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Der Gröschaz

E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
360 Seiten
Deutsch
B3 Verlagerschienen am28.08.2019Originalausgabe
Hans Hübner, ein Freund aus Kindertagen, besucht Henry Jaegers Grab in Ascona. Er möchte Abschied nehmen. Rückblickend erzählt er von den vielen gemeinsamen Jahren und Erlebnissen. Kindheit, Jugend und Krieg verbrachten sie Seite an Seite. In der jungen Bundesrepublik trennen sich zunächst ihre Wege. Hübner fasst Fuß, studiert und wird Rechtsanwalt. Jaeger gleitet über Schwarzmarktgeschäfte und kleine Gaunereien mehr und mehr ins kriminelle Milieu ab. Hübner heiratet und gründet eine Familie. Jaeger ist Lebemann, Frauenheld und Kopf einer Einbrecherbande. Erste Ermittlungen gegen Jaeger bringen die Freunde wieder zusammen. Hübner wird Jaegers Anwalt und engster Freund. Hübner ist Jaegers Verteidiger im großen Prozess gegen die Bande. Später vertritt er ihn gegenüber Verlagen, Gläubigern und Produzenten. Als Freund ist Hübner eng mit dem Privatleben Jaegers vertraut. Er ist oft zu Besuch in Ascona und lernt die anderen Mitglieder der Künstlerkolonie kennen. Ihr gegensätzlicher Charakter hält die beiden Freunde ein Leben lang zusammen, führt aber auch zu Brüchen und Streitigkeiten. Vor dem frühen Tod kann Hübner Jaeger nicht bewahren.

Jakob Stein, geboren 1965 in Saarbrücken, ist Autor, Herausgeber und Verleger. Er lebt seit beinahe 30 Jahren in Frankfurt am Main. Von ihm sind u.a. erschienen 'Geschlossene Gesellschaft' und 'Flucht in den Tod'.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR19,90
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextHans Hübner, ein Freund aus Kindertagen, besucht Henry Jaegers Grab in Ascona. Er möchte Abschied nehmen. Rückblickend erzählt er von den vielen gemeinsamen Jahren und Erlebnissen. Kindheit, Jugend und Krieg verbrachten sie Seite an Seite. In der jungen Bundesrepublik trennen sich zunächst ihre Wege. Hübner fasst Fuß, studiert und wird Rechtsanwalt. Jaeger gleitet über Schwarzmarktgeschäfte und kleine Gaunereien mehr und mehr ins kriminelle Milieu ab. Hübner heiratet und gründet eine Familie. Jaeger ist Lebemann, Frauenheld und Kopf einer Einbrecherbande. Erste Ermittlungen gegen Jaeger bringen die Freunde wieder zusammen. Hübner wird Jaegers Anwalt und engster Freund. Hübner ist Jaegers Verteidiger im großen Prozess gegen die Bande. Später vertritt er ihn gegenüber Verlagen, Gläubigern und Produzenten. Als Freund ist Hübner eng mit dem Privatleben Jaegers vertraut. Er ist oft zu Besuch in Ascona und lernt die anderen Mitglieder der Künstlerkolonie kennen. Ihr gegensätzlicher Charakter hält die beiden Freunde ein Leben lang zusammen, führt aber auch zu Brüchen und Streitigkeiten. Vor dem frühen Tod kann Hübner Jaeger nicht bewahren.

Jakob Stein, geboren 1965 in Saarbrücken, ist Autor, Herausgeber und Verleger. Er lebt seit beinahe 30 Jahren in Frankfurt am Main. Von ihm sind u.a. erschienen 'Geschlossene Gesellschaft' und 'Flucht in den Tod'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783943758658
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum28.08.2019
AuflageOriginalausgabe
Seiten360 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1348 Kbytes
Artikel-Nr.4875870
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das erste Leben

Deine Augen stechen aus dem Bild heraus. Sie waren schon immer dein größter Trumpf. Wie viele Frauen hast du mit diesen Augen gewonnen? Es waren nicht nur deine Augen. Dein Blick hatte von jeher etwas verwegenes. Dein Gesicht ist blass. Vielleicht liegt es auch am Emaille, auf das dein Porträt gedruckt ist? Vielleicht hat es über die Jahre an Farbe verloren? Die ovale Form wirkt etwas antiquiert, macht dich älter, als du eigentlich warst. 1927 bis 2000, das sind gerade einmal dreiundsiebzig Jahre. Das Bild, das sie für dein Grab verwendet haben, kenne ich. Da warst du Mitte sechzig, vielleicht ein wenig jünger. Man sah dir das Alter nie wirklich an. Du warst immer frisch, kraftstrotzend, voller Energie. Die Eiche haben sie dich genannt. Jetzt bist du schon lange gefällt. Eine Eiche ist mit siebzig noch nicht ausgewachsen, da ist sie noch jung, noch nicht einmal im besten Alter. Bei dir war Schluss, du warst am Ende. Bestimmt hättest du noch höher wachsen wollen. Du wolltest immer höher, weiter. An den Tod hast du nie gedacht.

