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E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Eridanus Verlagerschienen am12.03.20201. Auflage
Lässt sich Menschlichkeit programmieren? Sie werden uns immer ähnlicher! Von einigen herbeigewünscht, von anderen gefürchtet, schreitet die Entwicklung im Bereich von Künstlicher Intelligenz unaufhaltsam voran. Doch wohin führt uns dieser Fortschritt? Vielleicht sind Androiden bald nicht wegzudenken, sind für uns Helfer, Lebensgefährten, Geliebte. Oder sie werden zur echten Gefahr, sobald sie zu dem Schluss kommen, dass nicht wir, sondern sie selbst die besseren 'Menschen' sind. Lässt sich Menschlichkeit programmieren? Kann aus künstlichem Dasein durch entsprechende Metamorphose eine eigene Lebensform entstehen? Können Androiden genau wie wir mehr als die Summe ihrer Teile sein? Oder ist am Ende gar die Symbiose von Mensch und Maschine die nächste logische Stufe der Evolution? Alles scheint möglich! 25 Autorinnen und Autoren erzählen in 'Fast menschlich' Geschichten, in denen die Grenze zwischen KI und Menschen auf unterhaltsame, aber oft auch erschreckend realistische Weise überschritten wird. Mit 25 Illustrationen.mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR14,90
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextLässt sich Menschlichkeit programmieren? Sie werden uns immer ähnlicher! Von einigen herbeigewünscht, von anderen gefürchtet, schreitet die Entwicklung im Bereich von Künstlicher Intelligenz unaufhaltsam voran. Doch wohin führt uns dieser Fortschritt? Vielleicht sind Androiden bald nicht wegzudenken, sind für uns Helfer, Lebensgefährten, Geliebte. Oder sie werden zur echten Gefahr, sobald sie zu dem Schluss kommen, dass nicht wir, sondern sie selbst die besseren 'Menschen' sind. Lässt sich Menschlichkeit programmieren? Kann aus künstlichem Dasein durch entsprechende Metamorphose eine eigene Lebensform entstehen? Können Androiden genau wie wir mehr als die Summe ihrer Teile sein? Oder ist am Ende gar die Symbiose von Mensch und Maschine die nächste logische Stufe der Evolution? Alles scheint möglich! 25 Autorinnen und Autoren erzählen in 'Fast menschlich' Geschichten, in denen die Grenze zwischen KI und Menschen auf unterhaltsame, aber oft auch erschreckend realistische Weise überschritten wird. Mit 25 Illustrationen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783946348245
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum12.03.2020
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5110506
Rubriken
Genre9200
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Inhalt/Kritik

Leseprobe


Abendlicht (Luc François)

 

~ ~ ~

 

Ich möchte jetzt etwas sitzen, Matthew.«

»Brauchen Sie die Decke?«

»Im Moment nicht, danke.«

Mit einem sicheren Handgriff half er mir aus dem Bett, begleitete mich zum Sessel, wo er mir wie üblich ein Glas einschenkte und sich anschließend in den Raumwinkel zurückzog. Ich hatte nie zu denen gehört, die ein lichtdurchflutetes, grellweißes Interieur zu ihren Vorlieben zählten, weshalb Matthew sein Äußeres nun an die satten Rot- und Braun-Töne des Wandteppichs anpasste. Ich trank einen Schluck, einen kleinen nur, um die Lippen zu benetzen.

»Vielleicht heute«, mutmaßte ich.

»Nicht doch«, korrigierte mich Matthew, der es besser wusste. Nicht heute also.

»Sie sind ein Spielverderber!«, raunte ich, das Glas dem Willen nach wohl fest, dem körperlichen Vermögen nach dagegen nur locker umschlossen. »Ein Elender, lassen Sie sich das gesagt sein!«

»Sehr wohl.« Eine Sekunde lang grübelte ich darüber nach, ob ich ihm das Glas nicht an den Kopf werfen sollte, da meldete er sich wieder zu Wort: »Sie wollen wirklich gehen, nicht?«

Das Glas wurde nach links, dann nach rechts geschwenkt. »So soll es wohl sein.«

So vorlaut er dann und wann auch sein mochte, diesmal wusste Matthew keine Antwort vorzubringen. Er stand mir im Rücken, seiner Programmierung nach treu ergeben, zugleich treu verschlagen, wie er durch den jahrelangen Umgang mit meiner Person eben gewachsen war.

