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Tod in der Speicherstadt

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
336 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am17.10.2019
Hamburg zu Beginn der Hafenarbeiterstreiks. Hamburg 1896: Der Sohn des wohlhabenden Kaffeehändlers Bellingrodt wird tot in der Elbe gefunden. Als Kommissar Hauke Sötje den Eltern die traurige Nachricht überbringt, gerät er in ein gefährliches Geflecht aus Macht, Gier und falscher Liebe. Zu allem Überfluss bittet ihn seine Verlobte Sophie, eine vermisste junge Frau und ihr Kind in der Stadt zu finden. Man hatte die beiden zuletzt vor der Villa der Bellingrodts gesehen ...

Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie im Westen Schleswig-Holsteins, wo sie als Journalistin und Autorin arbeitet. Sie initiierte den ersten Krimipreis für Schleswig-Holstein, ist Mitglied im Syndikat sowie Vizepräsidentin der Mörderischen Schwestern.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextHamburg zu Beginn der Hafenarbeiterstreiks. Hamburg 1896: Der Sohn des wohlhabenden Kaffeehändlers Bellingrodt wird tot in der Elbe gefunden. Als Kommissar Hauke Sötje den Eltern die traurige Nachricht überbringt, gerät er in ein gefährliches Geflecht aus Macht, Gier und falscher Liebe. Zu allem Überfluss bittet ihn seine Verlobte Sophie, eine vermisste junge Frau und ihr Kind in der Stadt zu finden. Man hatte die beiden zuletzt vor der Villa der Bellingrodts gesehen ...

Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie im Westen Schleswig-Holsteins, wo sie als Journalistin und Autorin arbeitet. Sie initiierte den ersten Krimipreis für Schleswig-Holstein, ist Mitglied im Syndikat sowie Vizepräsidentin der Mörderischen Schwestern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960415466
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum17.10.2019
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4852 Kbytes
Artikel-Nr.4923931
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
KAPITEL 1


Einen Selbstmordversuch machte gestern ein 20jähriges Dienstmädchen, indem es beim Alsterufer in die Alster sprang und in die höchste Gefahr gerieth. Ein Ewerführer, der Augenzeuge des Vorfalles war und die Noth der Selbstmord-Kandidatin erblickte, sprang hinzu und es gelang ihm mit Hülfe eines Commis, die Betreffende zu retten. Die Gerettete erklärte, daß sie nur der schlechten Behandlung seitens ihrer Dienstherrin, einer Hebamme, zu entgehen, den Tod gesucht habe.

Originalauszug: Hamburger Generalanzeiger,
22. Oktober 1896


Das gleichmäßige Rattern der Räder unter ihren Füßen machte Sophie müde. Vor dem Abteilfenster der ersten Klasse zogen abgeerntete Felder vorbei. Verstreut zwischen rot und gelb leuchtenden Baumgruppen duckten sich reetgedeckte Gehöfte. Der Sommer war vorüber und schickte sich an, in einen goldenen Herbst überzugehen, dem früher oder später Stürme und Regen folgen würden. Mit halb geschlossenen Augen fragte sich Sophie, ob dies tatsächlich ihr letzter Herbst im Hause Konsul Winters sein sollte.

Sie warf dem jungen Mädchen ihr gegenüber einen Blick zu, das mit gefalteten Händen im Schoß kerzengerade dasaß. Clara war die älteste Tochter des Konsuls und würde noch vor dem Weihnachtsfest für ein Jahr nach England reisen, wo ihre Erziehung vervollkommnet werden sollte. Doch sosehr die Familie auch versuchte, Clara für die Reise zu begeistern, das Kind wollte sich nicht darauf freuen. Sophie hatte ihr von den vornehmen Salons der adeligen Damen erzählt, in die sie sicherlich geladen werden würde, geschwärmt von den Jagdausritten auf dem Land, an denen sie teilnehmen könnte, um sich am Abend unter den Kronleuchtern eines Ballsaals zu drehen oder zu den Klängen einer Polka zu hüpfen. Sie hatte ihr von der neuen Royal Albert Hall berichtet, wo die besten Musiker der Welt auftraten. Doch Clara antwortete auf all die gut gemeinten Versuche stets mit einem freundlichen, aber nichtssagenden Lächeln. Erst gestern hatte sie beim Abendessen gemeint, dass sie es wohl kaum verhindern könne, dass man aus ihr eine Dame zu machen gedenke. Der letzte Sommer einer unbeschwerten Kindheit sollte für das Mädchen bald sein Ende finden, und der Abschied vom Vater und von den Geschwistern lag vor ihr. Wie konnte Sophie ihr nur klarmachen, dass ein Abschied auch immer ein Neubeginn war? Sophie hatte dieses Mädchen in den Jahren bei Konsul Winter in ihr Herz geschlossen. Es fiel ihr schwer, den einst so wilden Zögling gehen zu lassen, obwohl noch zwei jüngere Geschwister im Haus waren. Doch auch deren Erziehung würde Sophie wohl schon bald nicht weiterführen können.