Ich konnte zu deiner Beerdigung nicht kommen, lag selbst im Krankenhaus, wochenlang. Danach zu Hause, Reha, wieder Krankenhaus. Lothar hat mir von der Beerdigung erzählt, von dem Pfarrer und seiner nicht enden wollenden Litanei auf dich. Selbst denen, die dich gut kannten, sei es zu viel geworden. Es wird nirgendwo so viel gelogen wie am Grab.

Ich hatte nie deine Kraft. Aber zäh waren wir beide. Die schrecklichen Jahre holen uns irgendwann ein. Wir tragen die Zeit, in der wir litten, in der es uns an allem fehlte, wie ein Geschwür in uns. Irgendwann bricht es auf. Dann wird ein Strich gezogen, wird abgerechnet. Soundsoviel Jahre doppelt verbraucht. Soundsoviel Jahre verschwendet. Soundsoviel Jahre gestohlen. Aus und vorbei.

Du hast einen Großteil deiner Zeit hinuntergekippt, im wahrsten Sinne des Wortes. Als würdest du beim lieben Gott an der Theke stehen. Herr Ober, ich nehm noch mal ´ne doppelte Stunde auf mein Leben, oder besser gleich eine dreifache. Und seien Sie nicht kleinlich beim Einschenken. Dieses Bild hätte dir gefallen, glaube ich. Darüber hättest du geschrieben, hättest gesagt: So ist es doch, das Leben. Wir sitzen alle beim lieben Gott an der Theke und trinken so lange, wie uns eingeschenkt wird. Die einen halten sich an ihrem halb vollen Glas fest, weil sie Angst haben, es gibt bald nichts mehr. Die anderen stürzen lustvoll eines nach dem anderen hinunter. Jene haben am Ende einen kümmerlichen Strich auf ihrem Deckel, andere einen Lattenzaun.

Ja, das hätte dir gefallen. Irgendwann kommt dann die Rechnung. Noch einmal hältst du dein Glas hin, doch der liebe Gott schüttelt nur milde den Kopf. Dann geht es ans Zahlen. Kredit wird nicht gegeben.

Das Trinken hat dich umgebracht. Du warst immer ein wenig stolz darauf. Es gehöre bei einem Schriftsteller mit dazu, hast du mir mehr als einmal erklärt. Viele große Schriftsteller haben getrunken. Remarque war einer der größten Säufer. Hemingway, Fallada, Joseph Roth, Jack London. Alles Trinker. Und viele andere mehr. Wenn ich nicht trinke, kann ich nicht schreiben.

Henry Jaeger, Scrittore. Schriftsteller. Metalllettern wie von einer Schreibmaschine. Das Y glänzt, als würde es täglich berührt. Poliert von zahllosen Händen, die darüber streichen, um Glück oder einen erfüllten Wunsch zu erhalten. Sie möchten ein Stückchen von deinem Glück abbekommen. Du warst ein Glückskind. Glück hast du immer gehabt, obwohl du es selbst nie wahrhaben wolltest. Über deinen Tod hinaus hast du Glück gehabt. Die Gemeinde Ascona hat dir mit diesem Grab ein Denkmal gesetzt. In Frankfurt bist du schon längst vergessen. Hier liegst du zwischen anderen Berühmtheiten. In Frankfurt erinnert nur eine kleine Vitrine im Kriminalmuseum an dich. Hier bist du ein Scrittore, in Frankfurt ein Bankräuber. In der Vitrine in Frankfurt haben sie einen Zeitungsartikel von damals gerahmt. Davor liegt eine Pistole aus Holz. Irgendjemand hat sie nachgeschnitzt. Sie ist nicht von damals. Und eine Rolle Toilettenpapier haben sie dazugestellt. Darauf sind ein paar Zeilen gekritzelt. Es wäre doch schön, wenn wenigstens ein Buch von Henry Jaeger dort zu sehen wäre. So versteht das doch niemand. Auch was es mit der Holzpistole auf sich hat. Ich weiß noch, wie du mir damals eure Waffensammlung gezeigt hast. Es war eine richtige Pistole dabei, alle anderen waren aus Holz. Vor allem auf die Maschinenpistole wart ihr mächtig stolz. Sie sahen alle wirklich echt aus. Mattschwarz waren sie angemalt und mit Wachs an einigen Stellen zum Glänzen gebracht. Du erzähltest mir, dass Bubi bei einem Überfall einmal die Pistole aus der Hand geglitten sei. Das Holz war durch das Bohnerwachs glatt und seifig. Zum Glück fiel sie auf eine dünne Glasscheibe einer Auslage, die klirrend zerbrach. Dem Juwelier fiel gar nicht auf, dass es sich um ein Imitat handelte. Danach habt ihr tiefe Kerben in das Holz geschnitzt, um sie besser halten zu können. Diese Kerben wurden euch später als Messzahl für eure Überfälle ausgelegt. Jeden gelungenen Raubzug hättet ihr so festgehalten. Ein Märchen, wie so manches andere, was man euch später andichtete.

