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Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am22.02.2021
Ein Mädchen, das für seinen Traum kämpft, ein Vater, der für seine Tochter alles aufs Spiel setzt, und eine Stadt, in der die Zeit stehengeblieben ist.
Die elfjährige Nedda Pappas träumt davon, Astronautin zu werden - ein Traum, der in Neddas Heimatort nahe einer Raketenbasis an der Küste Floridas fast realistisch erscheint. Sie muss nur möglichst schnell erwachsen werden - doch genau das möchte Neddas geliebter Vater, ein genialer, aber vom Leben überforderter Wissenschaftler, verhindern. Er hat schon einmal ein Kind verloren und möchte Neddas Kindheit am liebsten konservieren. Seit Jahren schraubt er im Keller an einer Maschine, die genau das ermöglichen soll - doch stattdessen löst er eine Katastrophe aus. Zum ersten Mal in ihrem Leben muss Nedda ihrer Mutter vertrauen und sich mit ihr zusammentun, um ihren Vater zu retten - und die ganze Stadt.

Erika Swyler besuchte die New York University und hat bereits für die Bühne sowie diverse Literaturmagazine und Anthologien geschrieben. Geboren und aufgewachsen in Long Island, lernte sie schwimmen, noch bevor sie laufen konnte. Vor Kurzem zog sie von Brooklyn zurück in ihren Heimatort, der sie zu ihrem Debüt Das Geheimnis der Schwimmerin inspirierte.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin Mädchen, das für seinen Traum kämpft, ein Vater, der für seine Tochter alles aufs Spiel setzt, und eine Stadt, in der die Zeit stehengeblieben ist.
Die elfjährige Nedda Pappas träumt davon, Astronautin zu werden - ein Traum, der in Neddas Heimatort nahe einer Raketenbasis an der Küste Floridas fast realistisch erscheint. Sie muss nur möglichst schnell erwachsen werden - doch genau das möchte Neddas geliebter Vater, ein genialer, aber vom Leben überforderter Wissenschaftler, verhindern. Er hat schon einmal ein Kind verloren und möchte Neddas Kindheit am liebsten konservieren. Seit Jahren schraubt er im Keller an einer Maschine, die genau das ermöglichen soll - doch stattdessen löst er eine Katastrophe aus. Zum ersten Mal in ihrem Leben muss Nedda ihrer Mutter vertrauen und sich mit ihr zusammentun, um ihren Vater zu retten - und die ganze Stadt.

Erika Swyler besuchte die New York University und hat bereits für die Bühne sowie diverse Literaturmagazine und Anthologien geschrieben. Geboren und aufgewachsen in Long Island, lernte sie schwimmen, noch bevor sie laufen konnte. Vor Kurzem zog sie von Brooklyn zurück in ihren Heimatort, der sie zu ihrem Debüt Das Geheimnis der Schwimmerin inspirierte.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641239992
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum22.02.2021
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2160 Kbytes
Artikel-Nr.4940543
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


An Bord der Chawla



Beim Aufwachen hörte Nedda Papas Vogelgesang, den durchdringenden, heiseren Ruf einer Schwarzen Strandammer bei Wellenrauschen - eine Erinnerung an ihre Heimat und an Dinge, die sie nie wiedersehen würde. Als man sie gefragt hatte, von welcher Musik sie am liebsten geweckt werden wolle, war ihr nichts eingefallen. Bei der Auswahl hatte sie ihre Besatzungskollegen mitberücksichtigen müssen, noch erschwert durch die jahrzehntelange Lücke in ihrem eigenen Musikwissen. Jewgeni hatte sich für eine russische Popgruppe entschieden, wodurch der Donnerstagmorgen zur Qual wurde. Vögel waren das Unaufdringlichste, was Nedda in den Sinn gekommen war. Vögel gab es überall. Nur sie wusste, dass ein NASA-Praktikant sich durch die uralten Audio-Archive des Naturkundemuseums von Florida gewühlt hatte, um den Ruf einer 1987 ausgestorbenen Spezies aufzutreiben. Als sie nun die Augen aufschlug, sah sie ein holografisches Meer auf einen Strand aus Pixeln plätschern, die zerriebene Muscheln und Quarzfragmente darstellen sollten.

Sie drehte sich zum Fenster und der Schwärze um. In den Akklimatisierungswochen auf der internationalen Raumstation hatte sie die Erde betrachtet und auf das Einsetzen von nostalgischen Gefühlen gewartet. Die Psychologen behaupteten steif und fest, das sei unausweichlich. Die Erde aus solcher Entfernung zu sehen, erzeuge ein als Selbstreflexion maskiertes Heimweh oder aber ein gefährliches Hochgefühl, das heftigen Stimmungstiefs vorausgehe. Bei Neddas Besatzungskollegen war es passiert. Bei ihr hatte die Melancholie gewartet, bis sie sich an Bord des Moduls befand.