Sie drehte den Verlobungsring, der schon begann, seinen Glanz zu verlieren, an ihrem Ringfinger. Mittlerweile hatten Hauke und sie viele Gelegenheiten verstreichen lassen, einen Hochzeitstermin bekannt zu geben. So mancher zweifelte bereits daran, dass es je zu einer Ehe zwischen dem schweigsamen Kommissar und der eigensinnigen Lehrerin kommen könnte. Und dennoch, sobald sie erst verheiratet war, würde sie ihre Anstellung verlieren. So waren nun einmal die Konventionen. Sophie seufzte leise und fragte sich, was ihr dann noch bliebe. Sie könnte Kinder bekommen, so wie alle anderen Frauen. Aber, war sie mit Ende zwanzig nicht schon zu alt dafür? Schnell schob sie den Gedanken beiseite.

Stattdessen hoffte sie, Hauke in der Hansestadt treffen zu können, den ein neuer Fall ebenfalls dorthin führen würde. Sophie dachte daran, wie sie ihm bei einem anderen Fall kürzlich hatte helfen können. Man hatte ein totes Dienstmädchen im Kaiser-Wilhelm-Kanal gefunden, und weil Hauke im Kieler Schloss unabkömmlich gewesen war, hatte sie sich ein wenig umgetan. Leider nur hatten diese aufregenden Wochen ihr Interesse an Kapitalverbrechen ungebührlich geweckt, was sie natürlich niemandem gestand. Manchmal aber fragte sie sich, ob sie überhaupt normal sei. Schließlich erwartete man von Frauen, dass sie sich von Derartigem fernhielten oder zumindest elegant in Ohnmacht fielen, wenn es um Mord und Todschlag ging. Sophie vermutete, dass ihre Neugier stärker war als ihr Wunsch, eine Dame zu sein. Hauke jedenfalls schien das nicht zu stören. Und dafür liebte sie ihn noch mehr.

»Fräulein Struwe?« Claras Stimme riss Sophie aus ihren Gedanken. »Ich habe die Liste mit den Gästen für den Ball dabei.« Clara zog einige gefaltete Zettel aus ihrer Tasche und reichte sie der Lehrerin. Es war eine Aufstellung für den Abschiedsball, den Konsul Winter für seine Tochter in der neuen Hamburger Villa an der Alster auszurichten gedachte. Sophie würde alles Notwendige dafür vorbereiten müssen, was ihr in Anbetracht der wenigen noch zur Verfügung stehenden Wochen eine Herausforderung schien.

Prüfend ließ Sophie ihren Blick über die akkurat geschriebenen, untereinanderstehenden Namen gleiten. Dann drehte sie den Zettel um, wo sie weitere Namen fand. Auf einer zweiten und dritten Seite waren ebenfalls Personen aufgeführt, die Clara auf ihrem Ball zu sehen wünschte. »Wie viele Gäste sind es denn bis jetzt?«, wollte Sophie erstaunt wissen.

»Zweiundachtzig«, kam es kleinlaut von gegenüber. »Meinen Sie, dass es zu viele sind? - Ich wüsste nicht, auf wen wir verzichten können. Wenn wir die von Böhns einladen, dann müssen wir auch Cousine Eugenie mit ihren vier Schwestern eine Einladung senden. Sie wären aufs Höchste beleidigt, wenn wir sie übergingen. Und die -«

Sophie lächelte. »Der Saal ist groß genug für das Diner. Getanzt werden kann im Salon. Wir tragen die Möbel hinaus und rollen die Teppiche auf.« In Gedanken dekorierte Sophie die Villa in Winterhude um. Leider hatte Konsul Winter darauf bestanden, den Ball Anfang November stattfinden zu lassen. Sophie wäre ein Sommerfest im Park lieber gewesen. Sie hätte all die Gäste unter Zelten an festlich geschmückten Tischen auf die Rasenfläche setzen können. Der Garten der Villa führte bis zum Justus-Teich hinunter, der wiederum in die Alster überging. So aber musste die Gesellschaft im Haus untergebracht werden. Wohin nur mit all den Kutschen und livrierten Bediensteten, den Pferden und Mänteln? Sophie seufzte. Ihr schwante, dass die Liste in ihrer Hand noch länger werden könnte. »Ich vermisse den Namen Bellingrodt auf deiner Liste, Clara. Amalie Bellingrodt ist doch die Patentante deiner Mutter gewesen.« Clara starrte stur aus dem Fenster. »Clara, ich spreche mit dir. Warum fehlen die Bellingrodts auf der Liste?«

