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Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
608 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.04.2020
Schon sein ganzes Leben lang hat der ebenso liebenswerte wie chaotische Literaturdozent Charley Sutherland versucht, seine einzigartige Begabung vor der Welt zu verbergen: Er kann Figuren aus Büchern zum Leben erwecken! Das ist toll, wenn es sich dabei um Pu den Bären handelt, und kompliziert, wenn plötzlich der Hund der Baskervilles in deinem Vorgarten sitzt. Nur Charleys Bruder Rob weiß von seiner Gabe. Deshalb läuten bei dem etwas biederen Anwalt auch sämtliche Alarmglocken, als er eines Nachts einen Anruf von Charley erhält und dieser ihm gesteht, er habe Uriah Heep, den Schurken aus Charles Dickens' Meisterwerk »David Copperfield«, freigelassen. Und der hat nichts Geringeres im Sinn als das Ende der Welt. Gemeinsam versuchen Charley und Rob, Uriah zurück in den Roman zu verbannen, bevor er größeres Unheil anrichten kann. Doch dabei stoßen sie auf ein dunkles Geheimnis ...

H. G. Parry studierte Englische Literatur an der Victoria University in Wellington und unterrichtet heute Englisch sowie Film- und Medienwissenschaften. Ihre Kurzgeschichten erschienen unter anderem in der »Intergalactic Medicine Show« und in der »Daily Science Fiction«. »Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep« ist ihr Debütroman. H. G. Parry lebt gemeinsam mit ihrer Schwester in Wellington, und natürlich ist ihre Wohnung vollgestopft mit Büchern.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextSchon sein ganzes Leben lang hat der ebenso liebenswerte wie chaotische Literaturdozent Charley Sutherland versucht, seine einzigartige Begabung vor der Welt zu verbergen: Er kann Figuren aus Büchern zum Leben erwecken! Das ist toll, wenn es sich dabei um Pu den Bären handelt, und kompliziert, wenn plötzlich der Hund der Baskervilles in deinem Vorgarten sitzt. Nur Charleys Bruder Rob weiß von seiner Gabe. Deshalb läuten bei dem etwas biederen Anwalt auch sämtliche Alarmglocken, als er eines Nachts einen Anruf von Charley erhält und dieser ihm gesteht, er habe Uriah Heep, den Schurken aus Charles Dickens' Meisterwerk »David Copperfield«, freigelassen. Und der hat nichts Geringeres im Sinn als das Ende der Welt. Gemeinsam versuchen Charley und Rob, Uriah zurück in den Roman zu verbannen, bevor er größeres Unheil anrichten kann. Doch dabei stoßen sie auf ein dunkles Geheimnis ...

H. G. Parry studierte Englische Literatur an der Victoria University in Wellington und unterrichtet heute Englisch sowie Film- und Medienwissenschaften. Ihre Kurzgeschichten erschienen unter anderem in der »Intergalactic Medicine Show« und in der »Daily Science Fiction«. »Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep« ist ihr Debütroman. H. G. Parry lebt gemeinsam mit ihrer Schwester in Wellington, und natürlich ist ihre Wohnung vollgestopft mit Büchern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641260163
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum13.04.2020
Seiten608 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3984 Kbytes
Artikel-Nr.4941159
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Um vier Uhr morgens riss mich der Anruf meines jüngeren Bruders aus dem Schlaf. Er klang außer Atem, wie in Panik. Dieser ganz bestimmte Unterton, den ich nur allzu gut kannte, lag in seiner Stimme.

»Uriah Heep läuft im neunten Stock frei herum«, sagte er. »Und ich erwische ihn nicht.«

Ich war noch benebelt vom Schlaf, es dauerte ein paar Momente, bis die Bedeutung seiner Worte zu mir durchdrang. »Im Ernst, Charley?«, fragte ich, als es so weit war. »Schon wieder?«

»Ich habe Uriah Heep noch nie herbeigelesen.«

»Das stimmt, aber ... du weißt schon, was ich meine.« Ich rieb mir die Augen und versuchte mich zu konzentrieren. Im Schlafzimmer war es stockdunkel und kalt, nur die Leuchtziffern des Digitalweckers spendeten etwas schummriges Licht. Ich hörte, wie Lydia sich neben mir mit einem Rascheln im Bett umdrehte, und hatte das Gefühl, zwischen zwei Welten zu schweben: der geistig gesunden, in der ich eingeschlafen war, und Charleys Welt, die durch den Telefonhörer nach mir griff. Es war ein vertrautes Gefühl. »Das ist Dickens, oder? Du weißt doch, dass du und Dickens nicht zusammenpassen ... zumindest nicht besonders gut, oder wie auch immer man euer Verhältnis beschreiben soll. Ich dachte, du hättest dich in letzter Zeit auf Gedichte beschränkt. Auf diese postmodernen Satzgebilde, die sich lesen wie eine Mischung aus Lexikoneintrag und einem buddhistischen Mantra und denen kein Mensch auf der Welt einen Sinn abringen kann.«

»Es gibt kein Gedicht auf der Welt, in dem nicht irgendjemand einen Sinn erkennt.«