Es gab zahlreiche Untersuchungen über Heimweh bei Astronauten, die Nedda zu lesen ablehnte; die eigene Reaktion mit einer Studie zu vergleichen, war befremdlich. Sie ertrug Heimweh nicht zum ersten Mal, und die Erde von oben zu sehen, bewegte sie nicht. Ihre Heimat war kein weit entfernter Ort, sondern eine Zeit und eine Ammer.

Der Weltraum war einladender als der Blick zurück. Das teilte sie der Besatzungspsychologin Dr. Stein während der obligatorischen Videositzungen mit. In Neddas Augen ähnelten sich Psychologie und Gynäkologie, da der Arzt mehr von den eigenen intimsten Prozessen sah als man selbst.

Jede Woche fragte Dr. Stein: »Was sehen Sie vor dem Fenster?« Ihr Eingabestift tauchte nie im Bild auf, aber Nedda hörte ihn über ein Tablet gleiten.

Was sie sah, war schwer zu erklären, noch schwerer zu analysieren. Der Raum zwischen den Sternen erzeugte leicht einmal Trübsal, da man ins Grübeln kam, wie klein man im Vergleich zum Universum war. Amit Singh sah, obwohl er Kommandant war, so selten wie möglich aus dem Fenster, er zog Sternkarten vor, Teleskopmaterial und die Daten der Sonden und Terraformer. Er legte nach wie vor Wert darauf, sich selbst als Menschen zu betrachten und nicht als einzelne Zelle in einem Organismus von der Größe des Universums. Nedda fühlte sich gern klein.

»Endloser Raum bedeutet endlose Möglichkeiten«, hatte sie zu Dr. Stein gesagt. Hoffnungsvoll zu klingen, war gut. Etwas heikler war, zu erklären, dass sie Ausschau nach Licht hielt, es zerpflückte, die unterschiedlichen Wellenlängen erspüren wollte, nach dem Vertrauten suchte. Denn in der Schwärze war Licht, auf dem Weg zu und von fernen Planeten, Licht von Sternen, das zusammenprallte, im leeren Raum aufeinandertraf. Licht trug Gedanken und Hoffnungen, die Essenz dessen, woraus jeder bestand. Solche Überlegungen musste Nedda eindämmen, sonst verpasste sie die morgendliche Videoschaltung, geriet mit ihrer Arbeit an den Pflanzen in Verzug und fand in dem Drucker in ihrer Kabine ein Antidepressivum. Wenn sie an Antidepressiva dachte, schwirrten ihr sofort verschiedenste Namen von Psychopharmaka durch den Kopf, alles, worauf die Bordärztin Louisa Marcanta problemlos Zugriff hatte, sowie das, was heutzutage nicht mehr verschrieben wurde. Sie sinnierte über die Struktur von Ketamin, einem wunderschönen Molekül, das in Neddas Augen aussah, als hielten die Symbole für die beiden Geschlechter miteinander Händchen.

»Papas? Nicht verschlafen.« Marcantas Stimme schreckte sie auf.

Das Hologramm erlosch mit einem Flackern, statt des Strandes erschien die kalte weiße Wand der Chawla.

Die morgendliche Konferenzschaltung mit dem Kontrollzentrum verlief ereignislos. Die vier Besatzungsmitglieder der Chawla quetschten sich in den zentralen Wohnbereich, um mit Houston zu sprechen, behindert wie üblich durch Signalverzögerungen und Bürokratie. An diesem Tag erhielt Marcanta einen Videogruß von ihrer Nichte, die Geburtstag hatte. Das Mädchen grinste zahnlückig und umklammerte einen Stofftintenfisch, den Tante Louisa ihr geschickt hatte.

Marcanta hatte Geschenke auf Jahre im Voraus bestellt. Schlau. Singh war sauer, dass ihm das nicht eingefallen war. In solchen Momenten gab es wenig Unterschiede dazwischen, nicht im Land oder nicht auf dem Planeten zu sein. Mit gesenktem Blick sortierte Nedda ihre Notizen. So nah sie auch alle gezwungenermaßen zusammenlebten, eine für jemand anderen bestimmte persönliche Nachricht mitzuerleben blieb eine unbehagliche Erfahrung. Es war entblößender als Nacktheit; die Menschen zu sehen, die sie nie wieder berühren konnten, ging unter die Haut.

Jewgeni lieferte einen kurzen Bericht über die Modulsysteme ab, danach hörten sie sich Daten vom Zielplaneten an. Die Rover und Roboter kamen mit dem Bau der Raumstation und der Kuppel gut voran, lagen im Plan für die Ankunft. Un und Trio, zwei der Rover, planierten gerade den Boden für einen Landeplatz und gruben eine Rinne, um den Dampf abzuleiten, den die Chawla beim Aufsetzen erzeugen würde. Dués Daten zur Bodenzusammensetzung lagen innerhalb des erwarteten Bereichs.

Nedda referierte über Hydroponik: Sie unternahmen ihre ersten Schritte auf dem Weg zur Selbstversorgung. Verwendbares Saatgut für einen neuen Zyklus lag bereit, die Bausteine, die sie als Kolonisten benötigten.