Ich sagte dir oft, welches Glück du hättest, hier, in diesem Paradies, zu leben. Du hast abgewunken. Das hat mit Glück nichts zu tun , hast du gesagt. Das hier ist kein Paradies. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. So warst du immer. Nichts hat dich in deinem Leben wirklich zufriedengestellt. Immer musstest du weiter, wolltest mehr. Einmal sagtest du sogar, dass ich mehr erreicht hätte als du. Ich, der unbekannte Anwalt, gegenüber dir, dem berühmten Autor Henry Jaeger. Doch du meintest das ernsthaft. Hans , hast du gesagt, du bist deinen Weg gegangen. Ich wusste nie, wo ich hingehöre. Bei mir ging alles über Umwege. Was hätte ich schaffen können, wenn ich von Anfang an ein Ziel gehabt, wenn ich an mich geglaubt hätte.

Ich sehe dich an unserem letzten Treffen. Du warst schon in der Klinik, lagst auf dem Bett, allerdings nicht unter der Decke. Vielmehr lagst du da wie auf einem Sofa, in Bademantel und Pyjama. Deine Pantoffel gehbereit davor. Alle Viertelstunde gingst du zu dem kleinen Balkon, um darauf zu rauchen. Das Rauchen hast du nie lassen können. Du wusstest Bescheid, wusstest, dass es nur noch einige Wochen, vielleicht ein paar Monate dauern würde. Du warst sehr gefasst. Deine Nieren spielten schon seit Jahren nicht mehr mit. Ich glaube sogar, dass du damals gesagt hast, jetzt komme bald die Rechnung. Ich glaube, dass du sagtest, jetzt, zum ersten Mal, habe dein Leben ein Ziel, ein wirkliches Ziel, nämlich das Ende. Was hätte ich dir noch alles sagen mögen, wenn ich gewusst hätte, dass es unsere letzte Begegnung war. Ich wollte dich noch oft besuchen kommen. Ich sagte dir, die letzte Strecke gehen wir gemeinsam. Ich müsste nur nochmals zurück nach Frankfurt, um ein paar Dinge zu regeln. In ein paar Tagen wäre ich wieder hier und würde bleiben. Mein Infarkt machte alles zunichte. Als ich endlich alles hinter mir hatte, warst du schon seit einem Jahr tot.

Jetzt kommt meine Rechnung auch bald. Niemand hätte gedacht, dass ich es überhaupt so weit bringe. Den vier Bypässen und dem Schrittmacher sei Dank. Meine älteste Tochter fragte mich, natürlich nicht direkt, mehr so hintenherum, ob ich noch einen Wunsch hätte, einen letzten Wunsch meinte sie natürlich. Etwas, womit ich noch abschließen möchte, wie sie es ausdrückte. Du bist mir eingefallen, ganz plötzlich. Ich habe gar nicht nachgedacht. Ich sah dich, ich sah uns und ich sagte, ich möchte mich von Henry verabschieden. Ich möchte mein Versprechen einlösen. So stehe ich heute hier, mein Freund und komme bald nach.

Ich habe immer das Gefühl gehabt, dich im Stich gelassen zu haben. Ein ganzes Leben kannten wir uns. Was haben wir alles durchgemacht? Und dann, am Ende, stirbst du für dich alleine.

Ich hatte auch von dir geträumt. Das kommt öfter vor. Manchmal sind es sehr intensive Träume. Ich sehe uns im Schützengraben liegen. Wir stehen beide vor Gericht. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem Träume fast schon wie die Wirklichkeit sind. Oder andersherum, ich nehme die Wirklichkeit nicht mehr so ernst. Wir haben längst gelernt, dass die sogenannte Realität nur von kurzer Dauer ist. Unentwegt werden uns Dinge gezeigt, die angeblich unser Dasein bestimmen werden. Meist sind es irgendwelche Katastrophen, Krisen und Menschheitsprobleme. Schon ein paar Tage später scheint alles vergessen.

Du hast nie viel von Träumen gehalten. Träume waren für dich Wünsche, mehr nicht. Man erträumte sich etwas, fertig aus. Alles andere sei psychologischer Firlefanz. Darüber sollten Frauen in ihren Beziehungsromanen schreiben. Ein Mann, der von etwas träumte und nicht darum kämpfte, es zu bekommen, war ein Hanswurst für dich. Wer in den nächtlichen Trugbildern einen Sinn, eine Bedeutung oder gar eine Botschaft sucht, ist ein...
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