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Die Wahrheit ist

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am24.04.20201. Auflage
Keine Lügen mehr, keine Geheimnisse, keine Geschichten Es ist Zeit für die Wahrheit! Ein Schriftsteller, er heißt Eshkol Nevo, beantwortet eine Reihe von Leserfragen. Eine Aufgabe, die er sonst mit Routine erledigt. Aber das Leben dieses Mannes Mitte 40 ist aus den Fugen geraten: Seine Ehe droht in die Brüche zu gehen, seine Tochter distanziert sich von ihm, eine politisch fragwürdige Auftragsarbeit beschädigt seinen Ruf, sein bester Freund liegt im Sterben. Zum ersten Mal blickt er ehrlich und schonungslos auf sein Leben. Denn die Zeit ist gekommen, sich der erhellenden, traurigen, nackten Wahrheit zu stellen - über seine Liebe, Familie, Freundschaft. Über sich selbst.

Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern Israels und wurde vielfach international ausgezeichnet. Bei dtv erschienen zuletzt die Romane >Die einsamen LiebendenÜber unsDie Wahrheit ist< (2020). Nevo lebt mit seiner Frau und drei Töchtern in Ra'anana, Israel.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextKeine Lügen mehr, keine Geheimnisse, keine Geschichten Es ist Zeit für die Wahrheit! Ein Schriftsteller, er heißt Eshkol Nevo, beantwortet eine Reihe von Leserfragen. Eine Aufgabe, die er sonst mit Routine erledigt. Aber das Leben dieses Mannes Mitte 40 ist aus den Fugen geraten: Seine Ehe droht in die Brüche zu gehen, seine Tochter distanziert sich von ihm, eine politisch fragwürdige Auftragsarbeit beschädigt seinen Ruf, sein bester Freund liegt im Sterben. Zum ersten Mal blickt er ehrlich und schonungslos auf sein Leben. Denn die Zeit ist gekommen, sich der erhellenden, traurigen, nackten Wahrheit zu stellen - über seine Liebe, Familie, Freundschaft. Über sich selbst.

Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern Israels und wurde vielfach international ausgezeichnet. Bei dtv erschienen zuletzt die Romane >Die einsamen LiebendenÜber unsDie Wahrheit ist< (2020). Nevo lebt mit seiner Frau und drei Töchtern in Ra'anana, Israel.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423437271
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum24.04.2020
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3352 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.4938760
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Haben Sie schon immer gewusst, dass Sie Schriftsteller werden wollen?

Nein. Aber an irgendeinem Punkt während der Pubertät ist mir klar geworden, meine Selbstbefriedigungsfantasien sind sehr viel detaillierter als die meiner Freunde. Bei ihnen lief es pragmatisch ab, wie im Passbildautomaten. Bei mir gab es Hindernisse, Konflikte, runde Gestalten. Ich musste meinen Fantasien glauben können, um durch sie erregt zu werden. Also habe ich sie bis ins letzte Detail angelegt. Ich erinnere mich an eine Nacht, wir lagen in unseren Schlafsäcken im Keller von Chagai Karmelis Haus in Ramot, vier echt gute Freunde, und jeder hat seine Fantasie erzählt. Ich war als Letzter dran, und bis ich fertig war, waren alle eingeschlafen, alle bis auf Ari, der, bevor er sich endgültig den Reißverschluss seines Schlafsacks bis über die Nase hochzog, mit schläfriger Stimme meinte: Bruder, aus dir wird noch mal ein Schriftsteller. Aber du musst lernen, dich kürzer zu fassen.


Was ist Ihr Antrieb beim Schreiben?

Wir sollten über die Pessachferien Tagebuch führen, hatte unsere Lehrerin Me´ira gesagt. Also nahm ich ein Schreibheft mit auf die Sinaihalbinsel, stieg damit von Zeit zu Zeit auf einen Hügel und schrieb über die Welt unter Wasser und die darüber.


Später dann beschlossen meine Eltern, von Jerusalem nach Haifa zu ziehen. Ich schrieb ein paar Protestgedichte gegen den Umzug, aber wie so häufig bei Protestgedichten, es half nichts.

Und dann gab es in der Zwölften diese Abschlussaufführung, bei der Tali Leshem Querflöte spielte. Ich wollte ständig in ihrer Nähe sein, in der Hoffnung, sie würde mich irgendwann mal registrieren, aber ich hatte für nichts Talent - spielte kein Musikinstrument, konnte nicht singen und auch nicht tanzen. Also hab ich mich freiwillig gemeldet, die Texte für die Lieder zu schreiben.

In der Armee hab ich Tali Briefe geschrieben. Ich dachte, wenn sie jeden Tag einen Brief von mir bekommt, verlässt sie mich nicht für jemanden, der häufiger nach Hause darf.