Ich war zwar immer noch nicht ganz wach, trotzdem bemerkte ich das Ablenkungsmanöver. »Du hast es versprochen. Du hast versprochen, dass es nie wieder passieren würde.«

»Ich weiß, und ich habe es auch so gemeint, und es tut mir leid.« Er flüsterte, wahrscheinlich, damit das Sicherheitspersonal nicht auf ihn aufmerksam wurde, das nachts über den Universitätscampus patrouillierte. Oder Uriah Heep. »Aber bitte, bitte, Rob, ich weiß, es ist spät, und du musst morgen zur Arbeit. Aber wenn man ihn morgens hier findet ...«

»Schon gut, schon gut. Beruhige dich.« Ich verbarg meinen Ärger, so gut es ging. Es gab Zeiten, da musste ich Charley meinen Ärger spüren lassen, und es gab Momente, da würde ihn genau das zum Durchdrehen bringen. Jetzt war so ein Moment. »Bist du in deinem Büro? Bin schon unterwegs. Versuch inzwischen, ihn im Auge zu behalten. Sei in zehn Minuten unten an der Tür, und lass mich rein.«

Er seufzte. »Danke. Bei Gott, es tut mir wirklich leid, ich war nur eine Sekunde lang ...«

»Zehn Minuten«, wiederholte ich und legte auf. Dann stieß auch ich einen Seufzer aus, lauschte, wie er in der Dunkelheit verhallte, und fuhr mir durchs Haar. Na ja. Es war ja nicht so, dass ich überrascht gewesen wäre.

Ich spürte, wie mich Lydia von der anderen Seite des Bettes besorgt-verschlafen musterte.

»Mein Bruder«, erläuterte ich. »Er hat gerade eine Krise.«

»Ist es schlimm?«

»Das kommt schon wieder in Ordnung.«

Lydia wusste nicht allzu genau, wie die Krisen meines Bruders beschaffen waren, aber es war nicht das erste Mal, dass er mich wegen einer anrief. Nicht einmal das erste Mal, dass er mich wegen einer mitten in der Nacht aus dem Bett klingelte. Ich habe keine Ahnung, wer ihm zur Seite gesprungen war, als er noch in England lebte, aber seit seinem Umzug nach Wellington schien ich so etwas wie seine Notfallhotline zu sein. »Er braucht mal wieder Hilfe bei einem Problem. Du kennst ihn ja.«

»Du hast morgen Früh eine Verhandlung«, rief Lydia mir ins Gedächtnis.

»Ich weiß«, erwiderte ich. »Und ich werde pünktlich sein. Leg dich wieder schlafen.«

»Du kannst nicht ständig seine Probleme für ihn lösen. Er ist sechsundzwanzig.«

»Ich weiß.« Lydia hatte recht. Charley musste lernen, allein mit diesen Dingen zurechtzukommen.

Aber Uriah Heep. Ich hatte nie etwas von Dickens gelesen, aber ich hatte so eine Art Instinkt für die Namen entwickelt, und dieser hier klang gar nicht gut.

 

Mein Bruder ist Dozent an der Prince-Albert-Universität in Wellington, die ich wie versprochen von zu Hause aus in ungefähr zehn Minuten mit dem Auto erreichen konnte, vorausgesetzt, ich zog mir nur Schuhe an und streifte mir einen Mantel über meinen Schlafanzug. Im Dunkeln ist die Strecke, die um die Innenstadt herum und dann hinauf in die Hügel von Kelburn führt, nicht ganz einfach zu finden. Ich verpasste eine Abzweigung und fand mich auf der falschen Seite des botanischen Gartens wieder. So ist Wellington mit dem Hafen auf der einen Seite und den Hügeln auf der anderen nun mal: Zu weit in die eine Richtung, und man landet im Wasser, zu weit in die andere, und man steht vor einem undurchdringlichen Dschungel, der bis hinauf in die Wolken reicht. Kein guter Ort für meinen Bruder, der schon sein ganzes Leben lang Probleme mit der genauen Bedeutung von »zu weit« hatte.

Der Universitäts-Campus liegt auf halber Höhe auf dem Kelburn-Hügel, die bunt zusammengewürfelten Gebäude zu beiden Seiten der Straße sind durch eine Brücke miteinander verbunden. Für neuseeländische Verhältnisse sind die Häuser hier schon sehr alt. Für Charley, der bis vor drei Jahren noch in Oxford war, wahrscheinlich nicht. Wenn man dort etwas als alt bezeichnete, bedeutete das, dass an dem Ort schon vor eintausend Jahren jemand studiert hatte. Als wir ihn einmal besuchten, konnte ich den tonnenschweren Staub jahrhundertealter Gemäuer und ­Gelehrsamkeit regelrecht spüren. Es gefiel mir nicht sonderlich dort. Es vermittelte zu sehr das Gefühl von alten Buchseiten. Die Prince-Albert-Universität ist knapp über hundert Jahre alt und wirkt immer noch, als wäre sie von Menschen erbaut. Die meisten Gebäude waren früher einfache Siedlerhäuser, und selbst den allergrößten sieht man noch an, wie die viktorianischen Kolonialherren versucht haben, die englische Heimat mit einfachen Mitteln nachzubilden. Wenn ich an Oxford denke, denke ich an einen ruhigen, friedlichen Sommerhimmel. Hier ist der Himmel nie ruhig und kaum jemals friedlich. In jener Nacht fiel leichter Regen, die Tropfen glänzten wie silbriger Nebel. Als ich aus dem Auto stieg, benetzte er sofort mein Gesicht, kalt und stechend wie Eis.

