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Mondjuwel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
126 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.04.20191. Auflage
William Kotzwinkle, einer der aberwitzigsten und originellsten Autoren der modernen Weltliteratur, führt uns in diesen Stories ein abgründiges Panoptikum skurriler Szenen und Figuren vor: da ist ein Sammler, der eines Tages im wahrsten Sinne des Wortes die Welt in Händen hält; ein Mädchen, das eine vierzehn Monate währende Hochzeitsnacht verbringt; oder eine hermaphroditische Gottheit, die einen biederen Geschäftsmann in eines der wundersamsten erotischen Abenteuer unseres Universums verwickelt - eine himmlische Sammlung irdischer Parabeln, in der Realität und Fiktion, Wachen und Traum immer wieder unmerklich ineinander verschwimmen.

William Kotzwinkle wurde 1943 in Scranton/Pennsylvania geboren. Er besuchte das Rider College und die Pennsylvania State University. Nach verschiedenen Jobs begann er 1958 mit dem Schreiben und erhielt seitdem mehrere literarische Auszeichnungen. Er ist mit der Schriftstellerin Elizabeth Gundy verheiratet und lebte abwechselnd in den USA und Kanada.
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Produkt

KlappentextWilliam Kotzwinkle, einer der aberwitzigsten und originellsten Autoren der modernen Weltliteratur, führt uns in diesen Stories ein abgründiges Panoptikum skurriler Szenen und Figuren vor: da ist ein Sammler, der eines Tages im wahrsten Sinne des Wortes die Welt in Händen hält; ein Mädchen, das eine vierzehn Monate währende Hochzeitsnacht verbringt; oder eine hermaphroditische Gottheit, die einen biederen Geschäftsmann in eines der wundersamsten erotischen Abenteuer unseres Universums verwickelt - eine himmlische Sammlung irdischer Parabeln, in der Realität und Fiktion, Wachen und Traum immer wieder unmerklich ineinander verschwimmen.

William Kotzwinkle wurde 1943 in Scranton/Pennsylvania geboren. Er besuchte das Rider College und die Pennsylvania State University. Nach verschiedenen Jobs begann er 1958 mit dem Schreiben und erhielt seitdem mehrere literarische Auszeichnungen. Er ist mit der Schriftstellerin Elizabeth Gundy verheiratet und lebte abwechselnd in den USA und Kanada.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688117130
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum16.04.2019
Auflage1. Auflage
Seiten126 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5000376
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Mondjuwel

Sie und Mutter sahen hinter den Vorhängen zu, wie der hübsche Fremde und Vater ihre Hochzeit besprachen. Der Fremde bot Geld, doch Vater fand, es sei nicht genug. Dann rauchten sie, und Vater wurde poetisch und nannte sie ein Mondjuwel, und sie fürchtete, die Verhandlung würde nie zum Ende kommen. Sie wünschte sich verzweifelt, es möge anders sein, denn der Fremde sah gut aus, und auch der froschgesichtige Teppichhändler aus dem Dorf bemühte sich um ihre Hand. Nimm mich mit dir fort, flüsterte ihr Herz, und vielleicht spürte der Fremde das zarte Pochen, denn plötzlich verdoppelte er sein Angebot an purem Gold, und Vater willigte ein.

Am Tag ihres Eheschlusses fand im Dorf eine Feier statt. Die Trommeln sangen ihr dumpfes Lied, sie tanzte, die Sonne schien hell. Dann, als der Nachmittag zur Neige ging, nahm er sie mit sich fort, über die Landstraße, in sein eigenes Dorf.

Verwirrt, ängstlich, erfreut, verrückt vor Verlangen, wußte sie, eine Jungfrau, nicht, was sie zu ihm sagen sollte, wenngleich ihre Schenkel durch ihr Gewand seidige Worte sprachen, während sie entflammt die Schotterstraße entlangging.

Die untergehende Sonne tauchte das Gesicht ihres Gatten in tiefes Rot. Seine Augen brannten durch sie hindurch, und auch sie wurde rot, und ihr Bauch schlug Purzelbäume, jung und albern, aber ihre Brüste wippten lieblich, während sie ging, und ihre Hüften waren voll und schwangen, und wie entzückend waren ihre lackierten bloßen Zehen. An ihren Ohren baumelten Ohrringe, und durch ihr Bimmeln hindurch hörte sie in der Ferne den Klang einer Flöte.

«Das ist der Spielmann aus meinem Dorf, der dich willkommen heißt», sagte ihr Gatte.

Sie verfiel in Traurigkeit. Zum Klang fremder Musik, hinein in eine fremde Stadt, läßt Mondjuwel sich führen, und die Kindheit bleibt hinter ihr zurück. Doch das Lied, wie es in der Luft kreiste und tanzte, lockte sie fort, machte sie träumen. Bald würde sie ihr schwarzes Haar öffnen.

