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Kostbare Tage

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Diogeneserschienen am27.05.20202. Auflage
Es ist der letzte Sommer für Dad Lewis am Rand der Kleinstadt Holt - die er nie verließ, im Gegensatz zu seinen Kindern. Aber was wäre Holt ohne neue Geschichten? Die kleine Alice zieht im Nachbarhaus bei ihrer Großmutter ein, und der neue Reverend Lyle hat nicht nur mit den eigenwilligen Anwohnern zu kämpfen.

Kent Haruf, geboren 1943 in Colorado, war ein amerikanischer Schriftsteller. Alle seine sechs Romane spielen in der fiktiven Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado. Er wurde unter anderem mit dem Whiting Foundation Writers' Award, dem Wallace Stegner Award und dem Mountains & Plains Booksellers Award ausgezeichnet. Sein letzter Roman, ?Unsere Seelen bei Nacht?, wurde zum Bestseller und mit Jane Fonda und Robert Redford in den Hauptrollen verfilmt. Kent Haruf starb 2014.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextEs ist der letzte Sommer für Dad Lewis am Rand der Kleinstadt Holt - die er nie verließ, im Gegensatz zu seinen Kindern. Aber was wäre Holt ohne neue Geschichten? Die kleine Alice zieht im Nachbarhaus bei ihrer Großmutter ein, und der neue Reverend Lyle hat nicht nur mit den eigenwilligen Anwohnern zu kämpfen.

Kent Haruf, geboren 1943 in Colorado, war ein amerikanischer Schriftsteller. Alle seine sechs Romane spielen in der fiktiven Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado. Er wurde unter anderem mit dem Whiting Foundation Writers' Award, dem Wallace Stegner Award und dem Mountains & Plains Booksellers Award ausgezeichnet. Sein letzter Roman, ?Unsere Seelen bei Nacht?, wurde zum Bestseller und mit Jane Fonda und Robert Redford in den Hauptrollen verfilmt. Kent Haruf starb 2014.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783257610116
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum27.05.2020
Auflage2. Auflage
Reihen-Nr.4
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse940 Kbytes
Artikel-Nr.4995299
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Fast drei Tage lang blieb sie im Holt County Memorial Hospital am südlichen Ende der Main Street. Die Ärzte fanden nichts Schlimmes, nur, dass sie alt war, zu viel gearbeitet und sich verausgabt hatte, weil sie sich ganz allein um ihren Ehemann kümmerte.

Am Abend dieses ersten Tages, als es dämmerte, fühlte sie sich schon ein bisschen besser. Doch im Krankenhaus meinte man, sie bräuchte Bettruhe. Haben Sie denn niemanden, der zu Ihnen kommen könnte, um Ihnen zu helfen?, erkundigte sich die Krankenschwester.

Ich weiß nicht, sagte sie. Vielleicht. Aber ich mache mir Sorgen um meinen Mann. Er ist ganz allein.

Ihr Mann hat gesagt, er käme gut zurecht.

Wem hat er das gesagt?

Den Sanitätern. Sie haben ihn gefragt, und anscheinend hat er ihnen erklärt, es gehe ihm gut.

Nun, das stimmt aber nicht. Er würde niemandem sagen, wie es ihm wirklich geht, erst recht keinen Fremden.

Sie meinten, sie hätten den Eindruck, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen ist.

Nein, das stimmt nicht. Er hat nur seine eigenen Ansichten über alles. Er meint es nicht böse. Aber es geht ihm gar nicht gut. So ganz allein in dem Haus ohne mich.

Haben Sie denn keine Nachbarn oder sonst jemanden?

Vielleicht. Sie sah sich im Raum um. Könnten Sie mir mal das Telefon von da drüben reichen?

Wollen Sie einen Nachbarn anrufen? Es ist ein bisschen spät, Mrs. Lewis.

Ich möchte mit Dad sprechen. Mit meinem Mann.

Aber Sie sollten jetzt mit niemandem mehr telefonieren. Sie dürfen sich nicht aufregen.

Würden Sie es mir bitte bringen, sagte sie. Ich möchte einen privaten Anruf machen.

Die Krankenschwester sah sie an, dann brachte sie das Telefon, stellte es auf den Nachttisch und verließ das Zimmer. Es dauerte lange, bis er abnahm.

Ja, Dad Lewis am Apparat. Seine Stimme klang rauh und alt.

Wie geht es dir, Liebling?

Bist du es?

Ja, ich bin´s. Ich wollte wissen, wie es dir geht.

Du solltest längst schlafen. Ich dachte, du würdest dich ausruhen.

Ich will nur wissen, wie es dir geht.

