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Meine Mutter, unser wildes Leben und alles dazwischen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am27.04.2020
Manchmal ist das Gras auf der anderen Seite viel grüner ...
Dido ist sechs Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter Edie von London in eine Kleinstadt in Essex zieht - dort hat Edie ein kleines Häuschen geerbt. Edie ist die coolste Mutter überhaupt, wenn auch etwas verrückt, und sie ist die einzige Familie, die Dido je hatte. Trotzdem fehlt ihr etwas. Auf einem Streifzug durch die neue Nachbarschaft entdeckt das neugierige Mädchen hinter einem Tor zum Nachbarsgarten ihr ganz persönliches Paradies: die perfekte Familie. Mutter, Vater und zwei Kinder - die Trevelyans sind alles, was sie sich immer erträumt hat. Von diesem Moment an ist Didos Schicksal untrennbar mit ihnen verbunden, doch welche Familie ist schon wirklich perfekt?

Joanna Nadin war Rundfunkjournalistin und Beraterin eines britischen Premierministers, bevor sie das Schreiben für sich entdeckte. Sie hat über 70 Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben, darunter die preisgekrönte »Penny Dreadful«-Serie, und war für die Carnegie Medal für Literatur nominiert. Heute arbeitet sie als freiberufliche Redenschreiberin und als Lektorin für kreatives Schreiben an der Bath-Spa-University, an welcher sie kürzlich ihr Ph.D.-Studium abschloss. »Meine Mutter, unser wildes Leben und alles dazwischen« ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erschienen ist.
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Produkt

KlappentextManchmal ist das Gras auf der anderen Seite viel grüner ...
Dido ist sechs Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter Edie von London in eine Kleinstadt in Essex zieht - dort hat Edie ein kleines Häuschen geerbt. Edie ist die coolste Mutter überhaupt, wenn auch etwas verrückt, und sie ist die einzige Familie, die Dido je hatte. Trotzdem fehlt ihr etwas. Auf einem Streifzug durch die neue Nachbarschaft entdeckt das neugierige Mädchen hinter einem Tor zum Nachbarsgarten ihr ganz persönliches Paradies: die perfekte Familie. Mutter, Vater und zwei Kinder - die Trevelyans sind alles, was sie sich immer erträumt hat. Von diesem Moment an ist Didos Schicksal untrennbar mit ihnen verbunden, doch welche Familie ist schon wirklich perfekt?

Joanna Nadin war Rundfunkjournalistin und Beraterin eines britischen Premierministers, bevor sie das Schreiben für sich entdeckte. Sie hat über 70 Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben, darunter die preisgekrönte »Penny Dreadful«-Serie, und war für die Carnegie Medal für Literatur nominiert. Heute arbeitet sie als freiberufliche Redenschreiberin und als Lektorin für kreatives Schreiben an der Bath-Spa-University, an welcher sie kürzlich ihr Ph.D.-Studium abschloss. »Meine Mutter, unser wildes Leben und alles dazwischen« ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erschienen ist.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641243845
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum27.04.2020
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1614 Kbytes
Artikel-Nr.4940578
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Der König von Narnia

Juli 1976

Es beginnt in einem Garten in Essex in dem langen, heißen Sommer von 1976. Dem Sommer, in dem du einen Schlüsselbund von einer weitgehend unbekannten Großtante erbtest und wir aus einem kleinen Zimmer in einem besetzten Haus im Süden Londons in eine heruntergekommene Doppelhaushälfte aus rotem Backstein zogen; wenn schon nicht richtig auf dem Land, so doch im grüneren Teil des Kleinstädtchens Saffron Walden.

»Kleine Stadt, kleine Geister«, sagst du, als künftige Nachbarn uns durch den Vorhangspalt beobachten, während wir Mülltüten und Bananenkisten aus dem Kofferraum von Maudsley Micks Transit schleppen. Trotzig erwidere ich die Blicke und marschiere weiter, ohne mich um die Spur aus Tampons, Drehbüchern und einem Kartoffelstampfer zu kümmern, die ich auf dem Gartenweg hinter mir herziehe. Noch habe ich selbstverständlich nichts dagegen, mich als du zu geben, meine fluchende, rauchende, zierliche Mutter. Denn außer dir - und Mick und Toni und der wechselnden Besetzung von Außenseitern, Aussteigern und Ausgestoßenen, die ihr Lager in fremden Wohnungen aufschlagen - kenne ich nichts anderes.

Das soll sich allerdings bald ändern.

Mick fährt ab, sobald der letzte Koffer auf den Bürgersteig gewuchtet wurde.

»Ich muss noch nicht weg«, bietet er an. »Ich könnte bleiben und helfen. Beim Auspacken und so. Macht mir nichts aus.«

Dir aber schon. »Wir kommen klar«, sagst du nachdrücklich. »Stimmt´s, Di?« Du siehst mich an, während ich auf den hübschen Schiefersteinen unserer neuen Gartenmauer balanciere.

