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Mein Name ist Selma

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.03.2021
Sie war siebzehn, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Bis dahin hatte es keine große Rolle für sie gespielt, dass sie Jüdin war, doch plötzlich entschied diese Frage über Leben oder Tod. 1942 schloss sie sich dem niederländischen Widerstand an, lebte unter falschem Namen. Mehrmals konnte sie den Nazis entkommen, doch im Juli 1944 wurde sie verraten und nach Ravensbrück transportiert. Sie hat die Grauen des Konzentrationslagers überlebt, ihre Familie nicht. In dieser Zeit wusste niemand, dass sie Jüdin war, keiner kannte ihren Namen. Erst danach wagte sie wieder zu sagen: Mein Name ist Selma.

Selma van de Perre wurde 1922 geboren und war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der niederländischen Widerstandsbewegung. Kurz nach dem Krieg ging sie nach London, wo sie für die BBC arbeitete und ihren zukünftigen Mann kennenlernte, den belgischen Journalisten Hugo van de Perre. Einige Jahre lang arbeitete sie auch als Auslandskorrespondentin für einen niederländischen Fernsehsender. Selma van de Perre lebt in London und hat einen Sohn.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextSie war siebzehn, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. Bis dahin hatte es keine große Rolle für sie gespielt, dass sie Jüdin war, doch plötzlich entschied diese Frage über Leben oder Tod. 1942 schloss sie sich dem niederländischen Widerstand an, lebte unter falschem Namen. Mehrmals konnte sie den Nazis entkommen, doch im Juli 1944 wurde sie verraten und nach Ravensbrück transportiert. Sie hat die Grauen des Konzentrationslagers überlebt, ihre Familie nicht. In dieser Zeit wusste niemand, dass sie Jüdin war, keiner kannte ihren Namen. Erst danach wagte sie wieder zu sagen: Mein Name ist Selma.

Selma van de Perre wurde 1922 geboren und war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der niederländischen Widerstandsbewegung. Kurz nach dem Krieg ging sie nach London, wo sie für die BBC arbeitete und ihren zukünftigen Mann kennenlernte, den belgischen Journalisten Hugo van de Perre. Einige Jahre lang arbeitete sie auch als Auslandskorrespondentin für einen niederländischen Fernsehsender. Selma van de Perre lebt in London und hat einen Sohn.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641269753
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.03.2021
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse8607 Kbytes
Illustrationen25 schwarz-weiße Abbildungen
Artikel-Nr.5143929
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Der Künstler und die Hutmacherin:

Meine Familie

Hier, in meinem ruhigen Haus in London, schaue ich mir ein Foto an, das 1940 aufgenommen wurde. Meine Mutter, meine kleine Schwester und ich sitzen an einem Sonntag in Tante Saras Garten; zu dieser Zeit war das noch ein friedlicher Ort. Meine Mutter, die wir liebevoll »Mams« nennen, ist damals 51, meine Schwester Clara zwölf, und ich bin 18. Ein ganz alltägliches Familienbild von gewöhnlichen Leuten: Wir verbringen einen schönen Nachmittag miteinander, genießen den Garten und die Gesellschaft der anderen. Ein Bild davon, wie die Zeit mit der Familie sein sollte - liebevoll, sicher, angenehm, vorhersagbar. Nichts in unseren Gesichtern verrät, was in den folgenden drei Jahren geschehen soll: der Tod meines Vaters, der von Mutter und Clara, meiner Oma, von Tante Sara, ihrem Mann Arie und ihren beiden Söhnen und von vielen anderen Familienmitgliedern - nicht durch natürliche Umstände oder einen Unfall, sondern durch die Grausamkeiten, die sich bei der Aufnahme des Fotos bereits in Europa ausbreiteten und nur zu bald in die Niederlande dringen sollten. Vor diesen grausamen Ereignissen begriffen wir nicht, was für ein Vorrecht es darstellt, ein anonymes Leben zu führen. Noch immer kann ich kaum glauben, dass die Namen von Leuten, die unbehelligt hätten bleiben müssen, jetzt zu ihrem Gedenken auf Listen und Mahnmalen stehen - weil diese Menschen dem methodischsten Massenmordsystem zum Opfer fielen, das die Welt je gesehen hat.

Wie die meisten Leute wurde ich in eine gewöhnliche Familie hineingeboren, deren Erfahrungen nur für diejenigen interessant waren, die sie betrafen. Mein Opa väterlicherseits, Levi Velleman, handelte in Schagen mit Antiquitäten. Er hatte dort und in Haarlem ein Geschäft, doch ein wohlhabender Mann wurde er nie. Meine Oma väterlicherseits, Saartje Velleman, geborene Slagter, war Hausfrau, wie die meisten Frauen in dieser Zeit - allerdings entsprach sie dem Stereotyp nicht, denn sie war keine besonders gute Hausfrau. Ein hoffnungsloser Fall, was Kochen und Putzen betraf, und ihre älteste Tochter, meine Tante Greta, erzählte mir, dass im Haus immer Chaos herrschte: Kleidungsstücke wurden zum Beispiel einfach in die Laden geworfen, so dass ständig alle etwas suchten. Im Haus lebte ein Dienstmädchen, das die schweren Arbeiten verrichtete, aber je älter Tante Greta wurde, desto mehr übernahm sie die Verantwortung für den Haushalt und sorgte für ihre jüngeren Geschwister.