Und an Dikla habe ich aus Südamerika geschrieben, nach der Armee schon. Manchmal über Sachen, die auf der Reise passiert waren, und manchmal über Dinge, die ich mir einfach ausgedacht hatte. Irgendwann habe ich gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht zu schreiben, was nicht stimmte.

Dikla und ich, wir haben uns dann getrennt, unmittelbar bevor ich an meinem ersten Schreibworkshop teilnahm, nach dem B.A., und alle Worte, die sich dort aus mir ergossen, und vielleicht überhaupt alles seitdem, waren Versuche, die riesige Leerstelle zu füllen, die durch ihren Verlust klaffte.

Nach einem Jahr sind wir wieder zusammengekommen.

Und noch später habe ich ein paar Entscheidungen im Leben getroffen: Hochzeit. Kinder. Die Hypothek.

Das Leben ist dann auf eine zu enge Schiene geraten, und das Schreiben war alles, was außerhalb dieser zu engen Schiene lag.

Das Leben, das ich nicht leben konnte - das habe ich geschrieben. Einige Jahre lang hat das ganz gut funktioniert, hat die Sehnsucht ein bisschen betäubt, aber dann ist Ari erkrankt. Außerdem ist Shira weggegangen, aufs Internat. Und Dikla hat aufgehört, sich an mir zu erfreuen.

Damit hat so eine Phase angefangen.

Ich denke, man könnte es Krise nennen. Ich dachte, das sei in ein paar Monaten vorüber. Doch ich lag falsch.

Von außen ist das nicht zu sehen, aber ich weiß, ich bin im freien Fall. Weiß, jetzt schreibe ich, um gerettet zu werden.

Wie sieht denn ein Arbeitstag bei Ihnen aus?

Seit letztem Jahr führe ich einen Dauerkrieg, einen richtigen Grabenkampf, gegen meine Dysthymie: eine akute affektive Störung, die auf dem ständigen, fortgesetzten Gefühl einer auf kleiner Flamme schmorenden Missstimmung beruht. Oder einfacher gesagt, früher bin ich fröhlich aufgestanden, heute stehe ich traurig auf. Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, warum, und schon gar nicht, wie man da wieder rauskommt. Ich bin auch nicht sicher, wie lange Dikla das noch ertragen kann. In letzter Zeit spüre ich, dass sie auf Abstand zu mir geht. Vielleicht fürchtet sie, sie könnte sich anstecken.


Wie auch immer - mein Morgen beginnt mit, wie man so schön sagt, körperlicher Ertüchtigung, eine Runde Joggen oder aufs Rennrad, um ein paar Endorphine freizusetzen. Jeden Tag. Danach rufe ich Ari an und wir reden über die Basketballmannschaft von Hapoel Jerusalem, über die Schwestern auf seiner Station, über die Chancen, dass es zu einer Wiedervereinigung der Hip-Hopper von Shabak Samech kommt - über alles eben, außer seiner Krankheit. Das Telefonat ist zwar eigentlich dazu gedacht, ihn aufzumuntern, muntert aber auch mich auf und vertreibt ein wenig mein beklemmendes Gefühl von Einsamkeit. Danach döse ich ein bisschen, stehe auf, trinke zwei Becher Kaffee hintereinander, esse eine ganze Tafel Vollmilchschokolade und schalte den Computer an, wie jemand, der ernsthaft vorhat, seinen nächsten Roman zu schreiben. Sitze eine Weile vor dem leeren Bildschirm. Und nach ein paar Minuten lande ich wieder bei diesem Interview hier, das irgendein Onlineredakteur, der Fragen von Usern an mich sammelt, mir geschickt hat. Und darauf antworte ich ein bisschen. Ein, zwei Fragen. Maximum drei. Und schon ist es halb zwei und meine mittlere Tochter kommt aus der Schule. Der Radau, den sie im Wohnzimmer veranstaltet, bringt mich so aus dem Konzept, dass es sinnlos wäre, weiterzumachen. Also schalte ich den Computer aus und sehe zu, ihr etwas zu Mittag zu kochen. Wir essen dann zusammen. Im letzten Jahr hat sie so eine besondere Antipathie gegen alles und jeden entwickelt, und mit meiner Dysthymie fällt es mir ein bisschen schwer, das zu ertragen. Trotzdem versuche ich, durch die Dornenranken, die plötzlich um sie gewachsen sind, zu ihr durchzudringen. Aber das ist so ermüdend, dass ich nach dem Essen erst mal ein Mittagsschläfchen halten muss. Ich stelle mir immer den Wecker, damit ich unseren Jüngsten nicht zu spät aus dem Hort abhole. Wenn ich dort reinkomme, lacht er vor Glück und kommt auf mich zu gerannt, und für einen Moment, kurz wie ein Gedicht, sieht es so aus, als käme alles in Ordnung.

