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Der andere Herzinfarkt

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
221 Seiten
Deutsch
Lübbe Lifeerschienen am21.12.20201. Aufl. 2020
Herzerkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Frauen. Wenn aber medizinische Forschung nur mit männlichen Probanden stattfindet, müssen Frauen alarmiert sein. Denn die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind zu groß, um sie einfach zu übertragen. Die Folge sind falsche Therapien, ratlose Ärzte und frustrierte Patientinnen. Die renommierte Medizinerin Angela Maas klärt über die Besonderheiten des weiblichen Körpers auf, spricht über Risikofaktoren wie Menopause und Brustkrebs - und sie weiß, was Frauen tun können, um ihre Gesundheit zu erhalten.


Prof. Dr. Angela Maas ist international anerkannte Expertin für weibliche Kardiologie, Autorin zahlreicher Bücher und sie leitet ein Zentrum für mikrovaskuläre Koronarerkrankungen speziell für Frauen mit Patientinnen aus aller Welt. Ihr Ziel ist es, geschlechtergerechte Medizin in der Praxis zu verankern und Frauen - Patientinnen und Ärztinnen - durch dieses Wissen zu empowern.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextHerzerkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Frauen. Wenn aber medizinische Forschung nur mit männlichen Probanden stattfindet, müssen Frauen alarmiert sein. Denn die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind zu groß, um sie einfach zu übertragen. Die Folge sind falsche Therapien, ratlose Ärzte und frustrierte Patientinnen. Die renommierte Medizinerin Angela Maas klärt über die Besonderheiten des weiblichen Körpers auf, spricht über Risikofaktoren wie Menopause und Brustkrebs - und sie weiß, was Frauen tun können, um ihre Gesundheit zu erhalten.


Prof. Dr. Angela Maas ist international anerkannte Expertin für weibliche Kardiologie, Autorin zahlreicher Bücher und sie leitet ein Zentrum für mikrovaskuläre Koronarerkrankungen speziell für Frauen mit Patientinnen aus aller Welt. Ihr Ziel ist es, geschlechtergerechte Medizin in der Praxis zu verankern und Frauen - Patientinnen und Ärztinnen - durch dieses Wissen zu empowern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732598328
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.12.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Seiten221 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5161615
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1
Geschlecht und Gender: Weibliche Herzpatienten aus historischer Perspektive

Vor beinahe 250 Jahren beschrieb ein englischer Internist namens William Heberden zum ersten Mal Beschwerden im Zusammenhang mit Schmerzen in der Brust. Er bezeichnete sie als »Angina Pectoris« [1] und stellte fest, dass diese Beschwerden vor allem bei Männern über 50 auftraten. Das stimmte auch, denn im 18. Jahrhundert wurden die meisten Frauen nicht älter als 40: Sie starben oft jung im Wochenbett, lange bevor sie Krankheiten an den Herzkranzgefäßen aufweisen konnten.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die Kardiologie vor allem für und durch Männer zu einem eigenständigen Spezialgebiet entwickelt. In vielen Studien wurde die Teilnahme von Frauen als nicht relevant betrachtet, und an diesem Standpunkt hielt man bis zum Beginn dieses Jahrhunderts fest. [2] Die Gesundheitsfürsorge für Frauen konzentrierte sich lange Zeit auf den bikini approach: Die Aufmerksamkeit galt vornehmlich Krankheiten der weiblichen Brust und der Fortpflanzungsorgane.

Gleichzeitig kam aber auch der Frau eine wichtige Bedeutung zu, und zwar als Lebensgefährtin und Pflegerin männlicher Patienten. Im Jahr 1960 organisierte man im amerikanischen Portland eine Konferenz, in deren Rahmen Frauen den optimalen Umgang mit dem Herzinfarkt ihres Mannes erlernen konnten. Manchmal warf ein solches Ereignis die Frauen emotional aus der Bahn, obwohl ihre psychische Unterstützung für die Genesung ihrer Ehepartner doch gerade wichtig war. Die Vorstellung, Frauen trügen eine Mitschuld an den Herzinfarkten ihrer Männer, hielt sich bis weit in die Siebzigerjahre. Für Frauen gab es damals Kurse, in denen sie lernten, so gesund wie möglich zu kochen und ihre Männer nicht übermäßig mit Tätigkeiten im Haushalt zu belasten. Männer hatten schließlich bereits im Beruf viel Stress und trugen eine große Verantwortung. In verschiedenen Fachzeitschriften wie dem führenden British Medical Journal wurde die Frage aufgeworfen, ob Frauen möglicherweise zu viel von ihren Männern gefordert hatten und der Herzinfarkt eine Folge davon war. [3]

