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Das Spiel der Gauklerin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am05.08.20191. Auflage
Ein spannender Kriminalfall im Leipzig zur Zeit der Reformation rund um die Spielfrau Pauline: in einer Welt voller Armut und Gefahr, aber auch Sinnesfreude und Musik Die fahrende Spielfrau Pauline Schwan hat ein schlechtes Jahr hinter sich. Die Leipziger Neujahrsmesse 1573/74 ist ihre letzte Chance, einigermaßen ohne Schaden den Winter zu überstehen. Kann es Pauline gelingen, einen Platz als Hausmusikerin zu ergattern? Doch in der wohlhabenden Stadt überschlagen sich schon bald die Ereignisse: Zwei Bürgerkinder werden entführt, und Paulines Freund Jacobus, Besitzer einer fahrenden Wunderkammer, gerät in Verdacht. Dann wird auch noch eine Harfenhure grausam ermordet. Vor dem Hintergrund einer religiösen Intrige gerät Pauline in große Gefahr.

Sabrina Capitani, geboren 1953, studierte Germanistik, Publizistik und Kunst in Berlin und arbeitet seit zwanzig Jahren als Autorin für Hörfunk und Fernsehen. Sie schrieb Drehbücher für deutsche Kinderserien, Hörspiele für den SFB, für Radio Bremen und RAI und ist außerdem als freie Malerin tätig. Inzwischen sind mehrere historische Romane aus ihrer Feder bei Piper Digital erschienen. Dass ihre Romane (fast) alle in der Haute Provence spielen, liegt daran, dass sie seit vielen Jahren die Sommer dort verbringt und von Landschaft und Kultur fasziniert ist.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR17,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextEin spannender Kriminalfall im Leipzig zur Zeit der Reformation rund um die Spielfrau Pauline: in einer Welt voller Armut und Gefahr, aber auch Sinnesfreude und Musik Die fahrende Spielfrau Pauline Schwan hat ein schlechtes Jahr hinter sich. Die Leipziger Neujahrsmesse 1573/74 ist ihre letzte Chance, einigermaßen ohne Schaden den Winter zu überstehen. Kann es Pauline gelingen, einen Platz als Hausmusikerin zu ergattern? Doch in der wohlhabenden Stadt überschlagen sich schon bald die Ereignisse: Zwei Bürgerkinder werden entführt, und Paulines Freund Jacobus, Besitzer einer fahrenden Wunderkammer, gerät in Verdacht. Dann wird auch noch eine Harfenhure grausam ermordet. Vor dem Hintergrund einer religiösen Intrige gerät Pauline in große Gefahr.

Sabrina Capitani, geboren 1953, studierte Germanistik, Publizistik und Kunst in Berlin und arbeitet seit zwanzig Jahren als Autorin für Hörfunk und Fernsehen. Sie schrieb Drehbücher für deutsche Kinderserien, Hörspiele für den SFB, für Radio Bremen und RAI und ist außerdem als freie Malerin tätig. Inzwischen sind mehrere historische Romane aus ihrer Feder bei Piper Digital erschienen. Dass ihre Romane (fast) alle in der Haute Provence spielen, liegt daran, dass sie seit vielen Jahren die Sommer dort verbringt und von Landschaft und Kultur fasziniert ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492985680
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum05.08.2019
Auflage1. Auflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse10741 Kbytes
Artikel-Nr.4499516
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1. Böttcherwoche

 

Jetzt ist es genug! Ich gehe zu Fuß weiter«, sagte Pauline, als der Reisewagen nach nur wenigen Radumdrehungen schon wieder zu einem ächzenden Halt kam. Ein paar der Kisten drinnen rumpelten mit dumpfem Ton aneinander. Die zwei kräftigen Kaltblüter im Joch standen still und bliesen weiße Atemwolken in die klare Winterluft.

