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Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am08.04.20202024
Zehn düstere Geschichten von zehn Autoren über zehn reale Orte in Nürnberg. Angelehnt an Ereignisse und Schicksale aus der bewegten Geschichte der alten Reichsstadt vom Mittelalter bis zur Gegenwart: Wie der städtische Henker vor der Lorenzkirche für eine junge Frau zur letzten Hoffnung wurde. Auf welche Weise der Teufel am Ölberg die Jugend um ihre Seelen brachte und ein Vampir am Westfriedhof sein Unwesen trieb. Oder unter welchen Umständen die Rothenburger Straße in der Zukunft ein Gruselmuseum sein wird.

Uwe Gardein ist Autor von Kriminalromanen sowie historischen Romanen und erhielt das Förderstipendium für Literatur der Stadt München. Dr. Lutz Kreutzer ist Autor von Thrillern und Kriminalromanen, coacht Autoren auf den großen Buchmessen und Kongressen und richtet den deutschsprachigen Self-Publishing-Day aus. Mehr unter www.lutzkreutzer.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
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Produkt

KlappentextZehn düstere Geschichten von zehn Autoren über zehn reale Orte in Nürnberg. Angelehnt an Ereignisse und Schicksale aus der bewegten Geschichte der alten Reichsstadt vom Mittelalter bis zur Gegenwart: Wie der städtische Henker vor der Lorenzkirche für eine junge Frau zur letzten Hoffnung wurde. Auf welche Weise der Teufel am Ölberg die Jugend um ihre Seelen brachte und ein Vampir am Westfriedhof sein Unwesen trieb. Oder unter welchen Umständen die Rothenburger Straße in der Zukunft ein Gruselmuseum sein wird.

Uwe Gardein ist Autor von Kriminalromanen sowie historischen Romanen und erhielt das Förderstipendium für Literatur der Stadt München. Dr. Lutz Kreutzer ist Autor von Thrillern und Kriminalromanen, coacht Autoren auf den großen Buchmessen und Kongressen und richtet den deutschsprachigen Self-Publishing-Day aus. Mehr unter www.lutzkreutzer.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839262603
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum08.04.2020
Auflage2024
SpracheDeutsch
Dateigrösse1998 Kbytes
Artikel-Nr.5025285
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Wolfsnebel
Manfred Böckl

Georgina, die von ihrem deutschen Vater den Sinn fürs Praktische und von ihrer schottischen Mutter ein Faible für die Geheimnisse und Abgründe vergangener Jahrhunderte geerbt hatte, studierte in Regensburg Betriebswirtschaft und nebenher auch ein wenig Mittelalter-Geschichte. Seit sechs Semestern fühlte sich Georgina durchaus wohl in den Hörsälen und Seminarräumen der Regensburger Universität, und sie genoss auch das nächtliche Studentenleben, wobei sie sich dank ihres attraktiven Aussehens über männliche Zuwendung beileibe nicht beklagen konnte. Es war also alles im Lot in Georginas Dasein - doch ungeachtet dessen hatte sich die junge Frau beim Aufwachen an diesem Oktobermorgen unlustig und sogar ein wenig bedrückt gefühlt.

Womöglich habe ich mich in letzter Zeit zu sehr ins Lernen vergraben, dachte sie beim Frühstück; kurz darauf, nachdem sie den letzten Bissen ihres Honigbrötchens hinuntergeschluckt hatte, fasste sie einen spontanen Entschluss. »Ich gönne mir heute einen freien Jeans- und Turnschuh-Tag«, murmelte sie. »Und leiste mir einen romantischen Ausflug in die Vergangenheit. Nürnberg ... ja, das ist´s. Die Kaiserburg dort wollte ich schließlich schon lange einmal besichtigen.«

Eine halbe Stunde später steuerte Georgina ihren kleinen Peugeot auf die Autobahn, und ihre blauen Augen, die in reizvollem Kontrast zu ihrem kastanienbraunen, schulterlangen Haar standen, blitzten nun vorfreudig und unternehmungslustig.

In der Vormittagsmitte dann erreichte die Studentin das Nürnberger Umland. Unter milder, frühherbstlicher Sonne erstreckten sich dort weite Forstgebiete; das Navi zeigte deren Namen an: Lorenzer Reichswald - und im selben Moment, da Georgina diese Wörter las, schienen sich die Forste zu ihrer Linken zu verdüstern; schien sich etwas Dunkles, Beklemmendes auf die Baumwipfel herabzusenken. Gleich darauf war es der jungen Frau, als würden finstere Nebelschwaden über den Bäumen fluten - und dann vermeinte Georgina einen heulenden, von weither heranhallenden Ruf zu vernehmen: »Wenn die Herbstnebel über den Wäldern und Feldern hängen, greifen die Wölfe an!«

Erschrocken bremste die junge Frau ihren Wagen ab. Ein BMW-Fahrer, der sich mit wenig Abstand hinter ihr befand, blinkte die Studentin aggressiv an und überholte danach rasant. »Idiot!«, stieß Georgina hervor - und als sie ihre Aufmerksamkeit ein paar Sekunden später wieder auf die Forste richtete, sah sie, dass alles Bedrohliche verschwunden war und die Baumwipfel wie zuvor ins weiche Licht der Oktobersonne gebadet waren.