Auch die Niederländische Herzstiftung stellte in einer Kampagne von 1975 die Frau in den Mittelpunkt: nicht als Patientin, sondern als Pflegerin ihres Mannes und als diejenige, die zu Hause dafür zuständig war, dass gesund eingekauft und verantwortungsbewusst gekocht wurde. Dass Frauen selbst einen Herzinfarkt erleiden konnten, war damals noch kein Thema. Man ging allgemein davon aus, Frauen würden durch ihre Östrogene vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt werden. Damit ist die Kombination von Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Schlaganfällen und Herzversagen gemeint. Daraus schloss man, dass Östrogene womöglich auch Männer, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, vor neuen Herzproblemen schützen könnten. So entstand das Coronary Drug Project: eine Studie mit mehr als 8.000 Männern, die nach einem Herzinfarkt entweder Östrogene oder ein Placebo (Tabletten ohne Wirkstoffe) erhielten. [4] Diese Untersuchung stellte man allerdings nach anderthalb Jahren vorzeitig ein, da die Sterblichkeit in der Männergruppe, die Östrogene einnahm, höher lag als in der Placebogruppe. Es hatte sich also herausgestellt, dass sich Östrogene nicht für die Behandlung von Männern mit Herzbeschwerden eigneten. Zugleich lieferte das Scheitern der Studie ein erstes Anzeichen dafür, dass die Sache mit den Frauen und den Östrogenen möglicherweise komplexer war als bisher angenommen.
Der Durchbruch

Erst im Jahr 1991 wurden Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen zum Gegenstand medizinischen Interesses. Im renommierten New England Journal of Medicine erschienen mehrere Artikel, die die These vertraten, Frauen mit Herzbeschwerden würden weniger gut untersucht und behandelt als Männer. [5, 6] Die damalige Direktorin der amerikanischen National Institutes of Health, Bernadine Healy, regte daraufhin an, Frauen sollten lieber wie Männer auftreten, damit man sie ernst nehme. Sie bezeichnete das als »Yentl-Syndrom«, eine Anspielung auf eine Geschichte von Isaac Bashevis Singer [7], in der sich eine junge Jüdin als Mann verkleidet, um die Talmudschule besuchen zu können. Healy gehörte zu den Pionieren bei der Untersuchung der wichtigsten Ursachen von Krankheit und Sterblichkeit von Frauen nach den Wechseljahren, die im Rahmen der Women s Health Initiative stattfand. Sie umfasste groß angelegte Untersuchungen zu Osteoporose (Knochenschwund), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedenen Krebsformen wie Brustkrebs bei Frauen.

1996 begann die Women s Ischemic Syndrome Evaluation-Studie, durch die wir viel über die Mechanismen von Herzbeschwerden bei Frauen mittleren Alters gelernt haben. [8] Diese zu Beginn der Neunzigerjahre durchgeführten Untersuchungen führten zu einer höheren Beteiligung von Frauen an Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wenngleich die Aufmerksamkeit nach einiger Zeit wieder nachließ. [2] Offensichtlich ist es notwendig, Herz- und Gefäßkrankheiten bei Frauen immer wieder die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Im Jahr 1991 erschien auch das erste Buch über Herzkrankheiten bei Frauen, verfasst von der Internistin und Kardiologin Marianne Legato, der amerikanischen Begründerin der genderspezifischen Medizin. [9] Mit ihrer Publikation wollte Legato endgültig die falsche Wahrnehmung entkräften, Herz-Kreislauf-Erkrankungen beträfen nur Männer, und Frauen mit entsprechenden Beschwerden seien »hysterisch«. Schon damals ließ sich deutlich erkennen, dass Frauen im Durchschnitt später im Leben als Männer einen Herzinfarkt erleiden, die Sterblichkeit bei ihnen jedoch höher ist. Hier war Marianne Legato ihrer Zeit weit voraus.