»Matthew, die Dachterrasse haben Sie ⦫

»Die Marquise ist eingefahren, die Fische versorgt. Es soll bei dem einen Malheur geblieben sein!«

Mir stand der Sinn an diesem Tage mehr nach Wein, aber das konnte der gute Matthew nicht wissen. Ein Gedankenleser aus Drähten und Muttern, so einer wäre zu schön, also trank ich den allabendlichen Birnenschnaps. Weil ihn mir der Arzt nicht verordnet hatte, hatte ich es selbst tun müssen. Vornehm hatte Matthew seine Bedenken geäußert, vornehm hatte ich ihm den Mund verboten. Da war ohnehin nichts mehr zu retten.

Ich spürte den Magen, die Erschöpfung und damit einmal mehr das Ende. Das war weder neu noch überraschend. Erschreckend dagegen die streitlustige Stimmung, die ich einmal mehr in mir heranschwellen sah. »Matthew, Sie wissen, dass Sie im Altmetall landen?«

Es dauerte nicht einen Moment, bis mir die altvertraute Stimme - Stimm-Modul 187C-Männlich - antwortete: »Anders wird es nicht sein.«

»Anders wird es nicht sein? Ihre Ruhe möchte ich haben.«

Altvertraut, das war diese Stimme durchaus. Seit meinem Einstieg in den Lebensabend beschäftigte ich nun schon den Androiden mit eben dieser Stimme, diesem Äußeren und dieser verqueren Art und Weise. Es mochte am Herrn Vater liegen, dessen Verfall mir in tiefer Erinnerung geblieben war, dass ich mich für einen stillen Abgang entschieden hatte: Weiß Gott wie lange hatten wir uns um ihn gesorgt und später um ihn getrauert, um diesen Edelmann, diesen Mann von Welt, und diesen am Ende so eingefallenen Mann, dass es mich grauste, seinen Spuren zu folgen.

Meinen Abgang sollten nur Matthews Sensoren wahrnehmen, die mich weder als Edelmann noch als Mann von Welt erkannten.

»Matthew, wie sehen Sie mich?«

»Gut.«

»Sie Dummkopf! Welche Person, welchen Mann sehen Sie in mir?«

»Einen guten, gerechten Herrn.«

Ich sank zusammen, da er augenscheinlich nicht mehr zu sagen hatte. Ein guter Herr! Pah! Was sollte das schon aussagen?

»Die Decke, Matthew, bringen Sie mir die Decke!«

Ich spürte nicht eine einzige Berührung seinerseits, derart vorsichtig breitete Matthew die wärmende Wolldecke auf meinem Schoß aus. Dass ich das eine oder andere Tröpfchen darauf vergoss, als ich das Glas einmal mehr ansetzte, nahm ich missmutig zur Kenntnis.

»Sobald ich ausgetrunken habe, Matthew, möchte ich schlafen.« Ich schwenkte den Rest in meiner Hand herum, womöglich schwappten wieder ein paar Tropfen über den Rand. »Ich möchte schlafen und es dabei belassen.«

 

Ob er die Anweisung falsch verstanden hatte oder sich wissentlich verweigerte, konnte ich nicht bestimmen. Dabei hatte ich vollkommen klar gesprochen: »Matthew, die Warterei wird mir lästig. Heute noch soll es mit mir vorübergehen.«

Von meinem Platz im Schatten der Marquise aus sah ich den Fischen zu. Einfache, schnelllebige Tiere, die mich am Ende doch überdauern würden. Ein törichter Anflug von Neid legte sich auf mein Gemüt - töricht, da ihm jedwedes Fundament fehlte: Die Fische würden mich überdauern, in der Summe dagegen niemals all die Dinge sehen, die ich Zeit meines Lebens gesehen hatte. Auch Matthew würde mich überdauern, würde womöglich sogar noch weitaus mehr sehen, aber es niemals wertschätzen können. Nein, es gab wahrlich keinen Grund, einen erhabenen Abgang mit einer so niederen Empfindung wie Neid zu trüben.

»Ich habe heute viel nachgedacht, Matthew, und eine Entscheidung getroffen.«

»So?», spielte das Stimm-Modul 187C-Männlich Verwunderung nach.

»Die Fische, jemand wird für sie sorgen müssen. Ich möchte, dass Sie dieser Aufgabe weiterhin nachgehen, sobald es um mich geschehen ist.«

»Wie Sie wünschen.«

Man sollte annehmen, es bereite ihm Freude, dass er weiterhin im Diesseits verweilen durfte, aber wie schon die ausbleibende Entrüstung über meine saloppe Bemerkung mit dem Altmetall am Vortag, war Matthews einzige Reaktion ein stilles Abnicken. Absolute Akzeptanz in jeder Lage. Fast jeder Lage, berichtigte ich mich, denn mein Wunsch nach einem friedlichen Lebewohl noch an diesem Tage stand weiterhin offen im Raum.

