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Das lügenhafte Leben der Erwachsenen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
415 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am29.08.20201. Auflage
Giovannas hübsches Gesicht verändert sich. Es wird hässlich. Zumindest meint das Giovannas Vater. Er sagt, sie werde ihrer Tante immer ähnlicher, seiner verhassten Schwester Vittoria, die er immer von Giovanna fernhalten wollte. Giovanna ist am Boden zerstört - aber fühlt sich von dieser Tante plötzlich magisch angezogen. Und sie macht sich auf eine Suche, die ihrer aller Leben erschüttern wird.

Elena Ferrante hat ein Bravourstück geschaffen und einen traurigen und schönen Roman geschrieben: über die Heucheleien der Eltern, die Atemlosigkeiten und Verwirrungen der Jugendzeit und über das Drama des Erwachsenwerdens. Darüber, wie es ist, ein Mädchen zu sein und eine Frau zu werden.



Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga - bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes - ist ein weltweiter Bestseller. Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tage des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln, sowie der Band Frantumaglia, der Briefe, Aufsätze und Interviews versammelt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextGiovannas hübsches Gesicht verändert sich. Es wird hässlich. Zumindest meint das Giovannas Vater. Er sagt, sie werde ihrer Tante immer ähnlicher, seiner verhassten Schwester Vittoria, die er immer von Giovanna fernhalten wollte. Giovanna ist am Boden zerstört - aber fühlt sich von dieser Tante plötzlich magisch angezogen. Und sie macht sich auf eine Suche, die ihrer aller Leben erschüttern wird.

Elena Ferrante hat ein Bravourstück geschaffen und einen traurigen und schönen Roman geschrieben: über die Heucheleien der Eltern, die Atemlosigkeiten und Verwirrungen der Jugendzeit und über das Drama des Erwachsenwerdens. Darüber, wie es ist, ein Mädchen zu sein und eine Frau zu werden.



Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga - bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes - ist ein weltweiter Bestseller. Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tage des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln, sowie der Band Frantumaglia, der Briefe, Aufsätze und Interviews versammelt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518752661
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum29.08.2020
Auflage1. Auflage
Seiten415 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2394 Kbytes
Artikel-Nr.5139473
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Ich lernte immer mehr, meine Eltern zu belügen. Anfangs waren es keine richtigen Lügen, aber da ich nicht die Kraft hatte, mich ihrer stets gut organisierten Welt zu widersetzen, tat ich so, als akzeptierte ich sie, und zweigte dabei auf einen Weg ab, den ich eilig verlassen konnte, sobald sich ihre Mienen verfinsterten. So hielt ich es vor allem mit meinem Vater, auch wenn jedes seiner Worte für mich eine Autorität hatte, die mich faszinierte, und es aufreibend und quälend war, ihn zu betrügen.

Er hatte mir mehr noch als meine Mutter eingebläut, man dürfe niemals lügen. Aber nach dem Besuch bei Vittoria schien mir das unumgänglich. Schon als ich aus der Haustür trat, beschloss ich, mich erleichtert zu geben, und rannte zum Auto, als wäre ich einer Gefahr entronnen. Kaum hatte ich die Autotür zugeschlagen, startete mein Vater den Motor, wobei er finstere Blicke auf das Haus seiner Kindheit warf, und fuhr mit einem Satz nach vorn an, so dass er instinktiv den Arm ausstreckte, um zu verhindern, dass ich mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe prallte. Eine Weile wartete ich darauf, dass er etwas Beruhigendes sagte, und zum Teil wünschte ich mir nichts anderes, es tat mir leid, ihn so aufgewühlt zu sehen. Trotzdem zwang ich mich zu schweigen, ich fürchtete, ein falsches Wort könnte genügen, um ihn wütend zu machen. Nach ein paar Minuten fragte er mich, halb die Straße und halb mich im Auge behaltend, wie es denn gewesen sei. Ich sagte ihm, meine Tante habe sich nach der Schule erkundigt, habe mir ein Glas Wasser angeboten, habe mich gefragt, ob ich Freundinnen hätte, und sich von Angela und Ida erzählen lassen.

