges Projekt mit vielen eifrigen Gesten, während seine Augen vor Erregung leuchteten.

Papa ist auf dem Land geboren, auf einem alten Gut. Es heißt Lillhamra und ist seit endlosen Zeiten im Besitz seiner Familie. Aber Papa war der einzige Sohn, und er wurde Offizier. Großvater hatte nicht genügend Geld, und die Landwirtschaft brachte nichts ein. Großmutter starb und Großvater begann zu kränkeln. Schließlich hatte er alles satt, verpachtete das Gut und zog in die Stadt. Verkaufen wollte er nicht, denn er meinte, es wäre nicht im Sinne seiner Vorfahren, wenn das Gut der Familie verloren ginge. Nicht lange danach starb Großvater und war nun auch ein Vorfahr.

Weder Kerstin noch ich hatten Lillhamra je gesehen. Aber Papa hatte uns immer von seiner Kindheit erzählt. Dabei wurde er dann jedes Mal ganz poetisch, und wir wurden grün vor Neid bei seinen glühenden Schilderungen von Weihnachtsfesten auf dem Lande, Schlittenfahrten, Mittsommerfesten, Bootsfahrten und Spukgeschichten am lodernden Kaminfeuer und allem möglichen anderen, wogegen unsere eigenen Abwechslungen in der Stadt unerträglich zahm und langweilig wirkten. Und im Frühling, sobald die Birken einen violetten Schimmer hatten, begannen Papas Augen regelmäßig zu glänzen, und er deklamierte mit Pathos: »O Felder, o Wiesen, o kindliches Spiel, dort hat meine Sehnsucht ihr ewiges Ziel.«

Einmal im Jahr machte er die lange Reise nach Lillhamra, um dort nach dem Rechten zu sehen, und wenn er zurückkam, war er mindestens vierzehn Tage lang für die Umgebung lebensgefährlich. Es sei schrecklich, das Haus seiner Kindheit in Räuberhänden zu sehen, sagte er, und er knirschte mit den Zähnen, wenn er nur daran dachte, wie sein liebes Lillhamra mit jedem Jahr mehr verfiel.

Und jetzt stand Papa mitten im Schlafzimmer, mit wirrem Haar und aufgeknöpftem Uniformrock, und die Worte strömten nur so aus seinem Mund. Er erinnerte Mama an das kleine Kapital, das er von seiner Tante geerbt hatte und das sein und Mamas Alter sichern sollte. Er betonte, wie völlig wahnsinnig es sein würde, es anders als in sicheren Wertpapieren anzulegen, er sagte, er sei wie geschaffen zum Lebensversicherungsagenten und würde sicherlich viele prächtige Versicherungen abschließen, er behauptete, er verstände keinen Deut von Landwirtschaft und es seien überhaupt schwierige Zeiten für die Landwirtschaft, er erklärte, dass es einem Menschen, der in der Stadt geboren ist, sicherlich fast unmöglich sein würde, in einem entlegenen Winkel auf dem Land zu leben, und plötzlich mittendrin begann er zu stottern, sah sich mit verzweifelten Blicken um und fragte, ob es wohl möglich wäre â¦ ob Mama sich vorstellen könne â¦ kurz, ob Mama irgendwie bereit sei, mit ihm nach Lillhamra zu gehen und sich dort niederzulassen.

Einen unerhört spannenden Augenblick lang war es ganz still. Dann hörten wir Mamas ruhige, etwas kühle Stimme. »Ja, lieber Nils«, sagte sie und tupfte sich etwas von ihrem feinen französischen Parfüm hinter das rechte Ohr. »Ja, lieber Nils, das will ich!«

Papa stand zuerst bewegungslos da. Dann traten ihm Tränen in die Augen. Das ist immer so bei ihm, denn er ist furchtbar leicht gerührt, der Arme. Und dann lief er auf Mama zu und küsste sie heftig. »Wie hab ich dich lieb«, sagte er. »Ich bin hoffnungslos und für ewig verliebt in dich.« Dann fügte er mit etwas leiserer Stimme hinzu: »Meine feine, schöne Prinzessin!«

Und Kerstin und ich saßen da!

»Kleine Mäuse haben auch Ohren«, sagte ich streng.

»Jawohl«, sagte Kerstin. »Ihr müsst bedenken: Hier sitzen zwei nüchterne und mit normalem Gehör ausgestattete Personen und hören, wie albern ihr euch benehmt.«

»Übrigens«, fügte ich hinzu, »wie wäre es, wenn du deine schöne Prinzessin bitten würdest, für uns etwas Blutwurst zu braten?«

»Schämt euch, ihr Spatzen«, sagte Papa. »Hat eine Königliche Hoheit es nötig, am Herd zu stehen, wenn sie zwei große Töchter hat?«

Worauf die Spatzen - das sind wir - sich in die Küche zurückzogen und sich eine Weile mit Kochen beschäftigten. Die ganze Zeit hörten wir Papas eifrige Erklärungen im Schlafzimmer, während Mama ab und zu eine beruhigende Bemerkung dazwischenwarf.

Endlich, nach vielen Wenn und Aber, kam Papa, den Arm um Mama gelegt. Er tanzte wie närrisch durch die ganze Küche mit ihr und sagte, es wäre nicht erlaubt, so hübsche Bauersfrauen zu haben. Und hinterher aßen wir unter allgemeiner Freude unsere Blutwurst. Plötzlich aber sagte Mama: »Ja, was wird denn mit der Schule?«

Daran hatte Papa nicht gedacht und wir auch nicht. Einen Augenblick sah es aus, als ob der ganze Plan an unserer unglückseligen Schule scheitern würde. Papa fuhr sich durch das Haar und sagte traurig, er könne es sich unmöglich leisten, uns in der Stadt in Pension zu geben. Aber da nahmen Kerstin und ich uns der Sache an und erklärten, dass wir, wie es ja auch der Wahrheit entsprach, unsere Erziehung praktisch für abgeschlossen hielten.

Wenn man bis zur zweitobersten Klasse gekommen ist, weiß man ungefähr alles, was man über die Fürwörter en und y im Französischen wissen muss, und warum man das Zeitwort »folgen« nicht ins Passiv setzen darf, was leider auch berühmte Schriftsteller immer wieder tun, und wie es kam, dass die griechische Kultur so traurig unterging, und was es solcher Dinge mehr gibt.

»Ist ja alles Katzendreck«, sagte Kerstin mit einer souveränen Handbewegung, die das ganze Schulwesen mit einem Ruck an seinen richtigen Platz verwies.

»Und«, warf ich ein, »wenn auch nie eine Studentenmütze unsere Locken zieren wird, kann eine kleine nette Baskenmütze ja auch ganz kleidsam...
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Astrid Lindgren (1907¿-¿2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die "wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten" (DIE ZEIT) wurde u.¿a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.