»Das Haus, die Fische, meinetwegen sogar der Weinkeller, Sie können ganz nach Belieben darüber verfügen.«

Stille.

»Nun tun Sie doch den Mund auf, Matthew, so leer werden Sie bestimmt nicht sein!«

Stille, Schweigen. Er ließ sich zu keiner Antwort hinreißen, dieser Nichtsnutz. Als hätte er mich überhaupt nicht gehört. Aber das hatte er sehr wohl, kein Zweifel, und er hatte auch reagiert - gehorcht -, weshalb er mit weit geöffnetem Mund hinter mir stand. Ich musste nicht einmal hinsehen, um es zu wissen.

»Eine Antwort möchte ich von Ihnen haben, verdammt!«

»Nun«, begann der Androide mit der ihm eigenen Ruhe, »mich beschäftigt der letzte Punkt.«

»Der Weinkeller? Was ist damit?«

»Sehen Sie es als Konflikt an: Selbst habe ich keine Möglichkeit, ihn angemessen zu verwerten. Sie sagten einst, es sei Verschwendung, an schlechten Tagen davon Gebrauch zu machen, ein jeder Tropfen solle so gewürdigt werden, wie es ihm gebührt. Das kann ich nicht. Ebenso sagten sie einst, diese Sammlung sei Ihr Schatz, Ihr kleines Geheimnis und Ihr ganzer Stolz, den Sie um keinen Preis hergeben würden. Demnach käme ein Verkauf nicht infrage, eine Schenkung oder Versteigerung ebenso wenig. Zuletzt möchte ich ergänzen, ohne dass Sie eine derartige Äußerung je getätigt haben, dass es ebenfalls verkehrt sei, die Sammlung als solche zu belassen und nie einem Zweck zuzuführen.« Die Schaltkreise ratterten und knatterten angesichts der verfahrenen Deduktionen, auf die der Künstliche hinsteuerte - meine eigenen und nicht die seinen, wohlgemerkt. »Folglich stehen nur die beiden Optionen offen, den Konflikt in Ihren Äußerungen aufzulösen, oder mich von der Verwaltung des Weinkellers zu entbinden. Oder aber, so möchte ich einen dritten Vorschlag unterbreiten, Sie verbrauchen die Sammlung an dieser Stelle und in angemessener Art und Weise.«

»Sie schlagen mir also vor, im Alleingang sämtliche Flaschen zu leeren?« Die Fische verflüchtigten sich in die abgelegenen Ecken des Teichs, als sie mich auflachen hörten. Dass diese betagte Stimme noch eine solche Lautstärke hergab, damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet. »Ein Spaßvogel sind Sie, Matthew, einer von allererster Güte!«

Darauf hatte er einmal mehr nichts zu erwidern.

»Nun gut, holen Sie eine Flasche. Was den Rest betrifft, denke ich mir etwas aus.«

Als mir Matthew das Glas einschenkte, hatte ich meinen Entschluss gefasst. Diesmal hatte ich sogar darauf aufgepasst, den armen Tölpel nicht zu überfordern, wo er doch jedes Wort so genau nahm.

»Ich möchte«, richtete ich mich an den Androiden mit den glatten Gesichtszügen, »dass Sie nach einem passenden Abnehmer suchen. Ein Kenner soll es sein. Katalogisieren Sie die Sammlung und halten Sie Ausschau nach solchen mit möglichst vielen Überschneidungen. Bevor Sie auch nur eine Flasche hergeben, laden Sie diesen Menschen ein und unterhalten Sie sich mit ihm. Fragen Sie ihn nach dem Stellenwert einer gut gepflegten Weinsammlung in seinem Haushalt und sagen Sie nur dann zu, wenn die Antwort zufriedenstellend ausfällt.«

Einen Moment lang sah ich dem Androiden geradewegs in die Augen, um deren Rand sich nicht die kleinsten Fältchen bildeten. Ewig jung oder Altmetall, dazwischen gab es für einen wie Matthew wohl nichts. Ob es wirklich funktionieren konnte, so einen sich selbst zu überlassen?

»Ich habe verstanden«, versicherte mir der treue Künstliche.

»Das ist noch nicht alles«, setzte ich nach, kaum hatte er meine Anweisung entgegengenommen. »Wenn es Ihnen beliebt, können Sie ihn fragen, ob seinerseits ein Interesse an Fischen besteht. Sollte er dies bejahen, so können Sie ihm ruhig alles überlassen, Ihre Person inklusive.«

Sein makelloses Gesicht war dem meinen nahe genug, damit ich jeden seiner Züge genau studieren...

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