Mein Vater Barend Levi Velleman, das erste Kind von Levi und Saartje, wurde am 10. April 1889 geboren. Seine glückliche Geburt musste für meinen Opa eine Erleichterung bedeutet haben. Seine erste Frau Betje hatte nämlich das Kindbett nicht überlebt, und ihr kleiner Sohn, der auch Barend hieß, starb vier Tage später. Die Vellemans nannten den Erstgeborenen jeder Generation abwechselnd Barend Levi und Levi Barend, weil sie Nachfahren des biblischen Stammes Levi waren. Wahrscheinlich wollte Opa Velleman sehr gern eine Familie gründen, denn am 20. Juni 1888, nur vier Monate nach dem Tod seiner ersten Frau, hatte er Oma geheiratet. Saartje, fünfeinhalb Jahre älter als Barend, war dreißig, als mein Vater geboren wurde - damals fand man das alt für ein erstes Kind. Aber Saartje war eine starke Frau: Insgesamt brachte sie zehn Kinder zur Welt, das letzte im Alter von 43 Jahren. Mein Opa starb 1923 mit 58, und sie überlebte ihn noch sehr lange. Möglicherweise hätte sie ein sehr hohes Alter erreicht, wäre sie nicht mit 83 in Auschwitz ermordet worden. Das geschah am 28. September 1942, nur einige Wochen bevor man meinen Vater, ihren Sohn, ebenfalls ermordete.

Die Ankunft eines gesunden Sohnes stellte einen Grund zum Feiern dar. Doch selbst ganz gewöhnliche Familien haben ihre Traumata, und für meinen Vater sollte das Gefühl, umsorgt zu werden, schon sehr bald der Vergangenheit angehören. Am 16. April 1892, als er drei Jahre alt war, wurde Greta geboren. Eines Tages, Saartje wechselte gerade Greta die Windeln, klopfte es an der Tür. Saartje öffnete und ließ den kleinen Barend bei dem Baby zurück. Als sie das Zimmer wieder betrat, lag Greta weinend auf dem Boden. Saartje gab meinem Vater die Schuld und nahm an, er habe seine Schwester aus Eifersucht vom Tisch gestoßen. Tante Greta sagte später selbst, dass sie wahrscheinlich einfach hinuntergerollt war, aber vielleicht hatte Oma auch recht. Wie bei so vielen Familiengeschichten werden wir die Wahrheit nie erfahren. Jedenfalls schickte man meinen Vater zu seinen Großeltern väterlicherseits. Seine restliche Kindheit verbrachte er bei ihnen in Alkmaar, wo er mehr oder weniger als ihr Sohn aufwuchs.

Man kann nur schwer begreifen, wie Oma ihr Kind so weggeben konnte, aber innerhalb von drei Monaten nach Gretas Geburt war sie wieder schwanger, und sich zusätzlich um ein Kleinkind zu kümmern überforderte sie vielleicht. Die Haushaltsführung war schon nicht ihre stärkste Seite, und sicher bedeutete es eine Erleichterung, dass jemand anders einen Teil ihrer Verantwortung übernahm. Die Großeltern meines Vaters hatten ihn auf alle Fälle sehr gern im Haus.

Mein Vater blieb also in Alkmaar, während die Familie wuchs und seine Eltern und die sieben Geschwister, die das Kindbett überlebt hatten, zusammenwohnten. Weil Barend als Einziger aus der Familie ausgeschlossen war, litt er schrecklich unter dem Gefühl, zurückgewiesen zu werden. Seine frühe Verbannung verfolgte ihn für den Rest seines Lebens; er hat seiner Mutter nie verziehen, dass sie ihn nicht zurückgeholt hat. Und obwohl er während seiner Kindheit durchaus Kontakt zu ihr hatte, weigerte er sich als Erwachsener jahrelang, mit ihr zu sprechen. Bis in meine späte Jugend habe ich seine Familie nie getroffen, außer Onkel Harry, einen seiner jüngeren Brüder, zu dem er doch Kontakt hielt. Ich nehme an, dass Pa hin und wieder etwas von den anderen Geschwistern hörte, auch wenn er nie darüber sprach. Ich war neugierig auf sie, doch die Entfremdung war ein so fester Bestandteil unseres Familienlebens, dass ich es einfach hinnahm und nur sehr selten darüber nachdachte.