Haben sie dir gesagt, dass ich heute Morgen und dann noch mal nachmittags angerufen habe?

Nein. Davon hat mir keiner was gesagt.

Tja. Jedenfalls hab ich angerufen.

Was haben sie dir über mich gesagt?, fragte sie.

Sie sagten, du brauchst Ruhe. Du müsstest dich schonen und wieder zu Kräften kommen.

Ich bin völlig erledigt, Liebling, sagte sie. Als ich hierher kam und aufwachte, war ich schweißgebadet.

Das warst du schon, als sie dich abholten. Kannst du dich nicht erinnern?

Nein.

Aber du wirst dich wieder erholen, oder was meinen sie?

Dass ich nur gerade keine Kraft habe. Das ist alles.

Draußen auf dem Gang unterhielten sich Leute, und die Schwester war zurückgekommen, um nach ihr zu sehen.

Sie sagt, ich muss jetzt aufâlegen. Hast du was zu Abend gegessen, Liebling?

Ja. Hab ich.

Was denn?

Ich habe mir eine Suppe warm gemacht. Aber du musst auf dich aufpassen, sagte Dad. Versprichst du mir das?

Gute Nacht, Liebling.

 

Sie schliefen nach wie vor im selben Bett, seit der ersten Nacht vor so langer Zeit, in ihrem weichen alten Ehebett im Erdgeschoss, obwohl er jetzt krank war, sterbenskrank, und sich nachts unruhig hin und her wälzte. Sie bestand darauf, bei ihm zu sein, in seiner Nähe, etwas anderes kam für sie nicht in Frage. Jetzt war die Nacht ungewohnt und einsam, und er fühlte sich verlassen ohne sie. Gegen drei Uhr wachte er auf und ging ins Badezimmer, dann kehrte er ins Bett zurück, lag lange wach und dachte nach, bis das Zimmer allmählich grau wurde und er die Messinggriffe der Schubladen an der Kommode und den Spiegel an der Schranktür ausmachen konnte.

Am Vormittag kam die alte Nachbarin vorbei, klopfâte an die Tür und öffnete sie ein wenig, ohne abzuwarten, ob jemand kam. Hallo? Dad, bist du zu Hause?

Wer ist denn da?

Berta May von nebenan.

Ach so. Alles klar.

Darf ich reinkommen?

Ja, komm nur.

Sie hatte ein Mädchen bei sich; beide blieben im Wohnzimmer stehen und betrachteten ihn. Er trug eine Jogginghose und ein altes Flanellhemd.

Mary hat mich angerufen, sagte Berta May. Sie hat gesagt, du bist ganz allein zu Hause.

Tja, keine Ahnung, warum sie dich deswegen anruft.

Sie macht sich Sorgen um dich.

Kann schon sein, aber mir geht´s gut.

Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Dad musterte erst sie und dann das Mädchen. Willst du dich nicht setzen? Ich werde nicht aufstehen.

Nein. Ich wollte nur nachsehen, ob ich irgendwie helfen kann. Ob du was brauchst.

Ich brauche nichts.

Bist du sicher?

Ich komme zurecht. Wen hast du denn da mitgebracht?, fragte er.

Das ist Alice, meine Enkelin. Hast du sie noch nicht kennengelernt?

Ich sehe sie manchmal draußen im Garten, auf der anderen Seite des Zauns.

Sie wohnt jetzt bei mir. Sag guten Tag zu Dad Lewis, Schätzchen.

Das Mädchen war acht Jahre alt, ein dünnes braunhaariges Ding in Jeans-Shorts und weißem T-Shirt.

Hallo, sagte sie.

Hallo, wie geht´s?, antwortete Dad.

Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich in der Küche nach dem Rechten sehe, oder?, meinte Berta May.

Da ist alles okay. Nur nicht aufgeräumt.

Ich seh mal kurz nach. Damit verließ sie das Zimmer. Das Mädchen blieb, sah sich um und betrachtete dann Dad Lewis in seinem Sessel.

Warum heißen Sie so?

Wie denn?

Dad.

Weil ich eine Tochter habe, wie du. Als sie zur Welt kam, haben die Leute angefangen, mich so zu nennen. Das ist lange her.

Ich habe keinen Dad. Ich weiß nicht mal, wo er ist. Ich kenne ihn nicht.

Das tut mir leid.

Sind Sie krank oder so was?, sagte sie.

Kann man so sagen. Ich habe Krebs, er frisst mich auf.

Sie musterte ihn einen Augenblick. Sitzt er in Ihrer Brust? Da hatte meine Mutter ihren.

Er sitzt überall in mir.

Werden Sie sterben?

Ja. Jedenfalls haben sie mir das gesagt.