Ich nicke und hüpfe von meinem Hochseil hinunter, schlängle mich um deine Beine, unter einen Arm, eine fest entschlossene Barriere zwischen dir und diesem Kind-Mann, der die letzten vier Monate in deinem Bett - unserem Zimmer - geschlafen hat.

»Wenn du meinst«, sagt er.

»Oh ja, wir meinen«, erwiderst du.

Mick zuckt die Achseln und wendet sich zum Gehen, woraufhin du, vielleicht aus Mitleid mit ihm - oder eher mit dir selbst - , ihn noch einmal in deine Arme ziehst. Ich spüre sein Bein mich wegstupsen, höre die Nässe seiner Zunge an deiner und denke an die Aale, die wir einmal auf der Old Kent Road gesehen haben. Trotz der Hitze erschauere ich.

Der Kuss dauert zwei Minuten und dreiundzwanzig Sekunden. So lange, dass mein rechter Fuß einschlafen kann. So lange, dass die Spanner und Spannerinnen auf der anderen Straßenseite die Augenbrauen hochziehen und sich eine klare Meinung darüber bilden können, wer genau da in die Nummer siebenundzwanzig einzieht.

»Damit du mich nicht vergisst«, sagst du, als du ihn sanft zurückschiebst und dann mit geübtem Schwung mich auf deine Hüfte hebst.

»Wir sehen uns doch wieder, oder?«

Selbst ich, sechs Jahre alt, ahne die Verzweiflung seiner vom Speed rasselnden Nerven.

»Vielleicht«, sagst du. »Aber das hier draußen ist eine andere Welt.«

Und triumphierend sehe ich Mick nach, der sich geknickt in seinen Transporter trollt, rückwärts auf die Straße setzt und Richtung M 11 fährt.

»Jetzt sind es nur wir beide«, sagst du.

Nur wir beide. Und bei diesen Worten fühle ich die Luft knistern vor Möglichkeiten - der Aufmerksamkeit, die ich nun vielleicht bekomme, den Abenteuern, die wir vielleicht erleben. Überwältigt von dieser elektrischen Energie umschlinge ich dich ganz fest, presse die Arme um dürre Rippen, drücke das Gesicht in Micks Schweiß und dein Patschuli, die einen feuchten Film auf deinem Hals bilden.

»Mein Gott, du wirst langsam schwer«, sagst du und setzt mich auf klebrigem Teer ab. Mit wiegenden Hüften läufst du zum Haus. »Scheiße, ist das heiß«, ergänzt du gedämpft. Dann lauter, an mich gerichtet: »Ich würde nicht zu lange draußen bleiben. Sonst holst du dir einen Sonnenbrand.«

»Scheiße«, wiederhole ich, als du ins Halbdunkel verschwunden bist. Das Wort fühlt sich köstlich in meinem Mund an, und auch gefährlich. Wie die Schnapspralinen, die der dünne rothaarige Mann mir letztes Weihnachten gegeben hat, der gelacht hat, als ich in meinem Lamettahut und meiner Boa mit ihm durchs Wohnzimmer getanzt bin.

Ich schlucke das Wort hinunter, dann sehe ich mich um, ob unser Publikum mich gehört hat. Aber die Vorhänge sind zum Schutz vor der Mittagssonne zugezogen, also gehe ich theatralisch seufzend, ebenfalls die Hüften schwingend, dreizehn Schritte über den Gartenweg in unser neues Leben.

»Es ist kleiner, als ich es in Erinnerung habe.« Die Enttäuschung in deinem Tonfall droht über eine besondere Osmose in mich einzusickern, über eine hauchzarte Verbindung, die trotz ihrer vermeintlichen Leichtheit und Zerbrechlichkeit aus einem so unzerbrechlichen Element geschmiedet ist, dass sie Kanonenkugeln abfangen oder mächtige Armeen aufhalten könnte.

Meine Mundwinkel sinken herab, obwohl das hier mehr Haus ist, als ich jemals hatte oder mir auch nur erträumt habe. Wobei in meinen Fantasien beträchtlich weniger Staub vorkam, nicht so viele Gemälde von nackten Frauen und dafür mehr Zootiere. Immerhin hat eine der Frauen keine Schamhaare, genau wie ich, was mich mit der plötzlichen Hoffnung erfüllt, dass mir dieser seltsame Pelz erspart bleiben wird.

»Mir gefällt´s«, sage ich in der Hoffnung, dass meine Worte es wahr machen werden.

Und, Abrakadabra, so ist es auch.

»Ach, mir auch, Di«, sagst du. »Es ist perfekt. War es schon immer. Obwohl natürlich damals jeder Ort, an dem meine Mutter nicht war, ein Scheißparadies war.«

»Wann damals?«

»Was weiß ich, neunzehnfünfzig und ein paar Zerquetschte. Sechsundfünfzig? Siebenundfünfzig? Hab ich vergessen. Ich war sechs.«

Sechs. Mein Alter. Ich spüre ein Prickeln angesichts dieser Parallele. Eine Malzbonbon-Süße, begleitet vom Staunen darüber, was für ein Paradies man ohne seine Mutter haben könnte.