»Ein letztes Lied, wünscht euch etwas«, rief Pauline den Gören auf dem Karren vor ihnen zu. Ein Honighändler aus dem Holsteinischen war es mit seiner Familie. Drei rotbackige und rotzverschmierte Kinder saßen hinten auf den Fässern und ließen die Beine baumeln: »Das Bärenlied! Das Bärenlied!«, forderten sie.

Noch einmal setzte Pauline die kleine Flöte aus Buchsbaum an, wiegte den Oberkörper dazu, langsam und tapsig wie das Tier selbst.

Sie selbst war klein und zierlich. Ein blasses herzförmiges Gesicht besaß sie, dazu ein spitzes Kinn und hohe Wangenknochen. Der Mund war zu breit, um als hübsch zu gelten, aber wie zum Lachen gemacht. Die Haut war rau vom Leben unter freiem Himmel. Aschblondes, auf Kinnlänge abgesäbeltes Haar stand struppig nach allen Seiten ab, als sie den formlosen Filzhut abnahm und ihn schwenkte. »Das war s, ihr Schratze.«

»Pauline! Noch ein Lied! Pauline«, bettelten die Gören, aber die Spielfrau ließ sich nicht erweichen.

»Schluss. Alles hat einmal ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Jetzt könnt ihr wieder eure Eltern quälen. Adieu, gehabt euch wohl!«

Sie bückte sich und zog einen abgeschabten Ledersack unter dem Kutschbock hervor, in dem sie das Instrument sorgsam verstaute.

»Ah, lässt du mich im Stich, undankbare Dirne. So sind halt die Weiber. Solange du hast, was sie brauchen, sind sie dir gut.«

Halb im Scherz, halb im Ernst war das gesagt. Das letzte Stück des Weges war sie mit diesem Wundermann gereist, Jacobus von Antwerpen, einem buckligen Zwerg und Besitzer einer fahrenden Wunderkammer. An den Seiten seines Wagens war sein größtes Kuriosum abgebildet: der Kopf eines Einhorns, ein schneeweißes Pferd mit silbernem Horn. Genau genommen besaß er nur das Horn, doch die Leute drängten sich, es zu sehen, wie er Pauline verraten hatte.

»Es ist jetzt gut verpackt, aber besuch mich, wenn ich mich eingerichtet habe. Dann zeig ich dir alles.«

Er war ein guter Reisegefährte gewesen. Gewöhnlich zögerte die Spielfrau, mit alleinstehenden Männern zu fahren. Doch dieser hier war ein Zwerg, ein freundlicher, gebildeter Mann, und sie hatte von ihm nichts zu befürchten. Von ihm selbst hatte sie wenig erfahren. Wie auf Verabredung hatten beide es vermieden, etwas über sich zu erzählen, und sich stattdessen über ihre Abenteuer unterhalten und über die Erwartungen, die sie an die Leipziger Neujahrsmesse knüpften.

»Was zum Teufel machen die denn da vorn? Soll das etwa bis zum Stadttor so gehen? Da fängt die Messe ja ohne uns an!«, rief hinter ihnen ein junger Kerl ungeduldig. Von Stralsund kam er mit einer Ladung gesalzener Heringe, das hatten sie früher schon erfahren. Man unterhielt sich von Wagen zu Wagen und nachts an den Feuern. Immerhin reiste man seit Tagen in derselben Reihung hintereinander.

»Hat keine Ahnung, was ihn erwartet, der junge Spund; ist seine erste Messe«, raunte Jacobus seiner Begleiterin zu.

Er drehte sich halb um auf der hölzernen Bank, rief über die Schulter: »Besser, du übst dich in Geduld, mein Freund! Das ist wegen der Kontrollen. Und das wird so weitergehen, lang nachdem die Messe schon angefangen hat. Pech für alle, die sich zu spät auf den Weg gemacht haben!«

»Was für Kontrollen?!«, brüllte fragend der von hinten.