Sie blickte aus dem Fenster. Man kann Grandmas Haus von hier aus sehen. Und auch den Garten hinter dem Haus.

Da habe ich dich gesehen. Gestern warst du da draußen, sagte Dad.

Was habe ich gemacht?

Weiß ich nicht. Ich konnte nicht sehen, was du machst.

Habe ich im Gras gehockt?

Ja, ich glaube ja.

Dann habe ich gearbeitet.

Was denn?

Pusteblumen ausgraben. Grandma zahlt mir was für jede. Sie hat jede Menge davon.

Du könntest rüberkommen und das hier auch machen.

Wie viel würden Sie mir zahlen?

Dasselbe wie deine Großmutter.

Ich weiß nicht, sagte sie. Ich glaube, ich geh mal nachsehen, ob sie Hilfe braucht.

Berta May spülte das Geschirr und fegte die Küche, und danach ging sie mit ihrer Enkelin zurück nach Hause. Am Mittag schickte sie das Mädchen mit einem Tablett vorbei, das mit einem weißen Küchentuch bedeckt war. Alice kam herein und fragte: Wo soll ich es hinstellen?

Was hast du denn da mitgebracht?

Grandma hat Ihnen Lunch gemacht. Das Mädchen stellte das Tablett auf einen Stuhl und zog das Küchentuch weg. Es gab Kartoffelchips, ein Schinken-Sandwich, einen Klacks Hüttenkäse auf einem Pappteller und ein Stück Kuchen, in Wachspapier eingewickelt. Grandma meinte, Sie könnten dazu Wasser trinken oder sich einen Kaffee machen.

Möchtest du etwas davon? Ich hab keinen Hunger.

Grandma wartet mit dem Mittagessen auf mich.

Sag ihr vielen Dank. Machst du das?

Das Mädchen lief hinaus, und durchs Fenster konnte er sehen, wie sie am Zaun entlang ging und in dem gelben Haus verschwand.

 

Am späten Nachmittag des dritten Tages kam Mary ohne Vorwarnung durch das Gartentor, stieg die Vordertreppe hinauf und betrat das Haus. Dad saß in seinem Sessel neben dem Fenster und las den Holt Mercury. Als er aufsah, stand sie vor ihm.

Herrgott! Was machst du denn hier?

Sie haben mich entlassen, sagte sie.

Ich habe keinen Wagen auf der Straße gehört. Wie bist du hergekommen?

Zu Fuß.

Was meinst du damit, zu Fuß?

Ich bin zu Fuß gekommen.

Du bist vom Krankenhaus bis hierher gelaufen?

Sie konnten mich nicht sofort fahren. Wahrscheinlich hatten sie irgendwo einen Einsatz. Außerdem dachte ich, die Kosten könnten wir uns sparen. Es wird ohnehin teuer genug sein. Sie sagten, ich solle warten, aber das wollte ich nicht. Ich wollte nach Hause.

Meine Güte, sagte Dad. Du bist dort gelandet, weil du erschöpft warst, und jetzt läufst du in der Nachmittagshitze durch die ganze Stadt.

Es ist jetzt nicht mehr so heiß.

Was haben die sich dabei gedacht, dich gehen zu lassen?

Sie wollten mich nicht gehen lassen. Ich bin einfach gegangen. Ich wollte dir was Schönes zum Abendessen machen.

Er starrte sie an. Herrgott noch mal, sagte er. Wenn du so weitermachst, kratze ich lieber gleich ab und ziehe es nicht weiter in die Länge, bloß, damit du so was nicht noch mal machst.

Sie kam quer durchs Zimmer und blieb vor ihm stehen, klein, aufrecht und alt, und sprach langsam und geradeheraus. Sag mir nicht so was. Sag nicht so was Schlimmes. Nie wieder. Dazu hast du kein Recht. Hast du verstanden, Dad?

Er wandte den Blick ab.

Ich meine es ernst. Das verbitte ich mir. Du brichst mir noch das Herz, du verdammter alter Mann. Wahrscheinlich wirst du das ohnehin tun. Aber so etwas darfst du nicht sagen. Also, was wünschst du dir zum Abendessen? Ich weiß nicht mal, was wir noch im Haus haben.

Ich weiß nicht. Es ist mir auch egal.

Ich möchte dir was...
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Kent Haruf, geboren 1943 in Colorado, war ein amerikanischer Schriftsteller. Alle seine sechs Romane spielen in der fiktiven Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado. Er wurde unter anderem mit dem Whiting Foundation Writers' Award, dem Wallace Stegner Award und dem Mountains & Plains Booksellers Award ausgezeichnet. Sein letzter Roman, >Unsere Seelen bei Nacht