Charley musste die Tür zum Englisch-Department schon aufgerissen haben, bevor ich überhaupt ankam. Im Lichtschein des Korridors wirkten seine Augen übergroß, der Blick flehend. Die ungekämmten dunklen Locken und das ausgebeulte Sweatshirt ließen ihn kleiner und jünger erscheinen, als er tatsächlich war - darin ist er richtig gut. Was ihn aber auch nicht retten würde, denn diesmal würde ich ihn umbringen, ganz bestimmt. Nur nicht gerade jetzt, wenn er halb verrückt war vor Sorge.

»Er ist mir entwischt«, begann Charley sofort. Wie immer in solchen Momenten sprach er so schnell, dass ich ihn kaum verstand. »Ich habe versucht, bei ihm zu bleiben, aber ich musste dich anrufen, und ... und das Handy war in meinem Büro, also bin ich hin, und als ich zurückkam und ihn wiederfinden wollte, war er ...«

»Hey, nicht so schnell.« In meinem linken Schuh war ein Loch, das ich erst bemerkt hatte, als ich durch die Pfützen gelaufen war. Meine Zehen schmatzten unangenehm in der nassen Socke. »Hol erst mal Luft. Er wird ja wohl noch im Gebäude sein, oder? Er hat keine Schlüsselkarte, und die Ausgänge werden nachts verriegelt. Stimmt doch?«

»Ja, das stimmt«, bestätigte Charley und atmete gehorsam einmal tief durch. Es half nichts. »Außer er schlägt ein Fenster ein, oder jemand hat eines offen gelassen ...«

»Hast du irgendwas dergleichen gesehen?«

»Nein. Und ich habe in jedem Raum nachgesehen. Aber ich kann ihn nicht finden.«

»Wir finden ihn schon«, beruhigte ich ihn. »Mach dir keine Sorgen. Er ist nur ein garstiger Viktorianer ohne Augenbrauen.« Auf der Fahrt hierher hatte ich den Kerl gegoogelt, was wahrscheinlich mit ein Grund war, warum ich falsch abgebogen war. Anscheinend handelte es sich bei Heep um einen hässlichen, rothaarigen Schreiber, der nichts unversucht ließ, um die Hauptfiguren von David Copperfield ins Unglück zu stürzen. Und dann gab es da noch eine Hardrock-Band, die sich nach ihm benannt hatte und ziemlich cool klang. »Ist ja nicht wie damals, als du mit acht Graf Dracula aus seinem Buch gelesen hast.«

»Vampire haben Schwachpunkte«, entgegnete Charley düster. »Stoker hat sie eigens mit hineingeschrieben. Menschen sind weit weniger berechenbar.«

Da konnte ich leider nicht widersprechen. »Komm. Fangen wir in deinem Büro an.«

 

Ich hatte Charleys Büro noch nie betreten, aber es sah genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte: ein einziges Chaos. Leere Tassen auf dem Schreibtisch und in den Regalen, Bücherstapel in allen Ecken und Winkeln und eine unter einem Berg handschriftlicher Notizen begrabene Computertastatur. Der durchgesessene Lehnstuhl neben dem Fenster war das einzige Möbelstück, das nicht komplett zugemüllt war. Wahrscheinlich weil Charley immer darauf saß, wenn er den Rest seines Büros zumüllte. Der Stuhl sah aus wie ein leerer Fleck mit Charleys Umrissen, wie ein mit Kreide aufgemaltes Männchen an einem Tatort.

Keine Spur von einem aufsässigen Dickens´schen Schurken. Aber unter dem Geruch nach Papier und kaltem Kaffee lag noch ein Hauch von dem Rauch und Nebel, den ich mit Dickens´ England zu assoziieren gelernt hatte.

»Was hattest du um vier Uhr morgens überhaupt hier zu suchen?«, fragte ich keuchend. Wir waren den ganzen Weg bis ins neunte Stockwerk zu Fuß gegangen, um Uriah Heep nicht auf uns aufmerksam zu machen. Außerdem quittierten die Aufzüge hier gern im ungünstigsten Moment den Dienst,...
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Autor

H. G. Parry studierte Englische Literatur an der Victoria University in Wellington und unterrichtet heute Englisch sowie Film- und Medienwissenschaften. Ihre Kurzgeschichten erschienen unter anderem in der »Intergalactic Medicine Show« und in der »Daily Science Fiction«. »Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep« ist ihr Debütroman. H. G. Parry lebt gemeinsam mit ihrer Schwester in Wellington, und natürlich ist ihre Wohnung vollgestopft mit Büchern.