Jewgenis Sehkraft hatte sich verschlechtert, aber das erwähnten weder er noch Marcanta. Nedda und Singh folgten ihrem Beispiel. Es handelte sich um fortschreitenden Astigmatismus aufgrund von mangelnder Gravitation, die zu abgeflachter Hornhaut und einem Druck von Zerebrospinalflüssigkeit auf den Sehnerv führte. Ihr Gehirn ertränkte ihre Augen. Früher oder später würde die Schwerkraft das wieder in Ordnung bringen, bis zu ihrer Ankunft dauerte es allerdings noch drei Jahre. Der Borddrucker spuckte Linsen zur Korrektur aus, aber es war schwer, mit der beständigen Veränderung Schritt zu halten. Irgendwann kam ein Punkt, an dem die Augen nicht mehr zu retten waren. Diesem Punkt näherte Jewgeni sich allmählich.

Auch Nedda zeigte bereits ähnliche Symptome. Mittlerweile schlief sie mit einer Druckbrille, obwohl das wahrscheinlich nichts brachte. Zweiunddreißig Prozent der Schwerkraft der Erde erwarteten sie. Noch weniger als auf dem Mars. Ein Teil des Sehvermögens kehrte voraussichtlich zurück, aber wohl nicht die 20/20, auf die sie alle getestet worden waren. Das Risiko war bekannt. Jewgeni hatte einfach Pech, was die Geschwindigkeit seiner Verschlechterung betraf. Für den Ingenieur eines Moduls war nachlassende Sehkraft ein Handicap.

»Uns sind einige Spannungsspitzen bei Amadeus aufgefallen«, sagte Jewgeni in den Monitor. Das Lebenserhaltungssystem hatte eine eigene Stromquelle, einen Radioisotopengenerator namens Amadeus, der getrennt von den Triebwerken arbeitete. Amadeus sollte auf dem Planeten weiterlaufen und das Modul versorgen, solange es als Unterkunft diente.

»Ist was kaputt?« Die Frage kam von einer der jüngeren Mitarbeiterinnen des Jet Propulsion Laboratory der NASA. Ein leuchtend rotes Tattoo zierte die rasierte Seite ihres Kopfes. Kato, Jennifer Kato. Durch die Tätowierung konnte man sie sich unter den vielen Gesichtern leichter merken.

»Flugbahn und Tempo stimmen noch«, sagte Nedda. »Alles funktioniert. Fürs Erste laden wir die Strahlung in unserem Landewasser ab.« Was nicht gerade ideal war. Das für die Dampfstrahler bestimmte Wasser, mit dem das Aufsetzen der Chawla abgefedert werden sollte, war damit radioaktiv. Ihr Landeplatz wäre verstrahlt. »Je schneller wir das reparieren können, desto besser. Wir müssen die atmosphärischen Auswirkungen minimieren.«

»Ich hätte gern die Konstruktionsdetails des Generators«, sagte Jewgeni. »Irgendwas stimmt da nicht.«

»Schicken Sie uns einfach Ihre Daten. Wir analysieren sie und kümmern uns darum«, sagte Kato.

»Tun Sie mir bitte den Gefallen. Es hilft mir, zu wissen, wo es herkommt«, sagte er.

»Na gut, Mr. Sokolow. Am Ende der Konferenz haben Sie die Pläne auf Ihrem Reader. Wenn das Wasserpolster die Überlast aufnehmen kann, belassen Sie es einfach dabei, bis wir eine genaue Ursache feststellen können.«

Nach der Besprechung drückte Jewgeni sich die Hände auf die Augen. Blinzelfalten gruben sich in sein Gesicht. Er war schon vorher stämmig und blass gewesen, doch der Weltraum hatte ihn noch runder gemacht, sodass er inzwischen beinahe spitzbübisch wirkte. Wenn er grinste, sah er aus wie ein Kind mit einem Geheimnis.

Alle setzten sich Druckbrillen auf. Vier Stunden pro Tag musste die Besatzung sie tragen, aber die Videoschaltungen fielen ihnen ohne leichter. Die Brillen fühlten sich wie eine weitere Schicht Entfernung zwischen ihnen und der Erde an. Marcanta sah mit ihrer ganz von allein geheimnisvoll aus, wie ein europäisches Model. Über ihre eigene Erscheinung machte Nedda sich keine Gedanken; nichts verschlimmerte oder verbesserte je ihre spezielle Art der Unscheinbarkeit.

»Wie geht´s...

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Erika Swyler besuchte die New York University und hat bereits für die Bühne sowie diverse Literaturmagazine und Anthologien geschrieben. Geboren und aufgewachsen in Long Island, lernte sie schwimmen, noch bevor sie laufen konnte. Vor Kurzem zog sie von Brooklyn zurück in ihren Heimatort, der sie zu ihrem Debüt Das Geheimnis der Schwimmerin inspirierte.