Es war nur Einbildung, dachte sie. Eine Sinnestäuschung. Ich habe an der Uni wohl wirklich zu viel Stress gehabt in letzter Zeit. Damit verdrängte sie, was sie eben noch erlebt zu haben glaubte; bald darauf hatte sie Nürnberg erreicht und lenkte ihren Peugeot durch den Großstadtverkehr, um den kleinen Wagen zuletzt zu Füßen der Kaiserburg zu parken.

Langsam ging Georgina zum Festungskomplex hinauf. Sie ließ ihre Blicke über die himmelstürmenden Türme, hohen Wehrmauern und steilen Ziegeldächer der Burganlage wandern und blieb schließlich vor einem mächtigen Turm, dem sogenannten Fünfeckturm, mit seinem dicken Mauerwerk aus schweren grauen Buckelquadern stehen.

Dieser Wohnturm, das wusste die junge Frau, war in der Mitte des zwölften Jahrhunderts erbaut worden. Damals und auch während der darauffolgenden Jahrhunderte hatten der Turm und die in seiner Nähe befindlichen Festungsgebäude als Sitz der Nürnberger Burggrafen gedient: jener Hochadligen, welche die deutschen Kaiser in der Stadt an der Pegnitz und ihrem Umland vertreten hatten. Zudem hatten die Burggrafen für die Instandhaltung der an ihre Festung angrenzenden Kaiserburg Sorge getragen und hatten angesichts all ihrer wichtigen Aufgaben im Hochmittelalter zu den mächtigsten Dynasten Frankens gehört.

Georgina erinnerte sich, während sie vor dem Fünfeckturm stand, auch an den Namen des berühmtesten Adligen unter den Burggrafen. Als Friedrich III. von Zollern hatten ihn seine Zeitgenossen gekannt; ein Ahnherr des später so berühmten preußischen Herrschergeschlechts der Hohenzollern war er gewesen, und als Nürnberger Burggraf hatte er im letzten Jahrzehnt des zwölften Jahrhunderts regiert.

Mehr als achthundert Jahre sind seitdem verstrichen, ging es Georgina durch den Kopf - und kaum hatte sie dies gedacht, spürte sie, dass die lange Autofahrt und der anschließende Aufstieg zum Festungskomplex sie ermüdet hatten. Daher schaute sie sich nach einem Platz um, wo sie ein wenig ausruhen konnte; in der Nähe des Turmes erblickte sie einen Steinsockel, der im Sonnenlicht dalag, und dort setzte sie sich nieder. Dankbar spürte sie, wie ihre Muskeln sich entspannten; um sich noch besser erholen zu können, schloss sie die Augen - und dann ergriff plötzlich etwas Fremdes von ihr Besitz.

Eine unwiderstehliche Macht drang in ihren Geist ein, drang tief in ihr Wesen ein und trug ihr Innerstes hinweg. Trug und zerrte es hinweg zu einer Waldlichtung außerhalb der Stadt: in ein mittelalterliches Walddorf mit strohgedeckten Holzhäusern, einer Reihe kleiner Schmiedegebäude, verschiedenen Pferchen für Schafe, Ziegen und Schweine, mit primitiven Bretterscheunen sowie einer einfachen Kapelle und einem mit einem Schindeldach versehenen Ziehbrunnen.

*

Aus seinem Versteck zwischen dornigen Sträuchern am Forstrand spähte Jörg, der außer einem schon arg zerschlissenen Leinenkittel nichts am Leib trug, angstvoll und mit verweinten Augen zu seinem Vaterhaus hinüber. Obwohl dichte Schwaden von Herbstnebel über der Waldsiedlung waberten, konnte der siebenjährige Bub das Haus seines Vaters, des verwitweten Sensenschmiedes Ulric, recht gut erkennen; in einer Lücke zwischen der Dorfkapelle und dem Brunnen ragte das Strohdach, unter dem Jörg geboren worden war, steil über graubraunen Wandbohlen aus Eichenholz empor. Und unter diesem Dach, hinter einem Speicherbalken des Hauses, hatte sich der Siebenjährige an diesem Nachmittag verkrochen; hatte sich dort mit der Holzpuppe verborgen, die ihm einige Zeit zuvor ein Mädchen aus dem Dorf auf sein inständiges Bitten hin überlassen hatte.