Wie autobiografisch sind Ihre Bücher?

Früher habe ich auf diese Frage ohne Weiteres antworten können. Das heißt, ich wusste, wenn ich sie beantworte, lüge ich schlicht und ergreifend, um alle mir nahen Menschen und mich selbst zu schützen. Aber ich kannte auch die Wahrheit. Und die Wahrheit ist, dass es in meinen fiktionalen Werken autobiografische Elemente gibt und immer gegeben hat, die ich in der Regel den weiblichen Charakteren verleihe. Um den Feind in die Irre zu führen.


Doch mit den Jahren sind die Dinge komplizierter geworden. Denn was macht man zum Beispiel mit einem Buch, das dir dein eigenes Leben voraussagt? Ich denke mir eine extreme, absurde Geschichte aus. Und ein Jahr, nachdem das Buch erschienen ist, passiert das wirklich. Gilt das dann als autobiografisch?

Und was ist mit all den »Hinter-den-Kulissen-Geschichten«, die ich bei Autorengesprächen mit Lesern erzähle? Die ein persönliches Erlebnis enthüllen sollen, das zum Schreiben geführt hat. Die sind im Umgang mit dem Publikum inzwischen derart veredelt, dass ich schon gar nicht mehr sicher bin, ob sie tatsächlich stattgefunden haben.

Gar nicht zu reden vom Einsickern der Verlogenheit in mein privates, nicht literarisches Leben.

Ich besuche zum Beispiel Ari im Tel Hashomer Hospital.

Als wir zusammen unsere große Reise gemacht haben, hat meine Großmutter mich vorher gefragt: Mit wem fährst du? Und als ich ihr gesagt habe, mit Ari, hat sie geseufzt und gesagt, sehr gut, er wird auf dich aufpassen.

Jetzt sind seine starken, sehnigen Arme nur noch Haut und Knochen, und seine runden Wangen eingefallen.

Er bittet, ich solle ihm ein Glas kaltes Wasser aus dem Wasserspender bringen, und als ich aus der Kochnische zurückkomme, fangen wir an zu reden.

Früher hab ich ihm immer erzählt, wie es mir wirklich geht. Heute nur noch gut aufbereitete Anekdoten. Und in seinen Chemotherapieaugen sehe ich, er weiß, dass ich ihm nur gut abgehangene Geschichten serviere, doch er will, braucht, dass ich ihm etwas anderes, Ungeschliffenes erzähle. Etwas, das keinen Anfang, keinen Mittelteil und keine Pointe hat.

Aber ich kann schon nicht mehr anders. Alles, was mir im echten Leben passiert, wird von dem Moment an, in dem es geschieht, zu einer guten Geschichte verarbeitet, die ich irgendwann mal erzählen kann. Bei einer Lesung. Einem Interview. Bei einem Gespräch im Krankenhaus mit Ari, der mittendrin die Augen schließt, nach meiner Hand greift und sagt: Komm, lass uns ein bisschen schweigen.

Woran arbeiten Sie gerade?

Die Wahrheit ist, ich erhole mich noch immer vom letzten Buch. Genauer gesagt, von der abgrundtiefen Leere nach dessen Erscheinen. Zurzeit bemühe ich mich deshalb vor allem, mich nicht zu verlieben. Denn das Jahr nach Erscheinen eines Buches kann fatal sein. Man läuft mit einem derart starken inneren Hunger durch die Gegend, dass Leute ihn dir ansehen. Und am leichtesten ist dieser Hunger durch ein verzweifeltes, sinnloses Sich-verlieben zu stillen. Sagen wir, in eine slowakische Dokumentarfilmregisseurin mit Schmiss auf der linken Wange, der wie ein Grübchen aussieht, die du auf dem Filmfestival in Haifa triffst. Ein Sich-verlieben, das dich hinterher ein Jahr kostet, um wieder auf die Beine zu kommen. Also besser zu Hause bleiben. Sich verschanzen. Die Herzkammern verrammeln. Keinen Spalt offen lassen, durch den eine Frau eindringen könnte, die nicht die eigene ist. Daran arbeite ich zurzeit.


Wie gelingt es Ihnen als Mann, Frauengestalten zu schreiben?

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Autor

Eshkol Nevo, geboren 1971 in Jerusalem, zählt zu den wichtigsten Schriftstellern Israels und wurde vielfach international ausgezeichnet. Bei dtv erschienen zuletzt die Romane >Die einsamen LiebendenÜber unsDie Wahrheit ist