Einige weitere große amerikanische Pionierinnen, die für die Frauenkardiologie viel geleistet haben, sind Professor Nanette Wenger (Emory University, Atlanta) und Professor C. Noel Bairey Merz (Direktorin des Barbra Streisand Women s Heart Center, Los Angeles). Beide hatten großen Einfluss auf die Durchführung wichtiger Untersuchungsprojekte und die Entwicklung von Richtlinien in der kardiologischen Behandlung von Frauen. Herz- und Gefäßkrankheiten wurden zunächst als »Männerproblem« angesehen, doch seit Beginn dieses Jahrhunderts stehen sie auf dem ersten Platz in der weltweiten Rangliste der Todesursachen bei Frauen.

Frauen sind keine kleinen Männer
Als man sich im Jahr 1991 für das weibliche Herz zu interessieren begann, war ich seit drei Jahren Kardiologin und bekam immer größere Schwierigkeiten mit weiblichen Patienten, die wissen wollten, was ihnen fehlte und warum ich ihre Fragen nicht beantworten konnte. Ich kannte die Antworten einfach nicht. Während der Ausbildung hatte ich gelernt, dass herzkranke Frauen unter seltsamen Beschwerden litten und dass die Ergebnisse ihrer Elektrokardiogramme (EKGs), Belastungs-EKGs und Herzkatheteruntersuchungen nicht stimmten. Für die damalige Zeit lässt sich das noch verstehen, aber es ist nicht akzeptabel, dass dies immer noch der Fall ist: Wir verwenden weiterhin standardmäßig die männliche Messlatte für Frauen, doch Frauen sind keine kleinen Männer. Die vergangenen Jahrzehnte haben uns gelehrt, dass die Muster der Arterienverkalkung und der Alterung des Herzmuskels bei Männern und Frauen jeweils andere sind. Darum müssen wir für eine korrekte Diagnose unterschiedliche Herangehensweisen wählen und auch bei der Behandlung entsprechende Entscheidungen treffen. Ich bin im Jahr 1991 gewissermaßen auf diesen fahrenden Zug aufgesprungen, der uns zu einer besseren kardiologischen Versorgung von Frauen bringen soll, und seitdem hat mich dieses Thema nicht mehr losgelassen.

Was bedeuten »Geschlecht« und »Gender«, und warum ist das wichtig?

In der Medizin verstehen wir unter Geschlechtsunterschieden die rein biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die die Folge unterschiedlicher, genetisch bedingter Geschlechtshormone sind und bei vielen Krankheiten zu Unterschieden zwischen männlichen und weiblichen Betroffenen führen. Auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigt sich dies unter anderem in den sich unterscheidenden Mustern des Alterungsprozesses des Herzmuskels und der (Herzkranz-)Gefäße von Männern und Frauen. [10, 11] Beim Begriff »Gender« hingegen geht es um das Verhalten des Individuums in seiner oder ihrer Umgebung, was ihm einen persönlicheren und stärker soziokulturell bestimmten Charakter verleiht. [12] Geschlecht bezeichnet also vor allem biologische Unterschiede und Gender Unterschiede im Verhalten. Außerdem erhält der Begriff der Geschlechterrolle immer größere Aufmerksamkeit. Dabei liegt die Betonung auf der Dominanz der weiblichen oder männlichen Charaktereigenschaften einer Person. So wissen wir, dass Patienten (männliche und weibliche), die in jungen Jahren (unter 55) einen Herzinfarkt erlitten haben, einem größeren Risiko ausgesetzt sind, einen zweiten Infarkt zu bekommen, wenn sie Eigenschaften aufweisen, die häufiger bei Frauen auftreten, beispielsweise eine Neigung zu Angst und Unruhe. [13]

Die Begriffe »Geschlecht« und »Gender« sind manchmal schwer voneinander zu trennen, werden häufig zu Unrecht synonym verwendet und verändern sich im Laufe der Zeit im Verhältnis zu den Lebensphasen, der Ausbildung, den persönlichen Beziehungen und der Umgebung. Beispielsweise sehen wir, dass die globale Verstädterung in den vergangenen Jahrzehnten Auswirkungen auf unser genetisches Material und auf unser Verhalten hat. Mehr Stress, mehr Lärm, mehr Luftverschmutzung, ein anstrengendes Leben mit...

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Autor

Prof. Dr. Angela Maas ist international anerkannte Expertin für weibliche Kardiologie, Autorin zahlreicher Bücher und sie leitet ein Zentrum für mikrovaskuläre Koronarerkrankungen speziell für Frauen mit Patientinnen aus aller Welt. Ihr Ziel ist es, geschlechtergerechte Medizin in der Praxis zu verankern und Frauen - Patientinnen und Ärztinnen - durch dieses Wissen zu empowern.