Vor sich sah sie die Bäume und Dächer seines Dorfes, und wieder nagte der Zweifel an ihr. Nun hatte sie Angst, ihn anzusehen, und sie zog sich ihren Schleier über den Kopf, um sich zu verbergen, um zu sterben. Wie grausam von Vater, sie preiszugeben, Mondjuwel für zwei Säckchen Gold an diesen Fremden zu verschachern.

«Da sind wir», sagte er und bog in einen schmalen Sandweg.

Am Ende des Weges sah sie ein kleines Haus. Langsam, starr vor Angst, ging sie darauf zu. Immer noch bewahrte sie Würde, die sie, wie ihre Mutter sie gelehrt hatte, niemals preisgeben durfte, wie auch immer die Dinge lagen. Sie ließ nicht die Schultern hängen, sie zitterte nicht, sie wurde nicht ohnmächtig, als sie über die fremde Schwelle in die kühle Düsternis des Wohnzimmers trat. Aus dem Augenwinkel sah sie hinter einer schmalen Tür das aus Rattan geflochtene Fußende eines Bettes.

Ihr Gatte deutete in den Raum, und sie ging mit pochendem Herzen zur Tür.

Dort hing eine grellrote Lampe, und ihre Haut wurde blaß wie ein Mondschatten, als sie durch die Öffnung trat. Mein Gatte ist ein Exot, dachte sie, während sie den verzierten Lampenschirm betrachtete, auf dem ein tausendarmiger Gott sein nacktes purpurhäutiges Weib umschlang. Werde ich souverän sein, oder werde ich schreien? In der roten Liebeshöhle wandte sie sich zu ihm um.

Er wickelte sich den weißen Hochzeitsturban vom Kopf, und dunkles Haar fiel auf seine Schultern. Zärtlichkeit? Oder wird er mich mit blutigem Schwert schänden? Ihr Körper spielte die verschiedenen Möglichkeiten durch, während er das Räucherwerk auf dem winzigen Altar neben dem Bett entzündete.

Sie sah hinab auf ihre Zehen und hätte am liebsten alles andere vor ihm verborgen, wollte aber zugleich enthüllen, was er noch nicht gesehen hatte, wollte dies und wollte jenes, eine erstarrte Flamme an einem purpurroten Ort. Das Fenster war nah, und sie konnte fliehen, doch sehnte sie sich danach, ihn mit der Fülle ihrer Schenkel zu überraschen.

«Setz dich», sagte er. Sie setzte sich auf die Kante des Bettes und ließ ihre Hüften in die weiche Umarmung der Matratze sinken. Ich bin bereit.

Er kniete vor ihr nieder, sah ihr in die Augen. Der Augenblick ist gekommen.

«Ich werde hier unten schlafen», sagte er und streckte sich zu ihren Füßen auf dem Boden aus.

Ich muß aufwachen, dachte sie und versuchte, dem verrückten Traum zu entkommen.

«Vielleicht möchtest du ein Glas Milch und ein Stück geröstetes Brot?» fragte er und stützte sich auf den Ellbogen.

Starr blickte sie auf die gegenüberliegende Wand des Schlafzimmers, während ihr Gatte in die Küche eilte. Nervös öffnete sie das Band in ihrem Haar und ließ ihre langen schwarzen, duftenden und schimmernden Locken herabfallen. Ich bin das Mondjuwel. Warum spricht er von Milch und geröstetem Brot?

«Hier bin ich», sagte er und kam, Milch und geröstetes Brot haltend, auf den Knien zu ihr gekrochen.

Sie nahm den Teller. Er legte sich wieder zu ihren Füßen nieder. «Du brauchst mich nur zu treten, wenn du noch etwas möchtest.»

Ich habe einen Irren geheiratet. Mondjuwel linste über den Rand des Bettes.

Sofort öffneten sich die Augen ihres Gatten. «Möchtest du noch etwas, Vollkommene?»

Sie war unfähig zu sprechen und schüttelte den Kopf, und obwohl sie keinen Hunger hatte, aß sie das geröstete Brot. Dann streckte sie sich auf dem Hochzeitsbett aus und starrte an die Decke. Ich muß fliehen. Sie wartete, bis sie sicher war, daß er schlief, doch sobald ihr Fuß den Boden berührte, war er hellwach wie ein Wachhund und beobachtete sie.

Ängstlich legte sie sich wieder hin. Sie würde eine andere Gelegenheit abwarten, doch der Schlaf überwältigte sie, und sie verbrachte die Nacht in Träumen von einem kraftvollen Pferd, das sie im Galopp in die Freiheit trug.

 

«Hier ist dein Frühstück, Tochter der Sonne», sagte ihr lächerlicher Gatte am Morgen und kam mit einem Silbertablett voller Speisen auf den Knien zu ihr gekrochen.