»Was für Kontrollen? Ha! Jede Art von Kontrollen! Sie sind große Freunde von Kontrollen und von Papieren, die in Leipzig! Wirst schon sehen! Und besser, du machst ein freundliches Gesicht dazu. Geduld! Geduld!«

Pauline schaute ihn fragend von der Seite an, und Jacobus erläuterte es ihr: »In Leipzig wird man zuerst am Tor angehalten und muss sich erklären. Dann geht es quer durch die Stadt zum Rathaus. Dort ist die Waage, da heißt es, alles abladen und vorzeigen. In jedes Fass stecken sie ihre krummen Nasen hinein, und wehe, das Fass hat die falsche Größe! Ja, heutzutage bestimmt Leipzig die Maße, die alles haben muss. Dann wird gewogen und gesiegelt. Danach die Güte festgesetzt und der Preis bestimmt, den die Händler höchstens nehmen dürfen. Und festgestellt, ob man auch das Geleit korrekt bezahlt hat und nicht etwa unerlaubte Nebenstraßen gefahren ist, um Geld zu sparen. Ja, ja! Alles das und noch viel mehr. Endlich kriegen sie ihre Papiere, dürfen alles wieder aufladen, wieder zurück durch die engen Gassen, zum Stand, zum Gewölbe oder zu dem Kunden, den sie beliefern sollen. Dann noch einmal abladen, noch mehr Papiere, Unterschriften, Siegel - das müssen sie alles vorzeigen, wenn sie mit ihrem Wagen wieder hinauswollen. Es könnte ja sein, dass so ein kleiner Wicht ein paar Brocken Wachs oder ein paar Ellen Tuch unter der Hand verkauft und der Stadtkasse vorenthält. Ein melancholisches, weltweises Lächeln. »Stimmt schon: Zu Fuß bist du hier besser dran.« Mit einer weit ausholenden Geste wies er auf die lange Reihe von Fuhrwerken, die sich vor und hinter ihnen stauten, von den Pfaffendorfer Feldern durch die Hallische Vorstadt: die langen Frachtwagen, Kutschen, Ochsen- und Handkarren, dazwischen ein paar Karriölchen, zweirädrige Wagen mit erwartungsfrohen Schaulustigen, die im Tross gefangen waren wie alle anderen. Einzelne Reiter und Wanderer schoben sich an ihnen vorbei.

»Ja dann adieu und gute Geschäfte!«, wünschte Pauline und sprang behände vom Wagen. »Reich mir mein Rebec herunter, sei so gut! Vorsicht! Vorsicht! Lass es nicht anstoßen!« Sie nahm das birnenförmige Instrument entgegen, als handele es sich um ein Kind. Fast zärtlich strichen die Fingerspitzen über das dicke untere Ende, eine irgendwie beruhigende Geste, bevor sie sich den Sack über die Schulter warf und begann, in Richtung der Stadt auszuschreiten.

»Ich habe mich im Goldenen Rad auf dem Brühl eingemietet«, rief Jacobus ihr eindringlich nach. »Das ist eine ordentliche Herberge und nicht teuer. Komm doch auch dorthin!«

Ein wenig sehnsüchtig blickte er ihr nach. Die Spielfrau winkte, ohne sich umzuschauen.

Einer nach dem anderen rollten die Wagen wieder an. Geduldig senkten die Ochsen den massigen Schädel und legten sich ins Geschirr. Schmatzende Geräusche drangen vom Weg herauf, wo sich die Räder aus dem halb gefrorenen Matsch lösten wie die am Gaumen klebende Zunge eines zahnlosen Essers. Nachts war der Lehm gefroren, tags drauf wieder weich getreten. Holz schlug an Holz, Riemen knarrten, Peitschen knallten. Ho! Ho!