Im Jahr 1941, als ich neunzehn war, fand diese Situation ein Ende. Eines Tages klopfte es, und ich öffnete. Draußen stand eine elegante, in Schwarz gekleidete Frau mit hochgestecktem Haar.

»Ist dein Vater zu Hause?«, fragte sie.

Ich holte Pa.

»Mutter!«, rief er aus.

Voller Erstaunen sah ich zu.

Ich freute mich sehr, neue Familienmitglieder kennenzulernen, vor allem Tante Greta, weil alle sagten, ich sei ihr ähnlich, sowohl vom Äußeren her als auch in meinem Verhalten. Zuerst hatte ich das als Beleidigung aufgefasst, weil ich wusste, dass mein Vater ihr gegenüber einen Groll hegte, doch es stellte sich heraus, dass sie eine sehr liebe Frau war. Sie überlebte den Krieg, weil sie einen Christen geheiratet hatte, und nach der Befreiung war es wunderbar, dass ich sie besuchen konnte.

Oma fragte Pa, ob ich mit ihr eine ihrer anderen Enkelinnen besuchen dürfe: meine Cousine Sarah, die man in einem bekannten Kinderheim außerhalb Amsterdams untergebracht hatte. Zusammen fuhren wir mit dem Zug hin, und Sarah und ich wurden enge Freundinnen. Ich genoss es, eine größere Familie zu bekommen. Die Möglichkeit, die Beziehung zu den Verwandten väterlicherseits wiederherzustellen, war für uns sehr wichtig. Die Liebe macht das Leben erst lebenswert, und ich denke, Oma wollte das Vorgefallene wiedergutmachen, bevor es zu spät wäre.

Tragischerweise wurden die kleinen Schritte, die wir zur Heilung des Bruchs unternahmen, abrupt beendet, ehe wir recht viel mehr als eine Annäherung erreicht hatten. Im Jahr 1942 zwang man Oma, die noch allein in Haarlem wohnte, in ein jüdisches Altersheim in Amsterdam umzuziehen. Mama, Clara und ich besuchten sie jede Woche, aber später im selben Jahr wurden alle Bewohner des Altersheims nach Westerbork ins Durchgangslager geschickt und von dort aus nach Auschwitz transportiert und ermordet. Das Altersheim wurde einfach geräumt. Wir wussten damals nichts davon und haben uns nicht von ihr verabschieden können. Oma war verschwunden. Ich weiß nicht genau, wann sie auf Transport musste, aber wahrscheinlich war es kurz vor ihrem Tod. Zu dieser Zeit herrschte unter uns Juden so viel Verwirrung, dass es schwierig war, einen Überblick darüber zu behalten, wo sich einzelne Menschen befanden, selbst wenn es sich um nächste Angehörige handelte. Erst nach dem Krieg erfuhr ich von Omas Schicksal. Einer von Pas jüngeren Brüdern hatte erzählt, sie sei in Westerbork gestorben, aber als ich in den Listen nachschaute, sah ich, dass sie am 28. September 1942 in Auschwitz ermordet worden war.

Mein Urgroßvater besaß eine Fabrik, zu der die Lumpensammler ihre Lumpen zur Papierherstellung brachten. Das Geschäft lief gut, und Pa profitierte von dem relativen Wohlstand, in dem er lebte. Er war ein intelligenter Junge, der in der Schule mehrere Klassenstufen übersprang, und die Familie setzte große Erwartungen in ihn. Er ging auf die Höhere Bürgerschule, bis er mit siebzehn auf eine Jeschiwa (eine Talmudschule) in Amsterdam geschickt wurde. Seine Großeltern waren fromme Menschen, und ihnen lag sehr viel daran, dass er eine mit dem Glauben verbundene Karriere einschlug. Er hatte eine gute Tenorstimme, und sie wünschten sich, er solle Kantor oder Rabbiner werden.

Doch Pa dachte ganz anders darüber: Schon lange hatte er den dringenden Wunsch verspürt, zum Theater zu gehen. Als Jugendlicher hatte er als Regisseur Theaterstücke auf die Bühne gebracht, in denen Familienmitglieder und Freunde Rollen übernahmen. Diese Stücke führte man nicht nur zur Unterhaltung der Angehörigen auf, sondern auch bei Anlässen in der Gegend....

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Autor

Selma van de Perre wurde 1922 geboren und war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der niederländischen Widerstandsbewegung. Kurz nach dem Krieg ging sie nach London, wo sie für die BBC arbeitete und ihren zukünftigen Mann kennenlernte, den belgischen Journalisten Hugo van de Perre. Einige Jahre lang arbeitete sie auch als Auslandskorrespondentin für einen niederländischen Fernsehsender. Selma van de Perre lebt in London und hat einen Sohn.