Sie aß, und er saß zu ihren Füßen und sah zum Fenster, ohne ihre morgendliche Schönheit zu beachten, als hätte sein ehrfurchtsvoller Schacher um sie nie stattgefunden. Sie fühlte sich wahrhaft elend, denn es war Wirklichkeit, es war kein Traum gewesen, sie hatte einen Schwachsinnigen geheiratet. So und nicht anders sieht er aus, wie er dasitzt. Er sieht aus wie ein entsetzlicher Idiot, und ich hasse ihn.

«Hier», sagte sie verächtlich. «Ich bin fertig.»

«Sofort.» Er nahm ihre Tasse und ihren Teller und trippelte in die Küche. Sie beobachtete, wie er zurückkam, doch bei der Tür machte er Halt und legte sich hin, und sie verhüllte ihre tränenerfüllten Augen. Sie blinzelte durch ihre Finger und sah ihn wie einen Hund dort liegen, die Augen auf sie gerichtet, strahlend, dumm. Sie wollte ihm mit dem Schwanz zuwedeln, wollte ihm einen Anlaß geben zu knurren.

«Ich mache einen Spaziergang», sagte sie und stieg herausfordernd über den zusammengekauerten Mann auf dem Boden. Vielleicht beißt er mich, versucht irgendwie, mich zu halten.

«Ich werde ein paar Schritte hinter dir gehen», sagte er. «Wenn du etwas möchtest, brauchst du mich einfach nur anzuspucken.»

Sie gingen durch die Straßen seines ihr fremden Dorfes. Sie kannte hier niemanden, abgesehen von dem Hund, der ihr wie ein Schatten an den Fersen hing. Er scharwenzelte hinter ihr her zum Brunnen. Frauen holten dort Wasser und bedachten sie mit fragenden Blicken, als sich ihr Gatte zu ihren Füßen im Sand zusammenrollte. Sie wissen, daß ein charakterloser Narr mich reingelegt hat. Sie sah hinab und hätte ihn am liebsten bespuckt, aber das wäre allzu sehr nach dem Geschmack der Frauen gewesen.

Sie verließ den Brunnen und ging weiter durch den Ort, wobei sie ihre Zehen in den heißen Sand grub, wenn die Männer dieses neuen Dorfes ihre bloßen Füße beäugten; und vielleicht beäugten sie noch einiges mehr, denn sie schwang ihre Hüften ein wenig zu enthusiastisch für eine verheiratete Frau, aber ihr sogenannter Gatte kroch am Boden daher. Ich werde ihm heute nachmittag noch eine letzte Chance geben.

Sie setzte sich im Bett auf und bürstete ihr langes Haar über ihrem Herzen. Ihre Fesseln waren glatt und bloß, und sie ließ ihre Zehen spielen, als er, getaucht in das goldene Licht des Nachmittags, das Zimmer betrat. Aber keine würzigen Küsse erwarteten ihre Zehen, sondern lediglich ein Erbsencurry, angerichtet auf einem Tablett, das er auf ihre Schenkel stellte.

 

Nacht. Unter purpurrotem Licht reichte er ihr Milch und geröstetes Brot und rollte sich wieder auf dem Fußboden zusammen. Die Milch und das geröstete Brot schläferten ihren Geist ein, doch ihre blassen Schenkel sehnten sich nach etwas unbeschreiblich Schönem, und das war nicht Milch und geröstetes Brot.

Sie warf sich in ihre Kissen und erinnerte sich der Passagen aus den heiligen Sutren über die Liebe. Getreu habe ich das Buch studiert, doch hier liege ich nun, schwitzend in einem leeren Bett. Sie erhob sich und gab ihrem Gatten mit dem bloßen Fuß einen Tritt.

Er rollte sich auf die andere Seite und sah vom Fußboden herauf wie ein geprügelter Köter.

«Hör auf zu schnarchen», sagte sie ärgerlich.

«Ich werde aufhören zu atmen», sagte er und wickelte sich einen Streifen Leinenstoff um die Nase.

Der Mond wanderte über ihr Kissen. Langsam wie ein Körper, der hinabsinkt, ließ ihre Leidenschaft nach, und sie durchwandelte ihre Träume als eine Königin mit vielen Dienern, die alle ihr verrückter Gatte waren.

 

Der Monat ihrer Hochzeit verging, und sie wurde immer angespannter. Ihr Gatte war still, unterwürfig, behandelte sie wie eine Königin, und sie fand ihn und die...
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Autor

William Kotzwinkle wurde 1943 in Scranton/Pennsylvania geboren. Er besuchte das Rider College und die Pennsylvania State University. Nach verschiedenen Jobs begann er 1958 mit dem Schreiben und erhielt seitdem mehrere literarische Auszeichnungen. Er ist mit der Schriftstellerin Elizabeth Gundy verheiratet und lebte abwechselnd in den USA und Kanada.