»Das war's?«

»Ja.«

»Hat sie sich nach mir erkundigt?«

»Nein.«

»Überhaupt nicht?«

»Nein.«

»Und nach deiner Mutter?«

»Auch nicht.«

»Ihr habt eine Stunde lang nur über deine Freundinnen geredet?«

»Und über die Schule.«

»Und was war das für Musik?«

»Welche Musik?«

»Extrem laute Musik.«

»Ich habe keine Musik gehört.«

»War sie nett?«

»Ein bisschen unfreundlich.«

»Hat sie was Gemeines zu dir gesagt?«

»Nein, aber sie benimmt sich grässlich.«

»Das habe ich dir ja gleich gesagt.«

»Ja.«

»Ist dir deine Neugier jetzt vergangen? Hast du dich davon überzeugt, dass sie dir kein bisschen ähnlich sieht?«

»Ja.«

»Komm, gib mir einen Kuss, du bist wunderhübsch. Verzeihst du mir den Unsinn, den ich gesagt habe?«

Ich sagte, dass ich ihm nie böse gewesen sei, und ließ zu, dass er mich auf die Wange küsste, obwohl er Auto fuhr. Doch kurz darauf stieß ich ihn lachend zurück, ich protestierte: Dein Bart kratzt. Obwohl ich keine Lust auf unsere Spielchen hatte, hoffte ich, dass wir wieder herumalbern könnten und er Vittoria vergaß. Aber er gab zurück: Stell dir vor, wie erst deine Tante kratzt, mit ihrem Bart, und sofort fiel mir nicht etwa der leichte, dunkle Flaum auf Vittorias Oberlippe ein, sondern mein eigener. Leise sagte ich:

»Sie hat keinen Bart.«

»Und ob sie einen hat.«

»Gar nicht.«

»Ist gut, sie hat keinen. Fehlt bloß noch, dass du auf die fixe Idee kommst, umzukehren, um nachzusehen, ob sie einen Bart hat.«

Ich sagte ernst:

»Ich will sie nicht wiedersehen.«



2


Auch das war keine richtige Lüge, ich hatte Angst davor, Vittoria noch einmal zu begegnen. Aber als ich diesen Satz sagte, wusste ich bereits, an welchem Tag, zu welcher Uhrzeit und an welchem Ort ich sie wiedersehen würde. Mehr noch, ich hatte mich eigentlich gar nicht von ihr getrennt, hatte noch jedes ihrer Worte, jede Geste, jeden Gesichtsausdruck im Kopf, und sie kamen mir nicht wie kurz zuvor Geschehenes vor, sondern das alles schien immer noch weiter stattzufinden. Mein Vater redete unaufhörlich, um mir zu zeigen, wie lieb er mich hatte, und ich sah und hörte währenddessen seine Schwester, höre und sehe sie auch jetzt noch. Ich sehe, wie sie in Hellblau gekleidet vor mir auftaucht, sehe, wie sie mir in ihrem schroffen Dialekt sagt: mach die Tür zu, und mir schon den Rücken zudreht, als könnte ich gar nicht anders, als ihr zu folgen. In Vittorias Stimme, doch vielleicht auch in ihrem ganzen Körper lag eine ungefilterte Unduldsamkeit, die mich blitzschnell anfuhr, wie wenn ich mit einem Streichholz das Gas anzündete und an der Hand die Flamme spürte, die aus den Brennerlöchern schoss. Ich schloss die Tür hinter mir, folgte ihr, als hielte sie mich an der Leine.