Rechts und links der Straße ging es schneller voran. Ein steter Strom von Bauersleuten zog dort vorbei, die Kiepen hoch beladen mit Viktualien aller Art; Korn, Zwiebeln, Winteräpfel; andere trieben fette Schweine vor sich her. Esel gingen bepackt mit Reisig für die Öfen der Bäcker. Dazwischen die Hausierer, die hofften, sich auf der Messe mit Waren einzudecken. Gedämpfter Hufschlag, beständiges Schluffen von Schuhen im niedergetretenen Gras, Gemurmel, gelegentlich Rufe, das Grunzen von Schweinen, ein Esel, der stocksteif stehen blieb und seinem Missvergnügen Luft verschaffte. Niemand schenkte Pauline einen zweiten Blick, in lose Männerkleidung gehüllt, wie sie war, den formlosen Filzhut tief in die Stirn gezogen, graubraun und matschbespritzt bis zur Hüfte wie all die anderen Leute um sie herum. Nur ein paar bunte Bänder und Flicken kennzeichneten sie als Gauklerin, unehrlich, vogelfrei.

Rasch hatte Pauline das lichte Wäldchen hinter sich gelassen. Wiesen und Felder breiteten sich vor ihr aus. Frisch umgepflügte Schollen glänzten speckig feucht und weiß bereift an den Bruchkanten. Dies war gute, schwere Erde, reiches Schwemmland. Hier und da schauten noch die alten Stoppeln aus den Furchen, vereinzelt standen sogar noch Kohlköpfe in den Reihen. Weiter vorn krochen Nebelschwaden aus den Senken, wo Wasserläufe das Land durchschnitten, Elster, Parthe und Pleiße, ihre kleineren Zuflüsse und zahlreiche Kanäle dazwischen. Im Frühjahr würden sie ihre liebe Not haben mit dem Wasser. Sumpfig mochte es wohl sein. Im Sommer war es hier vor Mücken wahrscheinlich kaum auszuhalten.

In der Ferne nahm sie die hohen, schmalen Umrisse zweier Mühlen wahr. Obstbäume streckten ihre schwärzlichen Skelettarme in den niedrigen taubengrauen Winterhimmel.

Die Flickenlandschaft von Feldern und vereinzelten Gehöften begann sich zu Vorstädten zu verdichten, wo Tagelöhner, kleine Handwerker und all jene lebten, die sich keinen Grund innerhalb der Stadtmauern leisten konnten - und die im Kriegsfall ohne jeden Schutz blieben. Das war die Hallische Vorstadt, wusste Pauline. Womit man da sein tägliches Brot verdiente, konnte jeder riechen, sogar trotz der herrschenden Kälte. Aus den angelehnten Türen der Schuppen stank es durchdringend nach Urin und fauligem Fleisch. Hunde und verwilderte Katzen balgten sich an Abfallhaufen, aus denen sie Knochen, Hautstücke und wabernde Fetzen hellen Fettgewebes fortschleppten. Vor den Häusern prangten Gestelle aus Weidenruten mit aufgezogenen Fellen: Wappen und Aushängeschild des Gerbergewerbes.

Und dort erhoben sich die Mauern der Stadt selbst, einer berühmten und mächtigen Stadt, von einem Reichtum, dessen sich nur wenige Städte rühmen durften: Hamburg und Lübeck, Magdeburg vielleicht, Dresden, ja - Frankfurt an der Oder war ein Provinznest dagegen. Pauline trat aus der Reihe heraus und blieb im Windschutz einer Scheune stehen, um in Ruhe das Bild zu betrachten, das sich ihr bot:

Hoch und fest die Wälle aus gebackenen Steinen, aus denen mächtig die Bastionen...
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Autor

Sabrina Capitani, geboren 1953, studierte Germanistik, Publizistik und Kunst in Berlin und arbeitet seit zwanzig Jahren als Autorin für Hörfunk und Fernsehen. Sie schrieb Drehbücher für deutsche Kinderserien, Hörspiele für den SFB, für Radio Bremen und RAI und ist außerdem als freie Malerin tätig. Nach »Das Buch der Gifte« und »Der verborgene Brunnen« ist »Das Lied der Gauklerin« ihr dritter historischer Roman.