»Mann, hab ich einen Hunger«, verkündest du dann, der Themenwechsel schnell und effektiv: eine Spezialität von dir. Du siehst in den Kühlschrank, einen brummenden Koloss von einem Gerät, der wie eine Bühne aufleuchtet, wenn die Tür geöffnet wird, ein Phänomen unergründlicher Magie, das mich bis weit ins zehnte Lebensjahr verblüffen wird. Du hingegen bist weniger leicht zu beeindrucken und betrachtest die leeren Fächer eher mit Enttäuschung denn mit Ungläubigkeit. »Sie hätte wenigstens ein bisschen blöde Butter dalassen können«, findest du.

»Vielleicht hat sie sie aufgegessen, bevor sie gestorben ist.« Damit versuche ich, deine Stimmung zu heben. »Oder sie mochte lieber Margarine.«

»Niemand mag lieber Margarine«, sagst du. »Niemand, den man kennen will, jedenfalls. Und darum geht es nicht. Jemand war hier und hat sie mitgehen lassen, und den Scheiß-Hockney auch.«

Ich habe keine Ahnung, was ein Hockney ist, aber er kann unmöglich so köstlich sein wie das Essen, das du letzten Endes zusammenstellst, Chips und einen Kanten schwitzigen Käse aus dem Laden an der Ecke.

»Morgen kaufe ich was Richtiges«, sagst du.

Doch ich beklage mich nicht. Nach einer Ernährung, die aus dünnen Eintöpfen und Gemüsepfannen bestand, mit gestohlenem Strom gekocht, ist das Kribbeln von Salz und Essig auf meiner Zunge Luxus, ein Festmahl wie für eine Prinzessin. Am Schalter neben dem Tisch knipse ich das Licht an und aus, an und aus, meine Finger streichen über das glatte Bakelit.

»Ist ja gut, Di, das ist keine bescheuerte Disco.«

Ich ziehe die Hand weg, und wir sitzen in einem gelblichen Schein.

Seufzend schaltest du die Lampe aus. »Lass das. So was kostet jetzt Geld. Außerdem kriege ich Kopfweh davon.«

Innerhalb einer halben Stunde hat das Kopfweh dich nach oben gezwungen, um dich »eine Minute hinzulegen«.

»Du musst doch auch müde sein«, sagst du, als ich angesichts dieser enttäuschenden Nachricht ein langes Gesicht ziehe.

Ich schüttle den Kopf. Ich bin überhaupt nicht müde, und außerdem riecht dein Zimmer nach alten Menschen.

»Na, dann geh dich umsehen«, sagst du. »Aber lauf nicht zu weit weg.«

»Wie weit?«, frage ich, weil ich wissen möchte, ob zu diesem neuen Haus, diesem neuen Leben eine Grenze gehört.

»Timbuktu«, erwiderst du.

»Wo ist das?«

»Am Ende der Straße.«

Ich lausche deinen nackten Füßen auf der schmalen Treppe, zähle die Schritte, als du oben nach links zum Schlafzimmer abbiegst. Siebzehn. Schließlich höre ich dich unelegant auf die nackte Matratze fallen, da Bettzeug und Überzüge noch in den Regalen oder in schwarzen Plastiktüten liegen; wo so viele Dinge noch Wochen bleiben werden, Monate sogar, bis du dir endlich eingestehst, dass das hier unser Zuhause ist. Schließlich wird es bis auf das beharrliche Summen des Kühlschranks und die träge über unseren Essensresten schwirrenden Fliegen still im Haus.

Ich bin allein.

Die Erkenntnis ist aufregend und Furcht einflößend zugleich, und der Drang, zu dir zu rasen und mich an dich zu klammern wie an das Rettungsboot eines sinkenden Schiffes, ist gewaltig. Aber du bist krank beziehungsweise das, was du darunter verstehst, und ich kann mir schon dein Ächzen vorstellen, wenn du mich wegschiebst: »Jetzt nicht, Di.« Also setze ich mich auf meine Hände und schlage die Beine übereinander, bis der Drang nachgelassen hat. Und dann hüpfe ich auf den Boden, hebe einen Chip auf, der sich unter meinem Stuhl versteckt hat, und erkunde mit auf der Zunge zerschmelzenden Chipskrümeln die vier Zimmer, die unser Erdgeschoss bilden.

Nach...

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Joanna Nadin war Rundfunkjournalistin und Beraterin eines britischen Premierministers, bevor sie das Schreiben für sich entdeckte. Sie hat über 70 Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben, darunter die preisgekrönte »Penny Dreadful«-Serie, und war für die Carnegie Medal für Literatur nominiert. Heute arbeitet sie als freiberufliche Redenschreiberin und als Lektorin für kreatives Schreiben an der Bath-Spa-University, an welcher sie kürzlich ihr Ph.D.-Studium abschloss. »Meine Mutter, unser wildes Leben und alles dazwischen« ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erschienen ist.