Zärtlich hatte Jörg die Puppe liebkost, hatte sie gleich einem Säugling auf seinen Armen gewiegt; hatte sie geküsst und ihr über den Kopf gestreichelt und hatte dabei leise mit dem kleinen Wesen, das er ganz innig schützen und behüten wollte, geflüstert. Glücklich war er dabei gewesen, so glücklich wie selten in seinem ärmlichen Leben als einziges Kind des frauenlosen Sensenschmiedes Ulric - doch dann auf einmal war er erschrocken zusammengezuckt.

Die Bretter der Speicherstiege hatten hart geknarzt; im nächsten Moment war Jörgs Vater auf dem Dachboden erschienen, hatte seinen Sohn im Balkenschatten erspäht; hatte auch die Holzpuppe erblickt und hatte den Siebenjährigen grob angefahren: »Himmelherrgottsakrament! Schämst dich denn gar nicht?! Musst denn schon wieder den Mädlesbuben spielen?! Einen Balg, der dem göttlichen Willen zuwiderhandelt, weil er ein Mädel sein will!« Dann ein rascher Griff Ulrics nach der Puppe. »Her mit der Docke! Die gehört dir nicht! Die hat bei uns nichts zu suchen! Die fliegt nachher ins Feuer! Und für dich setzt´s Schläge, wenn ich dich noch einmal beim Mädlesspiel erwisch - oder du es auf dem Dorfanger nochmals mit den Mädeln und nicht mit den Buben hast!«

Mit den letzten Worten hatte Ulric die Holzpuppe zerbrochen; hatte ihren zarten Körper mit beiden Fäusten gepackt und ihn brutal zerknickt - und daraufhin war Jörg verstört geflohen. In Panik hatte er sich an seinem Vater vorbeigedrückt, war die Speichertreppe hinabgehastet; hatte das Haus verlassen, war mit tränennassen Augen über den Dorfanger in Richtung des Forstes gerannt und kauerte nun schon seit geraumer Zeit zwischen den Dornensträuchern am Waldrand.

Angstvoll spähte er von dort aus zur Ansiedlung hinüber; wann immer sich drüben ein Mensch in seine Richtung bewegte, fuhr er zitternd zusammen - und mehr als einmal dachte er in seiner Furcht: Der Vater wird mich noch totschlagen, wenn ich ein Mädlesbub bleib. Ein richtiger Bub muss ich werden, damit er mich nicht umbringt. Aber wie, aber wie?!

*

Jäh schreckte Georgina auf. Eben noch war sie in dem primitiven Dorf irgendwo in den Wäldern gewesen; hatte gesehen, hatte scheinbar miterlebt, was dem kleinen Jörg zugestoßen war - und jetzt fand sie sich, reichlich verwirrt und im ersten Augenblick fast orientierungslos, in der Gegenwart wieder. Einige gehetzte Atemzüge lang bemühte sie sich beinahe konfus, das soeben Erlebte irgendwie einzuordnen, es irgendwie zu begreifen; es schien ihr jedoch nicht wirklich zu gelingen - dann aber, ganz plötzlich, klärte sich ihr Denken.

Es war nichts Reales, überlegte sie. Nichts Wirkliches. Lediglich ein Wachtraum, vielleicht auch eine harmlose Halluzination. Ziemlich überarbeitet und daher womöglich ein bisschen überdreht war ich ja schon seit Tagen. Deshalb habe ich mir ja auch den heutigen Ausflug gegönnt. Außerdem habe ich vergangene Nacht stundenlang in diesem spannenden Mittelalterroman gelesen, habe das Buch erst gegen Mitternacht weglegen können. Und angesichts dessen sowie der historischen Umgebung hier ist es kein Wunder, dass ich Bilder aus einer längst vergangenen Epoche gesehen habe ...

Erleichtert atmete die junge Frau tief durch. Gleich darauf fühlte sie sich wieder unternehmungslustig. Sie stand von dem Steinsockel auf, dehnte ihren schlanken Körper; lächelte, weil ein vorübergehender Mann sie bewundernd musterte, und ging...

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Uwe Gardein ist Autor von Kriminalromanen sowie historischen Romanen und erhielt das Förderstipendium für Literatur der Stadt München.
Dr. Lutz Kreutzer ist Autor von Thrillern und Kriminalromanen, coacht Autoren auf den großen Buchmessen und Kongressen und richtet den deutschsprachigen Self-Publishing-Day aus. Mehr unter www.lutzkreutzer.de