Wir gingen ein paar Schritte durch einen nach Zigarettenrauch stinkenden Raum ohne Fenster, das einzige Licht kam durch eine weit offene Tür. Ihre Gestalt verlor sich hinter dieser Tür, ich ging ihr nach, kam in eine kleine Küche, deren extreme Ordnung zusammen mit dem Geruch nach erloschenen Kippen und Schmutz mich sofort beeindruckten.

»Willst du einen Orangensaft?«

»Ich will keine Umstände machen.«

»Willst du nun einen oder nicht?«

»Ja, danke.«

Sie teilte mir einen Stuhl zu, überlegte es sich anders, sagte, er sei kaputt, stellte mir einen anderen hin. Dann holte sie zu meiner Überraschung nicht eine Dose oder eine Flasche Orangensaft aus dem Kühlschrank - einem gelblich weißen Kühlschrank -, sondern nahm ein paar Orangen aus einem Korb, schnitt sie auf und begann sie über einem Glas auszupressen, mit der Hand, wobei sie eine Gabel zu Hilfe nahm. Dabei sagte sie, ohne mich anzusehen:

»Du trägst ja das Armband gar nicht.«

Ich geriet in Aufregung:

»Was für ein Armband?«

»Das ich dir zu deiner Geburt geschenkt habe.«

Soweit ich mich erinnerte, hatte ich noch nie ein Armband besessen. Aber ich ahnte, dass es für sie wichtig war, und es nicht zu tragen, konnte eine Kränkung sein. Ich sagte:

»Vielleicht hat meine Mutter es mir umgebunden, als ich klein war, bis ich ein oder zwei Jahre alt war, dann bin ich gewachsen, und es hat mir nicht mehr gepasst.«

Sie drehte sich um und sah mich an, ich zeigte ihr mein Handgelenk, um ihr zu beweisen, dass es zu dick für ein Babyarmband war, und sie brach unerwartet in Gelächter aus. Sie hatte einen großen Mund mit großen Zähnen, beim Lachen entblößte sie ihr Zahnfleisch. Sie sagte:

»Dumm bist du nicht.«

»Ich habe die Wahrheit gesagt.«

»Mache ich dir Angst?«

»Ein bisschen.«

»Gut so. Angst sollte man auch dann haben, wenn es gar nicht nötig ist, sie hält dich wach.«

Sie stellte mir das saftbespritzte Glas hin. Auf der orangefarbenen Oberfläche schwammen Fruchtstücke und weiße Kerne. Ich betrachtete ihr sorgfältig gekämmtes Haar, solche Frisuren hatte ich in alten Filmen und auf den Fotos von meiner Mutter als jungem Mädchen gesehen, eine ihrer Freundinnen trug die Haare so. Vittoria hatte sehr dichte Augenbrauen, Lakritzstäbchen, pechschwarze Stücke unter der großen Stirn und über den tiefen Höhlen, in denen sie ihre Augen versteckte. Trink, sagte sie. Sofort griff ich zum Glas, um sie nicht zu verärgern, aber ich ekelte mich, ich hatte gesehen, wie der Saft an ihrer Hand heruntergeflossen war, und außerdem hätte ich bei meiner Mutter darauf bestanden, dass sie mir das Fruchtfleisch und die Kerne heraussiebte. Trink, wiederholte sie, das ist gesund. Ich nahm einen Schluck, während sie sich auf den Stuhl setzte, den sie wenige Minuten zuvor für zu wacklig befunden hatte. Sie lobte mich, behielt aber ihren abweisenden Ton bei: Ja, dumm bist du nicht, du hast sofort eine Ausrede gefunden, um deine Eltern in Schutz zu nehmen, bravo. Sie erklärte mir, dass ich auf dem Holzweg sei, sie habe mir kein Kinderarmband geschenkt, sondern eins für Erwachsene, ein Armband, das ihr viel bedeute. Weil,...


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Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga - bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes - ist ein weltweiter Bestseller. Zuletzt erschienen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tage des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln, sowie der Band Frantumaglia, der Briefe, Aufsätze und Interviews versammelt.