Das Mädchen schluckte. »Ich möchte nicht darüber reden.«

»Darf ich wissen, warum nicht?« Clara schüttelte den Kopf. »Ich bin mir sicher, dass du gute Gründe dafür hast. Allerdings wird dein Vater darauf bestehen, dass die Bellingrodts kommen. Es könnte helfen, wenn ich wüsste, was vorgefallen ist.«

»Man machte mir vor einiger Zeit Avancen.« Clara schien darüber alles andere als glücklich zu sein. »Einer der Söhne wollte mich heiraten.«

»Wie bitte?« Empört setzte Sophie sich aufrecht hin. »Hatte er zuvor deinen Vater um Erlaubnis -«

»Er war betrunken.« Jetzt drehte Clara sich zu Sophie. »Es war entsetzlich! Er lallte und stank, konnte sich kaum auf den Füßen halten.«

»Welcher der beiden Söhne war es? Johann? Alfons?«

Clara drehte den Kopf zur Seite, als könne sie die Bilder so aus ihrem entfernen. »Es war nur ein Ausrutscher, nehme ich an.«

Sophie griff nach den Händen des Mädchens. »Warum hast du es mir denn nicht erzählt, Kind?«

»Ich habe mich so geschämt«, flüsterte Clara.

»Hattest du ihm denn irgendeinen Anlass -«

»Nein!« Mit weit aufgerissenen Augen sah Clara Sophie an. »Nein, ich konnte ihn noch nie leiden. Niemals hätte ich ihm Hoffnungen gemacht.«

Sophie setzte sich neben Clara und nahm sie in den Arm. »Wenn jemand sich jemals wieder so respektlos dir gegenüber benimmt, sagst du es sofort.«

»Aber mein Vater â¦?«

»Der wird dem Kerl eine Tracht Prügel verpassen! Egal wer es ist.« Sophie sagte dies aus vollster Überzeugung.

Dankbar lächelte Clara. »Dann muss ich die Bellingrodts nicht einladen?«

Sophie antwortete nicht, sondern nahm die Liste noch einmal zur Hand. »Lass uns sehen, wer deinem armen Vater noch alles die Haare vom Kopf essen wird.«

Der Zug lief in einen der vielen kleinen Bahnhöfe ein, von denen es an der Strecke Kiel-Altona eine Menge gab. Clara erhob sich von ihrem gepolsterten Sitz und öffnete die Abteiltür hinaus zum Bahnsteig. Sofort strömte klare Herbstluft herein. Sophie zog ihren Schal ein wenig enger um die Schultern. Draußen eilten neue Fahrgäste vorbei, auf der Suche nach einem freien Abteil. Andere Herrschaften traten auf den Bahnsteig, um in den angehängten Speisewagen zu wechseln oder schnell auf den Abort zu gehen, der am Ende eines jeden Wagens gelegen war. Ein paar Bäuerinnen warteten am Bahnsteig, um ihr Obst und Gemüse zum Kauf anzubieten.

»Meinen Sie, dass wir uns einen oder zwei Äpfel leisten dürfen, Fräulein Struwe?«

»Aber natürlich, Kind. Dein Vater hat dir fünfzig Mark Reisegeld zur freien Verfügung mitgegeben. Du seist jetzt alt genug, sagte er, um mit all deinem Geld zu kaufen, was dir beliebt. Ich denke, dass dies auch Äpfel einschließt.«

Niemals zuvor hatte Clara Geld besessen, obwohl sie einmal eine sehr reiche Frau werden würde, sofern sie nicht heiratete. Aus eigener Erfahrung wusste Sophie, das Geld und Männer oftmals ein sehr flüchtiges Wesen hatten. Um dem Mädchen ihre eigenen schlechten Erfahrungen zu ersparen, hatte Sophie den Konsul überzeugen können, dass Clara beizeiten lernen müsse, mit Geld umzugehen. Und so hatte der Vater seinem Kind eine äußerst großzügige Summe in ein...
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Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie im Westen Schleswig-Holsteins, wo sie als Journalistin und Autorin arbeitet. Sie initiierte den ersten Krimipreis für Schleswig-Holstein, ist Mitglied im Syndikat sowie Vizepräsidentin der Mörderischen Schwestern.